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Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 03.05.1924
- Erscheinungsdatum
- 1924-05-03
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1666408611-192405036
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1666408611-19240503
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1666408611-19240503
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungRiesaer Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1924
- Monat1924-05
- Tag1924-05-03
- Monat1924-05
- Jahr1924
- Titel
- Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 03.05.1924
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verstört von all dem Unbegreiflich«!, was seit gestern abend um ihn ist und das sonnige Sindergemut erschreckt. „Mutti?" klingt eS tranenbang und beklommen zu Ursula hm. Eie »endet da- Antlitz nach der Richtung, aus welcher das zitternde Stirnmchen kommt, und wie sie den Knaben sieht, schluchzt sie auf. Trotzdem Körting ihr soeben »on de» Studern gesprochen hat, weckt doch erst Bernds Anblick völlig die Erinnerung an sie. Beide Arme streckt sie ihm entgegen. ,Subi —" Er läuft, so schnell die kleinen Füße i^i nur tragen mögen, herüber, versteckt sein Köpfchen an der Mutter Brust und legt die Hände, die noch die Rosen halten, fest nm ihren Racken. Und weil die Mutter weint, weint Berich mit, obschon er den Grund nicht kennt. Der Mut ier Tränen sind Grund genug. Noch hat er den toten Vater nicht bemerkt, und Körting z»eht sanft die Decke, die Bernd Ruthard halb verhüllt, etwas höher, hinauf, Do»u die Kinderseele mit Unverständlichem belasten! Kaum ist ,eS geschehen, so nestelt sich der Knabe aus Ursulas Umschlingung und beginnt, die Mutter zu küssen und zu liebkosen. »Mutti, set doch gut," bettelt er. „Wein doch nicht, Mutti!" Aber ihre Tränen versiegen nicht so schnell, und Körttng i^froh, daß ihr starrer Schmerz sich endlich „Wo ist Väterchen?" fragt der Knabe dann. „Bubi Will Väterchen Blumen schenken." Ursula drückt ihn von neucin an sich und beginnt heftiger zu weinen. „Väterchen ist im Himmel, Bubi —" „O —" macht er bestürzt. „Das ist wohl schrecklich weit fort?" Sie nickt nur. „Aber er kommt wieder. Wann kommt Väterchen wieder?" Sie kann vor Schluchzen nicht antworten, und er tröstet sie damit, daß Väterchen etwas Schones mit bringen werde von dieser großen Reise. „Nicht wahr, Mutti?" „Nein, Bernd. Bater wird nie wiedcrkonimen. Er ist kortgegangen und hat uns allein gelassen — ganz allein —" jetzt sie trostlos hinzu. Er sieht ihr zweifelnd ins Gesicht, er glaubt nicht, was sie sagt. „Mutti so was tut Väterchen ja gar nlch —" er klärt er mit felsenfesten! Vertrauen. „Wenn Sonntag is — oder — Weihnachten, weißt du, dann *mnnn er wie der! Und jetzt hast du doch uns —" ursuia vcrgravt ihr Antlitz schluchzend In den Locken des Kindes. Bon Ruthardstal erschien niemand zur Beerdigung, auch keine Antwort auf Körtings Depesche traf ein und kein Blumengruß für den Verklärten. Ursula hoffte bis zuletzt — es war vergebens. Das beugte sie noch tiefer. Auch Stephan kam nicht. Aber ihn hatte man auch nicht erwartet, denn er befand sich bereits jenseits des Ozeans. Charlotte und Rolf hatten noch (ünpfang des aufs Geratewohl abgesandten Telegramms sofort ihre Reise unterbrochen, als sie aber heimkehrten, deckten schon seit zwei Tagen die Erdschollen Bernds irdische Hülle. Es war ein erschütterndes Wiedersehen. Weinend fielen sich die Schwestern in die Arme, und die Lippen, die Rolf Hansen auf Ursulas Hand drückte, waren heiß und trocken vor innerer Erregung. »Hsch hab mit Bernd meinen ersten und einzigen Freund verloren," sagte er. Das junge Paar war vom Bahnhof aus direkt zu Ursula gefahren und hatte dann mit ihr Bernds Grab besucht. Run erst, nachdem sie die Schwester wieder zurück- beglntet hatten, suchten sie ihr Heim auf. Sie hatten sich baS Nachhausekommen freilich anders gedacht. Ernst und schweigend legten sie den kurzen Weg zurück, ernst und schweigend traten sie über die Schwelle des Hauses. Nie- mand empfing sie. Drinnen zog Roll sein junges Weib an sich „Willkommen daheim!^ flüsterte er bewegt. Sie barg das Haupt an seiner Brust. „O du — du — daß ich dich Hab, dich Einzigen!" schluchzte sie, noch erregt von dem Erlebnis der letzten Stunden. „Wenn du eines Tages von mir gingst, wie Bernd von Ursula" — sie erschauerte unter diesem Gedanken — „ich ertrüg eS nicht, Rolf!" Er küßte zärtlich die gesenkte Stirn. „Man muß vieles ertragen lernen iin Leben," sagte er ernst. „Aber jetzt, mein Lieb, laß uns nickt ans Scheidenmüfsen denken, sondern daran, daß wir beisammen sind, nicht wahr?" „Daß wir noch beisammen sind!" erwiderte sie, die Hände faltend und aus tränenfeuchten Augen zu ihm aufblickend. „Und Rolf, wir wollen uns keine Stunde trüb machen im Leben —" »Leine!" pflichtete er ihr bei und beugte sich über die zitternden Lippen, die diese Worte ausgesprochen hatten wie ein Gelübde. — Wenn Körtings Mahnung, an ihre Pflicht zu denken, Ursula auch anfangs grausam erschienen war, so wurde das doch sehr bald anoers. Sic war ja eine viel zu ge wissenhafte Natur, als daß sie sich, selbst im tiefsten Kummer, nicht auf das besonnen hätte, was nun ihre Pflicht sein mußte. Tie Kinder! Sie waren Bernds hei liges Vermächtnis, ein Teil von ihm selbst. In ihnen lebte er ihr weiter. An seinem Sinne wollte sie diese Linder erziehen, daß sie starke, freie Menschen wurden, wie er einer gewesen war. Es dauerte freilich Wochen, ehe sie sich dazu durchrang, denn Bernds Tod hatte sie ja wie ein Faustschlag getroffen und zu Boden geschmettert. Sie war wie betäubt anfangs und konnte an nichts denken, als an ihren Verlust, an die Trennung, in die sie sich nicht zu finden vermochte. Es war ein dumpfes, tatenloses Da hinbrüten — Tag für Tag — und ganz langsam, ganz allmählich nur erwachte sie daraus und erwachte zum Be wußtsein ihrer Pflicht. Und diese Pflicht war der Stab, an dem sie sich aus dem Wirrsal schmerzvoller Verzweif lung zurückfand ins tätige Leben. Aber leicht war dieses Zurückfinden nicht, denn Bernds Liebe fehlte ihr überall, und sie vermißte auf Schritt und Tritt die sorgende Zärtlichkeit, womit er sie verwöhnt hatte. Und daun ihre Umgebung! Wie da alles sie an ihn erinnerte, jeder kleine Gegenstand, mochte er an sich noch so geringfügia und bedeutungslos sein! Ach, für sie war er es ja nicht, sie mahnte er au Bernd, an goldene Glückesstunden, weckte Halbvergessencs wieder auf und ließ den Schmerz um den geliebten Mann nicht zur Ruhe kommen. Da war der kleine goldene Fingerhut mit den! rubinroten Köpfchen! Ihn hatte ihr Bernd von der ersten Reise mitgebracht, die er nach ihrer Verheiratung unternehmen mußte. Fetzt hatte Ursula ihn lange nicht gebraucht, heute aber fiel er ihr in die Hände. Und da stürzten auch schon wieder die Tränen aus den treuen Augen. Sie saß im Wohnzimmer, das Bernds Liebe noch für sie und die Kinder eingerichtet hatte, an dein breiten Doppelfenster, wo die roten Geranien blühten. Daneben auf dein erhöhten Tritt stand ihr Nähtisch und dicht dabei des kleinen Mädchens Spi-elstühlchen. Dem Näh tisch gegenüber, au der anderen Seite des Fensters, befand sich ihres Knaben Schulbank. Tiefer im Zimmer war das Spielcckchen der Kinder, das Schaukelpferd, ein kleiner Schrank mit Bilderbüchern, die bunte Truhe mit Babys Spielkram und der bemalte Tisch mit den beiden win zigen Stühlen. Um den mächtigen Kachelofen zog sich nach Urvätersitte eine breite Bank. Dort hatten sie oft gesessen und Tämmcrstündchen gehalten, und Ursula hatte mit ihrer küL«. leisen Stimme Märchen erräblt oder auch SS war nicht möglich Sie kniete an leinen» Lager und bat und flehte und rang sich fast die Hände wund — und eS war doch aller umsonst. Wenn Gebete eine entflohene Seele zurückrufen könnten, in dieser Nacht hätte es geschehen müssen, denn Ursulas ganze- Herz schrie zu Gott! Aus tausend Wunden blutend, lag sie auf den Knien und betete. So dunkel, so verzweiflungsdüster war wohl noch nie eins Rächt in Ursula- Leben gewesen. Wie schwer ist in solch ei»er Rächt daS: Herr, nicht wie ich will, sondern wie du willst! Urck» nun ist «- Morgen. Körting, dem es daheim keine Ruhe gelassen hat, erscheint mit dem frühesten wieder im Trauerhaus. Ursula rührt sich kaum, als er ins Zim mer tritt, nur wie er ihre Hand, die beinahe ebenso kalt ist wie die de- Toten, an die Lippen zieht, trifft ihn ein Klick so sterben-wund, daß er die Zähne fest aufeinander preßt vor Schmerz. Wortlos nimmt er neben Ursula an der Leiche Platz. Die Sonnenstrahlen huschen auf ihren Lichtfaßen laut los Herrin und küssen des Entschlafenen bleiche Stirn und die gescküossenen Augen, und da hat es den Anschein, als zitterte» die gesenkten Wimpern, als wollten sich die Lider heben — Ursula sieht es und schaut starr und atemlos hin. — Aber wie sich nun eine Wolle vor die Sonne schiebt und dem Spiel der Lichtkinder ein Ende macht, kommt auch iu Bernd- Antlitz wieder die steinerne Ruhe des Tode-. Es war eine trügerische Hoffnung! Ursulas Haupt sinkt mutlos vornüber auf die Kante des Bettes. Körting beginnt ihr leise trösteich zuzureden. Er fühlt »war, daß Sorte hier nicht viel vermögen, aber er kann auch nicht stumm bleiben. Er kann diesen tatenlosen Jam mer nicht mehr schweigend mit ansehen. Er will Ursula anfrütteln und erinnert sie an die Kinder, an ihre Pflich te». Lange redet er umiomst. Endlich kommt doch etwa- Lebe« in Ursula» »nsammengesunkene Gestalt. Sie richtet sich auf, streicht langsam das wirre Haar aus der Stirn und schaut mit müden Blicken zu ihm hin. Sie fühlt, daß er recht hat — «nd doch klingt ihr da» »ort „Pflicht" so grausam in dieser Stunde. Da öffnet sich die Tür »nd ihr Knabe erscheint auf der Schwüle. Lisette hat um sein weiße» Kitt eichen eine schwarze Schnur gebunden und ihm nn paar Rose» in die kleinen Hände gedrückt. „Trag sie zu Väterchen, Bubi —" verstand cs ausgezeichnet, vre Oeffentlichkelt völlig aus- zuschkießen von ihrem eigentlichen Daheim. Bon ihrem Familienleben wußte die Welt so gut wie nichts. Wer bei Frau Ruthard-Wahl aus und ein ging, die Schüler und Schülerinnen, die Komponisten, deren Lieder sie sang, die Klavierspieler, die sie in den verschiedenen Konzerte« begleiteter^ sie alle wurden nur in jenem Salon emp fangen, den hatte sie freiwillig der Welt geöffnet. Aber wer Ursula von dort kannte, der kannte sie nur halb, der kannte eben nur die Künstlerin. Man mußtesie!N ihrem eigentlichen Zuhause sehen, dort, wo sie Menschs wo sie Mutter war. Doch dies Zuhause blieb den Meisten verschlossen, nur die Allerintimsten — Charlotte, Hansen, Körting — hatten Zutritt zu demselben. — Wieder einmal ist es Frühling. Ursula hat im Saale der Philharmonie eine anstrengende Probe für das lebte am Abend stattfindende Konzert gehabt. Sie ist müde und freut sich des Heimwegs zu., den Kindern, bei denen sie im- «onvnooer gesungen, uns cs war nicht zu lagen, wer dabei andächtiger gebauscht, der große oder der kleine Bernd! Und nun würde das nie wieder so sein können — nie wieder — Der Knabe saß auf seiner Schulbank und beugte das vor Eifer glühende Gesichtchen über eine Schiefertafel, auf die er wunderliche Hieroglyphen malte. Und der Cchieferstist kreischte und quietschte dabei, so energisch bearbeitete die Keine Faust mit ihm den Stein. Elisa beth hatte einen gestrickten Wurstel und vergnügte sich mit demselben in ihrer stillen Weise. Manchmal summte sie auch vor sich hin, ein drolliges Kauderwelsch, auf das Bernd meist mit einem überlegenen Lächeln antwortete. Er war seiner Ansicht nach natürlich gleich als fertiger Sprachkünstler zur Welt gekommen. Ursula hatte noch das Ärbeitskörbchen, in dem sie gekramt, auf dem Schoß und blickte schluchzend in die Blumen am Fenster. „Mutti?" Der Knabe hob ängstlich sein Köpfchen. „Nicht weinen, Mutti —" Sic zwang sich zur Ruhe. „Ich weine ja nicht, Bubi —" Er betrachtete sie mißtrauisch. „Aber an deinen Augen sind doch Tränentropfen —" Sie fuhr mit dem Taschentuch darüber hin. Nun Var er befriedigt. „Mutti rat mal, was Bubi geschrieben hat!" Sie tat ihm den Willen. „Eine schöne Geschichte?" „Ja — ja, aber was steht darin?" „Daß Rotkäppchen den bösen Wolf im Walde getroffen hat?" — „Nein, etwas viel anderes." ,>Oder daß das Bäumlein goldene Blätter wollte?" „Ach nein!" „Oder daß Hänsel und Gretel am Zuckerhäusel leckten?" Er schüttelte den Köpf. „Du ratest immer falsch, Mutti." „So sag eS mir." Er legte sein Kindergesicht in nachdenkliche Falten. „Eigentlich ist eS gar keine Geschichte —" „Nickt?" c „Nein — ein Brief." „Ein Brief? An wen hat Bubi denn den geschrieben?" „An Väterchen." Ursula fühlte es heiß aufsteigen in der Kehl«. „Soll ich ihn mal vorlesen?" fragte er. Sie nickte. Da rutschte er von seinem Bänkchen herunter und kam mit der Schiefertafel zu ihr, legte sie auf der Mutter Schoß und begann zu buchstabieren, was die krausen Fi guren bedeuten sollten. „Liebes Väterchen! Weil du so schrecklich weit weg bist von uns, hab ich dir einen Brief geschrieben. Mr sprachen immerfort von dir, liebes Väter chen, und Mutti sagt, Bubi nruß brav sein, damit Väterchen sich freut. Ich will ja auch, aber meistens ist Bravsein sehr schwer. Mutti weint immer. Es wär viel netter, wenn sie nich immer weinte. Kannst du aus deinem schönen Himmel denn keinmal wieder zu uns kommen? Weißt du, Onkel Rolf spielt mit mir Hoppa-Reiter, aber du kannst es viel besser. Baby hat dem Wurstel ein Bein ausgerissen, sonst ist sie aber sehr lieb. Viele Grüße von Bubi und Mutti und der Prinzeß und von Lisette auch und von Auguste und dem Schaukelpferd. Aus dem Schaukelpferd sein Schwanz gehen eine Menge Haare. Bitte, liebes Väterchen, komm doch und mach das wieder in Ordnung. Ueberhaupt kannst du auch so kommen — nick wahr, Mutti," er sah von der Tafel zu ihr epivor — „es fft alles eins? Wenn wir Väterchen nur wieder haben!" Schluchzend nahm sie ihn in die Arme und küßte ihn. * * * In den Jahren, die nun folgten, lebte Ursula ganz den Kindern, und weil die kleine Witwenpcnsion, die sic^ bezog, nicht im entferntesten ausreichte, um die Zukunft Bernds und Elisabeths sicher zu stellen, so begann sie wieder Gesangsunterricht zu erteilen. Auf das Ruthard- schc Vermögen rechnete sie nicht. Selbst das Pflichtteil, welches nach Herrn Wolsgangs Ableben den Kindern zu fallen mußte, war sie fest entschlossen, abzuwetsen, und glaubte damit ganz im Sinne ihres Mannes zu handeln. Sie >var jung und ihre Stimme besaß noch denselben berückenden Wohllaut wie ehedem, und so wollte sie denn singen, für die Kinder sorgen, um ihnen aus eigener Kraft ein Vermögen zu erwerben. Schülerinnen bekam sie leicht, dafür sorgte ihr Name, den die Welt noch nicht vergessen hatte, dafür sorgten auch der treue Körting und Hansen. Den Salon richtete sie für ihre Tätigkeit ein, die andern Zimmer blieben unverändert. In diesem Salon, oen der mächtige Flügel fast zur Hälfte cinnahm, wo Beethovens Grübleraugen den Eintrctenden grüßten «nd In Bann hielten, war Ursula nur Lehrerin, nur Künstlerin. — Nie sprach sie hier von ihren Kindern — nie von dem, lvas sie doch am tiefsten und rcicküen beschäftigte. Sie ihrem eigentlichen Zuhause sehen, dort, wo sie Menschs wo sie Mutter war. Doch dies Zuhause blieb den Meisten — hatten Zutritt zu demselben. — >er einmal ist es Frühling. Ursula hat im der Philharmonie eine anstrengende Probe für dctt am Abend stattfindende Konzert gehabt. Sie ist mü s..„- "O 7.7 I 77 7.. .. 1 mer schnell alle"Anstrengungen vergißt Zehn Minuten stick es bis zu ihrer Wohnung. Aber wie sie nun aus der Tür des Kvnzerthauses tritt und die Luft sie so weich und schmeichelnd umweht, und wie sie den blauen Himmel sieht, der in die Straßen hineinlacht, und die Sonne, die so fröhlich auf den Dächern spazieren geht, da denkt sie gar nicht mehr an die Müdigkeit und nimmt sich vor, einen Umweg zu machen. Sie klemmt die Noten rolle unter den Arm und schürzt das schwarze Tuch kleid, denn der geschmolzene Schnee hat auf den Straße« eine kleine Ueberschwemmung verursacht. So kommt sie zum Dom. Der wundersame alte Bau ist ihr Liebling, und immer, wenn sie ihn einmal lange nicht gesehen hat, sehnt sie sich nach ihm. Heute hat sie fast unbewußt den Weg hierher eingeschlagen. Am Portal sitzen ein paar schwatzende Obstfrauen und daneben ein blasses Kind, das Frühlings blumen feilbietet. Ursula kaust einen Strauß und schiebt ihn »wischen die Knöpfe ihres Jacketts. Sie will ihn ihrem Mägdlein mit Heimnehmen, das Blmnen über alles gern hat. Dann schlüpft sie ins Gotteshaus. Etn feiner Duft von Weihrauch und brennenden Aerzen weht ihr entgegen und wirkt anfangs fast beklemmend auf sie. Trotzdem möchte sie ihn nicht missen. Er gehört zu dem Heiligtum, «nd selbst in Gedanken vermag sie ihn nicht davon zu trenne». Geräuschlos gleitet sie durch das Tänunerdunkel der hock gewölbten Hallen, um endlich in einer verborgenen Ecke niedcrzuknien. So tut sie immer, wenn sie hier ist. — Sic flüchtet hierher aus dem Weltlärm, wenn sie müde ist, wenn sie den Frieden sucht, denn über die Schwell« de» Gotteshauses dringt kein Alltagsgcräusch — das ver stummt vor dem heiligen Bilde dessen, der sich ans Kreuz schlagen ließ aus tiefer Menschenliebe, der der beste, der edelste war unter allen Söhnen der Erde. Aber die All tagssorgen und Kümmernisse, die bleiben nicht draußen, die nimmt-das Herz mit herein — und auch Ursula schüttet sie aus zu Jesu Füße«. . . Als Ursula nack Hause kam, stand Charlotte mit den Kindern auf dem Ballon. „Mutti!" riefen die Hellen Stimmen, nnd vier Arme streckten sich ihr sehnsüchtig entgegen. Oben nahm sie beide Kinder zugleich ans Herz, küßte sie abwechselnd und ließ sich von den Weichen Händen liebkosen. Und dabei vergaß sie für Augenblicke ihr Leid und war nichts weiter als eine glückliche Mutter. „Nun laßt die Mutter erst mal fünf Minuten in Ruhe!" nrahnte Charlotte endlich „Sie ist müde. Kommt, ich erzähle euch inzwischen vom lahmen Häschen." Aber der Vorschlag schien nicht viel Verlockendes für die Kinder zu habe«. „Mutti soll erzählen! Mutti kann eS besser!" Charlotte lachte. Sie war schon daran gewöhnt, daß Ursula alles besser machte und besser verstand als sie, und fand eS auck begreiflich Jetzt aber hielt sie «S für ihre Pflicht, die Schwester von den Kleinen zu befreien, und so nahm sie denn erst Bernd und dann Elisabeth und hob beide auf den großen Eßtisch. „So, jetzt seid ihr ungefährlick! Nun gehe, Ursclherz, und ziehe dich au». Und laß dir von der Auguste einen Ohnmacht-Happen geben," mahnte sie noch „Lu siehst ganz matt au». Gott fei Dank, daß die Konzertsingerei nun bald zu Ende ist!" Ursula strick noch einmal liebkosend über das Haar ihrer Kinder, dann ging sie. Bernd beugte den kleinen Oberkörper vor, um ihr nachzuschauen. „Junge!" schrie Charlotte entsetzt. „Wirst du gleich still sitzen!" Er «nackte ihr eine Faust. „Du! Ich habe dich gar nicht mehr lieb, Lottcntante! Warum schickst du Mutti ivcg'?" Sie legte einen Arm um ih», den andern um Eli sabeth. „Bernd, du bist doch Muttis großer, verständiger Junge, nicht loahr?" Bernd brummte irgendetwas vor tick bitt.
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