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Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 14.01.1911
- Erscheinungsdatum
- 1911-01-14
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1666408611-191101145
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1666408611-19110114
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1666408611-19110114
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungRiesaer Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1911
- Monat1911-01
- Tag1911-01-14
- Monat1911-01
- Jahr1911
- Titel
- Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 14.01.1911
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Ein seltsamer Zwieft-lt war in Leonies Seele, sie teilte ihre Gedanken zwischen Hart und ihrer Nachbarin. Hart sah sie tägliche wenn er vorüberritt, und er grüßte nicht mehr nur, wie früher, mit der Peitsche und der Kappe — ein leuchtender, bewundernder und sieghafter Blick flog meist zu der jungen Frau hinauf. Leonie redete sich ein, die Sache sei ja so harmlos! Eine Verehrung seitens eines interessanten Mannes. Daß sie diese Verehrung duldete, ja, — durch Stillschweigen ermunterte, hielt sie für ganz gefahrlos und für ihr gutes Recht. Weshalb hatte Konrad versäumt, der werbende Liebhaber zu b leiben! Und ihr und Hart unbewußt, sahen zwei ernste, kluge Frauenaugen dieses „Spiel mit dem Feuer", Josephine Welling, die in dem einsamen Hause der Pflege ihretz todkranken Sohnes lebtet Ti« Pflege war nicht leicht. Herbert war rauh und verbittert, ungeduldig und un- fiigsam, eine Herrennatur, die gegen den grimmen Feind, der sie gepackt hatte und nicht und nimmermehr loslasfen wollte, in fortwährendem Kampfe lag und der oft in übler Laune seine Umgebung entgelten ließ, was er an Schmerzen zu leiden hatte. Aber wenn der Kranken pfleger, wenn der treue Diener erlahmte, wenn des Kran ken heftige, anklagende Worte sie zu Zeiten unfreundlich oder traurig machten, — eine blieb stets gleich in Liebe, Güte und Nachricht für ihn, —- das war die Mutter. Durch Erzählungen der Bekannten, durch gelegentliche Aeuße- rungen Schellmanns, der mit dem Arzt deS Kranken be freundet war, hatte Leonie dann Kunde bekommen. Sie fühlte etwas wie Bewunderung Eine aufopfernde Mut ter und Pflegerin, der in dieser Zeit nie ein Dank, selten ein freundliches Wort, aber mancher ungerechte Vorwurf zuteil wird, da» wäre über ihre Kräfte gegangen. Und dann sah sie eines Tages neben Josephine in deren kleinem, an den großen Salon anstoßendem Zimmer. „Ich komme, um mich nach Ihrem Befinden zu er kundigen, gnädige Frau," sagte Leonie gleichsam als Er- Närung. „Ich danke Ihnen, Frau Amtsrichter, es geht mir gut." Gut, dachte Leonie, sagt sie, während ich an ihrer Stelle und unzählige andere das Geschick beklagen wür den. „Und Herr von Welking?" fragte sie weiter. „Mein armer Sohn ist sehr schwach — und hat große Schmerzen, Gott weiß allein, wie er leidet, — und wir können nichts tun, als ihn zu beklagen und lieb zu haben." ,Mird Ihnen die Pflege des Kranken nicht zu schwer?" Josephine sah Leonie an, dann sagte sie lächelnd: „Wenn Ihnen Gott ein Kind geschenkt hätte, würden Sie nicht fragen; ich habe fünf Kinder gehabt und großge zogen, — und mein Schicksal ist, daß ich diesen Aeltesten an einem qualvollen Leiden langsam dem Tode entgegen siechen sehe — aber noch niemals ist mir etwas „zu schwer" geworden, was für sie getan sein mußte." „Fünf Sinder!" sagte Leonie bewundernd, — „wo sind sie denn?" „Meine vier Töchter sind verheiratet, — die jüngste erst seit einem Jahr — alle fern von hier, zwei mit Offizieren, eine mit einem Regierungsbeamten, die vierte mit einem Gutsbesitzer." „Cs muß doch schwer sein, sich so von den Kindern zu trennen, so — für immer," sagte Leonie, trotzdem sie wußte, daß die meisten Mütter in solche Heiratstrennung sich gern und leicht finden. „Wenn wir sie glücklich und zufrieden wissen, — wenn sie an richtiger Stelle stehen, — dann nicht, wir Mütter lernen eS nach und nach, daß unsere Kinder uns nur kurze Zeit ganz gehören — und nur im engen Raum der Kindheit sind sie dein! Wenn das Lebern an sie heran tritt, daun müssen sie ins Leben, und es ist unsere Pflicht gewesen, sie fürs Leben auszurüsten. Leider lehrt uns das erst die Zeit, — das sollte man den jungen Müttern Uar machen, damit sie die Zeit wohl auskosten können!" Leonie dachte an Emmy Elmshorn, so hatte diese doch auch gesagt. , Aber wenn sie uns das Leben g'anz nimmt, loenn sie keine frohen, zufriedenen Gedanken mehr für ihrs Jugend und Kindheit haben, — das ist schlimm." Jose phine hatte mehr zu sich als zu Leonie gesprochen, undl Leonie mußte plötzlich des Sohnes gedenken, den sie Pflegte — „treu, unermüdlich und still duldend". Fast wurde Freundschaft aus Leonies Besuchen, Jospehine fühlte, daß die kleine Frau eine Ablenkung suchte, daß sie ihren Gedanken entfliehen wollte, daß sie unbefriedigt war. Der gefundene Brief, dessen Adresse! sie gesehen hatte, gab ihr zu denken. Und ihr Verstand und ihr Herz sagten ihr das Rechte! Das Paar hatte sich aus Neigung geheiratet, die junge, verwöhnte Frau wollte weiter verwöhnt werden, und als der Gatte, nun das nicht in der Weise tat, wie sie sich gedacht, als ihr ein anderer, äußerlich und durch seine Erlebnisse inter essanter scheinender Mann seine besondere Verehrung zeigte, da war der Zwiespalt da, der schon den Frieden mancher Frauenseele bedroht und vernichtet hatte. Sie hätte Leonie gern geholfen, einen Ausweg gezeigt; — aber sie durfte nicht, sie mußte warten, bis die jung« Frau ihr, der älteren, Vertrauen zeigen würde, ein Ver trauen, wie sie es als Fremde der Fremden gegenüber nicht ohne weiteres erwarten durste. Uick> dann kam eiU Tag — ein schwüler, brennend heißer Frühsommertag- an dem Leonie in dem dämmrigen Gemach an gvsephinens Seite saß und die stille Frau einen Blick tun ließ in das heiße, ungestüm nach „anderem Glück" verlangende Herz< Leonie verschwieg nichts; so lange zurückgedrängt, selbst brieflich an Irene nicht erwähnt, flössen die Wwte von, ihren Lippen, vielfach anklagend, — aber auch entschul digend, —> anklagend besonders, wenn e- sich um Schell mann handelte, entschuldigend gegen sich selbst. Mit Heftigkeit wollte sie nun den götllichen Funken! in sich zur Flamme entfachen, auf das vor Jahren aus gesprochene Urteil einer Sängerin und Gesanglehrerin hin noch Musik studiere». < „Und Sie wollen sich von Ihrer» Wanne trennen/ Frau Amtsrichter?" „Er versteht mich nicht, — er ist viel zu sehr Berufs mensch, — und — ich möchte so gerne glücklich sein!" „Unser Leben führt uns manchmal andere Wege zuml Glück, als wir denken und Höften!" sagte Josephine ernst/ „und jedes Menschen Glück sieht anders äuS." „Aber wenn man so jung ist, wie ich und hat kein« Freude am Leben, — was soll man dann machen?" fragte Leonie kläglich. „Darf ich ganz offen sein- Frau Amtsrichter?" „Bitte — ach ja — vielleicht können Sie mir raten l" Josephine legte ihre kühle, feine Hand auf LeonieS heiße Hände, die im Schoße verschlungen ruhten: „Wissen Cie, was Ihnen fehlt, "ronie? — Nicht der göttlich« Funken, den Sie Pflegen wollen oder den Sie juchen und nicht finden können, sondern — einfach Pflichten !> EL wird nichts von Ihnen verlangt, was Ihrer beider Lebens nett lind steundlich gestalten soll: um die Wirtschaftssvrgen brauchen Sie sich nicht zu kümmern, Kindersorgen sind Ihnen noch nicht beschicken, — während Ihr Gatte stets und treu Täg für Tag seinem Berufe nachgeht, — der oft nicht leicht ist und oft nicht angenehme Dinge bringt! Ter Verkehr mit den Kleinstädtern freut Sie nicht, —Z weil Sie noch nicht gelernt haben, im Menschen den Men schen und das Menschliche zu sehen, well Sie, gewöhnt/ im Rausche der Großstadt zu leben, die ruhig« Art der Menschen hier nicht verstehen, vielleicht nicht verstehen! wollen. Helfen Sie sich selbst zum Glück, — e» steht so dicht neben Ihnen, Kind, Kind, gehen Sie nicht so leicht? sinnig daran vorüb: ! Ein treuer ehrenhafter, fleißiger Mann im behaglichen Heim, sind das nicht zwei Grund pfeiler zum Glück?" HSchkuck folgt.), , Druck und Verlag von Langer L Winterlich. Riesa. — Für die Redaktion verantwortlich: Hermann Schmidt, Riesa, Erzähler an der Elbe. Belletr. Gratisbeilage za» „Riesaer Tageblatt". Souamsehnsacht. Roman von Freifrau Gabriele von Schlippenbach. (Herbert Rivulet.) Nachdruck verboten. Die Kunstausstellung am Lehrter Bahnhof in Ber lin war eröffnet. Es war ein heißer Tag, Anfang Juni. Der HimMek sah wie ein großes, lichtblaues Zelt aus, von goldene» Sonnenstrahlen durchleuchtet, die verschwenderisch ihre Funkengarben über die kaiserliche Residenz an der Spree ausstreuten. Der Ausstellungspark bot ein reizen des, belebtes Bild. Die Hellen Sommerkleider der Damen- die Uniformen der Offiziere und dazu das frische Laub der Bäume und Sträucher vereinten sich, um einen fest lichen, frühlingsfrohen Eindruck hervorznrufen. Die Eisenbahnzüge brachten fortwährend neue Gäste, die sich die Kunstausstellung ansehen wollten; die 1» der Nähe wohnenden Personen kamen zu Fuß- und auf allen Gesichtern lag ein Ausdruck, der zu sagen schien: „wir wollen uns gut unterhalten- die alltägliche Nüchternheit abfchütteln, es ist ja Frühling, und die Sonne lacht so hell am Himmel! Wer sollte da nicht wenigstens für kurze Stunden glücklich sein?!" Es ist eben etwas Eigenes um die Sonnensehnsucht im menschlichen Herzen. Alle streben wir nach ihr, alle strecken die Arme sehnsüchtig nach Licht und Wärme vuS, aber wie verschieden verteilt da» Leben, was mau Glück nennt. ES ist ein besonders hohes Maß, da» manche als natürlich ihnen zukommend hinnehmen. Sie sind auf der Sonnenseite des Lebens geboren, Frau Sorge, die graus Frau- betrat ihre Schwelle Richt. Sie betrachten eS als ihnen gettihreud, die Schoßkinder deS Glückes zu sein. Und «S gibt Schatten blumen , denen karge Sonnenstrahlen zuteil werden, die dankbar für jeden Gruß deS Lichte» sind und dennoch hur Blüte kommen. Tritt der Kampf und Ernst de» Daseins an sie heran, so werden sie gewappnet dastehe» Und bessere Streiter sein als jene, die von Kindheit Vn im Ächte gelebt ohne Entbehrung, ohne das Versage« ihrer Wünsche. Ja, dis Sonnensehnsucht, die lebt ist allen, sie hat jedes Herz erfüllt. „Mutti, sieh doch das schöne Bild rechter Hand; eS heißt „glückliche Menschen"! Paßt es nicht auf UNS?" Die Sprecherin ist ein allerliebstes junges Mädch-n, höchstens achtzehnjährig. Sie ist in eleganter Heller Sommerkleidung. Nn großer Strohhnt mit weißen Straußenfedern beschattet das hübsche Gesichtchen. Dunkelblaue Augen lachen fröhlich unter feingezeichneten Brauen, Augen, denen man cs ansieht, daß sie noch Richt oft geweint haben oder nachts sich nicht schließen konnten, weil ein Leid das Herz nicht schlafen ließ. Die Mutter ist eine stattliche, schöne Dame. Auch sie ist sehr elegant gekleidet. Ihr leicht ergrauter Kopf wird frei und stolz getragen; inan sieht es der Baronin von Schorn an, daß sie zu jenen Auserwählten gehört, die auf der Sonnenseite des Lebens geboren sind. DaS Bild, das ihre Tochter Elfriede entzückt hat, stellt eine Familie dar: Vater, Mutter, zwei Töchter und einen schönen jungen Mann, offenbar der Verlobte des jüngeren Mädchens, denn er hat den Arm um die schlanke Gestalt gelegt, und ihre Hände ruhen ineinander, während sie den Kopf an seine Schulter lehnt, und in .hingebender Liebe in sein männlich schöne» Antlitz blickt. Da» ältere Paar sitzt behäbig «uf den Garten stühlen der Terrasse; im Hintergründe sieht «um ei» prächtiges altes Schloß, nütz hohe Bäume breiten ihre Wipfel davor aus. Eine köstliche Fernsicht bietet sich dem Auge vor dem Liebling-Plätzchen der glückliche« Menschen: hohe Berge, tiefe Täler« Siro« und Wald so abwechslungsreich wie bezaubernd. An den Mißen der beiden Men spielen zwei weißgekleidete Kinder mit eine« Jagdhunde. Die zweite jugendliche Dome nnch die Mütter sein, denn fiGbeugt sich zärtlich Aber de« blondlockigen Buben und weist nach dem Schlöffe. Ihr Gesicht lächÄt; durch die alte Buchenallee kommt ei« Herr in Jägerlleidung und lüftet grüßend den hnt; eS muß ihr Man« fein, der Vater ihrer Lieblinge. Und über das ganze Bild ift der rotgoldene Schein der untergehenden Sonne auSge-ossen. Er beleuchtet die weißen Haare de- Großvater» und der Großmutter, er gleitet hinüber, zum alten Stammsitze der Familie, daß die vielen Muster strahlen; die Sonne küßt der jungen Braut lieblicher Gesicht und verklärt die feine» Züge der glücklichen Gattin und Mutter. Sieht r» doch aus, al» müßte sie, ihre Kinder an der Hand, dem Jäger entgegeneilen und sich an feine Brnst schmiegen. —; Die Baronin Schorn hat die Hand ihrer Tochter gefaßt. Beide stehen versunken in den »Anblick de» Bildes, das eine ihnen bekannte Sprache führte „Papachen, kaufe da» Bild, bitte, bitte!" Elfriede von Schorn legt zärtlich den Arm in de« des Vaters. Er ist ein Sechziger, aber die strsmme Haltung, das frische Aussehen und die blitzenden grane« Augen unter buschigen »ranen lassen ihn um »chu Jahre jünger erscheinen. Unverkennbar ift Bereu Hug» von Schern Offizier gewesen. Er trägt de» Band deS eisernen Kreuzes, da» er sich t» heißen, blutigen Strauß al» Leutnant bei Mar» l« Donr errungen. Neben seiner Freiherrenkroue iftje» fei» höchster Schatz, nur daß ihm erstere ohne fei« Verdienst zuteil wurde, letzteres, da» schlichte Band, durch per sönliche Tapferkeit im Kampfe für fein deutsche» BMrr- land. „Kaufe da» Bild!" wiederholt Baron Schor«. „Warum Friedel?" So nennt er seine Tochter gern. „ES heißt: „glückliche Menschen"! Väterchen,-sich doch, fast alles paßt auf uns! Da» da ist Jrmgsrd mit ihren Kindern, einem Buben und eine« Mädchen- ihr Mann ist ja lecoenschastlicher Jäger, wem» er Urlaub hat und im Herbste nach Schornstätten kommt, Mutti und Du sitzt abends gern auf der Terrasse; ich finde, das Schloß gleich dem unfern!" „Na, na, laufe nicht wieder davon mit Deiner Phantasie, Friedel!" lacht der Baron, „ich finde, daß Schornstätten ganz anders aussieht, und wo findest Dn in unserm märkischen Sande die Berge wie hier auf dem Bilde?" „Ach ja, das ist wahr," entgegnete Elfriede etwa» kleinlaut. „Aber es stimmt doch, Papachen; das Bild heißt „glückliche Menschen", und da» sind »vir auch!" Baron Schorn streichelte die kleine Weiße Hmst seiner Töchter; sie war sein LieblingSkind. „ES fehlen Bruno und Gustav," sagte Frau vn« Schorn, „unser AStester und unser Nesthäkchen. Ueb- rigenS, wo bleibt Bruno so lauge? TS ift stift Uhr; « versprach um halb 6 hier zu fein." „Der Herr Leutnant nimint sich Zett/ Warle,"
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