2. Abschnitt: Technische Anzeigen unter der Lupe a) Ein Spaziergang durch den Anzeigenteil einer technischen Fachzeitschrift Wenn Kant regelmäßig nachmittags zur bestimmten Stunde, fast auf die Minute seinen Spaziergang antrat, um sich zu ergehen und seine Gedanken zu neuen Er kenntnissen zu sammeln, fiel dies, wie oft es auch geschah, den Königsberger Bürgern angenehm auf. Warum? Weil sie Nutzen von dieser pedantischen Pünkt lichkeit hatten, weil sie ihre Uhren hiernach einstellen konnten. Wenn ein Fischhändler regelmäßig freitags im Morgenblatt anzeigt: „Heute frische Schellfische", so fällt das ebenfalls angenehm auf, weil der Leser daran erinnert wird, daß Fischtag ist, und daß gerade Schellfisch lange nicht auf dem Mittagstisch stand. Wenn aber in einer technischen Fachzeitschrift eine Anzeige, die „Krane für alle Zwecke" anbietet, zwanzig Jahre lang, Woche für Woche in fast derselben Auf machung erscheint, so fällt sie schon nach dem zweiten Erscheinen nicht mehr auf, weil sie aber auch rein gar nichts bietet, was den Leser irgendwie interessieren oder Abb. 17 18 nutzen könnte (Abb. 17). Diese Anzeige hat noch nicht einmal Erinnerungswert. Mag Seite 10 sie sich auf den Kopf stellen (Abb. 18) und die Schlagzeile (Krane für alle Zwecke) sowie den Firmennamen (Zobel, Neubert & Co.) einmal in umgekehrter Reihenfolge bringen. Auf Grund solcher gedankenlos zusammengesetzter Schablonen-Anzeigen hat man wirklich recht zu behaupten „Inserieren hat keinen Zweck". Der Chefredakteur einer großen deutschen Tageszeitung sagte einmal in einem Vortrag „Ingenieur, Industrie und Presse": „Ich verstehe nicht, warum in Deutschland derteuere Anzeigenraum von den Inserenten nicht hundertprozentig ausgenutzt wird. Immer dasselbe, immer dasselbe. Von neuen, zugkräftigen Werbeideen fast keine Spur." Oberflächlich betrachtet könnte es einem Chefredakteur und seiner Zeitung gleich sein, wie der Anzeigenraum ausgefüllt wird. Genauer betrachtet gewinnen bei bes serer Anzeigengestaltung aber beide, Inserent und Zeitung. Denn durch die Erfolge, die der Anzeigende mit werbekräftigen Anzeigen erzielt, wird er es für zweckmäßig halten, stetig anzuzeigen. So dienen also viele amerikanischen Zeitungen und Fach zeitschriften sich und den Anzeigenden am besten, wenn sie zur Bedingung machen, daß bei einem Anzeigenabonnement jede Anzeige anders gestaltet und abgefaßt sein muß. Sie erziehen die Anzeigenden dazu, Erfolg zu haben. Spazieren wir weiter im Anzeigenteil unseres Fachblattes und nehmen jetzt vier Anzeigen unter die Lupe, die in den Jahren 1889 bis 1931, also innerhalb einer halben Jahrhundertspanne, erschienen. Ein ungebildeter Mensch mag sich nach der jeweilig herrschenden Mode kleiden Abb. 19—22 wie er will. Er bleibt ungebildet, so lange er an seiner Bildung nichts tut. In der äuße- Seite 11