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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 06.04.1904
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-04-06
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040406018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904040601
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904040601
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-04
- Tag1904-04-06
- Monat1904-04
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Anzeigen-PreiS die 6 gespaltene Petitzeile 25 Neklamen unter dem Redaktionsprich («gespalten) 7b L, nach d« Familieauach- richten (6 gespalten) 80 Tabellarischer und Ziffernsatz «tspr«h«d höher. — Gebühr« für Nachweisung« und Ofsertenannahme W Stztra-veUu-e« (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung 60.—, mit Postbeförderung ^l 70.—. Annatzmeschlutz für Anzet««: Abe ad«Ausgabe: vormittag- 10 Uhr. Morgeu-AllSgab«: nachmittag- 4 Uhr. Anzeigen sind stet- an die Expedition zu richt«. Die Erprditioo ist wocheutag» onuutrrbroch« geöffnet vou früh 8 bi« abend« 7 Uhr. Druck und Verlag vou G. Palt in Leipzig (Inh. vr. «., R. ch W. Kltnthardt). Nr. 173. Mittwoch den 6. April 1904. S8. Jahrgang. Var Mcdtigrie vom läge. * Der Kaiser ist am Dienstag nachmittag «Palermo eiugetroffen. * Auf dem Parteitage der sächsischen Sozial demokratie in Chemnitz gab die Kandidatur Göhre im 20. sächsischen Reichstagswahlkreise Anlaß zu einer leb haft« Debatte. * Die streikenden Malergehülfen inPlaueni.B. haben mit 47 gegen 18 Stimmen beschlossen, den Streik in Anbetracht der ungünstigen Situation bedingungslos auf- zuhebe». * Sämtliche Bauhandwerker der drei Hafenorte Bremerhaven, Lehe und Geestemünde sind gestern morgen irr den Ausstand getreten. * Aus dem Riesengebirge wird ganz ungewöhnlich starker Schneefall gemeldet. * Don sechs Touristen wurden im Ober-Inntal bei Be steigung des GrieSkogelS drei Personen von einer Lawine in die Tiefe gerissen. Ein Herr und eine Dame wurden noch lebend ausgegraben, ein weiterer Herr ist »och nicht gefunden; man nimmt an, daß er umgc- kommeu ist. * Ein außerordentlich starkes Erdbeben, das allerdings sehr weit entfernt war, wurde Montag vormittag 11 Uhr vom geodätischen Institut in Potsdam registriert. * Der russische Botschafter in Berlin teilte nach dem „ReichSarneiger" im Auftrage seiner Regierung mit, daß in der Mündung des Liau-Flusses Minen gelegt seien. Vinter Sen Wirren. Die Ereignisse in Öftesten schleppen sich mühselig hin. Bisher ist noch keiner Richtung ein entscheidendes Er- eignis zu verzeichnen. Der erste Elan der japanischen Flotte hat auffällig nachgelassen; zwar hört Japan nicht aus, Port Arthur zu beschießen, aber die Resultate ent sprechen immer weniger den Anstrengungen und den un geheuren Aufwendungen. Man muß bei dem japanischen Vorgehen zur See an die Methode des Panthers denken, der sich zunächst mit furchtbarem Sprunge anf sein Opfer stürzt, gelingt es ihm indessen nicht, es im ersten Ansturm nicderzureißen, in der Verfolgung schnell ermattet. Daß die russische Flotte es jetzt schon wieder wagen kann, den ichützenden Hafen zu verlassen und ein japanisches Handelsschiff in den Gründ zu bohren, bedeutet einen be denklichen Rückschlag. Wie ein einzelner Dampfer, so könnte gelegentlich auch eine ganze Transportflotte mit japanischen Truppen überrascht werden. Die Verbindung »wischen Japan und Korea wird jedenfalls durch diese neuerlangte Freizügigkeit der russischen Port Arthur- Flotte schwer bedroht. Damit erhält die Hoffnung rus sischer Optimisten einigermaßen neue Nahrung, daß sich Korea für die japanische Landarmee als eine Mausefalle erweisen werde, in die sie wohl hinein-, aus der sie aber nicht wieder herauskommt. Auf der anderen Seite läßt sich indessen nicht ver- kennen, daß der Nimbus der Kosaken, der für die asiati schen Völkerschaften bisher als unwiderstehlich galt, für die japanischen Truppen seinen Schrecken verloren hat. Die Vorpostengefechte in Nordwestkorea, so wenig sie auch besagen wollen, und so gleichgültig gegenüber dem End ausgange des Krieges ein Teilerfolg der einen oder der anderen kricgsführenden Macht sein mag, zeigen doch, daß sich die japanische Infanterie mit Bravour schlägt. Daraus aber dürfte cs auch weiterhin ankommen. Denn Japan wird schwerlich so töricht sein, den Uebergang über den Ialu zu erzwingen und in endlosen Märschen die Russen aus Mukden herauszuwerfen. In den weiten Ebenen der Mandschurei müßte es eine sichere Beute der überlegenen russischen Kavallerie werden. Die japanische Landarmee dürfte sich vielmehr, wenn sie nicht von allen guten Geistern verlassen ist, darauf beschränken, die Linie And- schu-Gensan zu behaupten. In diesem gebirgigen Terrain, das für größere Trnppcnmassen nur auf den gebahnten Wegen passierbar ist, spielt die Kavallerie kaum eine Rolle; hier hat die Infanterie in Verbindung mit der Artillerie das entscheidende Wort. Ob sich demnach die russische Ueberlegenheit zu Lande wirklich so schnell geltend machen wird, wie es auf günstigerem Terrain zweifellos der Fall sein müßte, ist noch sehr die Frage. Auf jeden Fall wird man sich auch weiterhin in Geduld fassen müssen. Man darf sich hier mit Goethe trösten: Warum denn alles gleich ergründen? Sobald der Schnee schmilzt, wird sichs finden. Ter Schnee schmilzt jetzt freilich auch in der Mand schurei und in Nordkorea, so daß sich die Haupttruppen. massen der feindlichen Parteien jetzt schneller entfalten können, als cs in dem ungewöhnlich harten und rauhen Winter mit seinen fürchterlichen Schnecstürrwrn der Fall war. Je weniger aber die Ereignisse auf dem Kriegsschau plätze selbst die Möglichkeit bieten, dem russisch-japanischen Kriege das Horoskop zu stellen, um so eifriger zeigen sich die Kabinette bemüht, schon jetzt die Früchte des ostasiati- scheu Kriegsschauplatzes zu ernten. Der Krieg wird sozu sagen augenblicklich nicht in direkter Front, sondern hinten herum geführt. Dem genaueren Beobachter offen bart sich ein Spiel und Gegenspiel der Großmächte, wie wir es in dieser Lebhaftigkeit lange nicht mehr, auch nicht beim Boerentriege, erlebt haben. Besonders sollte man die englischen Bemühungen nicht aus den Augen ver- lieren. Handelt cs sich doch offenbar darum, Frankreich um jeden Preis der russischen Allianz zu entfremden und damit England in die Arme zu treiben. Diesem Zwecke mußten in der letzten Zeit der englischen Regierung, die sich in auswärtigen Fragen nie besonderer Gewissen haftigkeit befleißigte, alle Mittel dienen. Eine beliebte Methode besteht ja darin, die deutsche Regierung in ihren Zielen zu verdächtigen. So war es denn verständlich, daß auch jetzt wieder dasDeutsche Reich in der englischen Presse als der Trabant Rußlands erschien, der längst den schmalen Pfad der Neutralität verlassen habe, um mit Rußland durch dick und dünn zu gehen. In Frankreich scheint man aber den englischen Braten rechtzeitig ge rochen zu haben; wenigstens hat bisher Herr Delcassö nicht die geringste Neigung gezeigt, den Flirt mit England ernsthaft zu nehmen. Noch deutlicher hat sich unsere Regierung erklärt. Sie hat gegen die englischen Insinuationen nicht viel mit Worten protestiert, aber sie hat ihnen eine Tat gegenüber gestellt: die Betonung von der unerschütterlichen Festigkeit des Dreibundes. Unter diesem Gesichtspunkte hat die un- politische Mittelmeerreise des Kaisers doch einen hoch politischen Charakter erhalten; die Neapeler Trinksprüche haben mit ihrer Wärme und ihrer nachdrücklichen Be- tanung des Dreibundes als des „stärksten Bollwerkes des Friedens von Europa" nach allen Seiten klärend gewirkt. Besagen sie doch mit aller Deutlichkeit, daß der Dreibund, indem er sich nicht in das Ränkespicl der Kabinette einläßt, sondern nach wie vor seine bestimmt umschriebenen Ziele verfolgt, die Wage des Weltfriedens in der Hand hält. Vielleicht geschieht es gerade deshalb, daß jetzt Eng- land auf eigene Faust in Tibet eine Diversion zu Gunsten seines japanischen Verbündeten macht. Man erinnert sich, daß just zu Anfang des russisch-japanischen Krieges das englische Kabinett die Zett für gekommen hielt, um einen in ungewöhnlich scharfen Ausdrücken gehaltenen Noten wechsel mit Rußland über Tibet zu veröffentlichen. Jetzt ist die Nachricht von dem ersten blutigen Zusammenstoß der englischen Truppen mit den Tibetanern eingetroffen. Vielleicht dauert es nicht lange mehr, daß auf den Mauern Lhassas.die englische Flagge weht. Das damit Rußland zu Gegenmaßregeln genötigt wird, liegt auf der Hand. England spiest, wie man sieht, auch jetzt wieder den Störenfried. Dazu dürfte mit -em erwachenden Frühling die Neuaufwärmung der makedonischen Frage kommen, die leider durch die Kurzsichtigkeit der Pforte begünstigt wird. Wenn deshalb bisher der russisch-japanische Krieg keine neuen offen zu Tage liegenden Komplikationen zur Folge hatte, so ist doch damit keineswegs gesagt, daß die Gefahr auch weiterhin auf Ostasien lokalisiert bleibt. Bis- her hat sich der vielgeschmähte und angezweifelte Dreibund in der Stunde der Gefahr doch als der roeksr äs bronre des Friedens bewährt; nur an ihm wird es liegen, wenn die Wogen hochgehender Spannungen sich auch weiterhin im Sande verlaufen. Der russisch-japanische Krieg. Au» Arthur. Ein aus Port Arthur in Petersburg eingetroffener Brief eines russischen Marineoffiziers enthält, nach dem „Berl. Tagebl.", interessante Einzelheiten über die Versuche der Japaner, den Hafeneingang von Port Arthur zu sperren und den vor dem Hafeneingange leck gewordenen „Retwisan" vollständig zu vernichten. Der Brief, der vom 4. März datiert ist, beginnt mit einer Beschreibung der Reparatur arbeiten an Panzerschiffen und schildert sodann die nächtlichen Angriffe der Japaner. „In der Nacht vom 23. auf den 24. Februar macht« die Japaner einen Versuch, unseren Hasen zu sperren. Als gegen 2'/, Uhr nachts der Mond unteraegangen war, tauchte eine dunkle Masse aus der Finsternis auf, die sich auf den „Retwisan" zu bewegte. Sofort spielten die Scheinwerfer der Torpedo-, und von oen Batterien und dem Geschwader wurde das schärfste Feuer auf dieses heranschwimmende Ungetüm gerichtet, das sich bei näherer Be leuchtung als vier direkt auf den „Retwisan" losstenernd« Handels schiffe erwiesen, die kaum etwas Gutes im Schilde führen konnten. Nach einem halbstündigen scharf« Feuer fing das erste Schiff an zu sinken, das zweite hatte Feuer gefangen und lief in der Nähe des „Retwisan" auf eine Sandbank; nicht besser erging es den beiden übrigen Schiffen, die, gleichfalls leckgeschosseu, sich dem Strand« zu wandten und aufliefen. Die Schiffe wurden von drei Torpedo- begleitet, die bei der Beleuchtung des brennenden japanischen Handelsdampfers eine prächtige Zielscheibe für unsere Festungskanonen bildeten. Ein japanisches Torpedo flog in die Luft, und wir nahmen mehrere von der Bemannung desselben gefangen; die übrigen zogen sich so schnell wie möglich zurück, nachdem sie sich von dem Schellern ihres Planes überzeugt hatten. Auf einem der ausgelaufenen Dampfer fand sich ein genauer Plan der Hafensperrung und ein japanischer Offizier vor, der sich selbst erschossen hatte. Der Plan war folgender: Zwei der Dampfer, die mit Spreng stoffen gefüllt waren, sollten an den „Retwisan" Herangehen und sich in seiner nächsten Nähe in die Luft sprengen, um ihn dadurch völlig unbrauchbar zu machen; ein drittes Schiff sollte zwischen ihm und dem Hafeneingang und das vierte im Eingang selbst versenkt werden. Dieser Plan war ganz kühn und schlau auS- gedacht und hätte uns leicht bei einer besseren Ausführung eines trefflich« Kriegsschiffes beraubt, aber er fand keine Leute, die ibn auszuführen verstanden. Der Plan mißlang vollständig, und die beabsichtigte Sperrung wäre auch nur von einer sehr kurzen Dauer gewesen, da wir das versunkene Schiff sofort mll Dynamit ge sprengt hüllen. In der Nacht vom 24. auf den 28. wiederholten vier japanische Torpedos und zwei Kreuzer d« Versuch, den „Retwisan" anzu- areisen, jedoch ohne Erfolg. Am 28. Februar defilierte daS japanische Geschwader vor Port Arthur, und unsere Kreuzer „Bajan , „AS- kold", „Diana" und „Novik" eröffneten daS Feuer, daS so lange unterhalten wurde, bis eins der japanisch« Schiffe Feuer fing. In der Nacht vom 28. auf d« 26. wurde et» «ellrrer Torpedo angriff auf de» „Retwisan" ausgefübrt, dessen Existenz den Japanern keine Ruhe läßt. Dieses Mal segelte ein Manischer Torpedoboots zerstörer in dem Aufputz einer koreanischen Dschonke vor dem Made an den „Retwisan" heran, wurde aber von unS mll der artigen Liebenswürdigkeiten überschüttet, daß er eS vorzog, da« Weite zu suchen. 12 japanische Kreuzer schnitten rin« unserer Torpedos in der Taubenbncht ab und hab« ihn zerschoßen. Das Torpedo erhielt einen Schuß unterhalb der Wasser linie und lief an der Küste auf, um nicht »u sinken. Die Maschinen sind beil, so daß dieses Boot für uns nicht verloren ist. Bei uns herrscht die Ansicht vor, daß wir die Japaner au« eiuer möglichst nahen Entfernung angreifen muffen, damit wir die japanischen Schiffe in Stücke zerschießen. Wohl sind uns die Javaner mll ihren Schiffen an Zahl überlegen, aber ihre Geschosse sind ziemlich unbrauchbar und greifen unsere Panzerplatten nicht an, während unsere Geschosse sich gut bewährt baden. Vom 26. Februar bis zum 3. März war alles ruhig, und wir nehmen wohl nicht mit Unrecht an, dag die Japaner manchen Ver lust erlitten haben, der uns entgangen ist. Die Chinesen beginnen ganz vereinzelt in die Stadt zurückzukehren und ihren Geschäften nachzugeheu. A«» rttutfchevang. Der „Deutsche Reichsanzeiger schreibt: Der russische Bot schafterin Berlin teilt im Auftrage seiner Regierung mit, daß in der Mündung des Liau-Flusses bei Aingtou (Niutschwang) Minen gelegt seien. Neutrale Handels- Feuilleton. An Bismarck. Don O. Jetzt ist die Stunde da, jetzt mußt du kommen. Du Einziger, in Kampf und Frieden groß! Der schützend an sein starkes Herz genommen. Was er uns schuf als „Götterschluß-Genoß." DaS Deutsche Reich, cs ruft nach seinem Meister. In schwerer Not, in der Empörung Schmerz, Denn herber Zorn durchdröhnt das Reich der Geister Da, wo für Deutschland schlägt ein warmes Herz. Den Spruch, den Deutschlands Bundesrat beschlossen. Ist eS denn möglich, daß man ihn gefällt? Daß man der Macht, der Finsternis erschlossen Des protestant'schcn Deutschland reine Welt? Nicht bösen Willen hegen, die da walten. Wo es so schwer, mit Kraft zu widerstehn Den schleichenden und heimlichen Gewalten, Die nun am schlau erstrebten Ziel sich sehn. Nur Schwäche ist's, zur Führung nicht geschaffen Des Reiches, die erheischt den Eisen-Sinn; Kurzsichtig ließ sie sich die Macht entlassen, Warf finstern Mächten uns zur Beute hin. O BiSmarck! Nimmer hättest du geduldet, Daß uns entrissen, was dein Geist crstritt. Du gabst den, Papste zwar, was man ihm schuldet; Doch zur Ernicdrung gingst du keinen Schritt! Niemals, so lang du lebtest, wär geschehen WaS dumpf und traurig Deutschland heut verdammt; Drum sende jetzt uns deines Geistes Wehen, Send' uns ein Wollen, das wie deines flammt! Laß einen Mann aus unserm Volk erstehen, Ten Kraft befähigt zu -cm Sieg im Strauß; Die finstern Mächte laß' gebannt uns sehen, O Bismarck, hilf mit deinem Geiste aus! Ein Klassiker des Impressionismus. Man schreibt uns aus Berlin: Dor einiger Zeit verstarb im Patriarchenalter zu Paris Camille Pissarro. Er war 1830 geboren, zwei Jahre vor Manet, zehn Jahre vor Monet, mit denen zusammen er zu den Klassikern des Impressionismus zählt. Der Cassirersche Kunstsalon in Berlin hat eine Gedächtnis-Ausstellung zu Ehren dieses Malers ver anstaltet, die in beinahe fünfzig Bildern eine Uebcrsicht über sein Schäften gibt, eine Uebcrsicht, interessant nicht allein dieses vielbesprochenen Künstlers wegen, sondern auch um ihres typischen Wertes für das Verständnis der Entwicklung der impressionistischen Maler. Die Entwicklung Pissarros beginnt mit der Schule von Fontainebleau, deren Einfluß in dem ältesten der hier ausgestellten Gemälde, in dem „Spätnachmittag" von 1864 unverkennbar ist. Es zeigt einen tief ein geschnittenen Weg, der weit in das Bild hinein führt — ein Motiv, das Pissarro immer geliebt hat. Der Nach mittag ist klar, aber schon ist der Weg in Schatten gehüllt, durch die nur hier und da einige spärliche Lichtstrahlen fallen. Die Art, in der dies geringe Licht durch das feine Verhältnis der Töne zu kräftiger Wirkung gebracht ist, entspricht der besten Fontainebleauer Tradition; dagegen tritt bereits hier ein Mangel Pissarros hervor, den er niemals überwunden hat: seiye Schwäche in der Raum bildung. Schon hier steht die aanze rechte Seite des Bildes, obwohl an sich nicht ohne Reize, außer Zusammen hang mit dem eigentlichen Motiv: man sieht, daß Pissarro für das einheitliche Raumbild wenia Verständnis hat uttd daß seine Raumkomposition im wesentlichen darin besteht, daß er um ein Motiv, wie er cs in der Natur findet, eben einen Rahmen legt. Viel Wetter als bei diesem Bilde, ist er in diesem Punkte überhaupt nicht gelangt. Er ist später persönlicher geworden, er hat eigene Stoffgebiete gefunden: aber was die Schönheit betnftt, so würde ich dies früheste Bild allen andern, die hier zu sehen sind, vor ziehen, ausgenommen vieleicht die „Brücke im Walde" von 1875, eine breite und frische Malerei, auf die Courbct von Einfluß gewesen zu sein scheint, die aber kaum mehr als eine Skizze ist. In den nächsten Jahren sieht man Pissarro neuen Problemen zustreben. Manets Schaffen äußerl seine Wirkung auch auf ihn. Er hat 1872 die «vier Jahres- zetten" in vier Pendants geschildert; es sind ziemlich trockene Bilder, neu an ihnen ist die größere Helligkeit der Farbengebung und die Energie, mit der Pissarro hier nach der Charakteristik der atmosphärischen Erscheinungen strebt. Er hat damit das Problem seines Lebens ge troffen. Dieser Mann hatte in der Natur eigentlich nur für den Wechsel der atmosphärischen Erscheinungen Inter esse, und sicherlich ist seine Charakteristik nach dieser Seite hin bereits in diesen Bildern von 1872 bemerkenswert; besonders sind Sommer und Frühling treffend geschildert. Das Studiengebiet Pissarros engt sich sogar insofern noch um etwas ein, als er mit einer ganz besonderen Vorliebe immer wieder zu Bildern mit zerstreutem Licht zurück kehrt. Das gedämpfte Licht eines Wintertages, die klare Helligkeit des Frühlings, die leuchtende Glut der Sommertage — das sind Probleme, die er immer wieder aufsucht. Dagegen hat er ein so feines Verhältnis zwischen Licht und Schatten, wie in seinem Erstlingsbflde, kaum jemals wieder erreicht. Die Bilder der siebziger und achtziger Jahre zeigen im übrigen durchweg den Charakter der Magerkeit und Aerm- lichkeit. Den Gegenständen, die dargestcllt sind, ist kein Reiz verliehen, die Komposition bleibt unbehülflich, die Charakteristik der Erscheinungen ist flüchtig, die ganze Art der Bilder ist nüchtern und phantasielos, aber die Virtuo- sität in der Wiedergabe deS Atmosphärischen wächst zu sehends. In den achtziger Jahren hat er dann seinen eigentlichen malerischen Stil gefunden, jene Art, die Fqrbenflecken unvermittelt neben einander zu setzen, an die man bei Pissarro sogleich denkt. Seit dieser Zeit gleichen seine Bilder derb gearbeiteten Mosaiken. Wenn man einen Maler recht verstehen will, so muß man sich genau vergegenwärtigen, in welcher Weise sein Pinsel über die Leinwand geht. Das Persönlichste seines Schaffens wird zuweilen bei der Betrachtung dieses Vor ganges deutlich. Sehr schön hat Fromentin das von Rubens ausgeführt, indem er zeigt, wie ruhig, wie sicher, mit welcher Maöstria Rubens die Leinwand behandelte. „Er spachtelt nicht, er malt; er haut nicht, er schreibt; es ist wie ein Liebkosen, wie ein Streicheln der Leinwand". Pissarro hat gewiß gespachtelt, und man könnte hinzu fügen: er schreibt nicht, er stenographiert. Wenn man seine Malwelse genau betrachtet, so gewinnt man den Ein druck heftiger Nervosität. Man glaubt zu fehen, daß der einzige Gedanke, der den Maler beherrschte, der war, den Moment sich nicht entschlüpfen zu lassen. So wenig, wie seine andern impressionistischen Genossen, nahm er sich die Zett und besaß er die geistige Kraft, die Vorgänge der Natur ruhig in sich aufzunehmen, zu verarbeiten und in neuen Formen wieder zu gebären; er blieb der Sklave der Natur, er blieb der Sklave des Momentes, und so er- klärt sich diese wilde Hast, die die Leinwand mit Flecken bedeckt, die an nichts liebevoll haftet und so voller Ner vosität ist. Eilends schreibt er seine Notizen vor der Natur nieder, nicht eigentlich voller Leidenschaft, denn Pissarro war eine kühle Natur, aber voll Eifer, die „-Im pression" festzuhalten. Sie zu verarbeiten, ist ihm nie bei- gekommen. Seine geistige Konstitution hatte ein kurzes Gedärm. Er war Auge und nur Auge. In diesen achtziger Jahren fand endlich Pissarro auch sein eigenstes Stoffgebiet: die Großstadt. Es ist wahrscheinlich, daß er als der Maler der Großstadt, spe ziell als der Maler von Paris in der Kunstgeschichte fort- leben wird. Allein auch bei seiner Darstellung der Groß- stadt überschreitet er seine Grenzen nicht. Immer wieder ist es die wechselnde atmosphärische Erscheinung in den Straßen der großen Städte, die ihn beschäftigt. Der Dunst der Straße, in dem ihre Ferne verschwimmt, das kalte Licht eines grauen Tages, die blauen Schatten, die steigenden Nebel des Abends und wie alle diese Er- scheinungen auf die Straßenzeilen, auf die Häuser und Türme wirken: das hat er unermüdlich dargesiellt, darin hat er neue Beobachtungen gemacht und niedergelegt. Aber man darf nicht erwarten, die moderne Großstadt, wie sie ist, wie sie leibt und lebt, in ihrer ganzen Fülle und Mannigfaltigkeit bei ihm anzutreffen. Ihr eigentliches Leben ist auf seinen Bildern trotz der Unmenge von Wagen und Menschen, die er daraus anbringt, nicht her- ausgekommen. Der Mensch ist ihm im Grunde ge- nommen immer gleichgültig gewesen, ebenso wie er all mählich gegen die einzelnen Dinge der Natur, gegen Bäume, Pflanzen, Felsen. Wolken eine immer größere Nachlässigkeit an den Tag legt. Er ist Spezialist gewesen und ist es in allein geblieben, was er gemalt hat. DaS ist das Stigma des Impressionismus, und auch insofern hat die Entwicklung dieses MolcrS ein typisches Interesse. vr. ^stxdrt v«scha«r.
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