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Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 30.11.1911
- Erscheinungsdatum
- 1911-11-30
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1666408611-191111308
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1666408611-19111130
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1666408611-19111130
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungRiesaer Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1911
- Monat1911-11
- Tag1911-11-30
- Monat1911-11
- Jahr1911
- Titel
- Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 30.11.1911
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1. Beilage znm „Riesaer Tageblatt". Rotationsdruck und Verlag von Langer L Winterlich in Riesa. — Für dir Redaktion verantwortlich: Arthur tzähnrl in Riesa. 278. Donnerstag. SO. November 1»11, abends. «4. Jahrg. Graf Posabowsky. der in Bielefeld eine Sammelkandtdatur der Konservativen, des Zentrum», der wirtschaftlichen Bereinigung, de» Bunde» der Landwirte und der Nationalltberalen zum Reichstag — gegen einen Sozialdemokraten und einen Freisinnigen — angenommen hat, um diesen Wahlkreis den Sozial demokraten abzunehmen, stellte sich am Dienstag seinen Wählern vor. Sein freimütige» Wahlprogramm, bei dessen Entwicklung er ei ausdrücklich vermied, einer Partei »nach dem Munde" zu reden, sand begeisterte Aufnahme. Einige» au» seiner Rede interessiert auch weitere Kreise, darum seien einige Sätze aus ihr wiedergegeben. Bros PosadowSky betonte, e» treibe ihn weder politi scher Ehrgeiz, noch der Wunsch, seine äußere Stellung zu heben. Er wolle einfach eine staatliche Pflicht erfüllen. Die Einigung von vier Parteien auf einen Kandidaten halte er für ein so glückliches politische» Ereignis, baß er glaubte, einem solchen Ansuchen entsprechen zu müssen. Bon dem Verhältnis der Minister zu den Parteien sagte er: Minister dürfen keine Parteimänner sein und können eS nicht sein. In einer gesetzgebenden Versammlung mit vielen Parteien ist ein Minister fortgesetzt angewiesen, Kompromisse zu schließen, um die Maschine der Gesetz- gebung nicht zum Stillstand zu bringen. Dar Bessere darf hier nicht der Feind der Guten und Nützlichen sei». In dieser Tätigkeit verlernt es ein Minister, ein schroffer Parteimann zu sein, selbst, wenn er rS früher gewesen wäre. Daher kommt es auch, daß Minister häufig an der eigenen Partei sterben, der sie früher angehört haben. Ueber das Marokkoabkommen äußerte Graf PosadowSky sich etwa in dem Sinne, daß er die Miß stimmung im Reiche für berechtigt halte. Er meinte: Ich halte die Größe des erworbenen Gebiete» für ziemlich gleichgültig. Wir haben ein ungeheuere« Kolonialgebiet zu erschließen, wozu gewaltige finanzielle Mittel im Laufe der Zeit notwendig sein werden. Große, wilde Flächen ohne reiche Mittel zu ihrer Erschließung sind aber rein imagi näre Werte. Ein Land, wo die Europäer nicht arbeiten können und die Eingeborenen nicht arbeiten wollen, be- deutet keine Verstärkung unserer wirtschaftlichen und politi schen Macht. Und Marokko? Man versichert uns. daß wir eS nie begehrt hätten. Wenn wir rS erkalten hätten, ist es sehr zweifelhaft, ob rS nicht ein Punkt der Schwäche geworden wäre. Ein Land mit drei trockenen Grenzen muß seine militärischen Kräfte zusammenhalten. Wenn wir aber Marokko niemals begehrt haben, und wenn wir nun ein Stück Kongoland erhalten haben, so ist die Frage nicht unberechtigt, ob eS notwendig war, auf Handel und Verkehr so lange Zeit hindurch Unruhe und Sorge zu lassen. Ich hoffe, daß eS möglich fein wird, für Deutsch land einmal Gebiete zu erwerben, nicht im Innern Afrikas, sondern in klimatischer Lage, wo auch zweifellos Deutsche sich ein neues Leben gründen, wo sie arbeiten, Besitz er werben und dabei Deutsche bleiben können. ES wäre eine falsche Politik anderer Großmächte, un» an der territorialen Ausdehnung in erträglichem Klimaten zu hindern. Einem großen wachsenden unternehmungslustigen Bolk gegenüber wäre da» ein so unvorsichtige« Wagnis, wie der Berschluß eine» Sicherheitsventil« an einer Dampfmaschine." Al» die wesentlichen Stützen der deutschen Weltpolttik bezeichnete Graf PosadowSky die Diplomatie. (»Ein diplo matischer Bertreter muß ein gründlicher Kenner der Volks wirtschaft, ein gründlicher Kenner von Handel, Verkehr und Finanzen sein. Di« beste Vorbereitung in dieser Beziehung ist der KonsulatSdtenst. Nur unzweifelhafte Befähigung, gründliche» Wissen neben guter gesellschaftlicher Erziehung können für die Besetzung vrrantwortlicher Diplomatenposten maßgebend sein.") Heer und Marin« müssen stark und von frischem Geist beseelt erhalten werden. In der ver mehrten Schuldentilgung deS Reiche» erblickt er ein „wesent liche» Verdienst der letzten Finanzreform", in der Fort führung der Sozialpolitik und in der Lösung der Woh nungsfrage „ein sittliche» Gebot", in der Sozialdemokratie eine Gefahr, „die nur geistig und sittlich zu überwinden ist." Bestellungen auf da» „Mesaer Hageökati" Amtsblatt der Kgl. Amtshauptmannschaft Großenhain, der Kgl. und städtischen Behörden zu Riesa sowie de» Gemeinderates zu Gröba mit Unterhaltungsbeilage „Erzähler an der Elbe" für den werden angenommen an den Postschaltern, von den Brief trägern, von den Austrägern d. Bl., sowie von der Geschäfts stelle in Riesa, Goethestraße 59; in Strehla von Herrn Ernst Thieme, Schlosser, Riesaer Straße 256. Bezugspreis wie bisher: 30 Pf. bei Abholung in der Geschäftsstelle SS - - - am Schalter jeder Post- anstatt innerhalb Deutschland SS - durch unsere Austräger frei ins Hau» 88 - durch den Briefträger frei in» Haus, jeder Art finde» im Riesaer Tageblatt in der Stadt sowohl wie auch in den Landbezirken, in allen Kreisen der Bevölkerung vorteilhafteste Verbreitung. -L'L's-. Di, «eschästSftellt. litt Sri« «Ma Mn «i dk Mi. Die Türken haben nunmehr den Marsch ins Innere vollzogen. Nm 26. d. M. haben darauf die Italiener den gemeldeten „glänzenden Sieg" gegan 260 türkische Reguläre und etwa 600 Araber, erfochten, welche nach dem Plane der türkischen Heeresleitung zur Beobachtung und zur Beunruhigung der Garnison von Tripolis die Fühlung mit dieser aufrecht zu erhalten-hatten. Sechs Regimenter Infanterie, zahlreiches Geschütz und Ma schinengewehre und Fesselballons, also die fast fünfzehn fache Uebcrmacht, standen den Arabern und Türken gegen über. Der ganze Ernst eines Kolonialkrieges wird sich nun erst für die Italiener fühlbar machen. Auch Ain Sara wird fallen, allerdings werden Vie Italiener dort er heblich größere Opfer bringen müssen. Wie lange sich aber das italienische Expeditionskorps dort wird halten können, wagt man nicht zu sagen. Ueber das Gefecht am 26. November liegt jetzt auch eine Meldung des türkischen Kommandanten von Tri polis, Nesched Bei, vom 27. November vor, die besagt: Eine kombinierte italienische Brigade begann gestern früh den Angriff in der Richtung von Ain Zara, um unsere Rückzugslinie abzuschneiden. Infolge unseres hart näckigen Widerstandes zog der Feind sich abends in seine früheren Stellungen zurück. Da unsere Nückzuugslinic be droht war, ließen wir unser Bataillon nach Suk cl Dschuma zurückgehen. Feindliche Kolonnen rückten bis Henni vor. Die Verluste unserer freiwilligen Truppen sind unbedeutend; dagegen erlitt der Feind große Verluste. Aus Benghasi trifft die Nachricht von einer glän zend durchgesührten Operation eines italienischen Streif korps unter General Damicv ein. Unter dem Kommando des genannten Generals w urde ein aus dreifachen Waffen gattungen zusammengesetztes Streifkorps gebildet, um die Beduinen, die sich in beträchtlicher Anzahl sieben Kilometer von den vorgeschobenen italienischen Stel lungen befanden, wegen eines Uebersalles zu züchtigen. Das Korps ging sofort zum Angriff auf die überraschten Beduinen über. Es kam zu einem lebhaften längeren Gefecht, das mit einer vollständigen Niederlage dec Be duinen, die fast alle tot auf dem Platze blieben, endete. Die Verluste auf italienischer Seite sind noch nicht ge nau sestgestellt; cs wurden 12 getötet und etwa 30 ver wundet. Ter Berliner italienischen Botschaft ist eine Mit teilung zugegangen, nach welcher bei dem Bormarsch, welcher dem Siege vom 26. d. M. folgte, die italienischen Truppen zahlreiche Akte furchtbarer Grausamkeit fest stellten, welche von türkischr-arabischen Truppen begangen wdrden sein sollen. Die 7,Nordd. Allgem. Ztg." meldet: Das Präsidium des Roten Kreuzes hat sich an das Rote Kreuz in Rom und an den Roten Halbmond in Konstantinopel mit der Zm Kampfe ums Dasein. Roman von Arthur Eugen Simson. 1 (Nachdruck nicht gestattet.) Am äußersten Ende des Dorfes, an steilem Abhange, lag ein kleines, ärmliches Haus. Wind und Wetter hatten arg da ran genagt und gerüttelt, sodaß es dem nächsten Sturme kaum noch widerstehen zu können schien. Armut blickte aus dem schadhaften Dache, aus den kleinen Fenstern, die zum Teil zerbrochen und mit Papier verklebt waren, von bitterer Ar mut zeugte alles im Innern der ärmlichen Hütte. In dem engen, niedrigen Zimmer des Hauses lag auf ärmlichem Lagereine junge Frau, welche kaum einige zwanzig Jahre zählen konnte. Ihre Wangen waren bleich und abge zehrt, die großen, dunklen Augen lagen tief, Krankheit und Not sprachen aus ihren Zügen, waren jedoch nicht im stände gewesen, die Spuren der Schönheit ganz zu verwischen. Moch ten die Augen auch mit Tränen gefüllt sein, so schimmerte doch aus ihnen ein tiefer, stiller Glanz. In einer Ecke neben dein Ofen kauerten zwei kleine Mäd chen von vier und fünf Jahren. Sie hatten die Köpfe an ein ander gelehnt und blickten mit den großen Augen halb bang und halb traurig auf die kranke Frau, ihre Mutter. Was das Herz derselben so schmerzlich bewegte, begriffen sie nicht, sie waren indes still und rührten sich nicht, weil die Mutter weinte. An dem Fenster saß ein junger Bursche von vielleicht sechzehn Jahren und blickte starr hinaus auf das Dors und auf den nahen Wald. Er war eine kräftige, gedrungene Ge stalt. Auch seine Wangen waren bleich, doch sprach aus sei nen Zügen ein fester, trotziger Sinn, der durch die Not noch nicht gebeugt war. Er hatte den Kopf auf die geballte Hand gestützt und auch sein Inneres schien sich zu ballen, un» sich trotzig der Härte des Geschicks entgegen zu stemmen. Der Tag war rauh und stürmisch gewesen, gegen Abend hatte sich der Himmel geklärt und die bereits scheidende Sonne warf noch einige freundliche Strahlen auf die Erde. Diese Strahlen, fast die einzige Wohltat, welche über Arme und Reiche sich gleichmäßig verteilt, drangen auch durch die klei nen Fenster in das enge Zimmer und lagerten sich friedlich auf einem kleinen Sarge, welcher auf einem Stuhle inmit ten des engen Gemaches stand, als wollten sie dem jungen Wesen, das zwischen den einfachen Brettern ruhte, noch einer» freundlichen Blick znwerfen, ehe es in die Erde gcsenket wurde. Auf diesem kleinen, ärmlichen Sarge ruhte der Blick der jungen Frau. Es war ihr Kind, welches st» demselben lag, i und doch vermochte sie kaum um den Tod des jungen Wesens j zu trauern. Nur wenige Wochen war dasselbe alt gewor den. Noch hatte es keine Freude des Lebens kennen gelernt; der Tod hatte es auch vor den Schmerzen desselben bewahrt. Was würde aus ihm geworden sein, wenn der Tod sich sei ner nicht erbarmt hätte? An daS erste Bewußtsein würde sich dauernd die Erinnerung der Armut und Not geknüpft ha ben und vielleicht würde es in seinem ganzen Leben nicht im stände gewesen sein, sich durch beide hindurchzuringen. Es mußte ein schweres Geschick sein, welches dem Her zen der Mutter solche Gedanken eingab, und erdrückend schwer lag das Unglück auf der Armen. Soweit ihre Erinnerung reichte, bot ihr Leben nur wenige freundliche und glückliche Augenblicke. Sie glichen den Sonnenstrahlen, welche an einem ranhen Tage für wellige Sekunden durch die Wolken sich Bahn brechen. Sie sind zu kurz, um zu erwärmen, sie erwecken wohl die Hoffnung, daß sich der Himmel aufklären werde, bis der Abend hereinbricht und die letzte Hoffnung vernichtet. Als Waise, unter Not und Entbehrungen, war sie aus gewachsen. Sie hatte, noch jung, einen Mann kennen gelernt, der ihr Herz gewann und dem sie ihr ganzes Leben anver traute. Wohl war sie vor seinen» heftigen Sinn gewarnt, man hatte ihr vorgestellt, daß er arm sei, wie sie selbst.. ihr Herz hatte nicht darauf gehört. Und sie bereute eS nicht, obschon sie schwere Zeiten mit ihn» durchlebte. Hatte er auch erbittert auf die ganze Menschheit die Faust geballt, gegen sie war er gut gewesen. Mit ehrlichem Bestreben hatte er ge rungen und die Not fernzuhalten gesucht; erst als dies verge bens gewesen war, hatte er sich dein Trünke ergeben und war ein Wilderer geworden. Vor einem halben Jahre wurde er eines Morgens tot im Walde aufgefunden. Er war von einen» Felsen gestürzt und sein Kopf an den Steinen zerschellt. Ueber seiner Schul ter hatte er noch das Neh getragen, welches er geschossen, die Büchse hatte neben ihm gelegen. Außer der unglücklichen jun gen Fra»» hatte ihn niemand betrauert. Gleichgültig sagten die Menschen: „Den Trunkenbold und Wilderer hat sein ge rechtes Geschick ereilt!" Was er gelitten hatte, ehe er dahin gelangt »var, danach fragte niemand. Die unglückliche Frau hatte der Schrecken und der Schinerz auf das Krankenlager geworfen, und als sie einsain dagele gen, hatte sich in ihrem Kopfe der Gedanke fester und fester gesetzt, daß ihr Mann nicht durch ein Versehen von dem Felsen gestürzt sei. Er kannte jeden Schritt in» Walde, je den Felsen; sein Fuß war sicher, und in jener Nacht hatte er nicht getrunken; nur mit einen» Stück Brot in der Ta sche hatte er das Haus verlassen. Gewaltsam war er von dem Felsen hinabgestoßen worden. Zur festen Ueberzeugung hatte die Vermutung sich in ihr ausgebildet und sie glaubte die Hand zu kennen, die ihren Mann ermordet. Ein Mann, Nainens Längner, hatte sie geliebt und um ihre Hand angehalten, sie hatte seine Wer bung abgelchnt. Unversöhnlich hatte Längner ihren Man»» gehaßt und seine Hand hatte ihn von dein Felsen gestoßen. Sie hatte iiber ihren Verdacht geschwiegen, weil sie nicht im stände mar, denselben zu beweisen. Sie hatte niemand, der sich ihrer angenommen hätte; die Leute sagten ja. ihren Mann habe endlich das gerechte Ge schick ereilt, und sie selbst lag krank und elend danieder. Läng- uer hatte bald nach dem Tode ihres Mannes sich ihr zu nähern versucht, sie hatte ihn znrückgewiesen. Sie würde ihr schweres Geschick in Geduld ertragen ha ben, wenn sie allein davon betroffen worden wäre; daß ihre beiden Kinder und ihr Bruder, der durch das Fenster starrte und selbst noch ein Knabe war, mit leiden »nutzten, beküm merte sie ain meisten. Und der Blick in die Zukunft bot ihr nicht die geringste Hoffnung. Deshalb rannen ihre Tränen; sie versuch»« dieselben zurückzuhalten, eS war ihr nicht mög lich. Der Bursche am Fenster erhob sich. „Der Totengräber kommt," spiach er, indem er an das Lager seiner Schwester trat. Der Schmerz der Mutter machte sich jetzt doch geltend, wo sie sich von dem kleinen Wesen, ihrem Kinde, für immer trennen sollte. Sie weinte heftiger. 102,20
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