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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 05.04.1904
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-04-05
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040405022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904040502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904040502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-04
- Tag1904-04-05
- Monat1904-04
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vezugS-Pret- tz, y« Hauptrxpedttion oder deren Ausgabe stellen abgeholt: vierteljährlich ^4 3.—, bei zweimaliger täglicher Zustellung in» Hau» ^tl 8.7S. Durch di« Post bezogen für Deutich- land u. Oesterreich vierteljährlich 4.S0, für di« übrigen Länder laut Zeitungspreisltst«. Redaktion und Expedition: JohanntSgasse 8. Fernsprecher ISS u. 222. Ailtalexpedttionen r «lfr»dHahn. Buchhandlg-, Univerfltättstr. 3 (gernspr.Nr. 4016), L. Lösche, Katharinen straße 14 (Fernsprecher Nr. 293Ü) u. König»- platz 7 (Fernsprecher Nr. 7S0Ü). Haupt-Filiale Dresden: Marieusttaßr 84 (Fernsprecher Amt I Nr. 1718)^ Haupt-Filiale Berlin: CarlDuncker, Herzgl.Bayr.Hofbuchbandlg., Lützowstraße 10(FernjprecherAmtVI Nr.46O3.) Abend-Ausgabe. MpMer. TaMalt Anzeiger. Amtsblatt -es Äöniglichen Laub- und -es Hömglichen Amtsgerichtes Leipzig, -es Rates und des Volizeiamtes -er Lta-t Leipzig. Anzeigm-Pret» die 6 gespaltene Petitzetle 28 Reklamen unter dem Rrdaltion-strtch (»gespalten) 7K »j, nach den Fammcnaach- richten (6 gespalten) SO Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren fiir Nachweisungen und Offertenannahme 2Ü Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgea-AuSgabr, ohne PostbefVrdrrung >l 60.—, mit Postbefvrderung 70.—. Aunahmeschlutz für Anzeigen r Abend-Ausgabe: vormittag» 10 Uhr. Morgen-Au-gabe: nachmittag» 4 Uhr. Anzeigen sind stet» au di« Exprdition zu richte». Li« Expedition ist Wochentag» ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi» abend» 7 Uhr. Druck und Verlag von G. Pole tu Leipzig (Inh. vr. B., R. L W. Kliulhardt). Nr. 172. Var lvicdiigrte vom Lage. * Der Besuch des deutschen Kron prinzen in Kopenhagen erfolgt nach bester In formation nunmehr unter der Voraussetzung, daß cum - berländische Prinzessinnen dort nicht an- wesend sind. * Der Kaiser machte gestern von Messina aus noch einen längeren Wagenausflug und wollte heute früh die Weiterreise nach Palermo antreten, wo er heute nach- mittag erwartet wurde. * Die Nachricht des „Morning Leader", König Eduard bezwecke mit seinem jetzigen Besuche in Kopenhagen, die Höfe von Berlin und Gmunden zu versöhnen, wird an unterrichteter Stelle als Fabel bezeichnet. * Der 13. deutsche Turntag, der gegenwärtig in Berlin tagt, beschloss, drei Vertreter der auf Grund des sog. Arierparagraphen aus dem Kreise XV (Deutsch-Oesterreich) ausgeschlossenen Vereine, die sich zu einem „Verbände Deutsch-freiheitlicher Turnvereine" zu sammengetan haben, zum Deutschen Lurntage mit beratender Stimme zuzulassen und ferner den Vereinen des Verbandes die Rechte und Pflichten eines Kreises mit der Bezeichnung Kreis XVb zuzubilligen, so lange die Bestimmung in dem Grund gesetze des Kreises XV noch bestehe, die die Ausscheidung der sog. „Deutsch-freiheitlichen Turnvereine" veranlaßt hat. * Der zweite Sachsentag fand vom 1. bis 4. April in Berlin statt. * Auf dem in Krügersdorp tagenden Boeren- kongreß gelangte der endgültige Verzicht auf politische Selbständigkeit zu deutlichem Ausdruck. Im Zusammenhänge damit mißbilligte man auch die von Ben Viljoen geplante Vorführung von Boerenkämpfen auf der Ausstellung in St. Louis. kine flucht l« Sie üeMutllchlkeit. Der Roman „Erstklassige Menschen" vom Freiherrn von Schlicht (Graf Wolf Baudissin), über den wir unmittelbar nach seinem Erscheinen an leiten der Stelle gesprochen haben, ist beschlagnahmt und der Autor ist in den Anklagezustand versetzt worden. Damit ist der merkwürdige Fall eingetreten, daß der preußische Kriegsminister, von dem diese Maßregel zweifellos ausgeht, einer sozialdemokratischen Anregung gefolgt ist, denn im Reichstage hatten am 4. März die Abgeordneten Bebel und Gradnauer der Militärverwaltung geraten, „Klarheit zu schaffen" und den „Tatbestand" feststellen zu -lasten. Wieder einmal also tritt ein Minister die Flucht in die Öffentlich keit an. Demnächst können wir einen Prozeß erleben, wie er lange nicht da war. Ein paar Dutzend Gardeoffiziere werden vor Gericht gestellt werden, die Verteidiger des Grafen Baudissin werden immer neue Vernehmungen beantragen, immer neue Beweisaufnahmen veranlassen und Wochen und Monate lang kann daS Offizierkorps durch den Schmutz gezogen 98. Jahrgang. Dienstag den 5. April 1904. werden. Da« alle«, weil der Kriegsminister seiner berech tigten Empfindlichkeit nachgibt, weil er zu viel Soldat und zu wenig Politiker ist, und weil er glaubt, daß eine Verurteilung des Grafen Baudissin die Armee gewissermaßen rehabilitieren werde. Aber diese Rehabilitierung war für unbefangene, nicht voreingenommene Leute wirklich gar nicht nötig. Bei ihnen konnte das elende Machwerk wohl dem gräflichen Autor, aber nun und nimmer mehr dem Offizierkorps schaden. Und diejenigen, die gehässig über die Armee denken, werden sich durch eine Verurteilung de« sogenannten Dichters nicht umstimmen lassen. Möglicher weise wird auch in dem Prozeß dieser oder jener Verstoß gegen eine strenge Lebensauffastuug aufgedeckt werden. Denn Leutnants sind nun mal, glücklicherweise möchte man fast sagen, keine Heiligen und wir möchten einmal sehen, was sich ergeben würde, wenn wir die gleiche Anzahl junger Menschen aus anderen Ständen vor die Schranken stellten und ihre Privatissima durchforschten. Die sozialdemokratische Presse aber wird sich natürlich nicht entblöden, die Elefanten fabrikation zu betreiben und ganz Deutschland mit einer Flut von moralischen Deklamationen zu überschwemmen. Der Vorgang hat noch eine andere bedenkliche Seite. Der Angeklagte wird vielleicht einfach erklären, er habe gar keine bestimmten Personen gemeint, er habe nur die Erinnerungen aus seiner Leutnantszeit zu Typen konden siert und habe geflissentlich schwarz gemalt, um seinen durch aus sittlichen, reformatorischen Zweck zu erreichen, das sei so Art der Sozialkritiker und Moralisten. Schließt sich der Gerichtshof dieser Auffassung nicht an, so wird damit ein unerfreulicher Präzedenzfall geschaffen und die literarische Freiheit, die Lust, zu fabulieren, erheblich eingeschränkt. Eine weitere Folge der Beschlagnahme ist e« sicher, daß der Roman nun statt von 10 000 von 100 000 Lesern verschlungen werden wird, denn bekanntlich ist eine Beschlagnahme in dieser Beziehung gänzlich wirkungslos. Auch das Ausland wird nun erst recht aufmerksam; so hat auch Herr Bilse in Wien ein ganz besonders glän zendes Geschäft gemacht. Der Effekt der Beschlagnahme ist derselbe, als wenn man dem Grafen Baudissin und seinem Verleger eine Ehrengabe zuerkannt hätte. Kurz, unter allen Gesichtspunkten ist die Maßregel deS Kriegsministers so außerordentlich unglücklich, daß man sich nur wundern kann, wie e« möglich war, daß sie beschlossen wurde. Solche Dinge sollten nicht impulsiv, sondern mit kühlster Ueber- legung und lediglich von politischen Gesichtspunkten aus beurteilt werden. Der Aufstand der Herero. Von einem Teil der deutschen Presse waren gleich nach Bekanntwerden der Schlappe von Owikokorero heftige Angriffe gegen den Major v. Glasenapp gerichtet worden, weil er die „einfachsten Vorsichtsmaßregeln unterlassen" haben sollte. Wir haben uns demgegenüber dahin geäußert, daß man mit der Kritik billigerweise so lange zurückhalten müsse, bis amtlich Einzelheiten über den Kampf veröffentlicht seien. Militärische Kritiker nehmen jetzt den Major v. Glasenapp entschieden in Schutz, namentlich tut dies Major v. Barse- wisch, der mit Wahrnehmung der Geschäfte eine« Inspekteurs der Marine-Infanterie beauftragt ist. Dieser schreibt im „Militärwochenblatt": „Da der Major v. Glasenapp nicht die nötige Marschsicherung anordnete....", urteilt eine der größten deutschen Zeitungen. Diese Behauptung ist ohne alle Unterlage und, wenn Glasenapp sich schon im Gefecht befand, sogar widersinnig. Eine vielgelesene Provinzial zeitung fragt naiv genug, wo denn die „Verbindungsleute" gewesen seien. Ein Gouvernementsbeamter au» Windhoek, zur Zeit in der Heimat, gibt die unbewiesene Meinung zum besten, unsere „Offiziere und Reiter seien ahnungslos herangetrabt". Er bemängelt die angebliche Sorglosigkeit und den unbe- wiesenen Mangel an Kundschaftern und Patrouillen, er bricht über „schematisch exakte Manöver" (!) den Stab und gibt ein unlogisches Rezept für die Kampfesweise in Afrika. Solch ahnungslose Kritiken müssen natürlich hingenommen werden. Auf keinem Gebiete gibt eS mehr „Sachverständige", als in militärischen Dingen. Ich würde die Feder nicht ergriffen haben, hätte sich die Kritik nur auf Kreise gewohnheitsmäßiger Lästerer beschränkt. Auch Glasenapps wegen nicht. Denn für mich steht er als vielerfahrener Truppenführer über der Kritik. Auch ich urteile ohne genügende Unterlagen, aber die Persönlichkeiten der Gefallenen, die Zusammensetzung deS Stabe» reden eine deutliche Sprache. Bor allem: Ehe das Gegenteil bewiesen, wer wollte es wagen, von „Sorglosigkeit", „Versäum nissen" der Träger unserer nationalen Ehre zu reden? Aus Berichten wissen wir, daß an Bord, während der Ueberfahrt alle Schriften über daS Schutzgebiet eifrigst studiert, die Mannschaften nach Kräften belehrt, > leitergebildet wurden. Auf dem Schauplatze seiner Tätigkeit angelangt, wurde Glasenapp in die Gesell- schäft erfahrener Afrikaner ausgenommen. Zwei von den besten, Francois und Eggers, sind in seinem Gefolge gefallenl Sicher ist, daß Glasenapp nach ungeheuren, äußerst anstrengenden Marsch leistungen einen Nachtrab der Herero-Hauptkräfte umgangen und zum Kampfe gestellt hat. Er verfügte nur über wenig Berittene. Um so schwerer mußte es fallen, seinen Gegnern auf den Fersen zu bleiben, die Wege und Angriffsziele zu erkunden, den langsam folgenden Fußtruppen unnötige Wege zu ersparen! Glasenapps Stab war laut Verlustliste zusammengesetzt aus den besten Landeskundigen, im Heliographen- und Signal dienst ausgebildeten Leuten, Offizieren der verschiedenen Ab- trilnngen mit ihren Meldereitern und einer notgedrungen nur schwachen Bedeckung berittener Soldaten. Mt größter Tatkraft, nicht „ahnungslos", ist diese kleine Schar dem in das iiymer schwieriger werdende Gelände abziehenden Gegner gefolgt. Hunderte von Kilometern war man schon marschiert. Ich denke mir die physischen Kräfte der Kolonne Glasenapp am Tage von Owikokorero dem Versiegen nahe. Glasenapps verzweifelter Versuch, den Feind zu werfen, die Wasserscheide von Owikokorero zu gewinnen, ist vereitelt worden! Bevor nicht das Gegenteil er wiesen ist, behaupte ich, daß ihm und seiner Truppe sich Schwierig, keiten entgegengetürmt haben, denen die Kraft dieser Besten nicht mehr gewachsen war. Die größten Feldherren aller Zeiten haben Schlachten verloren — über den Führer unserer, nur bescheiden ausgerüsteten Kolonne will man urteilen? Bei Owikokorero lag in seiner Unternehmung vielleicht der Keim zu großem Erfolge, vielleicht war es zugleich die letzte, seiner erschöpften Truppe vorerst noch zuzumutende Tat? Ueber seine Marschverluste, die Abgaben für Besatzungen, Troß und Nachschub wird man noch hören. Uns aber, den in der Heimat Nächst, betroffenen, ist die sogenannte „Hiobspost" in ganz anderem Lichte erschienen. Eine Tagebuchnotiz besagt: „Die Herzen der Seesoldaten schlagen höher bei der Nachricht von solchem Beispiele rücksichtslosen Wagemutes und heldenhafter Aufopferung. Die Truppe wird durch den Verlust so vieler tapferer Führer nur zu höheren Leistungen angetrieben." Siu Blick auf die Karte zeigt, daß die Herero jetzt zwischen Glasenapp, Major v. Estorfs und den Truppen von Windhoek mehr und mehr eingekesselt werden. Und während der Vollbringung solcher Taten hat sich durch all« (?) Zeitungen eine Flut von unbe- legten Kritiken über Major von Glasenapp ergossen. Die Nicht beachtung gewöhnlichster Sicherheitsmaßregeln, wie sie schon der Rekrut im Unterricht erlernt, wurde ihm angedichtet." Der russisch-japanische Krieg. Der Aufinarseh de» Japaner in Nerbkerea. Shanghai, 4. April. (Meldung des Reuterschen Bureaus.) Nach Meldungen aus Kobe befinden sich gegenwärtig 260 000 Mann japanische Truppen auf dem Marsche. Außer dem sind in den Garnisonen 60 000 Mann unter den Waffen, abgesehen von den Reserven der dritten Klasse, die noch nicht mobilisiert sind. Der Generalstab bewahrt über den Feldzugsplan Stillschweigen, man nimmt aber an, daß die japanischen Streitkräfte in drei Armeen geteilt operieren werden. Die japanischen Behörden haben tausende von Pferden angeschafft und jeder Armee wird voraussichtlich eine ziemlich bedeutende Kavallerieabteilung zugeteilt werden. Die Pferde und die Mannschaften der Reiterei scheinen der europäischen Kavallerie nicht gleichwertig zu fern, aber die japanischen Offiziere erklären, daß die Kavallerie sich ihrer Aufgabe gewachsen zeigen werde. Der größere Teil der nach Korea abgehenden japanischen Artillerie scheint keine schwerenGeschütze zu führen, aber man glaubt, daß Japan mehrere Batterien mit schweren Geschützen besitzt, die der besten Feldartillerie ebenbürtig sind. Außerdem hat Japan mehrere Batterien Berg-Artillerie. DaS in ganz Korea und der Mandschurei herrschende Tau Wetter hat die Straßen un passierbar gemacht. Shanghai, 4. April. (Meldung de- Reuterschen BureauS.) Japanisch» Aufklärungstruppen find heute vormittag 11 Uhr in Widschu eingerückt. Die Russen haben sich anscheinend über den Ialu zurückgezogen. Politische Tagesschau. * Leipzig, 5. April. Hohenzollern und Welfen. Die „Köln. Volksztg." fungiert nicht nur als „Gazeta Bachemska", ist nicht nur das Mundstück des interdikts frohen Bischofs von Metz, sondern gefällt sich auch in der Rolle eines Staatsanzeigers des ehemaligen Königreichs Hannover; denn sie gibt ohne jeden Zusatz eine „aus deutsch-hannoverschen Kreisen" stammende Auslassung wieder, die zweifellos cumberländisch-offiziös ist. Mit dieser Auslassung sich zu beschäftigen, hat man insofern allen Grund, als sie offenbar persönlichen Berührungen zwischen Hohenzollern und Welfen Vorbeugen soll. Zu dem gedachten Zweck erinnert die welfische Kundgebung daran, daß der Herzog von Cumberland den Ereignissen des Jahres 1866 genau ebenso gegenüber st eht wie König Georg V., daß der Herzog von Cumberland „wieder holt dem Wunsche nach einer Regelung der Verhältnisse auf friedlichem Wege prägnanten Ausdruck gab", daß als Antwort hierauf der Ausschluß des Herzogs vom Aus- tritte der Erbfolge in Braunschweig erfolgte, da der Her zog sich im Kriegszustände mit Preußen befinde. Nach Feuilleton. A Das Testament des Bankiers. Roman von A. M. Barbour. Nachdruck verboten. Im Gegensätze zu seinem gleichmütigen Wesen hatte sich der meisten der Anwesenden eine fast fieberhafte Er regung beinächtigt. Die Bleistifte der Reporter hasteten über das Papier, seit sich die Vernehmung so interessant gestaltete und so ergiebige, würzige Enthüllungen in Aussicht stellte. Ralph Mainwarings Gesicht war dunkel rot vor Wut, Herr Thornton schien sich kaum mehr be- meistern zu können, und Herr Whitney wurde vor Auf regung und Aerger bald rot und blaß. Nur Frau La Grange hatte ihre volle Gewalt über sich wieder gefunden und mit halb geschlossenen Augen und spöttischem Lächeln der Wiederholung der eigenen Worte gelauscht. „Erwiderte Herr Mainwaring nichts?" fragte der Coroner weiter. „Jawohl, ich hörte aber, da ich mich nun von der Tür zurückzog, nur noch seine Stimme, ohne etwas zu ver stehen." „Wieviel Uhr war es, als Sie dann bei ihm ein traten?" „Einige Minuten nach zwölf." „Und da sahen Sie Herrn Mainwaring zum letzten Male lebend?" „Zum lebten Male." „Wissen Sie, ob noch irgend jemand bei ihm war, nachdem Sie ihn verlassen hatten?" „Davon ist mir nichts bekannt." „Nach Ihrer eigenen Erklärung müssen Sie etwa eine Stunde vor seinem Tode bei ihm gewesen sein, und deS- halb ist es nötig, daß Sie jede Einzelheit Ihres Ge spräches angeben." „Ich bin durchaus bereit dazu, kann aber nur wenig sagen. Die Zusammenkunft dauerte überhaupt kaum zehn Minuten. Herr Mainwaring ging, als ich eintrat, gewohnheitsmäßig mit auf dem Rücken verschränkten Händen, tief in Gedanken versunken, in der Bibliothek auf und nieder. Das Turmzimmer war, wie ich durch einen Ritz der zusammengezogenen Portieren erkennen konnte, niatt erleuchtet. Als er mich bemerkte, setzte er sich, gab mir sichtlich ermüdet und abgespannt nur einige Anweisungen bezüglich eingehender Telegramme und Briefe, sowie einen Zettel mit Notizen für den nächsten Tag, und lud mich dann ein, an der Heier seines Ge burtstages teilzunchmen und mich als fernen Gast zu be trachten. Ich dankte ihm und entfernte mich. Das war alles." „Hörten Sie irgend etwas Ungewöhnliches, nachdem Sie Ihr Zimmer erreicht hatten?" „Um diese Zeit nicht, aber später, gegen drei Uhr, glaubte ich, an der Hinterseite des Hauses ein Geräusch, wie von heimlich schleichenden Schritten, «zu vernehmen. Es kann dies indessen auch eine Täuschung gewesen fein, denn obgleich ich angestrengt lauschte, vermochte ich nichts mehr zu hören." „Vorläufig danke ich Ihnen, Herr Skott, es ist jedoch sehr wahrscheinlich, daß ich bald noch Ihr weiteres Zeug nis brauchen werde." Diese Worte begleitete der Coroner mit einem bedeutungsvollen Blick, indem er rief: „Ich bitte jetzt Frau La Grange!" Eine merkliche Bewegung lief durch den Saal, als die Aufgerufene mit unnachahmlicher Grazie zu dem Tisch schritt, während der Geheimsekretär sich wieder auf seinen Platz neben Fräulein Carleton begab. Dieser entging der Blick nicht, den Frau La Grange Herrn Skott nach schleuderte, und mit jener den Frauen eigenen schnellen Beobachtung erkannte sie augenblicklich, daß die Gegner- schäft dieser beiden Persönlichkeiten der ganzen Gerichts verhandlung den Hauptreiz verleihen würde. Mehr noch als zuvor wurde chr Interesse geweckt, und unverwandt hielt sie ihren Blick auf das Gesicht der Zeugin geheftet. Auch bei der gesamten anderen Zuhörerschaft wuchs die Aufregung. Viele drängten sich begierig näher an den Tisch, um von den weiteren Enthüllungen kein Wort zu verlieren. Niemand ahnte aber den Trumpf, den Frau La Grange in Bereitschaft hatte, als sie, von dem Coroner aufgefordert, ihren vollen Namen anzugeben, mit hocher- hobcncm Kopfe und fester Stimme antwortete: „Eleanor Houghton Mainwaring." Einen Augenblick herrschte Grabesstille, selbst der Coroner sah der Zeugin verblüfft ins Gesicht. Endlich hob er wieder an: „Wollen Sie Ihre Verwandtschaft mit dem Ver storbenen erklären." „Ich bin seine Witwe!" Diese mit völliger Ruhe abgegebene Erklärung machte auf die Anwesenden einen noch mächtigeren Eindruck. Man blickte sich an und flüsterte miteinander; einzelne unterdrückte Ausrufe ließen sich vernehmen. Gänzlich unberührt davon fuhr aber die Zeugin fort: „Wir wurden in London heimlich getraut." . „Weshalb heimlich? Und wie lange ist das her?" „Etwas über dreiundzwanzig Jahre. Ich war damals eine junge Witwe; besondere Verhältnisse bestimmten Herrn Mainwaring zu der Forderung, unsere Verbindung vorderhand geheim zu halten. Ich fügte mich seinem Wunsche, und so wurden wir ganz im stillen getraut." „Welcher Art waren die Gründe, die Herrn Main waring zu seiner Forderung bewogen?" „Die näheren Gründe mitzuteilen, habe ich augen blicklich keine Veranlassung; ich bemerke nur, daß Ereig nisse, die sich während der letzten Monate des Lebens meines ersten Gatten zugetragen hatten, Herrn Main waring zu dieser Geheimhaltung bewogen." „Und diese Gründe für die Geheimhaltung Ihrer Ehe mit Herrn Mainwaring sollten all die langen Jahre bis jetzt bestehen geblieben sein? Das hat doch etwas höchst Auffälliges. Haben Sie denn niemals ernstlich darauf gedrungen, die öffentliche Anerkennung Ihrer Stellung als Frau zu erlangen?" „O, oft genug. Mein Mann fand aber immer neue Vorwände, oiese Anerkennung hinauszuschieben. Drei Monate nach unserer Verheiratung verließ er mich sogar heimlich, um meinem Drängen zu entgehen. Er fürchtete wohl, durch die Veröffentlichung der mit mir geschlossenen Ehe seinem stolzen Namen einen Makel anzuheften. Vier Jahre wußte ich nicht, wohin er sich gewandt, und wäh- rend dieser Zeit erfuhr ich, daß er, der sich scheute, mir den gebührenden Platz an seiner Seite einzuräumen, vor dem Gesetze ein gemeiner Verbrecher war. Endlich führten mich meine Nachforschungen hierher. Ich schleuderte ihm inS Gesicht, was inzwischen zu meiner Kenntnis gekommen war, er aber — wohl um mein Schweigen zu erkaufen — gab mir leidenschaftliche Versicherungen seiner neu er wachten Liebe und Versprechungen, mir nun bald die Stellung zu geben, die ich als seine rechtmäßige Frau zu fordern hatte. Er sagte, daß er das allerdings noch nicht gleich tun könnte, weil er hier nur als unverheiratet be kannt sei, er wolle aber alles vorbereiten, um sich in einiger Zeit noch einmal öffentlich mit mir trauen zu lassen, damit ich endlich den mir gebührenden Platz ein nehmen könne. Ich Närrin ließ mich betören und wartete und wartete. Inzwischen wurde unser Kind geboren, und dies gab ihm neuen Anlaß zu einer weiteren Der- schiebung der Sache. Ich glaube, wenn ich ihn nicht in meiner Hand gehabt, wenn er nicht gefürchtet hätte, durch mich entlarvt zu werden, würde er mich mit dem Kinde einfach auf die Straße gesetzt haben, so aber wagte er das nicht. Er erfand den Ausweg, mich in Witwenkleidung mit dem Knaben hierher nach Schöneiche kommen zu lassen, und sprengte aus, ich wäre eine entfernte Ver wandte, die ihm den Haushalt führen sollte. So habe ich aus Liebe für mein Kind den Vater nicht, wie ich dies hätte tun können, in eine Verbrecherzelle gebracht, und in der Hoffnung, unfern Sohn doch endlich noch in seine Rechte eingesetzt zu sehen, ein doppeltes Leben geführt, das heißt, als Dienerin gegolten, wo ich die rechtmäßige Herrin war." Mit atemloser Spannung folgten die Versammelten diesen Enthüllungen. „Können Sie die Papiere über Ihren mit Herrn Mainwaring geschlossenen Ehebund vorlegen?" fragte nun der Coroner. Die Augen der Zeugin sprühten plötzlich Haß und Grimm. „Das vermag ich leider nicht, da mein Mann den Trauschein verwahrte und mir bei meinen Vorstellungen öfter drohte, ihn zu vernichten. Wenn er diese Drohung nicht wirklich ausgeführt hat, wird sich der Schein im Geldschrank befinden. Indessen kann ich für alle Fälle einen Zeugen stellen, der der Trauung beiwohnte und den Schein unterschrieb." „Wer war der Zeuge?" „Richard Hobson aus London." Der Coroner machte sich eine flüchtige Notiz. „So find Sie also mit dem Manne bekannt?" „Natürlich, er war ja eine Zeitlang der Anwalt meines Mannes."
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