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Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 23.07.1924
- Erscheinungsdatum
- 1924-07-23
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1666408611-192407239
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1666408611-19240723
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1666408611-19240723
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungRiesaer Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1924
- Monat1924-07
- Tag1924-07-23
- Monat1924-07
- Jahr1924
- Titel
- Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 23.07.1924
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MAMN Iin dsdWm LMU. München, (Funksprnck) Im Landtaa kam e« dent« vormittag zu ffürmiscke« Austritten zwiscken d<« Sozial- demokraten «nd de« «baeordneten deS Völkischen Blocks. Die Veranlass»«»« da,« «ab eine Aeußeruna de« völkischen Abgeordneten Dr. Mnd, der wöbrend der Interpellation«, drbatte wegen der Urteil« der VolkSqerickte, in dem er sich »»» den Sozialdemokraten wandte, den Satz aussprack: Die Sozialdemokratie beklagt sich über den Politischen Mord, sie bat aber von ieber den Fürstenmord gevredigt. Kaum batte der Redner dieses Wort ausgesprochen, als sich die sozial demokratischen Abgeordneten von ihren Bänken erhoben und den Redner unter Drohungen und heftigen Schreien am Rednerpult umringten. S« bildete sich »in großer Knöuel. Die völkischen Abgeordneten stellten sich schützend vor ihren Redner, der minutenlang inmitten des Knäuel« stand. Dem Präsidenten gelang e« trotz aller Mühe nicht di, Ruhe wieder herzuitellen. Er verließ darauf den Saal, womit die Sitznna ankgeboben war. Di« Auseinander setzungen zwischen den Völkischen und den Sozialdemokraten gingen weiter. Wiederholt war dir Lag« so. daß persön liche Angriffe »u befürchten waren. Schließlich gelang e« dem Zureden der führenden Parlamentarier, die Kruppen zu brrubigen. Man verlangte von dem völkischen Abgeord neten Dr. Rutz wiederholt stürmisch, seine Aeußerung zuri'ickzunebmen. M ü nche n. (Funksprnck.) Sofort nach den Zwischen- fällen im Landtage trat die sozialdemokratische Fraktion zu einer kurzen Beratung zusammen. Sie beschlossen, den völkischen Abgeordneten Dr. Rutz nicht weiter reden zu lassen, ehe er nickt seine beleidigenden Worte zurück genommen habe. Das Präsidium wurde von diesem Be schluß verständigt. München. (Funksprnck.) Um 10 Uhr konnte der Präsident die Sitzung wieder anfnebmen. Er erteilte dem völkischen Abgeordneten Dr. Nutz einen zweiten Ordnungs ruf und verlangte Erklärung, wie er seine Vorwürfe gegen über der Sozialdemokratie gemeint habe. Abgeordneter Dr. Rutz entgegnete: Er habe keinem Mitglied des HauieS den Vorwnrf der Billigung des Fürstenmorde« gemacht. Er stelle aber seit, daß das sozialdemokratisch-marxistische Prinzip den Fiirstcnuiord alS einen Progrannnpunkt kenne. Tie Sozialdemokraten unterbrachen den Redner wiederholt nnd verlangten von ihm, daß er seine Vorwürfe gegenüber der Sozialdemokratie zurncknehme. Schließlich griff Präsident Königsbauer energisch ein. Auf seine Auf forderung erklärte Abgeordneter Dr. Rntz. er habe mit seinen Darlcgnngen nur die sozialistischen Sdsteme nnd nickt die Sozialdemokratische Partei gemeint. Erneute stürmische Zwischenrufe. Allmählich trat im Hause wieder Ruhe ein pnd der Redner konnte seine Ausführungen beenden. Ein dentscher Dampfer untergegangen. Wie gemeldet wird, ist der oldenburgische Dampfer „Schill" mit 13 Mann Besatzung im Atlantischen Ozean vntergegangen. Neue Formeln für die Bankiers. London. (Funksprnch. Ein MedaktionSauSschutz be schäftigte sick gestern abend mit den Formeln, die beute vor mittag den Bankiers durch die Ministerpräsidenten und Finanzminister vorgelegt werden sollen. Sollte die Ange- legenheit nicht in Ordnung kommen, so wird dem Daily Telegraph zufolge die Vollkousereuz vielleicht anfgeschoben werden müssen, doch wird die Zustimmung der Bankiers erhofft. Tiefen sei zu verstehen gegeben worden, daß, wenn sie verlangten, daß besondere deutsche Einnahmequellen für den Dienst der Anleihe vorgesehen werden sollen, die Alliierten dem gern zustimmcu würden. Ten Bankiers sei es aber hauptsächlich auf politische Bürgschaften angekommen. Sie seien insbesondere für die Erteilung des Vetorechtes gegen allgemeine praktische Sanktionen an den General agenten für Reparationen und an den Treuhänder der quS- värtigen BonSinhaber. Die Berliner Tagung der Bil^erinnuuge«. «Berlin. Im Anschluß an die VerbandSverhand- tungen des Zentralvcrbandes deutscher Bäckerinnungen fand Montag abend ein Festbankett statt, an dem etwa 3000 Bäckermeister aus allen Teilen des Reiches und auch aus dem Auslande teilnahmen. Präsident Wilhelm Muller brachte den Trinkspruch auf das deutsche Vaterland aus. Obermeister Kuntzsch, DreSde«, gedachte alsdann des Ver» bandes der Germania. Es folgten lebende Bilder aus der Geschichte des Innungsverbandcs, gestellt von Meistern, Töchtern und Söhnen der Berliner Innung, und em historisches Schauspiel: „Ter gute Montag". Den Höhe punkt der Veranstaltung bildete eine Huldigung für die aus dem besetzten Gebiete erschienenen Delegierten. . Im Laufe der Verhandlungen wurde folgende Ent schließung angenommen: Es wird eine allgemeine Amnestie < «»korben für oll« «estktmmgen «egen nevrrrrenmg ver ver schiedenen Reicks-Getreideverordnunaen und sonstigen für da« Bäckergewerbe erlassenen, setzt nicht mehr geltenden Verordnungen der Kriegs- und Nachkriegszeit. Ferner kür alle Uebertretungen betreffend Wuckergesrtzgebung, Preis- treibereiverordnungen, PreisprüfnngSstellen »»sw.. die mit dem Währungsverfall zusammenhinaen, fall« nicht unlauter« Beweggründe vorlagen. In allen Fällen bat «in« Löschung im Strafregister zu erfolgen. Weiter wurde verlangt, daß die auf Grund d»S Notar- setzes vom 24. Februar 1923 unter dem 13. Juli 1923 er lassenen Verordnungen betreffend Preistreiberei und PreiSprüsungSstellr» sosort anszubeben sind, da sie durch die beutigeu geschäftlichen Verhältnisse längst hinfällig ge worden seien, und dem Bäckergewrrbe sowohl wie dessen Organisationen die Erfüllung ihrer volkswirtschaftlichen Aufgaben erschweren. 45. Verbandst«» der Gchnetderinnungen Sachsen-. (Fortsetzung.) Bautzen, 22. Juli. Während am Montagvormittag meist das Herren schneidergewerbe interessierende Frggrn zur Beratung stgn- den, wurden am Nachmittag hauptsächlich das Damen- schneiderbandwerk betreffende Sachen erörtert. Verschiedene Redner gaben unter dem Thema „Von Plauen bi« Bautzen" einen lleberblick über den Stand der Damenschneiderei, ihre Organisation «nd den Berliner Verband. Nachdem endlich der Anfang des Zusammenschlusses zwischen Herren- und Damenschneiderei gemacht sei, sei es notwendig, den Zusammenschlnß restlos zu organisieren. Obermeister Schn- mann (Dresden) richtete an die JnnungSvorstände die Bitte, sich mehr als bisher der Damenschneiderci anznnchmen. cS sei nickt nötig, daß Damen-und Heri ensckneiderci in Sachsen noch getrennt marschiert. Der Vorsitzende teilte mit, daß der Verband die Interessen auch der Damenschneiderei rest los vertrete. So plane er, für Anglist eine Arbeitswoche zn veranstalten, verbunden mit einer Modenschau. Not wendig sei es, Führer heranzubilden. Die alte Frage des -Haltens von HanSbcdarfSlebr- mädchen wurde erneut durch einen Vortrag von Fran Ober meister Siebert (Dresden) auiaerollt. Die vom Schneider gewerbe einmütig gewünschte Beseitigung dieser Einrichtung könne nach jahrelangem Kampfe erst setzt Aussicht auf Er folg haben, nachdem die Damenschneider im Verbände der Herrenschneider mit organisiert seien. In einer Entschlie ßung wird gefordert, daß ein Gesetz im ReichSgeletz einge- sügt werde, das die Frage der SanSbedarsslehrmädchen regelt. HanS- und Eigenbedarfsmädcken dürfen ihre Aus bildung nur nock in Schulen erhalten, den Innungen ist zu gestatten, sich über die Leistungen und die Handhabung dieser Ausbildungsanstalten zu unterrichten, sie sollen be rechtigt sein, gegebenenfalls die Entziehung der Lehrberech- tigung zu beantragen, die seitens der Schulbehörde nur auf Widerruf zu erteilen ist. Gegen diese Protegierung des LehrlingSmesens wandten sich einzelne Stimmen. Wie aus der weiteren Aussprache hervorging, geht das Bestreben des SckneidernewcrbeS auch dahin, den Koch unterricht auS den Fach- und Fortbildungsschulen zu entferne». Der Vertreter der Staatsbehörde Reg.-Rat Dr. Berger wies darauf hin. daß dies sich natürlich nur auf die dem WirtschastSministerium unterstehenden Gewerbe schulen, nicht aber anf die dem Volksbildungsministerium unterstellten Berufsschulen erstrecken könne. Schließlich einigte man fick auf einen Vorschlag des Vorsitzenden, den Kochunterricht dort zu entfernen, wo Lehrverträge neu ab geschlossen werden. Nach einem Vortrag vo» Obermeister Jäger (Leipzig) über die LnxnSsteuer im Damenschneider gewerbe, der diese Steuer als durchaus ungerecht bezeich nete. indem sie nur das offene Geschäft, nicht aber die Haus» scbneiderei treffe, wurde eine Entschließung angenommen: Ter Neichsverband wolle dringend auf Abänderung der die Luxussteuer betr. Verordnung hinwirken. Solange aber die Befreiung von derselben nicht durckgesetzt ist, soll er dahin wirken, daß die Auslegung des Gesetzes den Mehr- wert betreffend in der für das Schneidergewerbe günstigsten Form zur Auswirkung gelange. Die umfangreichen Aussprachen des Nachmittage« ver anlaßten den Vorstand, mitzuteilen, daß im nächsten Jahre ein VerbandStag eigenS für die Damenschneider«! abge- halten werden soll, was mit allgemeinem Beifall ausge nommen wurde. Der letzte Verhandlungstag stand unter der Devise: Preiswerte Rohstoffe — billige Kredite — lohnende Arbeit. Wege zur billigen Kreditbeschaffung wies der Verbands- syndikus Weber (Dresden) in einem Vortrage über die Er richtung eineS KreditstockeS deS sächsischen Handwerkes und Gewerbes. Gerade weil die Lieferanten den Schneider mit harten Bedingungen bedrängten, müsse sich dieser nach einer zuverlässigen Kreditquelle Hinsehen. Daher fei eS als grober Erfolg zu buchen, daß es dem Handwerk und Ge- wervr gelungen ^er, gemennnm nur ver «awmwen sraae«- bank «nd der Girozentrale sächsischer Gemeinden ein Geld- iuftitut unter brr Firma Sächsische Zentralgenossenschasta- kaffe „Sachsenkaffe" »u schaffen, da« Ende voriger Woche gegründet worden sei. (Dr. An,.) Die Lhe»»ttzer TeMtnduftrie. * Burgstädt. Der „Burgstädter Anzeiger" schreibt. Da« für den Weit»rblick«nden schon lange Besorgnis erregend» Bild auf dem einheimischen Dextilmarkt« ver- finstert sich immer mehr. Wenn auch erst jüngst der Sim- diku« einer großen Organisation die gewiß charakteristische Tatsache konstatierte, daß von 53 unter GeschäftSaufsickt getretenen Firmen nur 3 der Vorkriegszeit angehörten, so vermag doch auch dieser Umstand nickt« daran zu ändern, daß der Kaufmann beute bei vermindertem Umsatz etwa die 35 socke Steuerlast der FriedenSzeit zu tragen hat. Da« Ausland versagt al« Käufer fast überall und wo es noch kauft, wie Japan ans dem Gebiete der Handschnhstoffe, gräbt sich der deutsche Lieferant, wenn auch noch viele der Tatsache die Augen verschließen, mit der AustragSanSfüh- rung, di« ihm vorläufig vielleicht «ine Strecke weiterhelfen mag, letzten Endes nur selbst sein Grab. Die Strickmalen- brauche wird durch die für nn« überhaupt zn,indiskutablen Preisen arbeitende böhmische und österreichische Konkurrenz einfach au« dem Sattel gehoben, und so mancher Fabrikant trägt sick seit langem mit dein Gedanken, selbst seinen Be trieb in« Ausland zu verlegen. Der JnlnndSmarkt wäre vielleicht an Aufträgen noch nickt so arm, aber kein Fabri kant mag mehr der Kausfähigkrit seines Kunden trauen und lieber schränkt man seine Fabrikation auf ein Minimum ein oder schließt den Betrieb ganz, ehe man mit der Aussicht, auf Monate hinaus das so schwer znsammengebrachte Kapital für die Löhne festgelegt zu haben, Aufträge aus- führt. Nur die Strumpssabrikauten. die stch auf die Fabri kation wollener Winterwaren geworfen haben, dürfen für die nächsten Wochen und Monate noch wie »i>»»«-än- lichen Gesckäit rechnen. Marktberichte. Großenhainer Lchweinemarkt vom 22. Juni 1924. Preis eines Ferkels: 10 —IS Goldmark. Ausnahme über Notiz Zufuhr«: 175 Ferkel. Amtlich sestgesetztc Preise an der Produktenbörse zu Berlin am 22. Juli. Getreide und Oelsaaten pro 1000 ic«, sonst pro 100 tg. (In Goldmark der Goldanleihe oder in Rentenmark.) Weizen, märkischer 172—179, mitteldeutscher —. Roggen, märkischer 130 — 137, pommerscher —, westpreußischer 124—125. Gerste, Futtergerste 150 — 155, Sommergerste 155 — 165. Hafer, märkischer 139—144, pommerscher —, westpreußischer — Mais, loco Berlin, Waggon frei Hamburg —, Weizenmehl pro 100 icg frei Berlin brutto inkl. Sack (feinste Marken über Notiz) 24 — 27,50. Roggenmehl pro 100 lcg frei Berlin brutto inkl. Sack 20,50—23. Weizenkleie, frei Berlin 9,60—9,80. Roggen kleie» frei Berlin 9,50—9,60. Raps 275. Leinsaat 350-360. Viktoria-Erbsen 20-21, »eine Speise-Erbsen 14-15, Futter erbsen 14. Peluschken 14. Ackerbohnen 14—15. Wicken 15—16 Lupine«, blaue 9,20—10, gelbe 16—17,50, Serradella — Rapskuchen 10,50—10,60. Leinkuchen 19—20. Trockenschnitzel 8,80—9. Vollwertige Zuckerschnitzel 18—19. Torfmelaffe 30/70 —. Aartoffelssocken 20,50-21. Es ist nichts los! „en Wochen des Hochsommers — meinen «>e, Herr Nachbar. Und darum brauchen Sie jetzt kein Blatt zn lesen — nicht wahr, Herr Nachbar? Da« deutsche Volk, das Volk, zu dem auch Sie, Herr Nachbar, gehören, ist krank, schwerkrank, und die allernächste Zeit wird darüber entscheiden, ob es je wieder gesunden soll oder nicht. Unser aller künftiges Schicksal — auch das Ihrige. Herr Nachbari — hängt von dem ab, was uns die kommenden Tage bringen — aber trotzdem: Es ist nichts los! Tie Ereignisse werden Sie aus Ihrer Lauheit uui- rütteln l Die Krisis, die Deutschland dnrchfiebert, geht auch an Ihnen nicht spurlos vorüber. Und Sie werden sehr bald inne werden, daß Ihr eigenstes Bedürfnis gebietet, sich vermittels der Zeitung täglich Wer alles Neue zu unterrichten und danach die Ihrem persön lichen und geschäftlichen Wohle dienenden Maß- nahmen zu treffen. Erneuern Sie also rechtzeitig Ihr Abonnement auf das Riesaer Tageblatt und handeln Sie nicht nach dem törichten Worte: Es ist nichts los! Lieselotte. Roman von Fritz Gantz er. 32. Fortsetzung. Nachdruck verboten. In Weiten! Heinz erwog eS, als er später einsam am Sterbebett Tante Malvrns saß. Ein anderer hätte dies Band einer unseligen Ehe jetzt vielleicht ohne Skrupel gelöst. War in Heinz aber auch dre Liebe erlösche,:, er hielt es für seine Pflicht, auszuharren l Wohl stieg, wie ein lockendes Traumbild, Lieselottens liebe- Antlitz vor seiner Seele auf; aber er mußte es verscheuchen. Freilich, die Kämpfe, die dies ihn, kostete, waren die schmersteu und bittersten, die ihm das Leben bislang gebracht hatte. Es wollte ihn fast bedünken, daß das Schicksal ihn über seine Kraft belaste. Dennoch, er mußte durch l — Blaß und müde kroch der verschlafene Dezemdertag aus seinen grauen Wolkenbetten. Ein feiner Sprühregen hatte sich angesagt und ließ stch von dem Morgenwinde gegen die Fcusterjchciben treiben, um in kleinen, schmalen Bachen und Rinnsalen an den, blanken Glase hernicderzugleiten. Zerschlagen an Leib und Seele erhob sich Heinz von dem Stuhl, der neben dem Sterbebett stand. Wie trübe und grau das alles aussah da draußen l Grau der Himmel, grau die Welt mit ihrem griesgrämigen, naßkalten Dezember- gesicht. Er ging sinnend im Zimmer auf und ab. Zufällig fiel sein Blick i» den Spiegel. — War daS möglich? ... Er trat dicht an das blanke GlaS und strick mit der Hand über das Haar, als wollte er etwas Hinwegwischen. — Aber es bliev. Heinz von Düringen sah blauen Früblickt au seine» Schläfen — rrarauteS Haar l S. Kapitel. Melchior Rosenstock saß an einem mit Papieren übersäten Tisch und rechnete lange Zahlenreihen aus, die er aus einem rechts neben ihm liegenden Stoß von Schriftstücken heranSge» zogen hatte. Sein Erficht, in dessen Zügen em Gemisch von Le, Brrlcklaaenbrit -es Sucklet Md b«r hnngriam Gier d-i» MolfeS stand, war pergamentfarben, dürr und' trocken wie ein Ackerrain im Hochsommer, der wochenlang ohne Regen blieb. DaS mit grauen Bartstoppeln dicht besetzte Kinn stand hart und scharf hervor. Auf dem starkgekrümmten Rücken der viel zu großen Nase saß schief der goldene Klemmer, durch dessen Gläser er nur sah, wenn er schrieb. Sonst blickte er, den Kopf grotesk nach der Seite verrenkend, über den Kneifer weg. Tann sah mau seine kleinen stahlgrauen Nugen, sn denen immer Vie Bosheit und die Hinterlist zu lauem schienen. In dem Keinen Zimmer, dessen Fenster nach dem dunstigen Hofe einer Straße im Norden Berlins binauSsahen, herrscht« eine schwüle, stickig« Luft und eine fast unerträgliche Hitze. Selbst die sonst immer summenden Fliegen saßen erschlafft und regungslos an den unsauberen Fensterschelbeu. Melchior Rosenstock hatte längst den Rock ausgezogen und arbeitete i» Hemdsärmeln. Als vcr Dämmerung schon in den Ecken deS dürftig auSgestatteten Zimmers hockte und von dort allmählich ihre düstergrauen Arm« polypenartig über daS ganze Gemach streckt^ erhob sich Melchior Rosenstoa, stieß ein Fenster auf, um der Kühle de- Augustabends Eintritt zu verschaffen, und rüstete sick »um AnSarhen. Er legte einen durch die Länge der Benutzung gelb ge wordenen Gummikragen um seinen knöchernen Hals, band eine in bezug auf Sauberkeit nicht ganz einwandfreie Krawatte um Mld ^chlü^ste in di« schiefgetreten« Absatz« aufwetsendm AlS er z« Hut und Stock greifen wollte, klopft« e«. Auf di« nicht gerade freundlich gesprochen« Einladung zum Nahertreten schritt ein hochgewachsener Herr, der stch unter der Tür bücken mußte, um nicht mit dem Kopf« anzu stoßen, in das Zimmer. „Herr Melchior Rosenstock?" fragt« er nach einem heiser gesprochenen Gruße. , , . »Zu Diensten, mein Herr. Sie wünschen?" « - Statt einer Antwort reichte der Herr seine Karte nnd nahm aus dem hingeschobenen Stuhle Platz, tief und laug« seufzend. Melchior Rosenstock war an daS Fenster getreten, um den Namen auf d«r Karte lesen zn können. Sein tückisch« Blick bügelt«, .als er di« keine Gckrtkt entziffert batte' s ,AH1 — Sehr angenehm, Herr von Düringen," Ihre pevi sönliche werte Bekanntschaft zu machen," sagte er in kriechende« unterwürfiger Haltung, während er vom Fenster zurücktrcu und stch an den Tisch lehnt«. »Sehr liebenswürdig, mich durch Ihren gAchätzten Besuch zu beehren. Wir kannten uns bis jetzt nur durch den schriftlichen Verkehr, seitdem ich die hohe Ehrt hatte. Ihnen gefällig zu sein." i H«nz ekelte der Mann förmlich an. Er winkte abwehrens mit der Hand und zog einen stark zerknitterten Brief aus der Brusttasche. Als er ihn zögernd auseinandergefaltet Haitis sagte er; »Sie schrieben mir vor drei Tagen und mahnten weg«» Zahlung der rückständigen Zinsen in Höhe von 1500 Mars unter Androhung sofortiger Kündigung der Hypothek im Fallt der Nichtzahlung.", ; »Sehr wohl, gnädiger Herr. Und Gi« kommen wohl selbst vm den Rückstand ju begleichen?" Der Geloverleiher sah nach seiner Frage lauernd auf den in stch zusammengesunken Dasitzcnden. »Nein," rang es stch endlich tonlos von dessen Lippe» »Ich bi« augenblicklich zahlungsunfähig und — — — — bitt« um einen vierteljährlichen Aufschub." ! Da« Wort .bitte" preßt« er nur mit größter Anstrengung heraus und sank darnach noch tiefer in sich zusammen. Das demütigende Gefühl, vor diesem Mann als Bittender stehen zu müssen, lastete auf ihm wie ein Druck, der seine Schuller» gepackt batte, und wie ein Ries«, de, auf feinem Rücken kniete und seinen Nacken umspannte. „Gott du Gerechter!" ereiferte stch Melchior RosenstoL während rr di«Daumen in die Nrrmelüffiiuna seiner Weste schob und dann bttan«, im Zimmer auf und ab zu laufen. »Alles drängt auf Warten, kemer will zahlen. Ich brauch« mein Geld doch auch, wenn ich neue Geschäft« mach«« will. Schließlich kann ich al« armer, ruinierter Mann hinten hinaus laufen, wenn ich nicht mein gute» und schöne» und teure« Geld pünktlich bekomm«. Gott soll mich straf««, wenn ich di« 1500 Mark nicht auf di« Minute gebrauch«.' Heinz zuckte zusammen. Aber er hatte erwartet, daß der Mann Schwierigkeiten machen würde, und ließ sich nicht gleich entmutigen. Er richtete sich oukuud lvrack «riHeiev Gttmm« al« vorbig.
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