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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 28.04.1904
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-04-28
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040428015
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904042801
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904042801
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-04
- Tag1904-04-28
- Monat1904-04
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Sonnabend, den 80. Adri! 1904, von vormittag 10 Uhr an sollen io» Proviantamt zu Leipzig-Möckern eine Parti« Rogg«»»- Leie, Fuhmehl. Abfälle sowie alle» Eisen pv. und alte Geräte öffentlich an den Meistbietenden gegen sofortig« Barzahlung versteigert werden. Leipzig, den 24. April 1904. K»«i«lichiS Pr«ittantamt. Die zum Neubau eine» Dienstwohngebäude» für da» Pro» viantamt zu Riesa erforderlichen Los I. Erd-, Maurer-, Zement-, Ssphalt- »nd Stein- metzarbeite», Los H. Zimmerarbeiten, sollen in öffentlicher Verdingung vergeben werden. Zeichnungen und Verdingungsunterlagen liegen im Ge» schäftSzimmer de» Unterzeichneten — Riesa, Kaserne an der Veststratze — zur Einsicht au» und können verdingung»- anschläge daselbst gegen Erstattung der Selbstkosten entnommen bezw. bezogen werden. Angebote find verschlossen und mit entsprechender Aufschrift versehen bi» Smrnaöend, dm» 7. Mai 1904, »armittag 11 Uhr für Lo» I, — >» » »» » «» 11^4 ,, ,, „ Ü, posttoei an unten bezeichnete Stelle einzureichen, woselbst die Hröttnung in Gegenwart der erschienenen Bieter erfolgen wird. Zuschlagssrift 6 Wochen. Auswahl unter den Bewerbern bezw. Zurückweisung sämtlicher Angebote bleibt Vorbehalten. K»atgl. Garntson vaudeamtrr Riesa. Der von mir am 1. November 1899 gegen den Bäcker gesellen Franz LSkar Eckart au» Niedertrebra erlassene Steck« vrref ist erledigt. 1. I. 1039 /99. Naumburg a. S., den 28. April 1904. Der Erste Staatsanwalt. vrutrckm steicdrtag. 77. Sitzung. , O Berlin, 27. April. (Telegramm.) Heber derNovellezumBörsengesetz schwebt ein eigenartiger Unstern. Gestern kam der Gesetzentwurf erst in der zweiten Hälfte der Sitzung an die Reihe, und auch heute wurde er wieder hinter andere Dinge zurück- gestellt, die freilich an sich wichtig genug sind, bei denen man aber die Frage aufwerfen könnte, ob denn durch sie notwendigerweise die erste Beratung einer von der Re gierung für so wichtig erklärten Vorlage unterbrochen werden muhte. Das HauS nahm nämlich Wahlprüfungen vor. Für gültig wurden erklärt die Wahlen der Ab- geordneten Will (Stolp), Horn (Sachsen), Bauer- meist er (Bitterfeld), Himburg (Magdeburg 2), Fürst Bismarck (Jerichow), O s e l (Oberfranken 4). In Betreff der Wahlen der Abgeordneten Becker und v. Brockhausen (Köslin) sollen Beweiserhebungen stattfinden. Von großem Interesse war die Entscheidung über die Wahl des Abg. Blumenthal (Elsaß- Lothringen 9). Die Kommission hatte beantragt, die Wahl für ungültig zu erklären. Abg. Payer, der Führer der süddeutschen Volkspartei, der Abg. Blumen thal als Hospitant beigetreten ist, stellte den Antrag, die Wahl für gültig zu erklären. Er begründete diesen An trag in sehr lebhafter Weise und in interessanten Aus führungen, denen das einigermaßen gut besetzte Haus mit großer Aufmerksamkeit folgte. Die Bürgermeister in den Neichslanden seien nicht etwa abhängige Regierungs- beamte, sondern ihre Stellung sei eine ehrenamtliche. Zu- dem sei Blumenthal nicht der RegierungSkandidat ge wesen. Für den Kommissionsbeschluß und gegen den Antrag Payer sprachen die Abg. Wellstein (Ztr.), Donderscheer (Els.-Lothr.) und v. Jadzewskt (Pole). Der Abg. Arendt (Rp.) beglückwünschte den Abg. Payer zu seinen Anschauungen, die von den früheren Ansichten der Linken abwichen, und ersuchte ihn unter Bei- fall und Heiterkeit rechts, in die Wahlprüfungskommission einzutreten. Er stimmte mit der Reichspartei auch für den Antrag Payer, der indeß abgelehnt wurde. Das Haus erklärte sodann die Wahl Blumen- thals für ungültig und beschloß Beweiserhebung in Betreff der Wahl des Abg. Höffel (Rp. Zabern). Schließlich wurde die Wahl des sozialdemokratischen Abg. Braun, obgleich die Abgeordneten v. Gerlach und Fischer für die Gültigkeit eintraten, dem Anträge der Kommission gemäß für ungültig erklärt. Es war ^45 Uhr geworden, als das Haus an die Fortsetzung der ersten Lesung der Novelle zum Börsengesetze ging. Ter sozialdemokratische Abgeordnete Schmidt- Berlin hielt eine längere Rede, in der er seine Ansichten über Kapitalismus und Börse zum Ausdruck brachte. Tas wichtigste an seinen Bemerkungen war wohl der Hinweis darauf, daß die sozialdemokratische Partei immer der Ansicht gewesen sei, das Verbot des Terminhandels in Getreide sei nicht gerechtfertigt gewesen. Der sozialdcmo- kratische Redner behandelte die Frage in ruhiger, man möchte fast sagen akademischer Weise, während der Ab geordnete. der nach ihm das Wort ergriff, das Zentrums. Mitglied Burlage, eine andere Tonart bevorzugte. Der lebhafte Vortrag und die Erregtheit, mit der er sich zum Börsengesetz bekannte, erinnerten stark an die gestrige Rede des Grafen Kanitz, und der Beifall, den er nicht nur bei seinen näheren Parteifreunden, sondern auch auf kon- servater Seite fand, läßt den Schluß zu, daß es sehr schwer sein wird, -er zur Beratung stehenden Novelle zur Annahme zu verhelfen. HandelSmmister Möller nahm um 6 Uhr das Wort, um in ruhigen Worten zu erklären, daß an den Grundpfeilern de» Börsenaesetzes nicht ge rüttelt werden solle. Der Bundesrat müsse die Befugnis haben, legale Zeitgeschäfte zu gestatten, damit die Kauf leute die Konjunktur benutzen und sich gegen Schwan- kungen schützen könnten. Nach der Rede des Ministers wirb die Beratung auf Donnerstag vertagt. D Berlin, 27. April. (Telegramm.) Am Bunüesratstisch anfangs niemand. Das Haus ist stark besetzt. Die Wahlen W i l (Stolp-Lauenburg), Horn (Dresden-Land), Baue rm ei st er (Bitterfelo), Himburg (Osterburg-Stendal) werden debattelos für gültig erklärt und die Wahl Brockhausen (Bel- gard-Drambug) zu Beweiserhebungen in die Kommission zurückverwiesen. Die Kommission beantragt ferner, die Wahl des Fürsten Bismarck in Jerichow für gültig zu erklären. Abg. Gothein (freis. Verg.) führt aus, in 28 Wirt schaften sind 33 sozialdemokratische Vertrauensmänner aus den Wahllokalen ausgewiesen worden. DaS ist ein Eingriff in die Oeffentlichkeit der Wahl. Wir beantragen deshalb, einen Beschluß über die Gültigkeit auSzusehen und den Reichskanzler um Beweiserhebungen zu ersuchen. Abg. Geyer (Soz.) führt aus: Bei ähnlichen Ver stößen bei der Wahl des Abg. Meyer (Halle) erklärte der Reichstag die Wahl für ungültig. Ich bitte daher, den Antrag Gothein anzunehmen. Abg. Wellstein (Zentrum) tritt für die Gültigkeit ein, weil die Ausschließung einzelner Personen, welche gegen die Ordnung verstoßen haben, keine Beschneidung der Oeffentlichkeit darstelle. Abg. Kopsch (freis. Vp.) tritt dem Anträge Gothein bei, da nicht festgestellt sei, daß nur solche Personen aus- gewiesen seien, die gegen die Ordnung verstießen, und da rm vorliegenden Falle auch Wahlbriefe aufgeschichtet und nach der Reihe wieder aus der Urne genommen wurden. Abg. Wallau (natlib.) tritt den Ausführungen des Abg. Wellstein bei, da der Vorfall einen Einfluß auf das Wahlresultat nicht auSgeübt habe. Äbg. Fischer (Soz.) führt auS: ES handelt sich um die Wahlbeeinflussung von Konservativen, um einen Unfug. (Unruhe rechts.) Es handelt sich hier um die Anwendung eines Systems. Beweis dafür ist, daß in einem Falle der Wahlvorsteher sagte: „Ich muß Sie ausweisen." Der Kreissekretär hat in einem anderen Falle angeordnet, daß eine Verfügung der Regierung vorliege. Ein so zu stände gekommener Beschluß der Kommission ist ein Hohn auf das Wahlrecht. (Große Unruhe.) Der Präsident ruft den Redner wegen dieser Aeuße- rung zur Ordnung. (Beifall.) Die Wahl Bismarcks wird gegen die Stimmen der Linken, der Polen und einiger Welfen für gültig erklärt. Die Wahl des Abgeordneten Becker (Hessen) wird beanstandet und Beweiserhebungen beschlossen. Die Wahl des Äbg. Osel (4. Wahlkreis Ober-Franken) wird für gültig erklärt. Die Wahl des Abg. Blumenthal (Straßburg- Land) ist von der Wahlprüfungskommission einstimmig fürungllltig erklärt worden. Abg. Payer (Südd. Vp.): Es ist nicht korrekt, daß Wahlaufrufe zu Gunsten Blumenthals von 13 Bürger- meistern und 2 Abgeordneten unterzeichnet waren. In des kann nicht anerkannt werden, daß dies Wahlbeem- flussung war. Denn jene Leute ließen die Bezeichnung Bürgermeister in anderen Wahlaufrufen fort. Eia der- artiges Verfahren wurde früher nicht beanstandet. Nach dem „Elsässischen Volksboten" haben sich 10 Bürger- meister von der Gegenseite viel stärker betätigt, indem sie bei Wählerversammlungen sogar für den Gegenkandida ten sprachen. Wenn schon einmal ein Bürgermeister einen Wahlaufruf unterschreibt, so ist es kein großer Unter- schied, ob er sein Lpitbeiou ornLns dazu setzt oder nicht. Mit denselben Bedenken müßte man doch den Unter- schriften von Geistlichen gegenüberstehen, die auch in ge wissem Grade Beamtencharakter haben. Ferner ist die Stellung der Bürgermeister in Elsaß-Lothringen durch- aus keine andere als in Altdeutschland. Das Amt ist ein Ehrenamt ohne jeden finanziellen Bezug. Größere polizeiliche Befugnisse als anderswo haben sie auch nicht. Vielmehr fehlt ihnen die politische Polizeifunktion. Bei allen Wahlen traten sie denn auch ganz unbefangen mit der persönlichen Meinung hervor, wie sich bei der Wahl des Abg. Spieß erwiesen hat. Bei allen Parteien bin ich zu bekannt, als daß man mir zutrauen könnte, ich würde Herrn Blumenthal als Regierungskandidaten offerieren. Wir haben uns in diesen Wahlkampf gar nicht gemischt. Unter den Aufrufen stehen außerdem die Namen einer Reihe von technischen Beamten. Wer kann überhaupt aus der Willensäußerung eines der Reichsver- waltung unterstehenden Technikers einen Schluß ziehen auf die Willensmeinung der elsässischen Landes Aus den Eommisstoueu. * PetttionSkommiffiou. DaS neunte Verzeichnis der bei« Reichstage eingegangenen Petitionen enthält u. a. zahlreich« Bittschriften um reichsgesehliche Regelung der Pension-- und Hinterbliebenen-Versorgung der Prwatbeamten: noch zahlrei cher sind die Unterstützungen der Petition um Äenderung der Konkursordnung (Veröffentlichung deS Ergebnisse- auch im Falle der Nichteröffnung des Verfahrens wegen mangelnder Masse). Tie Petition des Verbandes deutscher Handlungs- gehülfen zu Leipzig um Ablehnung des Beschlusses der Reichs« ragskommission für Kaufmannsgerichte über die Ausdehnung . des aktiven Wahlrechts für die Beisitzerwahlen auf die Frauen I unterstützen: die Handelskammer in Lauban und Lüdenscheid, I der Verband deutsck-er Handlungsgchülfen zu Leipzig, die I Kreisvereine zu Aachen und Mühlhausen i. Th. und Max Metz ger und Genoffen (Kaiserslautern). Zu dem letzt zur Beratung stehenden Böriengesetz und Reichsstempelgesetz bittet der Zen- iralausschust Berliner kaufmännischer, gewerblicher und in dustrieller Vereine um Beseitigung des Börsenregisters, um Aushebung des Verbots des Bör>enterminhandelS in Äerg- werkspapicren, sowie in Getreide und Mühlenfabrikaten: der Stadtmagistrat in Fürth unterstützt die Petitton de» Stadt magistrats in Würzburg, dahingehend, daß die in dem vor liegenden Entwurf zur Reichsstempelsteuer für Reichs- und Staatsanleihen vorgesehene Ermäßigung des Umsatzstempels auf '/>« Pro Tausend auch auf die Schuldverschreibungen der Kommunalverbände der Kommunen erstreckt werde. (Wi«derh.i * Die BttdaetköMMisfiou beschloß in zweiter Lesung, dem 8 I des Reichsfinanzgesetzes folgende Fassung zn geben: Die Vorschriften über Ueberweisung eines Teiles des «träges der Zölle und der Tabaksteuer an die Bundesstaaten (8 8 des durch die Be kanntmachung vom 24. Mai 1885 veröffentlichte« Zolltarifgesetzes) Früchten dieses Giftbaumes. Das Geld regiert di« Welt. Dieser Spruch hat auch für Deutschland seine Geltung. Die Bankdirektoren haben Gehälter, daß der erste Beamte des Reiches ihnen gegenüber dasteht, wie ein Stiefel putzer. Wir wollen den Einfluß deS Bank- und Börsen kapitals, namentlich den politischen Einfluß, der sich in Unterdrückung der Arbeiter zeigt, beseitigen. (Beifall bei den Sozialdemokraten.) Abg Burlage (Zentrum): Die Schäden der Börse können durch das Börsengesetz nicht gehellt werden. Daß der Börseuterminhandel geeignet wäre, eine gesunde Preisbildung berbeizufllhren, müllen wir bestreiten. Die Novelle will den Auswüchsen deS Börsengesetzes In Bezug auf Treu und Glauben entgegentreten. Meine Freunde wollen das in der Kommission prüfen. Daß sie sich durch Eintragung in das Register des Bankiers für deklassiert ansehen, verstehe ich picht ganz. Entweder ist eS für den Kaufmann anständig, solche Geschäfte zu treiben, dann mag er sich eint ragen lassen, oder er hält sie nicht für an ständig, dann mag er ihnen fernbleiben. 8 67« bezüglich des Registereinwandes ist so verklausuliert, daß hier eine Äenderung eintreten muß. (Zustimmung.) Daß das kleine Bankiergewerbe infolge deS Gesetzes zurückgegangen sei, dem widerspricht die Statistik. Die Novelle soll dem Börsenterminhandcl einen größeren Spielraum ein räumen. Wir haben 1896 in diese Materie eine feste Hand hineinqesteckt und sind nicht gewillt, diese Hand jetzt her- auszuzrehen. (Lebhafte Zustimmung im Zentrum und rechts.) Auch jedem Handelsgewerbetreibenden, jedem Kaufmann wird hier die Tür zu diesem verbotenen Ge schäft geöffnet. Wir wollen eine gesetzliche Vorschrift nicht enttäuschen gegen eine diskretionäre Befugnis des Bundesrates. (Zustimmung rechts.) Wir wollen, daß das Verbot deS Terminhandels in den Getreide- und Mühlenfabrikaten bestehen bleibt. (Beifall rechts.) Nach dem Börsengesetz ist in Berlin der Effektivumsatz in Getreide noch nicht gestiegen. Ich sehe nicht ein, warum Berlin die Getreidetermmbörse überhaupt haben mich: Mannheim, auch Duisburg, WormS, Frankfu^ a. M. und Magdeburg haben einen größeren Umsatz zu ver zeichnen, dabei hat man an allen jenen Plätzen kein Be dürfnis zur Errichtung einer Terminbörse. Ueber den Terminhandel hat sich eine Autorität, wie Buchenberger, sehr abfällig ausgesprochen, selbst Roscher hat die Drffe- renzgeschäfte eine Wolke von Schwindeleien genannt. Diese Aussprüche sind unS wichtiger, alS die Argumente in der Begründung der Vorlage. Den Ausschreitungen der Terminbörse ist ein Riegel vorgeschoben worden: wir wollen diesen Riegel nicht wieder öffnen! (Lebhafter Beifall im Zentrum und rechts.) Preußischer Handelsminister Möller: Das Verbot des Terminhandels soll aufrecht erhalten werden und ebenso die Bestimmungen über das Borsenregister. Für Out siders wollen wir die bestehenden Erschwerungen voll be stehen lassen. Wir wollen die ehrlose Benutzung von Handhaben, die das 96er Gesetz bietet, erschweren. Der Zusatz zu 8 48 ist uns zugetragen worden von Vertretern des Börsenausschusses und der Landwirtschaft. Auch wenn das Zeitgeschäft nicht existiert, werden solide Han delskreise gegen Zufälligkeiten nicht geschützt sein. Das Jahr 1891 war vielleicht das extremste Schwankungsjahr in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts und die Ursache, die Getreidezölle auf 3,50 herabzusetzen. Wir wollen nur die mißbräuchliche Anwendung dieses Gesetzes ausschließen. Um )47 Uhr wird die Fortsetzung der Beratung auf Donnerstag 1 Uhr vertagt. regierung? Der der Regierung am wenigsten unange nehme Kandidat wäre der üer katholischen Partei gewesen. Ich bitte, sich diesem Versuch, eine Wahlbeeinflussung zu konstruieren, nicht anzuschließen. (Beifall links.) Abg. Wellstem (Zentrum): Ob die Kandidatur Blumenthal der Regierung absolut oder nur relativ ge fallen hat, darauf kommt es nicht an. Aus den Unter- schriften üer Bürgermeister ging hervor, daß der Re gierung die Wähl Blumenthals lieber war als eine andere. Wenn die Wahlprüfungskommission auf die Teilnahme der Eisenbahnbeamten Gewicht gelegt hat, ist sie nur der alten Praxis gefolgt. Ich bitte den Kom- Missionsantrag anzunehmen. Abg. Arendt (Reichsp.): Wenn der amtliche Cha- rakter der Bürgermeister seststeht, muß die Wahl für un gültig erklärt werden. Hoffentlich vertritt Abg. Payer die Ansicht, dah die Hinzusügung des AmtScharakterS bei der Unterschrift nicht ohne weiteres eine Wahlbeein flussung bedeutet, nicht bloß sür den Fall Blumenthal, sondern auch bei späteren Gelegenheiten. (Heiterkeit.) Hoffentlich werden wir nun im Einverständnis mit den Herren üer Linken über die Wahlprüfungen leichter Hin wegkommen als bisher. (Heiterkeit.) Ich werde des halb den Ausführungen Payers folgen und für die Gültigkeit der Wahl stimmen. (Heiterkeit.) Abg. vr. Vonderscheer (Els.): Die Wahl Spieß kann hier nicht zum Vergleich herangezogen werden, weil die Verhältnisse wesentlich anders lagen. Abg. v. Jazdzewski (Pole): Ich habe namens meiner Freunde zu erklären, daß wir für den Kommissions antrag stimmen, weil wir jede amtliche Wahloeein- flussung verwerfen. Abg. Gothein (freis. Vgg.): Die Bürgermeister im Elsaß haben amtlichen Charakter, aber wir stimmen trotz dem für die Gültigkeit der Wahl, weil von beiden Seiten gesündigt worden ist. Die Diskussion wird geschlossen. Die Wahl wird für ungültig erklärt. Für den Antrag Payer stimmen nur die Vollspartei und die freisinnige Vereinigung so wie die Abg. Kardorff, Stockmann, Pauli, Arendt und ein Sozialdemokrat. Die Wahl des Abg. Braun hat die Wahlprüfungs kommission in wiederholter Beratung wiederum für un- gültig erklärt. Von sozialdemokratischer Seite liegt ein umfassender Antrag auf Aussetzung der Beschluß- fassmlg vor. Abg. Gerlach (freis. Vgg.) und Fischer (Soz.) befür- Worten den Antrag, Der sozialdemokratische Antrag wird gegen die Stim men der Sozialdemokraten, Freisinnigen, Antisemiten, Polen und des Abg. Pauli (Potsdam) abgelehnt und die Wahl mit großer Mehrheit für ungültig erklärt. Bezüglich der Wahl Höffel (11. Wahlkreis Elsaß- Lothringen) wird ohne Debatte gemäß dem Anträge der Wahlprüfungskommission Beanstandung und Beweis- erhebung beschlossen. Hierauf wird die erste Beratung der Bövsen- gesetznovelle fortgesetzt. Abg. Schmidt-Berlin (Soz.): Alle Palliativmittel, die Sie beschlossen haben, um Sicherheit in den Handels verkehr zu bringen, haben gezeigt, daß die gesetzlichen Bestimmungen trotz der hohen Strafen immer umgangen worden sind. Das Verbot des Terminhanüels hat eine ganze Reihe von wirtschaftlichen Nachteilen zur Folge gehabt. Die Industrie kann sich Schwankungen viel eher anpassen, indem sie die Produktionen schnell steigern oder hemmen kann, während die Landwirtschaft nicht willkür lich ihre Produktion vermehren oder einschränken kann. Deshalb muß auch im Verkehr mit landwirtschaftlichen Produkten das Leitgtzschäft zugelassen werden. In Amerika war nicht der Term inhanüel die Ursache des Preisaufschlages, sondern der tatsächliche, effektive Han del. Denn ohne die künstlichen Absperrungen von den Märkten ist dieser Preisaufschlag überhaupt nicht zu er klären. Ein Börsengesetz kann derartigen Manipulationen überhaupt nicht entgegenwirken. Der Markt re guliert sich eben nach Angebot und Nachfrage, nicht danach, was einige Leute wollen oder nicht wollen. Es kann sich auch nicht darum handeln, das Publikum vor Verlusten zu schützen. Ich halte es für sehr bedenklich, daß man gesetzgeberisch jä>e Dummheit polizeilich schützt. Roheisen und Kohle haben, obwohl die Börse gar keinen Einfluß auf sie hat, einen erheblichen Preisaufgang genommen infolge des Ein flusses des Eisen- und Kohlensyndikats. Auch der An trag Kanitz lag in der Richtung des Getreidemonopols. Das Getreidemonopol wäre schon etwas für Sie (nach rechts) gewesen, das wäre des Schweißes der Edelen wert. Durch das Verbot des Terminhandels ist der Verkehr an der Börse beschränkt worden. Gerade zu Zeiten des wirt schaftlichen Rückganges hält der Terminhandel den Sturz auf. Wir haben ferner Interesse daran, daß unser Kapitalmarkt nicht entlastet und Kapital nicht ins Äusland gebracht wird. Die schlimmsten Feinde der Börse genießen immer noch gern von den Feuilleton. Todesfurcht. Eine Skizze von Paul Bliß. Nachdruck verboten. Es war im Jahre 1870, am Abend des 17. August. Nahezu zehn Stunden waren sie unterweges gewesen, mit kaum nennenswerten Unterbrechungen. Mannschaften un- Tiere waren gleich hinfällig, und als sie nun ihr Ziel, das Gehöft Pierre Dubachets, das an der Chaussee nach Vionville lag, erreicht hatten, da ging es wie ein Auf atmen durch die ganze Schwadron: Gott sei Dank! Sie saßen ab und brachten die Tiere, so gut es ging, zur Ruhe. Die Offiziere nahmen Quartier im Guts hause, die Mannschaft blieb unter freiem Himmel. Es war ein köstlicher Abend. Die Sonne war be reits gesunken, aber der ganze Horizont flammte in pur purner Lohe, und eS war so heiß, als spüre man noch die segenlpendenden Strahlen der Sonne. Nachdem die Mannschaft abgekocht und das einfache Mahl — seit zehn Stunden die erste Nahrung — verzehrt war, lagerte sich olleS an den Wachtfeuern, um zu schlummer« und Stärkung zu suchen für den nächsten Tag — für den Tag, von dem jeder der hier Schlum mernden es dunkel ahnte, daß er heiß und blutig werden würde, denn man erwartete eine Schlacht. Bei den meisten dieser jungen Soldaten forderte die Natur ihr Recht, fast alle entschlummerten sie bald. Einer aber lag da und wartete vergeblich auf den Schlaf. Der Gefreite Franz Schwarz hüllte sich fest in seinen Mantel: lang auSgestreckt lag er da, grub den Kopf ins Stroh und versuchte es immer wieder und wieder, die Gedanken zu verscheuchen — die Gedanken, di« ihn den Schlaf nicht finden ließen. Aber umsonst war alles: trotz seiner großen Müdigkeit fand er keine Ruhe, keine milde Wohltat des Vergessens, keinen Schlummer, nach -em er so sehnend lechzte. Die Nacht brach herein, eine wundervolle, mondhelle Sommernacht, ringsum, so weit man hören und sehen konnte, eine heilige Stille, ganz leise nur und eintönig zirpten die Grillen, und manchmal auch drang ein röchelndes Schnarchen von den Gäulen herüber. Alle Kameraden rings um ihn her schliefen bereits. Nur die Postenkette war in Bewegung. Sonderbare Gefühle tobten ihm durch die Brust. Seit heute früh schon Wick diese Unruhe nicht wehr von ihm. Etwas ganz Eigenartiges, etwas nie Gekanntes durch wühlte seine Seele — die ungewisse Vorahnung, daß er vor einem grauenvollen Ereignis stände. Er wußte, daß morgen früh eine Schlacht zu erwarten war — alle wußten es, — aber wohl keiner von allen dachte jetzt daran, sie alle waren setzt von der großen, wohltuenden Müdigkeit übermannt, sie alle waren schlafend hingesunken und verträumten ihre Todesge danken — er allein war wach geblieben, ihm allein war die Wonne des Vergessens versagt. Langsam, aber quälend sicher, schlichen die grauenhaften Gedanken zu ihm heran und umnebelten ihm daS Hirn, ein Frösteln überlief ihn, so daß er den Mantel fester an sich zog, er wühlte den Kopf in das Stroh, daS ihm als .Kopflager diente, aber umsonst, die Angst wurde immer größer. Endlich ertrug er eS nicht mehr. Er stand auf, zog den Mantel an und schlich sich zu der Postenkette. Er hatte dort einen Freund und Landsmann stehen — zu ihm ging er. Als der ihn kommen sah, blickte er erstaunt auf und rief: „Na nu, weshalb schläfst du denn nicht?" ,,^lch kann nicht", erwiderte Franz zitternd, „ich will bei dir bleiben." Der andere schüttelte erstaunt den Kopf, sagte aber nichts. Sie zündeten sich die Pfeifen an, setzten sich gegen über und brüteten dumpf vor sich hin, keiner sprach ein Wort. Nach einer Weile fragte der Posten: „Hast du Nach- richt von Hause?" - Stumm verneinte Franz. Wieder minutenlanges Schweigen. Endlich fragte er wieder: „Was ist dir Franz, hast du etwas, was dich drückt? Dann vertraue dich mir an." In diesen: Augenblick hörte Franz, wie einer der nächststehenden Posten daS Liedchen summte: „Morgen rot, Morgenrot, leuchtest mir zum frühen Tod" usw. Und da stürzte er hinüber zu dem Freund, griff nach seiner Hand und rief mit zitternder Stimme: „Karl, wenn ich morgen falle, dann " Weiter kam er nicht, denn die Angst schnürte ihm die Kehle zu. „Unsinn!" rief der Freund, „weshalb solltest denn du fallen? Red' dir doch nichts ein, Mensch! Die däm lichen Rothosen können ja alle nicht schießen." „Ich fühl's, daß ich fallen werde", entgegnete er mit bleichem Gesicht. „Verrückt bist du, Mensch! Hast wohl gar schon Furcht, was?" Stumm nickte Franz nur. Da lachte Karl laut und herzhaft auf: „Und du willst ein Deutscher sein, Schwächling, du! — Da, hier hast du einen herzhaften Schnaps, reines Nordlicht, danach wird dir besser werden!" Er nahm die Flasche und tat einen tiefen Zug daraus, und ihm wurde wirklich besser — er fühlte ordentlich, wie ihm die Wärme durch den Körper rieselte. Dann ging er zurück ins Lager und legte sich wiederum nieder, um vielleicht jetzt den ersehnten Schlaf zu finden. Und wirklich, nach fünf Minuten schlief er ein. Aber entsetzliche Traume quälten ihn. Er sah, wie der Feind sie überfiel, wie die wütenden Franzosen ein grauenvolle» Blutbad anricktelen, er sah sich verstümmelt als Krüppel daliegen und sah die Seinen au» der Heimat, die Hände- ringend an seinem Krankenlager standen — grauenvolle, entsetzliche Bilder sah er. Als er erwachte, war die Sonne schon aufgegangen. „Ach!" befreit atinete er auf. DaS Helle, warme Licht tat ihm wohl. Erleichtert stand er auf, lief nach einem nahe liegen den kleinen Leich und kühlte sich Stirn und Schläfen. Nun ward ihm Wohler. Noch schlief alles rinaS umher. Mit wehmütigem Lächeln sah er auf die lieven Kameraden — vielleicht sah er sie hier -um letzten Male — ein heißer Ssff-er ent rang sich seiner bedrückten Seele, und im gleichen Augen- blick faltete er seine Hände zu einem stillen Gebet. Plötzlich gedachte er wieder der Seinen daheim. Ach, die liebe Heimat! Jetzt steht daheim gewiß der Weizen schon in Stiegen, voll und schwer neigen sich die gold gelben Aehren auf den Halmen — und wenn daheim heut' auch so ein schöner Tag anbricht, dann fahren sie die vollen Garben in die Scheune und dann regt sich alles, was zu Hause ist, alles muß mit heran, alle» schafft bis in die sinkende Nacht, um die goldene Frucht unter Dach und Fach zu bringen — und zum ersten Male, so lange er lebt, kann er heute nicht mit dabei sein — und wer weiß, vielleicht wird er es nie mehr können, vielleicht werden sie ihn hier einscharren, hier, fern von der ge- liebten Heimat, hier in Feindesland ein paar dicke Tränen fielen auf seine Backen herab, und zum Sterben weh' ward'S ihm um's Herz. Plötzlich ertönte ein Signal. Die HUlfStruppen, die man erwartete, rückten an. Nun kam Leben inS Lager. Im Nu war alles auf den Beinen. Und von dem Augenblick an war er wie umgewandelt: er sah, wie jeder der anderen auf dem Platz war, und nun wollte er nicht hintenan stehen, die Macht des großen Augenblicks riß ibn mit fort. Nichts mehr von Angst und Furcht war da. ES schien, als habe der neue Tag mit seinem neuen Sonnenschein einen neuen Menschen auS ihm gemacht. Mit einer wahren Hast betrieb er seine Vorbereitungen: eS war, als könne er kaum die Zeit erwarten, bis sie vor den Feind kamen. AuS der Angst von gestern war nun ein todes voller Mut geworden — alle», wa» Kraft und Jugend und Wollen in ihm war, bäumte sich auf — er schämte sich deS kleinlichen Gefühls von gestern und lechzte nur danach, seine Kraft zu erproben. Endlich dann begann die Schlacht. Seine Aufregung war so gewaltig, daß er kaum die Zeit erwarten konnte, bis er ins Feuer kam. Und als dann das Signal zum Angriff ertönte, sprengte er todesmutig ins Gefecht hinein.
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