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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 06.04.1904
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-04-06
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040406024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904040602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904040602
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
- Images teilweise schlecht lesbar
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-04
- Tag1904-04-06
- Monat1904-04
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Anzeigen-PreiS die 6 gespaltene Petitzeile 28 Reklamen unter dem Redakttonsstrich (»gespalten) 75 nach den Familirnnach- richten (6 gespalten) SO Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 25 /H. Extra-Beilage« (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung 60—, mit Postbeförderung .4 70.—- Annahmeschluh für Anzeige«: Abend-Ausgabe: vormittag» 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: nachmittags 4 Uhr. Anzeigen sind stets an die Expeditton zu richte«. Die Expeditton ist Wochentag» ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi» abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig (Inh. vr. B., R. L W. Kltnkhardt> Nr. 174. Mittwoch den 6. April 1904. Vs» Wichtig»!« vom läge. * Ueber das Ergebnis der gestrigen Konferenz im sächsischen Ministerium des Innern wegen des Leipziger Äerztestreites verlautet, daß die Regierung daS Recht der Kasse anerkenne, Diftriktsärzte anzustellen. Bei Fortdauer der un genügenden ärztlichen Versorgung wird jedoch ein Ein greifen der Kreishauptmannschaft ange kündigt. * Die Novelle zur Entlastung des Reichs- gerichts wird, der „Nat. Ztg." zufolge, in der nächsten Woche dem Bundesrate zugehen. * In einer anscheinend parteioffiziösen Erklärung der „Natl. Korresp." wird gesagt, die gesamte natio- nalliberaleFraktion sei fürAusnahme- gesetze gegen die Sozialdemokratie nicht zu haben. * Prinz LeopoldvonBayernsoll zum S t a t t- Halter von Elsaß-Lothringen in Aussicht ge- nommen sein. * Für st in Sophie zur Lippe ist heute früh 4 Uhr m Karlsruhe geftorben. * Das Vordringen der Engländer inTibet bezeich net nun auch die „Nowoje Wremja" als einen gegen Rußland gerichteten Schritt. aemenliere mir." Das berühmte „Ick dementiere mir" des alten Wrangel findet nicht selten bei dem sozialdemokratischen Zentralorgane Anwendung, wenn es sich einmal den Luxus einer eigenen Meinung gestattet hat. Nach der Wahlniederlage in Zschopau schrieb das Blatt wörtlich: „Die Organisation der Sozialdemokratie baut sich „demo kratisch" von unten aus und wurzelt in der „Sclbstver- ?.>alttlng per Kreise l Mit diesem «Latze war der Partei leitung deutlich genug zu verstehen gegeben worden, daß man den Wahlkreis Zschopau selbst seinen Kandidaten hätte bestimmen lassen niüssen und daß das bekannte Vor gehen der Zentrale gegen die sozialdemokratische Wahl kreisorganisation undcmokratisch gewesen sei. Diese Kurage des „Vorwärts" gegenüber dem mächtigen Herrn Bebel hat nicht lange vorgehalten. In einem ellenlangen Artikel mit der Ueberschrift „Demokratie" wird genau das Gegenteil von dem verfochten, was der „Vorwärts" ur sprünglich gesagt hatte. Da heißt es: „Diese geschäftliche Angelegenheit (gemeint ist die Nominierung des Kandi daten) hat mit der Frage der Demokratie nichts zu tun." Hier wird also der von Herrn Bebel geübte Terrorismus als mit der Demokratie sehr wohl vereinbar hingestellt, denn cs handelt sich ja nur um eine — „geschäftliche An gelegenheit". Wir hatten immer gedacht, daß es eine ge- schäftlichc Angelegenheit ist, wenn ein bewährter „Ge nosse" einen Cigarrenladen oder eine Gastwixtschaft auf tut, aber daß auch die Aufstellung eines Mannes, der doch der Vertrauensmann des Volkes sein soll, zum Reichstagsabgeordneten eine geschäftliche An- gelegenheit ist, das ist weder schmeichelhaft für die ganze Institution des Reichstags, noch auch für die sozialdemo kratische Wählerschaft. Dieser Geschäftssinn ist bei dem Verfasser des „Vorwärts"-Artikels so gut entwickelt, daß er auch mit dem bekannten Trick gewisser geriebener Ge schäftsleute die Dinge zu verdrehen, sehr wohl Bescheid weiß. Ec sagt nämlich: „Der 20. sächsische Wahlkreis hat gezeigt, wie leicht wir zurückgeschlagen werden, wenn das Vertrauen auch nur bei einem Teile der Wähler mehr der Person des Ab geordneten als der von ihm vertretenen Sache gilt." Ganz ähnlich haben sich auch die „Sächsische Arbeiter zeitung" und andere sozialistische Blätter geäußert. Dies ist eine Verdrehung des Tatbestandes. Der für die So zialdemokratie ungünstige Wahlausfall war nicht ein Zeichen des Vertrauens für Herrn Göhre, sondern ein Votum des Miß trauens für Herrn Bebel. Hätte beispielsweise Göhre spontan eine ihm angetragene Kandidatur ab gelehnt, so wäre zweifelsohne Herr Pinkau oder jeder sonst aufgestellte sozialdemokratische Kandidat gewählt worden. Denn so gewiß auch Göhre persönlich im Wahl kreise beliebt sein mag, so würden Tausende von Wählern noch nicht darum die Fahne der Partei verlassen haben, weil Göhre sich nicht hätte wählen lassen wollen. Daß aber Göhre und die sozialdemokratische Organisation des Kreises gezwungen wurden, sich unter das Joch des Herrn Bebel zu beugen, das hat alle die Wähler ab- gestoßen, in denen noch ein Funke demokratischen Geistes lebte. Denn daß in diesem Verfahren ein grober Verstoß gegen den Geist der Demokratie lag, hat, wie er wähnt, selbst der „Vorwärts" sofort nach der Niederlage richtig erkannt, und wenn er sich jetzt auch hundertmal dementiert, und in Artikeln von klassischem Jesuitismus nachzuweisen sucht, daß das Selbstbestimmungsrccht der Wahlkreise mit der Demokratie zu tun habe, so wird er den Eindruck seines ursprünglichen Eingeständnisses nicht zu verwischen vermögen. Der Anfstand der Herero. * Aus dem Biwak bei Owikokoreo wird dem Berliner „Lok.-Anz." unterm 31. v. M. gemeldet: Seit drei Tagen bin ich mit dem Detachement Glascnapv hier. Wir passierten auf dem Hcrmarsch das Gefechtsfeld vom 13. März, errichteten aus den Gräbern der Gefallenen Kreuze und schmückten sie mit Kränzen. Die inmitten des schwer zu gänglichen DorngcbüschS gelegenen Hercrttwerftc fanden wir vollständig verlassen vor. Bei unserer geringen Anzahl Be rittener war cs ausgeschlossen, die Spuren der flüchtigen Re bellen zu verfolgen. Gestern gefangene Hereroweiber sagten aus, Häuptling Tetjo habe in dem Gefecht bei Qwikorero vom 13. März zwei Söhne verloren, außerdem 12 Tote und 13 Ver wundete gehabt. Hinter Owikorcro befindet sich ein Bergkcgel, von dem sich eine vorzügliche Fernsicht bis zu den Waters- bergen und den Zwillingsbergen bietet. Die Dergspitze wurde unverzüglich von der Schutztruppcnkompagnie des Grafen Brock dorff besetzt und telephonisch mit dem Biwakplatz verbunden. Wri marschieren morgen nach Otjikuoko, das etwa 70 Kilometer nordöstlich von Okahandja liegt. Danach ist Major v. Glasenapp, der bereits am 22. März Owikokorero durch Berittene hatte besetzen lassen, inzwischen mit dem Gros seiner Abteilung von Onjatu dorthin gefolgt und wird dann am 1. April in südöstlicher Richtung nach Otjikuoko, also 18 bis 20 Kilometer weiter, marschiert sein. Dort wird er zunächst stehen bleiben, um ein Entweichen der immer enger eingeschlosscnen Herero nach Nordosten zu verhindern. * Verwundet in die Heimat. Inzwischen ist am Dienstag der erste schwer verwundete Offizier aus den südwest afrikanischen Kämpfen, Oberleutnant Griesbach, in Ham burg eingetroffcn und von dort in das Altonaer Garnison lazarett übergcführt worden. Der Zustand Griesbachs, dessen Verwundung aus dem Entsatzkampfe vor Omaruru stammt, ist leider nicht unbedenklich. Der russisch-japanische Krieg. Der Aufmarsch -er Japaner. Dem „Reuterschen Bureau" wird aus Soeul vom 1. April gemeldet: Die erste japanische Armee, bestehend aus der kaiser lichen Garde, der 2. und der 12. Division, die in Andsch u kon zentriert ist, rückt jetzt auf 3 Straßen nach Widschu vor. In Haidschu und Tschinamfu werden Lebensmittel gelandet und von dort in Dschunken nach Andschu befördert. Ebenso sind Pferde, deren jede Division 5200 hat, gelandet worden; sie sind in schlechter Verfassung und da jedes Pferd ge führt werden muß, muß eine gleiche Anzahl Mannschaften von dem jetzigen Effektivbestande in Abrechnung gebracht werden. Die Truppen leiden viel an erfrorenen Füßen. — Die Russen überschätzen die Stärke der japanischen Streitkräfte im Norden von Korea und ziehen sich deshalb zurück, ohne die naürlichen Vorteile des Landes auszunutzen. — Die Japaner befestigen Fusan und die Insel Koedsche, um Masampho ver teidigen und die Straße von Korea beherrschen zu können. Ver Bundesgenosse Japan,. DaS Vordringen der Engländer in Tibet erregt in russischen Regierungskreisen ernste Besorgnis. An bemerkens werter Stelle äußert sich die „Nowoje Wremja" über die Expedition der Engländer nach Tibet, die sie einen sehr kühnen und wichtigen Schritt gegen Ruß land nennt, trotz aller beruhigenden Reden Lord Curzons. Es sei genügend bekannt, daß Tibet mit Lhassa und dem Dalai-Lama das religiöse Zentrum der stanzen Mongolei, sowie der Mongolen sei, die in den Territorien Rußlands mit gemischter Bevölkerung wohnen. Mit der Eroberung Tibets und Lhassas greife England direkt in russisches Gebiet ein und werde natürlich nicht zögern, diese Errungenschaft auszubeuten, um Rußland tausend Schwierigkeiten zu bereiten an den riesigen russischen Grenz gebieten längs der Mongolei, wo allenthalben Ansiedlungen seien, deren Bewohner nach Lhassa als religiösem und geistigem Magnet strebten. 98. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Letpzts, S. April. „Aprilspuk" überschreibt die hochoffiziöse „Süddeutsche ReichS-Korre- spondenz" folgende Auslassung: „Wer die betreff enden französischen und englischen Blätter nicht selbst zur Hand nimmt, macht sich keine Vorstellung von dem Umfange und der inneren Bedeutung des Gaukelspiels, das in der ausländischen Presse am Vorabend des Oster festes mit pessimistischen Behauptungen iiber die Gesundheit Kaiser Wilhelms ge trieben wurde. Man möchte angesichts dieses um den 1. April herum summenden Schwarmes von mehr oder minder verschämten Falschmeldungen fast an die Erpro bung eines förmlichen Systems glauben, das Oberhaupt des Deutschen Reiches publizistisch krank zu beten oder vielmehr zu telegraphieren. Deutsche Gegenerklärungen wurden dabei von vornherein als unglaubwürdig, als Verschleierungen eines schlimmen Tatbestandes hingestellt. Es war ja auch in diesem Falle weniger auf eine Beun ruhigung des deutschen Publikums abgesehen, als auf die Wirkung an anderen Stellen, wo jene Blätter gelesen werden; und sie werden zum Beispiel auch an den euro päischen Höfen gelesen. In Rom und Wien sollte 5er Bundesgenosse, in St. Petersburg der gerade gegenwärtig mit besonderem Vertrauen betrachtete Freund als in seiner Lebenskraft erschüttert oder gar gebrochen erscheinen, als ein Faktor, dessen Gewicht schon jetzt vermindert sei und der iiber kurz oder lang ganz ausgeschaltet werden könne; in Paris und London wurde Empfänglichkeit für den Eindruck vorausgesetzt, daß in internationalen Fragen mit Deutschland nickt mehr wie bisher gerechnet zu werden brauche. Es kann auf dieses Treiben in aller Ruhe hinge- wiesen werden, weil das Märchen vom kranken Kaiser eben ein Märchen bleibt, und mit seiner Verbreitung sich ebenso sehr als politisch einfältig Herausstellen wird, wie sie rein menschlich betrachtet, frivol und Unwürdig ist." — Diese mit bemerkenswerter Geschicklichkeit abgefaßte und offenbar fiir das Ausland berechnete Abfertigung übler Machenschaften leidet in der Art der Lanzierung wieder an verblüffender Unkenntnis journalistischer Verkehrsver- hältnisse. Wie soll diese Auslassung ihren Zweck erfüllen? Höchstens in vereinzelten Zeitungsexemplaren und wo möglich auch noch versteckt und infolgedessen unbeachtet geht das Entrefilet über die Grenze. Mit der Ueber- weisung an eine offiziöse Korrespondenz ist die gewünschte Beachtung der ausländischen Presse deren Loyalität oder deren Wohlwollen, überhaupt deren Belieben überlassen. Weir sicherer aber ist es, eine Tatsache zu schaffen, an der auch der nicktdeutscke Journalist nicht vorübergehen kan n. Eine solche Tatsache wäre z. B. das Erscheinen der Auslassung als Original in einer auch im Auslande viel gelesenen Zeitung gewesen. In Berlin hat man ja wohl auch journalistische Beiräte; nur ist zu vermuten, daß sie nicht gefragt werden. Wahlpflichtige Beamte. Die Königliche Eisenbahndirektion Bro mb erg soll, einem Berliner Blatte zufolge, an ihre untergebenen Dienststellen eine Verfügung gerichtet haben, in der die Jnspektionsvorstände und die Vorstände der Bureau-Abteilungen angewiesen werden, diejenigen Bediensteten, deren Fernbleiben von der Landtags- wähl nicht genügend entschuldigt ist, zur Verantwortung zu ziehen. Ehe nicht diese Nachricht bestätigt ist, wollen Feuilleton. Das Testament des Bankiers. Roman von A. M. Barbour. Nachdruck verboten. Das Netz wird gesponnen. Die Aufsehen erregenden Nachrichten der Morgen zeitungen lockten wieder eine Menge Neugieriger zu dem Hause der Mordtat. Schon lange vor der zur Fortsetzung der Vernehmungen festgesetzten Stunde herrschte in Schönciche eine lebhafte Bewegung. Der Verhandlungssaal bot m Bezug auf die Anwesen den und deren Gruppierung fast ganz dasselbe Bild wie Tags zuvor, nur Harry Skott hatte seinen Platz mehr in der Nähe des Coroners genommen. Er bemerkte wohl die vielen mit Argwohn und Mißtrauen auf ihn gerich teten Blicke und war auch darauf vorbereitet, daß er wahr scheinlich noch mehr belastet werden würde; trotz alledem zeigte er aber eine Sorglosigkeit und Sicherheit, die jeden in Erstaunen setzte. Niemand konnte in ihm noch einen Angestellten des Hauses erkennen. Seine Miene und Hal tung war die eines in stolzer Unabhängigkeit sich fühlen den Mannes. Sogar Herr Whitney wußte nicht mehr, waS er von ihm denken sollte. Dicht neben Skott, aber in der Stuhlreihe hinter ihm, saß Herr Sutherland. Den beiden Herren gegenüber, ziemlich alle Anwesenden vor Augen habend, lehnte, scheinbar teilnahmslos und uninteressiert, Herr Merrick an einem Pfeiler. Als erster Zeuge wurde der Portier Johnson aufge rufen. Er sagte zunächst über sein Zusammentreffen mit dem Kammerdiener Hardy aus, wobei neues nicht zu Tage kam, und der Coroner fuhr fort: „Auf den Wunsch Herrn Whitneys hielten Sie sich nun vor der Bibliothekstür auf, um niemand außer der Verwandtschaft Herrn Mainwarings einzulassen; Sie sahen also, wie nach und nach infolge der Schreckensnach richt das ganze Haus herbeieilte. Können Sie angeben, wie lange ungefähr es gedauert haben mag, bis sich alle zusammengefunden hatten?" „Hardy schlug kurz nach sieben Uhr Lärm. Die Dienerschaft kam gleich und bald darauf folgten auch die Herren. Bis die Damen erschienen, mögen aber wohl so an die zwanzig bis dreißig Minuten vergangen sein. Nur Frau La Grange kam erst eine ganze Weile nach acht." „Mit ihrem Sohne?" „Nein. Den Herrn Walter habe ich überhaupt den ganzen Vormittag nicht gesehen." „War er denn nicht im Hause?" „Das weiß ich nicht, es muß aber wohl so gewesen sein, denn vor dem zweiten Frühstück habe ich ihn nicht zu Ge sicht bekommen." „Wann sahen Sie Herrn Mainwaring zum letzten Male?" „Vorgestern abend, kurz nach elf Uhr. Da war ich gerade in der großen Halle, als er von draußen herein kam und Herr Skott eben hinausgehen wollte; ich hörte, wie er dann sagte, Herr Skott solle später noch einmal in die Bibliothek kommen." „Bemerkten Sie dabei in dem Tone Herrn Main- Warings oder in dem Verhalten Herrn Skotts irgend eine Mißstimmung?" „Nicht die Spur. Sie waren beide ganz wie sonst." „Haben Sie vorgestern noch einen andern Fremden ins Haus gelassen, außer den beiden, die gestern hier er wähnt wurden?" „Nein." „Sie warteten beim Frühstück mit auf und werden da gehört haben, wie das Gespräch auf Herrn Hobson kam. Fiel Ihnen hierbei an Ihrem Herrn etwas auf?" „Hm — na — die Sache war ihm wohl nicht ganz recht; nach Aufhebung der Tafel trat er an mich heran und fragte mich leise, ob Herr Hobson nach i h m gefragt hätte." „Ließen Sie den Mann auch ein, als er abends wiederkam?" „Am Portal nicht; ich wies ihn nach dem Seiten- eingangs an der Südseite." „Wohl auf Geheiß von Frau La Grange?" „Ja; die batte es so angeordnet." ' „Gab sie einen besonderen Grund dafür an?" „Nun, sie sagte nur: „Johnson, wenn der Herr Hob son heute abend wiederkommt, lassen Sie ihn durch die Seitenpforte ein, ich möchte nicht, daß er noch einmal be merkt wird, weil sein Besuch heute morgen zu so viel Ge rede Anlaß gegeben hat."" „Er soll am Abend in Begleitung eines anderen Mannes gekommen sein. Wie sah der aus?" „Viel habe ich nicht von ihm gesehen, weil er im Schatten stand; ich glaube aber, er war eben so groß wie Herr Hobson, nur viel stärker." „Haben Sie später beide wieder Weggehen sehen?" „Nein." Der Portier wurde entlassen und der Kutscher Brown aufgerufen. „Nun, Brown, erzählen Sie einmal, wann und wie Sie Kenntnis von dem Tode Herrn Mainwarings er hielten." „Das war gestern früh, so gegen halb acht. Ich striegelte gerade die Pferde, da kam „Onkel Moses" — mit Verlaub, wir nennen nämlich den Gärtner so — und schreit: „Jesus, Jesus, der Herr ist gemordet, er liegt im Turmzimmer und alle" „Schon gut", unterbrach der Coroner den als sehr redselig bekannten Mann. „Wie lange waren Sie schon im Stalle, als Sie Nachricht erhielten?" „Na, 'ne gute Stunde kann's wohl gewesen sein." „Waren Sie vorher schon im Hause gewesen?" „Nein, aber nun lief ich gleich in die Küche, um noch mehr zu erfahren. Alles redete da durcheinander, daß man gar nicht zu Worte kommen konnte, ich wußte aber etwas, was kein anderer wußte, denn ich hatte in der Nacht etwas gesehen, und als ich endlich Ruhe geschaffen hatte und gerade im Begriff bin, den Leuten das zu erzählen, kommt der Portier und sagt, ich sollte gleich zu Herrn Ralph kommen." „Wo waren Sie in der Nacht?" fragte der Coroner plötzlich. Brown stutzte einen Augenblick, antwortete dann aber bereitwillig: „Na, wenn's sein muß — ich war mit ein paar Freunden zur Stadt gefahren und kam von dort erst ziemlich spät zurück. Sehen Sie, gerade das aber war ein sehr glücklicher Umstand." „Wieso?" Der Zeuge räusperte sich Er sah die Gelegenheit zu einem längeren Vortrag vor sich und gedachte diese voll auszunützen. Langsam und selbstbewußt, im Gefühle seiner Wichtigkeit, begann er: „Also, das kam so: Wie ich schon sagte, hatten wir uns etwas verspätet, und als wir hier auf 5em Bahnhofe wieder ankamen, eilte ich, nach Hause zu kommen. Ich schlug den kürzesten Weg nach dem Fußpfade ein, der um den See herum in den Park führt. Als ich da eilig am Ufer entlang schreite und um eine Ecke biege, sehe ich auf einmal in kurzer Entfernung vor mir einen Mann stehen, der mir den Rücken zukehrt. Er war groß und schien rabenschwarzes Haar zu haben; sein Ueberzteher reichte ihm beinahe bis auf die Füße. Ich war neugierig, was der um die Zeit da machte, und schlüpfte schnell hinter ein paar dicke Bäume. Kaum stand ich da, als er sich bückte und etwas vom Boden aufhob. Dann ging er weiter und kam gerade auf mich zu. Der Mond schien hell, und ich bemühte mich, sein Gesicht zu sehen, das gelang mir aber nicht, da er den Mond hinter sich hatte. Nachdem er an mir vorüber war, paßte ich auf, welchen Weg er nehmen würde, und da sah ich, daß er schnell auf dem Fußweg davonschritt, den ich eben gegangen war, er also wohl nach der Stadt wollte." „Haben Sie nicht sehen können, was er von der Erde aufhob?" „Mir kam das Ding vor wie ein in Papier einge- schlagener kleiner Kasten." „Faßten Sie keinen Verdacht? Stieg in Ihnen nicht der Gedanke auf, den Mann anzusprechen, um ihn näher in Augenschein zu nehmen, wo er doch zu so ungewöhn- sicher Zeit aller Wahrscheinlichkeit nach vom Hause her gekommen sein mußte?" „Na ja, das wäre wohl am Ende richtig gewesen, aber ich wollte mich nicht gern sehen lassen und legte der Dache auch kein großes Gewicht bei, bis „Onkel MoseS" mir gestern früh erzählte, er hätte in der Nacht gesehen . . „Ach, kümmern Sie sich doch nicht um das, was der sah, das werden wir von ihm selber hören. Hier handelt es sich um Ihre persönlichen Wahrnehmungen. Haben Sie noch eine Aussage zu machen?" „O ja", entgegnete Brown gedehnt mit einem schnellen Blick auf Fran La Grange. „Sehen Sie, wie ich nun nach der Begegnung mit dem Manne ans Haus komme, nm daran herum nach dem Stalle zu gehen, stutze ich auf einmal, weil ich einen schwachen Lichtschein gewahre, der aus einem Fenster auf den Hof fällt. Ich denke: Mußt doch mal sehen, wer da noch auf ist, und schleiche mich nach
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