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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 07.05.1904
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-05-07
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040507011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904050701
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904050701
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-05
- Tag1904-05-07
- Monat1904-05
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Anzeigen-PreiS die 6gespaltene Petitzetle 25 Reklamen auter dem Redaktiontstrich (4 gespalten) 75 >4» nach den Familiennach- richten (6 gespalten) 50 Tabellarischer und Htffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Ossrrtenannahme 25 SrtvN'vetlagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderuug .4l 60.—, mit Postbesörderung 70.—. Annah»efchlutz für Anzeige«: Abend-Äu-gabe: vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: nachmittags 4 Uhr. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Di» Erprdttion ist wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis abends 7 Uhr. Druck und Verlag von G. Pal; in Leipzig (Inh. l)r. B., R. ch W. Alinthardt). Nr. 231. Sonnabend den 7. Mai 1904. 98. Jahrgang. Var WMigrte vom läge. * Ueber die geplanten Reformen im Reichsstatistischen Amte verlautet jetzt, e« werde vorläufig kein selbstän diges Reichsarbeitsamt errichtet, dagegen solle die arbeit-statistische Abteilung selbständig innerhalb des Stati stischen Amtes werden und einen eigenen Direktor erkalten. * Der Kolonialdirektor Vr. Stübel soll seine Demission angeboten haben, doch wird diese Meldung bereits entschieden dementiert. Im Reichstag gibt eine Rede des bayerischen Generals von EndreS Anlaß zu lebhaften Erörterungen. * Die Kanalvorlage ging an die Kommission für die Hochwafserfchutz-Borlagen. * Die Borlage betreffend die Bereitstellung von 3 Millionen Mark für die Eisenbahner wurde vom preußischen Abgeordnetenhaus« der Budgetkommission überwiesen. * In Warschau wurden, wie uns über Posen gemeldet wird, am 3. Mai, dem Jahrestage der polnischen Konstitution, 200 Personen auf offener Straße verhaftet; ein Student wurde durch Kosaken getötet. Lll vsckstts. Seitdem der Kaiser den deutschen Boden wieder be treten hat, macht sich in der öffentlichen Auffassung eilte ernstere Stimmung geltend. Es ist eben dem Grafen Bülow doch nicht gelungen, alle die Schwierigkeiten, die augenblicklich der deutschen Politik cntgegentreten, hin- wegzulächeln. Schon die ersten Reden des Kaisers hatten einen kriegerischen Klang. Der Kaiser sprach von einem eventuellen Eingreifen in die Weltpolitik, und bei der Gelegenheit der Brückeneinweihung bei Mainz schlug so- wohl der Monarch, wie der Minister von Budde die Töne an, die wir so nahe der Grenze für gewöhnlich vermeiden. Sind doch unsere Nachbarn gerade dadurch, daß wir ihre Empfindlichkeit mit einer bisweilen übertriebenen Höf- lichkeit geschont haben, nur noch empfindlicher geworden. Neuerdings hat sogar die „Norddeutsche Allgemeine" die Taktik aufgegeben, die internationale Lage unentwegt wunderschön zu finden; indessen vermissen wir noch immer in ihren Betrachtungen die klare Erkenntnis der Gestal tung, wie sie nun einmal geworden ist und wie sie sich doch durch keine offiziöse Schönfärberei Hinwegtäuschen läßt. In seiner Wochenschau betont das Blatt wieder aufs neue, daß zwischen den Dreibundmächten volles Ein- Verständnis herrsche, und die freundschaftlichen Beziehun- gen der Dreibundmächte zu anderen Staaten mit dem Wortlaute und Geiste des Friedensbündnisses vollkommen vereinbar seien. Die Redaktion des Blattes braucht, ioweit sie überhaupt die Erlaubnis hat, selbständig zu denken, wirklich nicht in den Kassandra-Ruf einzustimmen: ..Meine Blindheit gib mir wieder!" Die Kurzsichtigkeit des Blattes ist dieselbe geblieben, wie sie bei Ausbruch des japanisch-russischen Krieges war. Es ist eben das Los dieser Ewigblinden, stets von den Ereignissen über rascht zu werden. Auch über die Volksstimmung in Deutschland täuscht sich das offiziöse Blatt vollständig, wenn cs ausführt, Deutschland habe den Festlichkeiten in Rom und Neapel keineswegs mißvergnügt zugeschaut. Die Sache liegt in Wirklichkeit ganz anders. So wenig wir geneigt sind, Monarchenbesuche und Völkerverbrüderungen zu über schätzen, so war das ganze Arrangement der italienischen Festlichkeiten keineswegs dazu angetan, uns angenehm zu berühren. Es steht jetzt sogar fest, daß sich dort unten ein an sich sehr bedeutender, aber doch symptomatischer Zwischenfall ereignet hat, der diplomatisches Eingreifen nötig machte, und wir müssen uns auch fragen, ob denn heutzutage Bündnisse irgend welchen Wert haben, wenn sie nicht auf einer tiesbegründeten Uebereinstimmung der Nationen beruhen. Gerade diese Uebereinstimmung be steht aber weit mehr zwischen Frankreich und Italien, als zwischen Deutschland und Italien. Es kommt hinzu, daß DelcassS mit Fug von einer Solidarität der Interessen zwischen Italien und Frankreich sprechen konnte. Der Handelsvertrag von 1898, der Besuch des Herzogs von Genua in Toulon, die Erklärungen, die zwischen den beiden Kabinetten über die Mittelmeerfrage und die all- gemeine Politik der beiden Länder auSgetauscht wurden, endlich die Reise des italienischen Königspaares nach Frankreich und die Erwiderung des Besuches durch den Präsidenten Loubet, alle diese Ereignisse bilden eine auf steigende Skala in den Beziehungen zwischen beiden Län dern. Der französische Minister des Aeußeren hat dann in einer Unterredung mit einem Journalisten auf das Uebereinkommen mit England hingewiesen und dieses als die natürliche und praktische Ergänzung des russisch französischen Bündnisses bezeichnet. Er hat also gewisser maßen den Kreis geschlossen, der sich nach dem Wunsche unserer Feinde wie ein eiserner Ring um Deutschland legen soll. Oesterreich betrachtet man als qusntffs vvsllxskbls. Dieses Land hat sich durch inneren Hader selbst aus der Reihe der Weltmächte ausgeschaltet, und es ist charakteristisch, daß Delcasso Oesterreich-Ungarn über haupt gar nicht erwähnt hat. Hätte man Grund, auf die Habsburgische Monarchie noch erheblichen Wert zu legen, so würde der gewandte Franzose, dem es auf eine Phrase mehr oder weniger nicht ankommt, gewiß auch diesem Lands noch ein Blümchen gestreut haben. So wie die Dinge aber jetzt liegen, ist Oesterreich.Ungarn auch für uns nur ein außerordentlich unsicherer Bündnis- faktor. Ganz abgesehen davon, daß jetzt zwischen Oester, reich und Rußland ein ziemlich intimes Verhältnis be steht, können wir mit diesem Völkerchaos und seiner Armee, in der die Zerrüttung durch nationale Aspiratio- nen täglich mehr um sich greift, für den Ernstfall kaum rechnen. Bündnisse aber, die lediglich dekorativ sind und versagen, wenn der erste Schuß losgehen soll, vermögen wir nicht sehr hoch einzuschätzen. Der einzige Trost in dieser Situation, die man ohne Uebertreibung als äußerst unbequem bezeichnen kann, ist der, daß es schwer sein dürfte, den Konflikt der Inter essen zwischen Rußland und Japan gründlich und dauernd zu beseitigen. Auch hier aber muß in Betracht gezogen werden, daß Rußland durch eine Note im „Regierungs- boten" ausdrücklich erklärt hat, es hielte sich durch ein Abkommen mit einer dritten Macht, und sei dies auch das verbündete Frankreich, nicht für gebunden. Rußland »acht also seine Anerkennung der Okkupation Aegyptens > von englischen Zugeständnissen abhängig. Da nun Ruß land in der Mantschurei in einer ganz ähnlichen Lage ist, wie England in Aegypten, so liegt das Handelsgeschäft, das man abschließen könnte, so nahe, daß wir es nicht aus drücklich zu bezeichnen brauchen. Daß die russische Politik nicht einen Augenblick davor zurückscheuen würde, den deutschen Bundesgenossen fallen zu lassen, um sich hinter seinem Rücken Vorteile zu sichern, die auf unsere Kosten gehen würden, das ist selbstverständlich. Die gesamte Lage dürfte daher dazu mahnen, die Haltung anzu nehmen, die von Friedrich dem Großen bis auf den Fürsten Bismarck alle großen Perioden deutscher Ge schichte gekennzeichnet haben; ohne gerade mit den Waffen zu rasseln, tut das deutsche Volk gut, sich heute an das alte und stets bewährte Wort zu erinnern: „sn vscksits!" ver Humana Oer Herero. Berufung Generalleutnant» v. Lr-tha wird der „Münchener Allg. Ztg," anscheinend offiziös aus Berlin geschrieben: Wenn in einem hiesigen Blatte die Darstellung gegeben ist, der Kaiser habe sich erst nach der vorgestrigen Konferenz im Schlosse definitiv zur Berufung des Generals v. Trotha nach Südwestafrika entschlossen, und erst beim Diner, das er im Palais des Reichs- kanzlers einnahm, diesem davon Mitteilung gemacht, so trifft dies nicht zu. Die Entscheidung ist in der Konferenz selbst gefallen, in der ganz ausschließlich über diese Angelegenheit beraten wurde. Ausschlaggebend für die letzte Entscheidung sind, wie wir hören, allerlei spezielle militärische Erwägungen gewesen, die durch- aus keine Spitze gegen den Obersten Leutwein enthielten. Es ergibt sich nämlich die Notwendigkeit, unter Umständen noch andere Offiziere in Südwestafrika zu verwenden, die dem Obersten Leutwein an Rang ziemlich nahe kommen oder sogar höheren Ranges sind. Um etwaigen Reibungen und Unzuträglichkeiten vorzubeugen, ist General v. Trotha mit dem Oberkommando be traut worden. Nach dem „8.-A." wird Generalleutnant von Trotha am 20. Mai die Ausreise nach Südostafrika von Hamburg aus antreten. Hauptmann Thewald vom 44. Artillerie- Regiment wurde bereits zu seinem Stabe kommandiert. weitere Nachrichten. " Oberst Dürr, der sich zur Zeit »och m Kiel aufhält, tritt am 10. Mai den ihm bewilligten 45tägigen Urlaub innerhalb der Grenzen des Deutschen Reichs an. Der Berliner Korrespondent der Wiener „Zeit" will erfahren haben, gestern habe der Kolonialdirektor Vr. Stübel im Zusammenhänge mit den jüngsten Vorgängen betreffend daS Oberkommando in Deutsch - Südwestafrika seine De mission als Kolonialdirektor angeboten. Es scheine aber, daß man bestrebt sei, ihn zum Verzicht aus die Demission und zum Verbleiben im Amte zu bestimmen. Von anderer Seite wird aber die Wiener Meldung bereits entschieden dementiert. ver ruttizch-iapanirche Flieg. Die nächsten Operationen -er Japaner. Eine Petersburger Depesche der „Central News" besagt, daß 48 000 Japaner auf dem Marsche nach Tang-changtcheng seien, daS Kuropatkin preis zugeb en entschlossen sei; auch wird für wahrscheinlich erachtet, er werde Niutschwang aufgeben und alle russischen Streitkräfte aus der Argan- Linie konzentrieren. Einer Drabtmelduna aus Tokio zufolge soll die Vorhut der ersten japanischen Armee einen Punkt, der nur 40 km von Tang-changtchang entfernt liegt erreicht haben. Weiter wird gemeldet, baß japanische Truppen fortgesetzt in Tatungkan und Antung landen. Das Blatt „Zinischimpo" will wissen, daß nach der er folgreichen Sperrung Port Arthurs eine zweite japanische Armee in Niutschwang landen werde. Die Zahl der gestern auf der Halbinsel Liautung ge landeten Japaner soll der einer Division gleichkommen. Die Truppen sind von der zweiten Armee. Sonstige Meldungen. fg. Petersburg, 6. Mai. Die hiesige chinesische Gesandtschaft erklärt: Die Pekinger Regierung werde die von ihr bei Beginn deS Krieges erklärte Neutralität zu wahren wissen. Die Ansammlung chinesischer Truppen an der mantschurischen Grenze bezwecke nur die Aufrechterhaltung der Neutralität. ES wäre nicht auffallend, wenn China zu diesem Zwecke noch einige Divisionen absendete, denn zurreit stehen dort nur 8—lO 000 Mann unter General Marr. Die loyale Gesinnung der chinesischen Regierung ist erst kürzlich nach Petersburg bestätigt worden. Den Abschluß einer Anleihe beabsichtige China nicht. * Tokio, 6. Mai. Eine Depesche des Generals Kuroki berichtet: Eine 14 Mann starke japanische Patrouille kam am 3. Mai nach Tengschanghong und wurde alsbald von einer russischen Patrouille angegriffen, die an einem südlich des Dorfs gelegenen Hügel ausgestellt war. Die japanische Patrouille umging die Russen und griff sie ihrerseits an. Nach einem erbitterten Handgemenge wurde der Feind in der Richtung auf Föngwantschöng zurückgeworfen. Die Japaner verfolgten den Feind bis an den Strom, zu einem drei Meilen südöstlich von Kaolimen gelegenen Punkte. Hier sahen sie die russischen Schildwachen, die an den Hügeln der beiden Straßen standen und gaben die Verfolgung auf. Eine andere Depesche des Generals Kuroki über den Zu sammenstoß zwischen zwei russischen Abteilungen besagt: Ein Offizier, der in der Schlacht am Sonntag gefangen genommen wurde, hat auSgesagt, daß nur 5 oder 6 Bataillone In fanterie und 2 Batterien einen geordneten Rückzug hätten auslühren können, die übrigen Truppen seien in äußerster Verwirrung geflohen. Deutscher Deich. * Berlin, 6. Mai. * ReichSarbcitSamt. Die „Sozial». Rundsch." schreibt: „Wie wir von wohlunterrichteter Seite erfahren, sind die Meldungen über die Abzweigung deS arbeitsstatistischen Amtes im Reichsamt des Innern zu einem besonderen Reichs arbeitsamt zum mindesten verfrüht. Allerdings sind dar über Erwägungen gepflogen worden infolge des wachsenden Um fanges der Aufgaben dieser Abteilung. Es wird aber vor lausig nur beabsichtigt, die arbeitSstatistische Abteilung innerhalb des Amtes selbständig zu machen und an ihre Spitze einen zweiten Direktor im Kaiserlichen Statistischen Amte zu setzen. Zum Nachfolger des Präsidenten Wilhelmi ist der Oberregierungsrat Werner im ReichSamt deS Innern nunniehr definitiv bestimmt, und die offizielle Ernennung steht bevor." * Zur Finanzlage des Reiches. Die Beendigung der zweiten Lesung des Reichs-Etats ist endlich am 3. Mai möglich geworden. Inzwischen ist die Frage in den Vor- dergrund betreten, ob es angängig sein wird, bis zur dritten Lesung eine Verständtgung zwischen den Mehr heitsparteien und den verbündeten Regierungen dahin zu erzielen, daß die Erhöhung der ungedeckten Matrikutar- beiträge umgangen werden kann. Die Anregung des nationalliberalen Abg. Or. Paasche, auch diesen Be trag auf die Zölle zu legen, erfolgte in Konsequenz der Maßnahmen der Budgetkommission. Diese hatte sich dazu verstanden, um die Beseitigung der Zuschußanleihe zu er reichen, die Einnahmen aus den Zöllen und der Zucker steuer höher in den Haushaltsvoranschlag einzustellcn, als die verbündeten Regierungen beantragt hatten. Da von Seiten des Reichsschatzamts erhebliche Einwendungen nicht erhoben wurden, konnte man auf den Gedanken kom men, noch etwas weiter zu gehen und die Eröffnung noch Feuilleton. Die fluchende Frau. Bon MauruS Iökai (st). Nachdruck verdaten. Die Kunst des Fluchens ist eine ungarische Spezialität. Die morgenländlschen Völker stoßen keine Ver- wunschungen aus; die abendländischen verstehen cs nicht. Wie nichtssagend ist das „6ock ckam" des Engländers, das „8»ero bleu" des Franzosen, das „Oorpa ai baaen" des Italieners, das „Kruzifix sakkerment" des Deutschen den kernigen Flüchen des ungarischen Buschkleppers gegen- über? Alles Abscheuliche und Böse auszuwählen, dies zu einem verwünschenden, verletzenden, langatmigen Satz zusammen zu fügen, Gott, den Teufel, die Heiligen, die Eltern, die Seele, Christus, Pontius Pilatus zusammen- znmcngen: das verstehen nur wir. Es ist noch nicht lange her, daß diese Unsitte um sich griff. Bor einigen Jahrhunderten gab ein siebenbürgi- scher Potentat eine strenge Verordnung gegen da- Fluchen heraus und belegte die dawider Handelnden mit hakten Geldstrafen. In derselben wird nur der Zuruf „Seele!" (d. h. Bestiensecle!) als Scheltwort bezeichnet. Wo halten wir schon seither? Wie abscheulich ist ein fluchender Mann. Und erst ein Schmähwortc ausstoßendes Weib! In meiner Jugendzeit war in meiner Vaterstadt ein solch berüchtigtes Frauenzimmer. Ihr Name war Decsi. Sie war Paprikahökerin auf dem Stadthausplatze. Sie trieb noch überdies einen ergiebigen Handel mit Kommiß, brot und Lchuschinka. Ersteres kaufte sie von den Lol- baten, dia täglich einen Laib Brot, aber keinen GchnopS bekommen. Ein Laib reicht für zwei Tage hin, und so konnten sie jeden zweiten Tag ein Brot für zwei Groschen verkaufen, um sich auch Branntwein kaufen zu können. Schuschinka ist der volkstümliche Name an der Sonne ge dörrter Birnen und Aepfel. Letztere stammten aus ihrem eigenen Garten auf der Donauinsel. Die flowa- kischen Flößer waren die ständigen Käufer beider Ver- kaufSartikel. Es war für sie ein Leckerbissen. Wo Frau Decsi ibr Zelt aufschlug, blieb keine andere Hökerin. Die bekundeten zwar auch eine ungewöhnliche Zungengeläufigkeit, doch konnten sie es mit ihr nicht auf- nehmen. Sie schimpfte jedermann, der in ihre Zungen- weite kam. Auch ihre Gesichtszüge waren sehr männlich, ihre Stimme war rauh und unangenehm und die kurze Pfeife, die sie immer zwischen den Zähnen hielt, gab ihr ein ungewöhnlich abstoßendes Aeutzere. Eine Frau, dre Tabak raucht! Ein unerhörter Fall in Ungarn! Mit der Pfeife im Munde läßt sich besser fluchen. Wir Schulbuben wagten gar nicht, in ihre Nähe zu kommen, denn sie stieß stets Verwünschungen gegen unsere Eltern aus. Dies konnte den Beifall gut erzogener Kinder nicht haben. Nur auf Schußweite stellten wir sie einander vor: „Das ist Frau Decsi!" Die Kirche besuchte sie natürlich niemals. Der Hei ligen gedachte sie zwar sehr oft, aber niemals im Gebet. Sic hatte ein kleines Haus an der Ztgeunerzeile. Dort wohnte sie mutterseelenallein. Kein lebendes Ge schöpf wollte mit ihr unter einem Dache bleiben: nicht einmal ein Bettler suchte bei ihr Obdach. Einmal erblickte ich sic in ihrem Garten auf der Insel. Ich war damals ein junger Student und suchte häufig di» pinsel auf, uni zu botanisieren. Ihr Garten war ganz oben an der Spitz« der Insel und nur ein Damm trennte ihn von der Donau. Im Graben blühten schöne, doldige Wasserviolen, Waldreben, Baldrian. Als ich einig« Prachtexemplare für meine Sammlung wählte, erblickt« ich Frau Decsi mit einer Haue in der Hand und einer Pfeife im Munde. Ach, welch häßliche Scheltworte rief sie mir zu, als ich einen Blick auf sie warf. Ich habe es sofort erfahren, daß ich ein Wildkalb, ein Langohr bin, daß meine Nase ein Pulverhorn ist und wohin sie gehört. Ich habe noch bei zeiten Reißaus genommen, bevor sie sich über meinen Großvater und meinen Herrgottvater machte. Noch in demselben Jahre hörte sie auf zu fluchen: sie hatte das Zeitliche gesegnet. Das Erträgnis der reichen Pflaumenerntc ging in den Bestattungskosten auf. Sie hatte noch Verwandte, die ihr das letzte Geleite gegeben haben. Erst damals wurde es bekannt, daß sic kalvini- schen Glaubens war. Wir kleinen Studenten mußten ihr mit Saug und Klang das Geleite in den Friedhof geben. Am Grabe hielt der hochwürdigc Herr Tüdös eine Trauerrede. Eine merkwürdigere Leichenrede habe ich niemals gehört. Der belehrte Prediger leitete seine Rede mit den Worten em: „Glückselig ist der Mensch, der . . . ." dann zählte er alle christlichen und menschlichen Tugenden auf, beren Besitz dem Toten ein gutes Ruhekissen ist. Von all diesen Tugenden konnte man in der Der- blichenen keine einzige entdecken. Der geistliche Herr schloß seine Rede mit den Worten: „Unser gütiger Gott gewähre ihr ewige Ruhe!" Am nächsten Lage eröffnete man ihr Testament. Sie hatte ein Häuschen und einen Garten. DaS Entsetzen war groß! Fran Decsi vermachte ihr ganzes Vermögen — dem Teufel. Das war ihr letzter Fluch. Der amtierende Senator gab den Verwandten den Rat, sie mögen daS Testament anfechten. Sie wollten gar nichts davon hören. . Gegen den Teufel sollen wir einen Prozeß anstrenaen?" Niemand wollte gegen den großen Herrn der Hölle die Klage ein reich«,. Sie wollten vom Hause und Garten nichts wissen. Den Garten schwemmte eine Ueberschwemmung weg. das Haus fiel einer großen Feuersbrunst mm Opfer. Es ist keine Spur mehr vorhanden. Es holte doch beides — ihr Universalerbe, der Teufel. viichertstch. * Tic Elemente des Seutschen lilnnstgesangeS. Von Kapell meister C. A. Herma n n 28 o l ff. Mir einer Abhandlung: „Anatomie und Physiologie der Ltimmorgane." Bon l)r. nies. E. Fink. Verlag von Herrn Seemann Nachf. in Berlin. In 20 Text- und 8 Musillieferunacn ä 50 Pfg. Der Verfasser dieser Lchrift bat seine Erfahrungen als Theaterlapcllmeistcr, als Tirigeiu von Olcsangvercinen und als Lehrer der Instrumental- und Gesangskunst gesammelt. Er legt den größrcn Wert auf einen systcmatiseb geordneten und stufenweise fortschreitenden Unterricht in der Rhetorik und in der vokalisctxn und phänischen Tonbildung. To viel Gesang lehrer, so viel Methoden gibt cS bekanntlich. Und jeder schwört auf die seine. Wolff legt seinen Ausführungen die so genannte natürliche Methode zugrunde. Er bericht sich sach lich sehr mit Müller-Brunow, dessen Schrift „Tonbildung und Gesangsunterricht" in letzter Zeit einen starken Anhänger kreis sich erworben hat. Nur in einem Punkte unterscheidet sich Wolff ganz erheblich von Müller-Brunow: seine systematische Darstellung ist in der Form von Unterrichtsbriefen gehalten und wendet sich an Autodidakten. Während Müller-Brunow gerade auf den gewissenhaften Lehrer und den — gebrauchen wir einmal das unschöne Wort: — Vormachcr den größten Wert legt, schaltet Wolff das Experiment geradezu aus Daß bei dieser „Methode" nicht viel hcrauSkommen kann, ist klar. Immerhin verdienen die Unterrichtsbriefe Wolffs Beachtung, oa sich in ihnen manches gute und treffende Wort findet. Leine Briefe zeichnen sich durch Genauigkeit der Beobachtung aus Stellenweise kann man recht gut nach ihnen Proben. Daß sic die lebendige Lehre aber n,chk ersetzen können, bedarf Wohl kaum der Betonung Zum Nachschlagen und zur BtnZellon« trolle seien ff« «upsklslem k. Leeitz.
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