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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 15.04.1904
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-04-15
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040415023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904041502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904041502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-04
- Tag1904-04-15
- Monat1904-04
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Anzeigen-Preis die 6gespaltene Petitzeile 25 Reklamen unter dem Redaktionsstrich (4gespalten) 75 nach den Familieunach- richten (6 gespalten) 50 Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Ossertenannahme 25 Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung 60.—, mit Postbeförderung ./L 70.—. Rnnahmeschlutz für ««zeigen: Abend-Ausgabe: vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: nachmittags 4 Uhr. Anzeigen sind stet» an die Expedition zu richten. Die Expeditton ist wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig (Inh. vr. B.,R. L W. Klinkhardt). Freitag den 15. April 1904. 98. Jahrgang. Var Aichtigrte vom Lage. * Der kommandierende General des XIX. Armee korps, General der Infanterie von Treitscbke, verab schiedete sich heute von den Truppen der Garnison Leipzig. * DaS Reichs sch atz amt hat der Budgetkommission des Reichstags daS verlangte Material zur Reichsfinanz reform zugehen lassen. * DaS preußische Abgeordnetenhaus wird, wie glaubhaft verlautet, von Mitte Juni bis zum Herbst vertagt werden. * In Petersburg fand gestern in Gegenwart der kaiser lichen Familie ein Trauergottesdienst für die mit dem „PetropawlowSk" untergegangenen Offiziere und Mann schaften statt. * Der deutsche Botschafter in Washington, Baron Speck von Sternburg, drückte dem Präsidenten Roosevelt berzlichste Teilnahme anläßlich des Unglückes des Kriegsschiffes „Missouri" aus. * Vicomte Aoki begibt sich einer Meldung des „Daily Chronicle" aus Tokio zufolge in besonderer Mission nach Deutschland. * Gerüchten zufolge ist bei dem Untergange deS „PetropawlowSk" auch der Maler Wasilii We reschtschagin umgekommen. Vie Perl i« Mannerburg. Aus Johannesburg, 21. März, wird uns ge schrieben: Am heutigen Tage wurde amtlich bekannt gemacht, daß die Beulenpest hier ausgcbrochen ist; nicht, wie man annehmen sollte, in vereinzelten Fällen, nein, die erste Mitteilung über den Ausbruch enthält die Nachricht, daß bis jetzt dreißig in den letzten Tagen der Krank heit zum Opfer gefallen sind; viele andere sind erkrankt. Bis jetzt sind nur Kulis gestorben und erkrankt, doch ist der größte Verdacht begründet, daß das uner wartete Ableben eines hiesigen Arztes ebenfalls durch Beulcnpcst verursacht worden ist. So ist denn die allzeit drohende Gefahr zur Tatsache geworden; wir haben die Pest und werden sie vermutlich auf lange Zeit nicht loswerden. Die Behörden tun nichts; am heutigen Tage bietet die Stadt kein verändertes Bild gegen das alltägliche Leben. Kulis verkaufen Zeitungen; in der Markthalle drängen sich die Kulis zwischen Weißen undSchwarzen mit ihren Frucht- undGcmüsekörben, in der Post, auf den Straßen, überall findet man ganz unver ändert die lebendigenPe st träger inmitten der weißen Bevölkerung. Dreißig Tote an Pest und die Aerzte wissen cs nicht. Englische Aerzte sind es natürlich; englische Aerzte lassen in ihrer Unwissenheit, um die Sache noch toller zu machen, auf offenen Tragbahren vier Kulis durch die Stadt in das überfüllte Johannesburger städtische Hospital tragen; einer stirbt unterwegs, die drei anderen innerhalb zweier Stunden nach der Aufnahme, an akuter Lungenentzün dung, wie man glaubt; infolgedessen werden weitere Vorsichtsmaßregeln getroffen. Man kann die Panik im Hospital besser denken als beschreiben. Das Gesundheits- comite berät am späten Abend, am frühen Morgen, g e - tan wird nichts zur Verhütung der Ver breitung der Pest durch den öffentlichen Verkehr. Russische Juden ziehen, wie es unter dem Eindrücke der Gefahr scheint, in vermehrter Anzahl von Haus zu Haus, alte Kleider kaufend und verkaufend, der Handel wird nicht verboten. Unfähig wie alle Verwal tungen, zeigt fick' die Medißinalabteilung, doch darf man Wohl anncbmen, daß der unverantwortlichen Haltung der Behörden Geldnot zu Grunde liegt; an Warnungen hat es nicht gefehlt, jetzt muß alles, was längst dringendes Bedürfnis war, unter dem Zwange der Not unter unge- heuren Kosten geschehen. Seit Jahren drängt man darauf, die KuliS zu isolieren, sie zu Reinlichkeit und sanitärem Leben zu zwingen; zur Zeit der Boercnkriege protestierten die Engländer gegen eine Ausnahmebehand lung ihrer schmutzigen Untertanen, und jetzt sind die Schwierigkeiten nach größer geworden, die englischen Untertanen, die ekelerregenden schmutzigen Kulis erfreuen sich aller Rechte des weißen Mannes. Ob die Regierung wohl so viel Energie zeigen wird, die pflichtvergessenen Aerzte und Beamten vor Gericht zu stellen? Den Chinesenfeinden kommt der Ausbruch der Pest gerade zur rechten Zeit. U. 8. Die Frau des Arztes (oben erwähnt) ist gleich- falls tot; die Kinder liegen in hoffnungslosem Zustande darnieder. vn Humana arr hetero. Die folgen -«» Aufstande». In der Budgetkommission des Reichstags teilte am Mitt woch Kolonialdirektor vr. Stuebel mit, daß die Verluste der Ansiedler nach den neuesten Nachrichten auf 7 Mill. Mark, darunter 5 Mill, für Vieh, berechnet werden. Daß man in dem Schutzgebiete der Entscheidung über die Entschädigung für diese Verluste mit Spannung entgegensieht, beweist u. a. ein der „Dtsch. Kolonialztg." von der Siedlungsgesellschaft für Südwestafrika zur Verfügung gestellter Brief, in den: es heißt: Die Hauptsorge, die Hauptfrage, die jetzt allenthalben erörtert wird, ist die Entschädigungsfrage. Wie weit wird sich die Regierung herbeilassen, wie weit wird sie verpflichtet sein, denen, die Hab und Gut verloren haben, weil sie der Beruhiguugspolitik volles Vertrauen schenkten, ihren Schaden zu ersetzen?! — Man versteift sich allgemein darauf, daß die Regierung volle Entschä digung gewähren muß und wird es rigoros fordern. Man brennt darauf, zu erfahren, wie sich die Regierung im Prinzip zur Entschädigungssrage stellt! Zunächst haben wir noch so gut wie garnichts zurückerbeutet und die ganze Kriegsführung geht mit Macht darauf hinaus, die Grenzen zu sperren, um ein etwaiges Entweichen der Herero mit dem gesamten Vieh zu verhindern. Gelingt cs, die Herero vor dem Entweichen mitsamt dem noch vorhandenen geraubten und eigenen Vieh festzuhalten, so wird die Entschädigungsfrage bald gelöst werden können. Minderwertig bleibt freilich das abgejagte und zusammengetriebene Vieh nachher immer, und auf die letztjährige und diesjährige Zucht wird man verzichten müssen. Solcher Schaden wird den Farmern, die nun erst wieder anfangen müssen aus der Tasche ohne Einnahmen zu leben, gar- nicht zu ersetzen sein. Von den Pferden, die jetzt draußen im flachen Lande dem Sterben preisgegeben sind, werden auch nicht allzuviele zurückzuerhalten sein und was man eventl. wieder sieht, wird zu Schanden geritten sein. Und wie sieben die Kaufleute da! Die Händler, denen sie Kredit gegeben hatten, und mit denen sie Geschäfte zu machen pflegten, sind erschlagen und die Herero, von denen sie ihr Geld hauptsächlich verdienten, werden nun enteignet! Was sollen die Kaufleute nun künftighin machen, wenn die Herero nichts mehr haben? Im Interesse der wirtschaftlichen Zukunft muß man wünschen, daß es recht bald gelingt, deS Aufstandes Herr zu werden. Denn je früher Farmer und Kaufleute ihre Tätig keit wieder aufnehmen, desto schneller werden die Wunden heilen, die der Aufstand geschlagen hat. Die Deutsche Kolonial gesellschaft hat schon am 29. März von dem Vorsitzenden des Hülfscomites in Windhoek das folgende Telegramm erhalten: „tzülfsfonds erschöpft. Weitere Mittel dankend angenommen. Statt Unterstützung wirklicher Schadenersatz baldigst dringend erwünscht. Versuchen Bildung HülsscomitS Grootfontein. Voigts." Die Deutsche Kolonialgesellschaft hat sofort 20 000 -X, sowie Kleidung und Wäschestücke für 5000 ./il nach Südwest afrika abgehen lassen und die Bildung von Hülfskomites in Grootfontein bewirkt. Entschädigungen zu geben aber wird Sache der Reichsregierung sein, auf die ja auch, wie bekannt, die Deutsche Kolonialgesellschaft in dieser Richtung einzuwirken sich bemüht. Der r«§5izch-Iapanir»e Krieg. Lrauergotteodienst in Petersburg. In der Kathedrale der Admiralität wurde gestern ein Trauergottesdienst für Admiral Makarow, die Offi ziere und Mannschaften, die an Bord des Schlacht schiffes „Petropawlow sk" verunglückt sind, abgehalten. Der Feier wohnte der Kaiser, die Kaiserin-Witwe, der Großfürst-Thronfolger, sowie andere Großfürsten und Großfürstinnen bei. Der Kaiser richtete an die Witwe des Admirals huldvolle Beileidsworte. Von» verwundeten Großfürsten Ayrill. Großfürst Wladimir entsandte seinen Generaladjutanten, den Grafen Grabbe, mit einem Arzt zu dem verwundeten Großfürsten Kyrill nach Liaojan. Es wird versichert, daß die Wunde des Großfürsten dessen Rückkehr nach Ruß land erfordere. Ein Telegramm des Großfürsten Boris an den Groß fürsten Wladimir Alexandrowrtsch aus Liaojan von gestern besagt: Wie aus den Erzählungen des Großfürsten Kyrill zu entnehmen ist, stürzte er im Augenblicke der Explosion auf die linke Seite der Kommando brücke und ließ sich an den Händen auf das Deck herab, wo er von einer Welle fortgespült wurde. Sodann geriet er in das Wasser in beträchtliche Tiefe und kant durch eigene Anstrengungen auf das treibende Schutzdach eines Dampf- kutters. Hier hielt er sich etwa zehn Minuten lang und wurde dann von dem Torpedoboot „Besumny" ausgenommen. Der Adjutant des Großfürsten Kyrill, Oube, und der Diener des Großfürsten sind umgekommen. Ein« japanische Darstellung der letzten VvrgSnge bet Port Arthur. AuS japanischer Quelle verlautet nach einer Reutermeldung aus Tschifu, der Angriff vom Mittwoch auf Port Arthur verlief folgendermaßen: Bei Tagesanbruch machten die Torpedoboote eine Demonstration, zu derselben Zeit legten sie Minen in den äußeren Eingang zum Hafen, zogen sich dann zurück und vereinigten sich mit dem Hauptgeschwader, das vorging, um die russische Flotte zum Herausgehen zu bewegen. Dies geschah; der „PetropawlowSk" stieß auf eme japa nische Mine und wurde zerstört. politische lagerscha«. * Leipzig, 15. April. Die Stillegung von Zechen. Durch sein Vertrauensorgan, die „Berl. Pol. Nachr.", läßt der Zentralverband deutscher Industrieller folgendes verbreiten: „Im Reichstage sowohl wie im preußischen Abgeordnetenhaus sind Interpellationen über die vor aussichtliche Stillegung einzelner Zechen im Ruhrrevier eingebracht. In der letz- ten Delegiertenversammlung des Zentralverbandes deutscher Industrieller verbreitete sich Generalsekretär Bueck eingehend über diese Frage. Er wies darauf hin, daß die in Betracht kommenden Zechen in der Gegend lägen, von der der rheinisch-westfälische Kohlenbergbau ausgegangen sei. Schon bevor das Kohlensyndikat vor handen war, war ein Teil dieser Zechen zum Erliegen gekommen, ein anderer diesem Zustande genähert. Nur die Umstände, daß ein Teil der Arbeiter auf eigener Scholle saß, und daß die Löhne in dortiger Gegend nied- riger waren als anderswo, gab die Möglichkeit, daß sich einzelne Zechen über Wasser hielten. Nun kam das Kohlensyndikat. Dessen Vorteile kamen den Zechen so zugute, daß sie fast alle wieder in Betrieb gesetzt wurden. Unter der Herrschaft des Syndikats sind aber die Löhne im Bergbau sehr gestiegen, und wenn diese auch nach 1900 einen Rückgang erfuhren, so haben sie inzwischen wieder die frühere Höhe erreicht. Es hatte sich aber währenddessen die Veränderung vollzogen, daß die Löhne im ganzen Ruhrbergbaurevier gleich geworden waren. Die bisherigen niedrigen Löhne der in Rede stehenden Gegend waren in Wegfall gekommen. Dazu traten die Behörden inzwischen mit ungeheuren Anforderungen an die Zechen bezüglich der Sicherheit und Gesundheit der Arbeiter heran. Diese großen Anforderungen in Ver- bindung mit den Lohnverhältnissen haben nun bewirkt, daß jene Zechen, die dem Erliegen schon früher verfallen waren, nicht weiter bestehen können. Eine Möglichkeit wäre allerdings vorhanden, die ganze Kalamität zu überwinden, es wäre die, daß die Kohlenpreise durch das Syndikat wesentlich erhöht würden. Die Preiserhöhung könnte natürlich nur im ganzen vorgenommen werden. Wo aber liegt denn der volkswirtschaftlich größere Nach teil, wenn die Kohlenpreise im allgemeinen eine Steige- rung erfahren, oder wenn einige geringwertige Unter- nehmungen zum Erliegen kommen, wobei allerdings die Arbeiter der letzteren gezwungen wären, sich eine andere Beschäftigung zu suchen? Die gekennzeichneten Gruben haben ihren Hauptwert in dem Syndikatskontingent. Die jetzigen Besitzer benutzen den durch das Syndikat ihren Unternehmungen zugefallenen Wert, um sie zu ver kaufen, und die großen Zechen kaufen sie nur im Hin blick auf dieses Kontingent. Das ist ein Volkswirt- schaftlicher Vorgang, der nicht zu verhindern ist, und der sich doch auch schon früher abgespielt hat. Es Feuilleton. isj Das Testament des Bankiers. Roman von A. M. Barbour. Nachdruck verboten. Dies alles zusammengefaßt, läßt meiner Ansicht nach keinen Zweifel übrig, daß Frau La Grange Hobson in die Privatgemächer des Hausherrn führte und ihn dort nach erfolgter Vernichtung des Testaments verbarg, da- mit er, je nach dem Ergebnisse der Unterredung zwischen ihr und Herrn Mainwaring, für sein Teil handeln könnte. Gleichzeitig versah sie ihn mit den Privatschlllsseln zur Bewerkstelligung seiner Flucht und mit dem Revolver Mainwarings zur Ausübung des Mordes, falls dieser der getroffenen Verabredung gemäß notwendig werden sollte. Als sie wenige Stunden darauf, nach dem heftigen Wort- wechsel, die Bibliothek wutentbrannt verließ, tat sie das zweifellos mit der Ueberzcugung, daß auch Hobson zu keinem Resultat gelangen und somit zum äußersten schreiten würde. Ihre spätere nochmalige Wiederkehr an die Tür der Bibliothek hatte wohl kaum einen anderen Zweck, als zu erfahren, welchen Ausgang die Sache ge nommen hatte. Was halten Sie von dieser Auffassung?" „Sehr scharfsinnig kombiniert. Und wie denken Sie über die Juwelen? Meinen Sie, daß sie von Hobson ge raubt wurden?" „Nein, das glaube ich keinesfalls. Ich glaube viel mehr, daß Frau La Grange sie aus irgend eine Weise schon vorher an sich gebracht hat. Für eine Kleinigkeit hat Hobson sich sicherlich nicht von ihr erkaufen lassen, und womit hätte sie ihn bezahlen wollen, da sie eigene Mittel nicht besitzt? Der Verkauf des .Halsbandes bleibt trotz der darüber gemachten Aussage verdächtig. Indessen muß ich sagen, daß ich dieser Frage noch völlig unklar gegen überstehe." „Konnte Frau La Grange den Geldschrank öffnen?" „Das weiß ich nicht. Mainwaring erzählte mir vor einigen Monaten, er hätte sie bei dem Versuche, den Schrank zu öffnen, ertavpt. Infolgedessen ließ er sofort den Mechanismus ändern. Wer weiß, ob sie diesen neuen Kunstverschluß nicht auch herausgesunden hat." „Brown scheinen Sie hierbei gar nicht in Rechnung zu ziehen?" „Bis gestern, nach seinem plötzlichen Verschwinden, hielt ihn keiner von uns direkt an der Sache beteiligt, jetzl aber bin ich doch geneigt, ihn als „Mitschuldigen nach der Tat" zu betrachten. Ich halte es für sehr wahrscheinlich, daß die La Grange ihn nach dem Morde benutzt hat, ein zelne, mit dein Verbrechen in Verbindung gestandene Gegenstände bei Seite zu schaffen, und deshalb erscheint mir die Absuchung des Sees so wichtig. Seiner Aussage nach ist er ja zur Stunde des Mordes noch in der Stadt gewesen." „Ja, nach seiner Aussage; tatsächlich ist er aber in jener Nacht überhaupt nicht in der Stadt gewesen. Uni Mitternacht wurde er in der Nachbarschaft mit einigen verdächtig aussehcnden Kerlen gesehen." „Wann haben Sic denn das erfahren?" „O, das wußte ich schon, als Brown vom Coroner vernommen wurde." „Und da lassen Sie den Menschen entwischen? Nehmen Sie's mir nicht übel, aber das verstehe ich nicht." Ter Detektiv lächelte. „Ich will Sie beruhigen. Brown ist in guter Obhut. Ich kann ihn jeden Augen blick haben. Einer meiner Leute bewohnt mit ihm ein Zimmer in einem obskuren Wirtshaus und behält ihn Tag und Nacht im Auge." „Alle Achtung, Merrick, da haben Sie vortrefflich vorgesorgt. Aber sagen Sie, wenn Sie doch nun Ihr Wild im Garn haben, warum stecken Sie es nicht lieber in den Sack?" „Soll mir als Lockvogel dienen für edleres Wild. Wie weit Brown auch in die Sache verwickelt sein mag, er ist doch nur ein Werkzeug in den Händen erfahrenerer und gefährlicherer Schurken gewesen. Ich habe da verschie dene Kleinigkeiten, die mich zu dieser Annahme berech- tigen. Sehen Sie", — Merrick erhob sich plötzlich und holte von einem Tisch einen in Papier verpackten Gegen- stand, den er seiner Hülle entkleidete. „Sehen Sie zum Beispiel her! Was halten Sie von diesem rostigen Kasten?" Herr Whitney sprang voller Erregung auf. „Heiliges Donnerwetter, Mann! Ist es möglich! Sic haben die Juwelen gefunden?" „Bis jetzt leider nur den leeren Kasten", war die ruhige Antwort. „Und wo in aller Welt haben Sie ihn gefunden?" „Im See!" „A—HI Wann denn?" „Heute, nach Sonnenaufgang, während Sie noch schnarchten." „Hören Sie, Merrick, Sie sind doch ein Teufelskerl. Ich glaube, man könnte eher ein Wiesel im Schlafe fangen, als Sie einmal im Bette finden. Uebrigens scheint mir Ihr Fund eine starke Bestätigung meiner An sicht, daß die La Grange die Juwelen geraubt und sich den Beistand Browns erkauft hat. Finden Sie das nicht auch?" Ohne etwas zu erwidern, zog Merrick jetzt den auf- gefischten Revolver hervor und reichte ihn dem Anwalt. „Was meinen Sie zu dem Stück?" „Wo haben Sie denn das rostige Ding her? Auch aus dem See?" „Jawohl. Auch aus dem See." Der Anwalt betrachtete eine Weile die Waffe von allen Seiten mit sichtlicher Verlegenheit, dann sagte er: „Hm — wissen Sie, eigentlich verstehe ich nicht recht, wie dieser Revolver zu dem Mord in Beziehung stehen soll, da bei dem Verhör doch festgestellt worden ist, daß der Schuß aus Hugh Mainwarings Revolver abgefeuert wurde." „Verzeihen Sie! Es ist nur festgestellt worden, daß der neben dem Toten gefundene Revolver sein eigener war. Die Kugel kam aus dem Revolver, den Sie in Hän den halten. Ich fand sie kurze Zeit nach der Leichenschau. Hier" — er griff in seine Tasche — „ist sic und auch der Revolver Mainwarings. Nun vergleichen Sie einmal die Kugel mit den beiden Kalibern. Sie paßt genau in den aufgefischtcn Revolver, für das Kaliber des anderen ist sie viel zu groß." Der Rechtsanwalt machte die Probe; völlig verblüfft antwortete er: „Sie haben recht; es stimmt. Wie aber soll man sich nun erklären, daß Hugh Mainwarings Revolver bei der Leiche lag?" „Ganz einfach. Das vom Mörder bis ins kleinste überlegte Verbrechen sollte als Selbstmord erscheinen. Zu der Ansicht gelangte ich gleich, nachdem ich die Wunde untersucht und die Schußwaffe besehen hatte. Das kleine Geschoß stand in keinem Verhältnis zu der Wunde. Am Faden dieser Entdeckung meine Nachforschungen fort- setzend, fiel mir bald die nur sehr unbedeutende Blutlache auf. Hiermit fast gleichzeitig bemerkte ich an dem Haare der Schläfen einen abgegrenzten Eindruck, wie ihn eine Bandage zurückzulassen pflegt. Ich suchte weiter und fand zunächst einen kleinen Blutfleck auf dem Teppich der Bibliothek und später dort auch die Kugel. Dies bewies, daß der Mord in der Bibliothek verübt, die Leiche in das Turmzimmer getragen und dort in der Stellung nieder gelegt worden war, die ihr den Anschein des Selbstmordes geben sollte. Für das mir bis hierher rätselhaft gebliebene Fehlen jeder weiteren Blutspur erhielt ich erst heute mit dem Auffinden des Juwelenkastens die Lösung. Da ist sie", fuhr er fort, indem er das als Binde zusammen gelegte blutige Taschentuch einem Papierumschlag ent nahm und in die Höhe hielt. „Tas ist die Bandage, deren Spur ich am Kopfe des Toten entdeckte und die das Blut der Wunde stillte. Sie — und hier diese beiden Privat schlüssel Hugh Mainwarings zu den Kunstschlössern der Bibliothek und südlichen Halle waren mit dem Kasten zu sammen im See geborgen. Trauen Sie Frau La Grange oder Hobson die Fähigkeit zu, einen derartig raffinierten Mord zu ersinnen und auszuführen?" Whitney, der mit gespannter Aufmerksamkeit zuge- hört und bis jetzt schweigend die beiden ihm zuletzt vor- gelegten Beweisstücke betrachtet hatte, erwiderte: „Merrick, ich bekenne mich vollständig geschlagen. Sie haben mir eine gute Lehre erteilt. Und wenn Sie mich fragen, ob ich der La Grange oder Hobson die Tat zu- traue, so kann ich nur sagen, ich weiß nicht mehr, was ich denken soll. Von Hobson ist mir nichts weiter bekannt, als was ich in den letzten Tagen von ihm hörte, von der La Grange aber glaube ich, daß sic fähig ist, einen solchen Plan auszubrüten." „Mag sein", entgegnete Merrick, „meine Erfahrung aber lehrt mich, daß wir es hier mit keiner Stiimper-, keiner Pfuscharbeit eines Neulings, sondern mit der eines ganz abgefeimten, gewiegten Verbrechers zu tun haben. Was Hobson anbelangt, so unterliegt es keinem Zweifel, daß ihm irgend ein Geheimnis eine große Gewalt über Hugh Mainwaring verlieh. Würde dieser sonst gewagt haben, ihn einen Lügner und Betrüger zu nennen? Ich
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