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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 26.04.1904
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-04-26
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040426026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904042602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904042602
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-04
- Tag1904-04-26
- Monat1904-04
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Anzeigen-Preis die 6gespaltene Petitzeile 25 Reklamen unter dem Redaktionsstrich (4 gespalten) 7b nach den Familiennach richten ik gespalten) 50 Tabellarischer und Zisfernsatz entsprechend höher. — Olebühren sür Nachweisungen und Ossertenannahme 25 H. ftzrtra-Vetlagen gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung 60.—, mit Postbefördernng -M 70.—. Annahmefchluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: vormittag- 10 Uhr. Morgen.Ausgabe: nachmittags 4 Uhr. Anzeigen sind stet« an die Expedition zu richten. Tie Expedition ist wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Palz in Leipzig (Inh. vr. B., R. L W. Klinkhardt). Nr. AI. Dienstag den 26. April 1904. 98. Jahrgang. Var llllcdtigrte vom läge. * Der Kaiser wird am Donnerstag, die Kaise - rin am Sonnabend in Karlsruhe erwartet. * Dem König von Württemberg wurde gestern im Residenzschloß zu Stuttgart durch den Prinzen von Wales feierlich der Hosenbandorden über- reicht. - " Für Verstaatlichung der Zechen traten am Montag im Ruhrgebiet mehrere stark besuchte Ver- sammlungen ein. *JnderCityvonLondon wurden in vergange ner Nacht durch eine gewaltige Feuersbrunst vier große Warenhäuser zerstört. * Der Senat der Ver ei nigten Staaten hat, veranlaßt durch den Vertrag zwischen der ungarischen Regierung und der Cunard-Gesellschaft, einen Antrag Lodge angenommen, durch welchen solche Aus- länder ausgeschlossen werden, deren Ein wanderung durch Abkommen zwischen fremden Regierungen und Dampfschiffs- Gesellschaften herbeigeführt wird. ffaufmsnnrgrlicdte. Ein Gesetzentwurf, für den in den beteiligten Kreisen in ganz intensiver Weise gearbeitet worden ist, wird demnächst im Reichstage seine Erledigung finden. Nachdem im vorigen Reichstage der Entwurf der Regierung, be treffend Kaufmannsgerichte, keinen Beifall gefunden hatte, hatte sie nunmehr in dieser Session einen anderen Entwurf vorgelegt, der weniger im Reichstage als in den Kreisen der HaudlungSgehülfen umstritten worden ist. Dann hat jedoch die Kommission noch eine ändernde Hand angelegt und diese Aendrrungen wieder finden durchaus nicht durchweg den Beifall der kaufmännischen Kreise. Das Verlangen nach Kaufmannsgerichten geht aus der Notwendigkeit einer schnellen und sachgemäßen Rechtsprechung in Streitfällen, die sich aus dem Dienstverhältnis ergeben, hervor. Die Mehrzahl der Gesuche legte daher daS Gewicht auf den Begriff des Schiedsspruches. Es sollte unter dem Vorsitze eines Juristen von sachverständigen Beisitzern aus dem Kaufmannsstande, Prinzipalen und Gehülfen, entschieden werden, eS sollten möglichst Ver gleiche und Rechtsbelehrungen herbeigeführt werden, die eigentliche Prozesse verhinderten. Dabei sollten sich die kaufmännischen Schiedsgerichte soweit als möglich über das ganze Reich erstrecken, und weil dies am besten geschah, wenn ryan die Amtsrichter zu Vor sitzenden dieser Schiedsgerichte machte, so wünscht man in vielen Kreisen dort, wo selbständige Schiedsgerichte nicht möglich waren, weil sie so wenig zu tun hatten, Angliederung an die Amtsgerichte. Die Regierung ist diesem Verlangen in dem neuen Entwürfe nicht entgegengekommen. Sie hat die An gliederung an die Gewerbegerichte vorgesehen und dabei noch die Einrichtung eines Kaufmannsgerichts nur in Städten mit 50 000 Einwohnern verlangt. In der Kommission hat man di« Einwohnerzahl der Städte, in denen «in Kaufmanns gericht obligatorisch ist, auf 20 000 herabgesetzt und somit wenigstens etwas zu ihrer weiteren Verbreitung getan. Bon wesentlicher Bedeutung ist auch, daß Streitigkeiten aus der Konkurrenzklausel von den Kaufmannsgerichten ent schieden werden. Es war eine scharfe Opposition der Juristen gegen diese Zulassung der Urteile über die Konkurrenzklausel, schließlich hat aber dann die erstere Meinung den Sieg davongetragen. Eine Neuerung ist die Einführung von Proportionswahlen. Schon existiert der Proporz bei einigen Gewerbegerichten, in Sachsen in Glauchau, und er soll sich ganz gut bewährt haben. Wie weit er sich zum Kaufmannsgericht eignet, das muß abgewartet werden. Ganz neu ist jedoch die Zulassung der Frauen zur Wahl des Gerichts. Dieses Frauenstimmrecht, gegen das sich wohl sämtliche Prinzipalskreise und die nicht radi kalen Gehülsenverbände ausgesprochen haben, hat im Reichs tage sehr viel Anhänger. In der Kommission haben sich Mitglieder aller Parteien dafür ausgesprochen und so ist denn das aktive Wahlrecht der Frauen inS Gesetz gekommen. Einem Zufall ist es nur zuzuschreiben, daß das passive Wahl recht nicht erteilt wurde. Es wurde in der Kommission mit Stimmengleichheit abgelehnt. Es ist für Deutschland jeden falls Novum, daß Frauen zu solchen immerhin wichtigen Wahlen, dieweit über dasVerwaltungstechnische,wie beidenKrankenkassen, hinauSgehen, das Wahlrecht erteilt wird, und in vielen Kreisen ist man sich der Tragweite dieser Zulassung gar nicht bewußt. In sehr scharfer Weise bat der hiesige Verband deutscher Handlungsgebülfen gegen die Neuerung Stellung genommen, indem er der großen Mehrzahl der Gehülfinnen in kauf männischen Geschäften den Charakter als Handlungögehülfen nach der Tradition abspricht. In einer Eingabe an den Reichstag meint er, daß die weiblichen Gehülfen den Kaufmannsberuf nicht als Lebensberuf auffasscn, und ferner, daß die Leichtigkeit, mit der tatsächlich völlig kaufmännisch unvorbereitete Dkädchen aus anderen Be rufen, wie denen der Kindergärtnerinnen, Schneiderinnen, Putzmacherinnen, Kammerzofen, Dienstmädchen n. a. in Geschäften als Verkäuferinnen, Maschinenschreiberinnen, Copistinnen und Hülse zu untergeordneten, durchaus nicht kaufmännischen, Dienstleistungen Anstellung finden, sie nicht befähigt, sachgemäß zu wählen. Das Gleiche dürste mit dem großen Heer selbständiger Geschäftsfrauen der Fall sein. Bei der Zunahme voB Zweiggeschäften, die von Frauen geleitet werden, hat sich die Zahl der Prinzipalinnen sehr ver mehrt, und eS ist ihnen infolge besten ein großer Einfluß auf die Wahlen zu den Prinzipals-Beisitzern sicher. Die sozialdemo kratische Partei hat die Einfügung des Frauenstimmrechts ganz energisch propagiert und hat, wie gesagt, bei allen Parteien Gegenliebe gefunden. In den Kreisen der selbständigen Kaufleute männlichen Geschlechts scheint man von dieser Invasion der Frauen gar keine Ahnung zu haben, denn korporativ ist man von ihrer Seite noch nicht gegen die Neuerung hervorgetreten. Freilich steht eS noch dahin, ob dieser Kommissionsentwurf Gesetz wird, denn die Regierungen von Sachsen, Bayern, Württem berg und anderen Staaten haben sich durchaus gegen daS Frauenstimmrecht ausgesprochen und auch Preußen hat seine Zustimmung noch nicht gegeben, im Gegenteil sich sehr reserviert verhalten. Stimmt der Reichstag daher seiner Kommission zu, und e« scheint so, so könnte doch der BundeSrat seine Zustimmung verweigern, und die Kauf mannsgerichte wären dann, vorläufig wenigstens, gefallen. Ob sie wiederkommen, ist eine Frage, da man gewiß in den nächsten Jahren an eine Reform deS AmtSgerichtS-Prozeß- verfahrenS Herangehen und dabei die verschiedenen Gründe, aus denen die Wünsche nach Sondergerichten hervor geben, berücksichtigen wird. vrrar kpilog rum ungarirche« kkrndavnrr-surrianü. In der Konferenz der Liberalen Partei, die gestern in Pest stattfand, erörterte der Ministerpräsident Tisza die mit dem Eisenbahnerausstand zusammenhängenden Vorgänge. TiSza warf einen Rückblick auf die Vorgänge der letzten Tage und führte aus, eS sei jedem klar, daß der Ausstand langer Hand vorbereitet gewesen sei. Die Entlassung zweier Beamten habe den Ausbruch des Ausstandes nur beschleunigt, keineswegs herbeigeführt. Leider hätten einige Mitglieder der Oppositionspartei durch Aeußerungen im Abgeordneten hause die Verwirrung in den Gemütern der Ausständigen erhöht und die falsche Vorstellung erweckt, daß die Regierung in eine Klemme geraten sei, ans der sie sich nur durch die Erfüllung aller Wünsche der Ausständigen befreien könne. Die Regierung habe die größte Mäßigung gezeigt. Die angebotene Straflosigkeit sei abge lehnt worden. Nachdem die gegebene Frist nutz ¬ los verstrichen sei, habe die Regierung.die weiteren Verhand lungen mit den Ausständigen abgebrochen und die Wieder herstellung des Verkehrs mit aller Kraft in Angriff genommen. Es habe auf allen Stationen eine große Anzahl Beamte gegeben, die nur angeblich warteten, wie sie den Dienst wieder aufnehmen könnten. Jetzt schon vollziehe sich der Verkehr nahezu regelmäßig, und in den nächsten Tagen würden alle fahrplan mäßigen Züge völlig regelmäßig in Betrieb gesetzt werden. Die Regierung werde alles aufbieken, damit in den Gemütern der Eisenbahnbeamten Ruhe eintrete. Es müsse jedoch, schon um künftige Gefahren zu vermeiden, zum Bewußtsein ge bracht werden, daß der Ausstand ein verhängnisvoller Fehl tritt gewesen sei. Die Regierung werde jedoch alles ver meiden, wa» den Schein der Rache oder der Wiederver- geltnng erwecken könne. Sie werde auch nicht nach strengem Recht verfahren, da viele nur durch Schwäche gesündigt haben, indem der Ausstand sie mit unwiderstehlicher Gewalt mitgeriffen hätte und sie der Meinung gewesen seien, durch ihre Teilnahme am Aufstand die Pflicht der Gemeinbürgschaft zu erfüllen. Nur die Führer des Ausstandes und die Agitatoren, welche durch ihre Einwirkung die Umkehr der Verirrten unmöglich gemacht und in maßloser Weise die Leidenschaften angefacht hätten, würden voll zur Verant wortung gezogen werden. Solange die Regierung damit beschäftigt sei, die Spuren de« AuSstandeS auSzu- löschen, waS innerhalb weniger Tage geschehen sein werde, habe es gegolten, jede andere Einwirkung fern zuhalten , da von jener Seite nur Verwirrung an gerichtet worden und namentlich für die Ausständigen nur Unheil erwachsen sei. Es liege auch im Geiste deS parla mentarischen Prinzips, daß in kritischen Angelegenheiten die Negierung allein die Verantwortung übernehme, daher alle erforderlichen Maßregeln mit Ausscheidung jeden fremden Einflusses ausschließlich von ihr anSgehen müßten. AuS diesem Grunde habe die Regierung sich entschlossen, die Session zu schließen, zumal die Macht der Delegationen ohne hin die Eröffnung der neuen Session erfordert hätte, die in einigen Tagen erfolgen würde, wenn kein nachteiliger Einfluß mehr von irgend welcher Seite auf daS Vorgehen der Re gierung zu befürchten sei. Die Regierung werde es für ihre Pflicht halten, Gelegenheit zu nehmen, dem Abgeordneten hause Rechenschaft über ihre Maßnahmen abzulegen. — Die Rede wurde an vielen Stellen von lebhaftem Beifall unter brochen und am Schluß mit begeisterten ZustimmungSkunb- gebungen ausgenommen. ver ffiiktantl cler Herero. Verwendung der drahtlsfen Telegraphie. Nach der „Nordd. Allg. Ztg." bestätigt es sich, daß die Heeresverwaltung sich entschlossen hat, nach dem Schutzgebiete Deutsch-Südwestafrika einige Funkentele graphieapparate zu entsenden. Dies neue Kriegsmittel wird mithin im Feldkriege seine Feuertaufe erhalten. Nach dem augenblicklichen Entwickelungsstande dieses von der Militär - Luftschifferabteilung feit einer Reihe von Jahren den Versuchen unterworfenen Kriegsmittels unterliegt es wohl keinen, Zweifel, daß die Telefunken als ein zuverlässiges, betriebssicheres Mittel zur Ueber- tragung von Befehlen und Meldungen in den Dienst der Heeresleitung eingestellt werden können: stellt das afri kanische Klima ihnen keine Hindernisse entgegen, so werden sie bei den dortigen Verhältnissen -sogar eine un eingeschränktere Wirkungssphäre vorfinden, als in einem europäischen Kriege. Die Reichweite einer normalen Funkcntelegraphenstation mit Morseschreibapparat über Land kann jetzt mit Sicherheit auf eine Entfernung von 70 bis 80 Kilometer angenommen werden. Trägt man diese Entfernung auf den Kriegsschauplatz in Südwest- afrika über, so würde demnach die funkentelegraphische Verbindung des augenblicklichen Standortes der Haupt kolonne unter Oberst Leutwein bei Otjosasu mit dem mutmaßlichen Standpunkte des Detachements v. Glasenapp bei Onjatu als durchführbar erscheinen. Mit dem Hörapparat — bis jetzt noch nicht mit dem Schreibapparat — läßt sich die oben angegebene Ent fernung noch über 100 Kilometer erweitern. Funken wagen wie auf europäischen Kriegsschauplätzen sind in Südwestafrika nicht anwendbar. Es wird daher der Typ -er Karrenstationen zur Anwendung kommen. Mit diesem Karrensystem wurden bereits im vorigen Jahre Versuche angestellt. Man hat eine Funkentelegraphen, station auf fünf zweirädrigen, mit je einem Maultier, Pony oder Ochsen zu bespannenden Karren unter- gebracht, zu deren Bedienung zwei Offiziere, zwei Unter- oMziere, acht Mann vorgesehen sind. Für die Verwen dung in Südwestafrika scheint dieses Kartensystem ge eignet zu sein: möglicherweise aptiert man es für Ochsen wagen. Leider ist es noch keinem Funkentelegraphen system gelungen, auf dem leidigen Gebiete der Ab stimmung zu dem Resultate zu gelangen, daß die eigenen Telc gramme durch den Feind nicht abgelesen oder unter brochen werden können: nur in gewissem Sinne ist die- Resultat bei unserer Marine erreicht. Der Herero ist aber durch seine Unkenntnis der Telefunken nach dieser Richtung hin nicht zu fürchten, mithin wird bei dem jetzigen Entwickelungsstande der Funkentelegraphie weder die Verwendung ständiger noch beweglicher Stationen von ihrem Mißstande in Deutsch^Süowest- afrika betroffen. Nach ihrer nun in Aussicht stehenden Erprobung läßt sich wohl ihre spätere Verwendung neben den jetzigen Draht- und Heliographenverbindungen ins Auge fassen, damit bei dem Ausschalten der einen die Möglichkeit des Funktionierens der anderen verbleibt. ver wrrkch-japrmirche Weg. Der Arieg ««- Hie rsnrisch-kathottsche Misst»«. Die katholische Zeitschrift „LeS Parole« Fran^aiseS" stellt folgende Betrachtungen an: „Wenn die Russen nach langem Kampfe als verkrüppelte Sieger ans dem Kriege hervorgrhen, so wird die Sympathie, die Frankreich mit Feuilleton. Ni Das Testament des Lankiers. Roman von A. M. Barbour. Nachdruck verboten. Kurz vor fünf Uhr ließ sich Hobson melden. Sie wußte, was er wollte, augenblicklich konnte sie ihn aber nicht vorlassen; um keinen Preis durfte er von der Zu- sammenkunft mit ihrem Sohne erfahren. „Er soll morgen kommen", wiLs sie kurz ab. Die Sache hätte Eile, kam die Antwort zurück. „Dann um acht Uhr!" rief sie heftig, in der Angst, er könne sich zu lange aufhalten. „Früher kann ich nie mand sprechen." Als sie wieder allein war, warf sie einen Blick nach der auf dem Kaminsims stehenden Uhr und murmelte, hinter den Fenstervorhang tretend: „In drei Stunden, wenn er wieder kommt, ist mein Schicksal entschieden. — Gott sei Dank", atmete sie auf, als sie die Gestalt Hodsons über die Straße huschen sah, „Gott sei Dank, er ist fort. Gelingt es mir, Harold zu gewinnen, dann soll der Schurke mich heute abend kennen lernen — ge lingt es mir nicht — " Sie griff mit der Hand nach dem Herzen, um dessen stürmisches Pochen zu beschwichtigen. Ein geschlossener Wagen hielt vor dem Hotel. Einen Augenblick später trat Harold ins Zimmer. Sic wollte ihm entgegeneilen, doch als sein Blick sie traf, blieb sie wie gebannt stehen. Ihre Lippen beweg ten sich, aber kein Ton drang hervor; die Kehle war ihr wie zugeschnürt. Vor diesem granitharten, eisig kalten Gesicht erstarb jedes zärtlichere Gefühl. Sie batte sich ihm zu Füßen werfen, seine Vergebung, seine Liebe er flehen wollen, statt dessen stand sic nun wie gelähnit. Was sie hatte tun, was sie hatte sagen wollen — alles war ihr entschwunden. Auch Harold sprach nicht sogleich. Er* war be troffen über die Veränderung, die die letzten wenigen Wochen, besonders aber die letzten Stunden, auf dem jetzt totenbleichen Antlitz der vor ihm Stehenden her vorgebracht hatten. Der stumme, verschleierte, Er barmen flehende Blick ihrer Augen bewegte ihn mehr, als Worte es vermocht hätten. Seine strenge, finstere Miene milderte sich zwar nur wenig, sein Ton jedoch klang beinahe freundlich und mitleidig, als er endlich das Schweigen brach: „Du wünschtest mich zu sprechen, weshalb verlangtest du nach mir?" „Weshalb ich nach dir verlangte? Kannst du dir nicht denken, daß eine Mutter den Wunsch hat, ihren totgeglaubten, ihren ihr grausam entrissenen Sohn zu sehen?" „Ich bin nicht gekommen, um von der Vergangenheit zu sprechen", erwiderte Harold wieder kälter. „Das, worauf du hindeutest, war die beste Art der Lösung des Verhältnisses, das du schufst. Gewiß verursachte die Trennung Leiden, du aber warst nicht der leidende Teil. Wo weder eheliche Liebe noch Treue bestand, kann auch die Mutterliebe nicht groß gewesen sein!" Ihre dunklen Augen nahmen einen feuchten Glanz an und blickten plötzlich zärtlich, indem sie auf einen Sitz deutete, dem nahe gegenüber sie sich niederließ. „Du vergißt", erwiderte sie mit der leisen, wohl lautenden Stimme, die er in Schöneichc so oft gehört hatte; „du vergißt, daß die Liebe der Mutter ein In stinkt ist, der mit der Geburt des Kindes in ihr geboren wird, während die Liebe der Frau erworben werden muß. Ich muß auf die Vergangenheit zurückgrcifen und du mußt mich anhören. Du sollst wissen, daß, wie schwer ich auch gesündigt haben mag, doch weit schwerer noch an mir gesündigt worden ist." „Nicht soweit es meinen Vater betrifft", fiel Harold scharf abweisend ein. „Er opferte Vermögen, Heimat, Freunde, alles für dich, und du lohntest seine Liebe und Hingebung mit Verrat und Untreue." „Daß dein Vater mich liebte, räume ich ein", fuhr sie, ohne seine Worte zu beachten, in der begonnenen sanften Weise fort, „doch, wie ich schon sagte, die Liebe einer Frau muß erworben werden, und deinem Vater gelang das nicht." „Aber seinem verräterischen Bruder?" lachte Harold herb auf. „Schon in dem ersten Halbjahr deiner Ehe warst du so herzlos, meinem Vater ins Gesicht zu schleu dern, daß du ihn nur geheiratet hättest, um mit seinem Bruder in Verbindung zu bleiben." Dieser flammenden Entrüstung gegenüber wurde sie nicht einmal rot. Sie hatte erkannt, daß die Hoffnung, zu ihrem Ziele zu gelangen, nur einzig und allein noch auf der Bewahrung ihrer Selbstbeherrschung beruhte, und dies verlieh ihr die Kraft, alles über sich ergehen zu lassen. Ruhig erwiderte sie daher: , „Halbe Wahrheiten sind schwerer zu widerlegen als Unwahrheiten. Was du mir vorwirfst, sagte ich allerdings einmal, nachdem ich sehr gereizt worden war, wenn ich aber Hugh auch nach meiner Verheiratung mit seinem Bruder noch an mich zu fesseln suchte, so trieb mich dazu nicht Liebe, sondern Rache. Ich fachte feine Liebe an, um ihn für sein plötzliches Ablassen von mir, für seinen Wankelmut zu yuälen. Halb wahnsinnig vor Kummer und Wut darüber, daß Hugh sich auf Befehl seines Vaters abwandte, heiratete ich deinen Vater, der Stellung wegen, die er mir geben konnte. Ich glaubte nickst daran, daß der ältere Sohn und Liebling des Vaters verstoßen werden würde, und wollte dem Vater und dem Bruder zeigen, daß ich trotz ihres Stolzes und ihrer Abweisung meinen Willen durchzusetzen verstände. An meinem Hochzeitstage gelobte ich mir, daß Hugh doch noch in Liebe verzehrt zn nieinen Füßen liegen sollte, und als kurz darauf dein Vater enterbt und der jüngere Bruder an seine Stelle gesetzt wurde, da wuchs mein Wunsch, mich zu rächen, immer mehr. Ich ver doppelte meine Anstrengungen, ibn zu umgarnen. Zuerst hüteten wir uns, ins Gerede zu kommen, bald aber hatte ich Hugh so weit, daß er feine Liebe zu mir nicht mehr verbergen konnte und unvorsichtig wurde. So weit wollte ich ihn haben. Ich rühmte ipich nun offen meiner Er oberung, in der Hoffnung, dadurch den Zorn feines Vaters auch gegen ihn zu entfachen. Darin aber hatte ich mich verrechnet. Der Vater enterbte wohl den Sohn, der aus Liebe ein Mädchen niederen Standes heiratete, hatte aber nicht ein zürnendes Wort für den Sohn, der in« Rufe einer Liebelei mit der Frau stand, um derentwillen er den Lieblingssohn verstoßen hatte. Als deinem Vater die Sache zu Ohren kam, entschloß er sich kurz und ging nach Australien. Hätte er mir damals einige Rücksicht gezeigt, wäre die Zukunft vielleicht ganz anders geworden; aber er wurde mürrisch und wort karg, und ich, die ich heitere Gesellschaft liebte und an die Bewunderung der Menge gewöhnt gewesen war, mußte nun im fremden Lande mein Leben in Einsamkeit vertrauern. War es ein Wunder, daß ich nach dem früheren Leben lechzte, daß ein Blick der Bewunderung oder einige schmeichelhafte Worte mir erschienen wie ein labender Trunk einem Verdurstenden? Endlich belebte eine neue Hoffnung mein elendes Dasein. Ich fühlte mich Mutter und gab mich monatelang den beglückenden Vorstellungen bin, wie mich künftig die Liebe und Zärt lichtest meines Kindes für alle anderen Genüsse ent schädigen würde. Aber auch dieser Trost blieb mir ver- lagt. Und jetzt denken zu müssen, daß nur ein ungeheuer liches Verbrechen ihn mir raubte, ein Betrug ohnegleichen mein ganzes Lcbensglück zerstörte und mich auf den Weg stieß, den ich gegangen — das — o —!" Wie überwältigt bedeckte sie die Augen mit ihrem Taschentuch, während sich die barten Linien um den Mund Harolds vertieften. Mit bebender Stimme fuhr sie dann fort: „Mit dem Tode meines Kindes war mir jede Hoffnung für das Leber« erstorben. Auch dein Vater verließ mich bald darauf, und fast mittellos kehrte ich wenige Jahre später nach England zurück." „Und zu Hugh", schaltete .Harold wegwerfend ein. „Zunächst noch nicht", antwortete sie tonlos unter der
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