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Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 19.04.1924
- Erscheinungsdatum
- 1924-04-19
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1666408611-192404191
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1666408611-19240419
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1666408611-19240419
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungRiesaer Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1924
- Monat1924-04
- Tag1924-04-19
- Monat1924-04
- Jahr1924
- Titel
- Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 19.04.1924
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iS Abre ZeMer WerlMisler-ManL. 1884 — 1824. In der Geschichte des Deutschen Wcrkmeister-VerbandcS (Sitz Düsseldorf) spiegelt sich die Geschichte der Angestellten bewegung. Zur Zeit der Gründung deS Verbandes waren die technischen Angestellten schutzlos. Lic waren den Arbeitern gleichgestellt. In der Gewerbeordnung war ihnen nicht die Kündigung cingräumt, ans die die kaufmännischen Angestell ten Anspruch hatten. Aus dic'cm Grunde fand der Gedanke des Zusammenschlusses der deutschen Werkmeister, der vom Rheine aus außerordentlich schnell sich über alle deutschen Gaue verbreitete, bei allen Werkmeistern lebhaften Anklang. Ganz besondere Tätigkeit entfalteten dabei die Werkmeister im Rheinland und Westfalen und im Frcistaate Lach en. Heute steht der Werkmeister-Verband mit 170 ONO Mitglie dern, wenn man seine wirtschaftliche Macht betrachtet, an der Spitze aller Verbände. Besonders in gewerkschaftlicher Be ziehung hat der Werkmcisterverband außerordentlich viel ge leistet. Schon im Gründungsjahrc setzte die Gewerkschafts arbeit ein. Längerer Jahre bcdnrste eS, ehe die dringenden Wünsche der technischen Angestellten, in der Gewerbeordnung ihre Rechte und damit eine längere Kündigungsfrist festzu legen, wirklich praktische Gestalt annahmen. In erster Linie ist das dem Deutschen Wcrkureistcrverbnndc zn verdanken. Auch bei der Ausgestaltung des UufallversicherungSgesetzes hat er nritgewirkt. Leine Tätigkeit ist auch seitens der Staats behörden anerkannt worden, denn zwei seiner hervorragenden Mitglieder wurden seinerzeit in die Bismarck'sche Schöpfung, den preußischen VolkSwirtschastsrat, dem Vorläufer des jetzigen vorläufigen ReichswirtschastSratcs, berufen. An dem Ausbau der Sozialversicherung hat der Werkmcisterver band besonders eifrig mitgearbeitet und auch bei der Anpas sung der Kündignngsvorschriftcn des Berggesetzes an die Gewerbeordnung bahnbrechend gewirkt. Schon 1911 hat er sich im Angestelltenversichcrunzsgesetz für eine bessere Ge staltung und eine Gemeinschaftsarbeit mit der Invalidenver sicherung eingesetzt. Besonders bemerkenswert ist, daß der Deutsche Werkmeister-Verband sich als erster Arbeitnehmer- Verband ein soziales Programm sim Jahre 1909) gab. das für die kommenden Jahre und auch heute noch die Richtschnur meme deutsche Sache geht, um die Erhaltung der deutschen Kul tur, die uns allen am Herzen liegt, must «ine Politik nicht der Verzweiflung einzelner, sondern eine Politik gemacht werden, bei der möglichst große Teile des deutschen Volkes einmütig zu sammenstehen. Innere Freiheit aber bedeutet eine Politik des gegenseitigen Verständnisses, des gemeinsamen Zusammen» arbeitens mit allen Teilen des Volkes. Mit Terror, Ge- waltmaßregeln und Eesinnungszwang wird nichts erreicht. Die Machtmittel werden nicht dadurch geheiligt, daß sie in den Dienst der deutschvölkischcn oder der kommunistischen Sache gestellt werden. Die selbst von dcutschvölkischer Seite zugegebenen Zwistigkeiten innerhalb der Deutschvölkischen Partei zeigen ganz deutlich die Unfähigkeit dieser Partei, gemeinsame Ziele über die persönliche Auffassung zu stellen. Aehnliche Zwistigkeiten, wenn auch nicht ganz so zer splitternd, haben sich auch bei den Kommunisten gezeigt. Wirtschaftliche Freiheit. Ohne diese ist selbstverständlich eine Entwicklung des deutschen Kultur lebens nicht möglich. Nicht als ob der Kulturträger reich sein müßte; aber alle Kultur setzt wie die äußere politische so auch eine innere wirtschaftliche Unabhängigkeit voraus. So wie jetzt können wir auf die Dauer nicht leben. Das ist für ein Kulturvolk unerträglich. Das zeigt der kata strophale Niedergang des Mittelstandes, der ja am deutschen Kulturleben einen so großen Anteil gehabt hat. Wir brauchen wirtschaftliche Atcmmöglichkeit und wirtschaftliche Bewegungsfreiheit. Wir brauchen dazu eine feste Währung, die Befreiung von unnötigen wirtschaftlichen Zwangsmaßnahmen und die Verhinderung von Entwick lungen, dis zur Ausbeutung und wirtschaftlichen Terrori sierung großer deutscher Volksteile führen. Nicht ein Teil oder ein Stand darf auf Kosten der übrigen leben, sondern alle zusammen müssen gemeinsam an ein gemeinsames Werk Hand anlegen, wie Glieder und Organe desselben Körpers. Nur wer durch seine Wahl dazu beiträgt, daß eine in diesem Sinne aktionsfähige Negierung aufgestellt werden kann, beweist, daß ihm das große deutsche Gemein ziel, die Erhaltung der deutschen Kultur, wirklich am Herzen liegt. Nm wlis geht es? Po» Reichsminister Dr. Iarrep. Schön jetzt macht sich eine gewisse Gefahr bemerkbar, daß in der Hitze des Wahlkampfes aus taktischen oder per sönlichen Gründen Einzelheiten und Teilprobleme allzustark in den Liordergrund des öffentlichen Interesses geschoben werden und daß darüber der Sinn für die großen Grund züge des jetzigem Wahlproblems überhaupt verloren geht. Diese Grundzüge jedoch dürsten bei aller Schärfe des Wahl kampfes nicht aus den Augen verloren werden. Hoch über den Einzclforderungen der einzelnen Parteien steht als das Allgemeingut jedes Deutschen, das auch das Allgemeingut aller Parteien bleiben muß, das Bewußtsein, um was es eigentlich bei de» kommenden Rcichstagswahlen geht. Es geht, kurz gesagt, um nichts Geringeres, als um die Erhaltung und Festigung der deutschen Kultur, jenes Begriffes also, um dessen willen der Deutsche erst den Wert, Deutscher zu sein, mit lebhaftem Stolz fühlt. Diese deutsche Kultur, die vor dem Kriege vor der ganzen Welt und auch von den uns jetzt feindlich gesinnten Nationen, willig anerkannt wurde, ist nach dein Kriege schweren Be drohungen ausgesetzt gewesen. Vom Osten her hat sich mit ungestümer Wucht jener große Jdeenstrom über das gesamte mittlere und westliche Europa ergossen, den wir unter dem Be griff Bolschewismus zusammenfastcn gewohnt sind. Es hat sich herausgestellt, daß die Verwirklichung dieses Begriffes wie sie, teilweise wenigstens und wahrscheinlich vcrübcrgehend, in Rußland erreicht worden ist, für deutsche Verhältnisse nicht paßt. Taktische Versuche wie der Eisners in München wären Nie so katrastrophal zusammengebrochen, hätten nie eine so stark« Gegenwirkung hcrvorgcrusen, wenn ihnen tatsächlich eine in deutschem Boden und deutschem Kulturleben wurzelnde Kraft innegewohnt hätte. Die Gefahr Les Bolschewismus kann als überwunden gelten, obwohl die deutschen Kommunisten unter eingestandcncm Antrieb der kommunistischen Internationale immer wieder versuchen, Lic mühsam gewonnene Konsolidierung Deutschlands zu unterhöhlen. Es wird ihnen nicht gelingen. Denn noch ist der Lebenswille des deutschen Volkes allzukräftig «lnd selbstbewußt, als daß er sich von einer vielleicht gigantischen ad.r je.nein W.scn völlig fremden Auffassung der Welt ¬ ordnung beeinflussen ließe. Auch aus dem Westen droht der deutschen Kultur ein starker Ansturm. Franzosen und Belgier sind es, die sich mit politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Mitteln bemühen, deutsches Kulturleben aus Rheinland und Westfalen zurückzu drängen und ihrer eigenen Lebens- und Weltanschauung zu Einfluß und Macht zu verhelfen. Man spricht so viel von einem politischen und ethnographischen Gegensatz zwischen Rheinländern und dem übrigen Deutschland, man ist sogar soweit gegangen, zu sagen, die Slhcinländer seien halbe Franzosen. Gewiß haben die Rheinländer, fußend auf der Tradition einer Jahrhunderte alten Kultur und aus einer spezifischen geistigen Beweglichkeit heraus Kultureinflüsfe von Westen her, wenn sie sie brauchen konnten, willig ausgenommen. Aber sie haben nicht nur west liche, sondern stärker noch Einflüsse von Lüden und Osten her ausgenommen und sic haben sie vor allen Dingen immer selbst ständig als Deutsche und zur Ergänzung deutschen Wesens ver arbeitet. Es kann keine Rede davon sein, daß eine Wesens gemeinschaft zwischen Rheinländern und westlichen Romanen bestehe. Wenn tatsächlich die Rheinländer westlich eingestellt wären, brauchten die Franzosen nicht heute noch nach sechs Jahren der Besetzung zu den bekannten Mitteln der Knebelung der öffentlichen Rieinung durch Zcitungsschikanen und Aus weisungen zu greifen. Die Voraussetzung aber für die Erhaltung der deut schen Kultur ist allerdings die Freiheit. Politische Freiheit, innere Freiheit und wirtschaftliche Freiheit. Deutsches Land muß deutsch bleiben. In deutschen Gebieten muß volle deutsche Souveränität bestehen. Nichts hat dem französischen Kulturcinfluß in Deutschland nach dem Kriege so geschadet, wie das völkerrechtlich unerhörte Auftreten der Franzosen in den besetzten Gebieten. Wir müssen also durch die Wahlen eine Außenpolitik ermöglichen, die diesen Verhältnissen «in Ende macht. Wir müssen uns jedoch dabei von Anfang an klar sein, daß mit dem bloßen Ncinsagcn, mit dem blindwütigen Anlaufen gegen die übermächtige Gewalt nichts erreicht, dagegen unter Umständen fremdländischer Druck auf deutsche Volksgenossen nur noch verstärkt wird. Eine Politik der Unbesonnenheit wäre also keineswegs deutsch, sondern würde nur fremden Einflüssen Vorschub leisten. Wer im Wahlkampf, um seine Pläne in dieser Beziehung befragt, keine andere Antwort weiß als: das halten wir vorläufig geheim, kann nicht das Zutrauen des deutschen Volkes für sich beanspruchen, das; er außenpolitisch mehr erreichen w.rd als das fe^me Kabinett. Ee^e weil es um eine allae- iur oie sozial« errve» ves -veroanoes nno seiner wcuglieoer bildet. Der Deutsche Werkmeister-Verband hat jederzeit die staatsbürgerliche Erziehung seiner Mitglieder in de» Vordergrund gerückt und die Volksgemeinschaft und dat Staatswvhl über das Interesse des Einzelnen gestellt. Daneben hat sich der Wcrkmeistcrverband auch stets für seine bedürftigen Mitglieder und Invaliden eingesetzt Außerordentlich hohe Summen sind den Invaliden und stellenlosen Mitgliedern gezahlt worden, weiter den Witwen und Waise». Am Schluß des Jahres 1929 waren eS rund M Millionen Gvldmark, die den Mitgliedern als Gegen leistung für ihre Beiträge wieder zngcslvssen sind. Die weitere Geschichte des WcrlmeisterverbandeS ist Be weis dafür, was Selbsthilfe vermag. Denn neben den Unter- stüünngSeinrlchtnngeu, die der Verband geschaffen hat, er richtete er noch weitere Unternehmungen, unter denen be sonders hervorznhcbcn sind die Etcrbetafic und der Brand Versicherungsverein, weiter die Wcrkmeistcr-Sparbank, die erste Arbeitnelnnersparbank, die überhaupt in Deutschland geschossen wurde. Der Verband selbst besitzt ein eigenes Heim, das mitten in Düsseldorf dicht am Rheine liegt, in dem die Hauptverwaltung untergebracht ist. Außerdem unterhält der Werkmeisterverbond im Reiche 39 Geschäftsstellen, die die Sicherheit fiir glatte und erfolgreiche LSahrnahmc der Inter essen der Mitglieder bieten. Am Oftertage selbst Hot der Verband noch ein UebrigcS getan und die noch vorhandenen Gründer an dem Jnbeltage, der auch sic ehrt, mit einer Ehrengabe bedacht. Immanuel Kant. Zu seinem 200. Geburtstage, 22. April 1924. Immanuel Kant, der bedeutendste deutsche Philosoph SeS 18. Jahrhunderts, der den fruchtbarsten Einfluß auf das ge samte Schaffen der Deutschen hatte, wurde vor zwei Jahr hunderten geboren. Als Sohn eines einfachen Handwerks meisters, eines Sattlers, hat er dock soviel Wissen sich zu er werben gewußt, soviel Geistigkeit sich anzucigucu vermocht, daß er nicht nur die Wissenschaften auf verschiedenen Gebie ten, so durch eine neue Anschauung von der Entstehung des Svnncnsnstems, bereicherte, sondern auch die Welt mit einer neuen Philosophie beschenkte, die er in verschiedenen Werken, „Die Kritik der reinen Vernunft", „Die Kritik der praktischen Vernunft" und „Die Kritik der Urteilskraft" nicderlegte, und mit der er nicht nur das abschließende Resultat der Aus- klürungsbewegnng des 18. Jahrhunderts gab, sondern auch einen gemeinsamen Ausgangspunkt aller bedeutenden wis senschaftlichen Richtungen des 19. Jahrhunderts geschaffen und so in umfassender Weise auf alle Kultursphären befruch tend gewirkt hat. Nicht nur in Deutschland hat jeder nam hafte Philosoph des 19. Jahrhunderts an die Kantsche Phi losophie anknüpfen müssen, im Ausland mußten ebenso alle Philosophen sich mehr oder weniger zur Philosophie des „Weisen von Königsberg" bekennen. So ist die Kritik der einen Vernunft" zu einem wissenschaftlichen Schlagwort ge worden, das noch heute seine Schlagkraft bewahrt, wie zu Lebzeiten des weisen Mannes. Sylvias Chauffeur. Hochinteressanter Roman von Louis Tracy. 5. Fortsetzung. Nachdruck verboien. Ein paar Minuten lang hörte Hoiningen ihm belustigt zu, dann aber wurde Has nkamp bei einer zufälligen Be- wegung seiner ansichtig und nahm in unwillkürlichem Er schrecken eine militärische Haltung an. „Ich bitte um Verzeihung, Herr Graf, aber meine Kollegen " . ! Mit einer mahnenden Handbewegung schnitt Hommgen Ihm die Weitsrrede ab. . „Ihre Kollegen werden hoffentlich nichts dagegen haben, daß Sie jetzt mir ein paar Minuten schenken," sagte er lächelnd. „Ich möchte einiges mit Ihnen besprechen." Die beiden Chauffeure, die den deutlichen Wink ver standen hatten, zogen sich zurück, und Hasenkamp vollen dete mit etwas verlegener M ene seine Entschuldigung. „Der eine von den beiden fährt nämlich auch ein fran zösisches Automobil, Herr Graf," meinte er. „Einen ganz yeuen Typ, der nach seiner Behauptung das höchste sein sollte, was es überhaupt gibt. Na, das konnte ich mir denn doch nicht bieten lassen. Und ich habe ihm unseren Wagen ge zeigt, damit er künftig den Mund nicht mehr gar zu voll stimmt." „Einen neuen Typ?" fragte Hoiningen, der viel zu sehr Automobilist war, als daß ihn der Gegenstand nicht ebenfalls hätte interessieren sollen. „Aus welcher Fabrik?" „Es ist ein sechzigpferdiger du Ballon, wie er sagt. Keine schlechte Maschine, das muß man schon zugeben, wenn sie auch keinen Vergleich mit der unsrigen aushält. Ach glaube, sein Herr fährt bloß zu Reklamezwecken im Auftrag der Fabrik damit in Deutschland spazieren." „Wissen Sie auch, wer sein Herr ist, Hasenkamp?" ! „Ein französischer Vicomte Soundso. Ich habe den Kamen wohl gehört, aber ich konnte ihn nicht behalten." „Vielleicht ein Vicomte de Marigny?" „Jawohl, so war es. Jetzt erinnere ich mich wieder ganz bestimmt." „Dann haben Sie ein« heillose Dummheit angestellt, mein Lieber! Und haben mir wahrscheinlich meinen Spaß auf da» gründlichste verdorben. Der Vicomte de Marigny ist eist guter Bekannter der Miß Pendleton, und es unter liegt keinem Zweifel, daß er sie morgen vor der Abfahrt sprechen wird. Natürlich wird sein Chauffeur unseren Döagen wieder erkennen, und er wird sich vermutlich auch lerinnern, daß Sie mich heute mit meinem Titel angeredet staben. Das weitere brauche ick Ihnen wobl nickt erst »uazjaastherLstieken.^ Der Chauffeur blickte sehr niedergeschlagen drein. „Ich bin trostlos, Herr Gras! Bitte, seien Sie mir wegen meiner Ungeschicklichkeit nicht böse." „Ich denke nicht daran, Ihnen böse zu sein. Denn schließlich war es doch vielmehr mein Fehler als der Ihrige, weil ich Sie rechtzeitig zur Vorsicht hätte mahnen müssen. Und vielleicht läßt sich der Schaden noch reparieren. Machen Sie sich an Ihren Kollegen heran und versetzen Sie ihn in dem Glauben, ich sei einer Ihrer guten Freunde, der von seinen Bekannten des Spaßes halber mit dem Spitz namen „Herr Graf" angeredet würde. Es ist am Ende gar nicht sehr wahrscheinlich, daß mich der Mann morgen in meinem Chauffeuranzuge wiedererkennen wird. Natür lich müssen Sie ihm auch gelegentlich mitteilen, daß Ihr Wagen aus irgendwelchen Gründen, die zu erfinden ich Ihrem Scharfsinn überlasse, vorübergehend von einem Chauffeur namens Westenholtz gefahren würde. Haben Sie verstanden, was ich von Ihnen verlange?" „Vollkommen, Herr Graf, und " „Halt, mein Bester! Damit Sie sich nicht wieder zur Unzeit verplappern, ist es wohl am besten, wenn Sie für die Dauer dieses Ausfluges überhaupt zu vergessen suchen, daß ich eine Grafenkrone im Wappen habe. Es liegt mir nämlich in der Tat sehr viel daran, mein Inkognito zu be wahren." „Zu Befehl, Herr Graf. Verzeihung! — Zu Befehl, mein Herr, wollte ich sagen. Ich werde mich schon daran gewöhnen." „Wir wollen es hoffen. Da haben Sie zehn Mark, die Sie heute abend mit Ihren beiden Kollegen vertrinken mögen. Wenn Sie es bei der Gelegenheit dahin bringen, daß der Chauffeur des Franzosen morgen früh aus etwas trüben Augen blickt, und an den Dingen dieser Welt vor übergehend nur ein sehr geringes Interesse hat, so werde ich mich Ihnen dafür besonders verpflichtet fühlen. Ist der Mann übrigens aus Frankreich mitgekommen?" „Nein, er ist ein guter Deutscher. Ich glaube, bis Frankfurt hat der Herr Vicomte seinen Wagen ganz allein gesteuert. Für einen vornehmen Herrn etwas merkwürdig, nicht wahr?" „Darüber haben wir beide uns nicht den Kopf zu zer brechen. Sorgen Sie nur, daß unser Wagen morgen früh in tadellosem Zustande ist. Und amüsieren Sie sich heute abend, so gut Sie können." Hasenkamp, der das Zehnmarkstück schmunzelnd in die Westentasche gesteckt hatte, war sicherlich fest entschlossen, das in ihn gesetzte Vertrauen vollauf zu rechtfertigen, und machte sich denn auch ohne jeden überflüssigen Zeitverlust auf Len Weg, seine beiden Berufsgenossen aufzusuchen. .Hoiningel» aber schlenderte, dir Zigarette zwischen den Lippen, auf dce Struße hiuuus. Gerade, als er au dein Hoteleingang vorüberkam, trat ein mittelgroßer, eleganter Herr, den hellfarbigen Sommerüberzieher leicht über die Schultern gehängt, aus dem Innern des Hauses, und Hoiningens Personengedächtnis war viel zu gut, als daß er in ihm nicht sogleich den Vicomte de Marigny hätte er kennen sollen. Da der Franzose in dieselbe Richtung ging, die auch er hatte einschlagen wollen, blieben sie nur durch einen Abstand von wenigen Schritten getrennt, und so geschah es ohne jedes beabsichtigte Zutun des Grafen, daß er auch zum Augen- und Ohrenzeugen einer recht interessanten Begegnung wurde, die dem Herrn Vicomte etliche Minuten später beschicken war. Ein kleiner, trotz beträchtlicher Korpulenz sehr beweg licher Herr war nämlich auf den Franzosen zugetreten sund streckte ihm äußerst kardial die Hand entgegen. j „Hallo, Marigny I Sind Sie so geistesabwesend, daß iSie Ihre besten Freunde über den Haufen rennen, olM sie zu sehen? ^ec Angeredete schielte mit einer halben Kopfwenoung Nach dem Hotel zurück. „Wie unvorsichtig!" sagte er halblaut. „Man kann uns ja sehen." „Keine Furcht!" lachte der Kleine, über dessen Per sönlichkeit Hoiningen schon seit seinem ersten Wort völlig im klaren gewesen war. „Meine verehrte Frau Mama hat mich soeben wissen lassen, daß die schöne Sylvia den Abend auf ihrem Zimmer mit Briefeschreiben verbringen will, und da habe ich mich hier auf die Lauer gelegt, in der Hoffnung, daß Sie noch einen kleinen Spaziergang machen würden. Es ist so ver zweifelt langweilig, sich in dieser ursoliden Stadt mutter seelenallein Herumdrücken zu müssen." Hoiningen konnte nicht verstehen, was der Vicomte ihm erwiderte, desto deutlicher aber vernahm er Harro Riedbergs Stimme, die beinahe ebenso hell und durchdringend war wie die seiner würdigen Frau Mama. „Ich verstehe nicht, Marigny, wie Sie gerade jetzt so nervös und so kleinmütig sein können. Die Dinge ent wickeln sich doch geradezu großartig, und jeder andere an Ihrer Stelle würde voll der schönsten Siegeszuversicht sein. Das Glück streift greifbar nahe an Ihnen vorüber, und wenn Sie es jetzt nicht energisch beim Gewandzipfel fassen, verdienen Sie's wirklich nicht, ein Millionär zu werden. Daß Sie auf meine Mama und auf mich felsen fest rechnen können, müssen Sie doch nachgerade einsehen. Ich halte mich immer in Bereitschaft und ich werde in demselben Augenblick zur Stelle sein, wo ich gebraucht werde." Hoininaea^diittL kiaeo Sckritt nur 4UNllillSerillaes^l»
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