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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 10.05.1904
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-05-10
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040510027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904051002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904051002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-05
- Tag1904-05-10
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Anzeigen-Preis die 6gespaltene Petitzeile 25 Reklamen nnter dem Redattionlstrich (4gespalten) 75 nach den Familtennach. richten (6 gespalten) 50 Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Ossertenannahme 25 Extra-Vetlagen gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbefürdrrung 60.—, mit Postbesvrdernag Xl 70.—. «nuahmeschlutz ,«r «nzetge»; Abend-Ausgabe: vormittag« 10 Uhr. Morgen-Autgabr: nachmittag» 4 Uhr. Anzeigen sind stet» an die ALpedtttou zu richten. Die Expedition ist wochentags ununterbrochen geöffnet von früh S bi» abend» 7 Uhr. Druck und Verlag von G. Pol» in Leipzig (Inh. Or. R. L W. Klt»khardt). Nr. 237. vsr lvicdtigrte vs« Lage. "JnAnnaberg verstarb heute früh der Staütver- ordnetenvorsteher Herr Justizrat vr, Böhme, ein ge borener Leipziger. * Hn vergangener Nacht ist der große Konzert saal m Franzensbad total ausgebrannt. * Der am Sonnabend in Hamburg ablaufende große Kreuzer wird den Namen „Aork von Wartenberg" erhalten. * Die französischen Gemeinderats, wählen brachten den Ministeriellen einen Ge winn von 26 Stimmen. * Gegen den früheren italienischen Minister Nasi ist ein Haftbefehl erlassen worden. * Der Afrikareisende Sir Henry Stanley ist heute früh 6 Uhr in London gestorben. Aittrlanür ffnsnrpsMiir ittul viMchaMiÄr Lage. Ein guter Kenner des modernen russischen Reiches, Professor vr. Theodor Schiemann, erörtert im neuesten Hefte des Schmollerschen „Jahrbuches für Ge setzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft" Rußlands Finanzpolitik und wirtschaftliche Lage im Zusammen hangs mit seiner auswärtigen Politik. Die wesentlichsten Gesichtspunkte der Ausführungen Schiemanns sind im Folgenden kurz zusammengefatzt. Entscheidend für die neueste russische Finanzpolitik war die Fein - selig keit der öffentlichen Meinung Ruß lands gegen Deutschland. Sie nahm ihren Aus- gangspunkt in der Gründung eines machtvollen Deutschen Reiches und steigerte sich durch die Erbitterung über das Ergebnis de» Berliner Kongresses. Man ertrug es nicht, daß Oesterreich Bosnien und die Herzegowina erhielt, obwohl Kaiser Alexander H. dieses Gebiet schon am 26. Juni 1877 in Reichstadt dem Kaiser Franz Josef als Preis für die Neutralität Oesterreich-Ungarns — ohne Vorwissen Deutschlands — zugestanden hatte. Man er trug auch nicht die Zerlegung Bulgariens in drei Teile und die Besetzung Cyperns durch England, obwohl auch hierüber vor dem Berliner Kongreß Vereinbarungen Lord Salisburys mit dem Botschafter Grafen Schuwaloff entschieden hatten. Selbst Alexander II. erlag der Autosuggestion, von Bismarck auf dem Kongreß betrogen zu sein, richtete seinen Zorn gegen Oesterreich und forderte von Deutschland zum mindesten wohlwollende Neutrali tät für einen Krieg, den er gegen Oesterreich führen könnte. Nachdem Deutschland hierdurch zur „Option" zwischen Rußland und Oesterreich-Ungarn genötigt war, glückte es hochstehenden Intriganten, Alexander III. durch Vorspiegelung deutscher Umtriebe in Bulgarien vollends mit Feindseligkeit gegen Deutschland zu erfüllen. Seit dem Jahre 1883 begann die Verschiebung und Verstör- kung der russischen Truppen an der preußischen und an der österreichischen Grenze: in den nächsten Jahren er- folgte nach den verschiedensten Richtungen eine intensive Stärkung der russischen Wehrkraft. Das Budget des Kriegsmini st eriumS stieg von 211 Millio nen Rubel tm Jahre 1887 auf 293 Millionen im Jahre 1894, auf 334 Millionen im Jahre 1903: die entsprechen den Zahlen für die Marine lauten: 40 Millionen, 5b Millionen, 11bZ4 Millionen. Zu diesen Ausgaben im Interesse russischer Machtpolitik kamen die enormen Auf wendungen für den Ausbau des Eisenbahnnetzes im euro päischen Rußland und für die Anlage der ostasiatischen Bahnen hinzu. Die finanziellen Mittel zur Bestreitung dieser Ausgaben wurden seit dem Rücktritt des Finanzministers Bunge von seinen Nachfolgern WyschnegradSki und Witte auf Kosten des Grundbesitzes und der landwirtschaftlichen Interessen aufgebracht. Das Bestreben des russischen Finanzministeriums geht seit dem 1. Januar 1887 dahin, den Ueber^chuß der Einkünfte möglichst zu vergrößern, die Ausgaben der verschiedenen Ressorts aber möglichst zu beschränken, zur Einführung der Goldvaluta Gold heranzuziehen, für alle Eventual:- täten einen Kriegsschatz bcreitzuhalten, durch hohe Schutz- zolle eine unabhängige russische Industrie zu entwickeln. Während daS Ausland darauf mit einer Erhöhung der Getreidezölle antwortete, die den russischen Produ zenten zu gesteigertem Export nötigte, nahmen die indi- rekten Abgaben stetig zu. Vergleicht man z. B. die Sätze von 1892 mit denen von 1901, so hat der Zucker 150 Pro zent mehr zu tragen, das Naphtha 120 Prozent, die Streichhölzer 60 Prozent, der Tabak 54 Prozent. Die Getränkesteuer stieg im Ertrage um 10 Prozent, die direkten Stenern stiegen um 38 Prozent. Umgerechnet auf den Kopf der Bevölkerung betrugen 1892 die direkten Steuern 77 Kopeken, die indirekten 396 Kopeken; unter Witte stiegen jene auf 98, diese auf 575 Kopeken; die Zollabgaben wuchsen pro Kopf von 32 Kopeken auf 167. Auf solchem Wege wurden die Ueberschüsfe des Budgets erzielt, deren Hälfte von den Eisenbahnen verschlungen wird, während der Dienst der auswärtigen Schuld un geheure Summen erfordert. Im Zusammenhänge mit dein Rückgänge der Gctreidepreise auf dem Weltmärkte und mit verschiedenen Mißernten geriet die Landwirt schaft unter dieser Finanzgebahrung mehr und mehr in mißliche Verhältnisse. Der Pferdebestand z. B. und die Zahl des Hornviehs ging stark zurück, die Ertragsfähig, keit des Bodens nahm in beängstigender Weise ab. Seit den Unglücksjahren 1891 und 1892 muß die Staatskasse regelmäßig, auch bei geringen Mißernten, helfend ein- springen, um da? Aeußerste von den hungernden Bauern abzuwenden. Welche allgemeinen Schlüsse sind hieraus zu ziehen? Schiemann erscheint es un zweifelhaft, Laß nur der unbeschränkteAbso- lutismus dem russischen Volke solche ungeheuren Lasten für die Machtpolitik Rußlands auferlegen kann: „So lange er am Ruder bleibt, kann von einem Ruck gehen der Machtstellung Rußlands keine Rede sein, und ich glaube auch nicht, daß das russische Finanzsystem, so lange ein absoluter Herrscher an der Spitze des Reiches steht, diejenigen bedroht, die Gläubiger des russischen Staates sind. Gewiß hat diese Er kenntnis dahin geführt, daß das autokratische Regiment so nachdrücklich behauptet wird." — Auf den russisch japanischen Krieg hinweisend, betont Schiemann schließlich, daß der hochaufflammende russische Patriotis mus auch finanziell zu allen Opfern bereit sei. Nach dem Kriege aber werde eine Nera der Reformen ein setzen müssen, „und es ist eine Frage von welthistorischer Bedeutung, ob Negierung und Nation den Weg der Reform mit Besonnenheit und Mäßigung zu gehen ver- mögen". vek Rutttanä der hrrero. Varmarfch gegen die Mnjatiberge. Nach der „Deutsch-SUdwestafrikanischen Zeitung" war die Marschordnung beim Vormarsch gegen die in den O n- jatibergen sitzende Hauptmacht des Feindes am 7. April folgende: a. Avantgarde (Hauptmann v. Heydebreck), bestehend au- 1. Feldkompagme (Oberlt. Graf v. Still fried), Bastardabteilung (Oberlt. Böttlin), Gebrrgs- batterie (8t. Hirschbera), drei Maschinengewehre (8t. Runkel)", d. Gros (Major v Estorfs), bestehend aus 2. Feldkompagme (Hptm. v. Franke), 4. Feldkompagnie (Oberlt. Epp), l. Feld batterie (Hptm. v. Oertzen), ein Zug der 5. Feldkompagme, 3. Feldbatterie (Oberlt. BauszuS), 5. Feldkompagnie (Hptm. Puder), 6. Feldkompagnie (Hptm. v. Bagenski), drei Maschinengewehre (8t. Schmidt vom Habicht), 2. Kompagnie de- Seebataillons (Hptm. Schering); o) rechte Seitendeckung: Witbooi-Abteilung (8t. Müller v. Berneck), ein Zug GebirgS- batterie; ä) erste Wagenstaffel (Feldwebel Hamer), zweite Wagenstaffel (Zahlmeister Prange), Feldpostespedition. Die Gesamt-Kopfzahl beträgt ungefähr 1000. Der Gesundheitszustand der Eruxpen. Die Hoffnung, daß die Typhuserkrankungen unter den Truppen in Süvwestafrika nach den energischen Maß regeln, die gegen die Epidemie ergriffen wurden, bald einen leichten Charakter annehmcn würden, ist in Erfüllung ge gangen. Die Zahl der Fälle ist zwar immer noch recht er- hebuch, scheint aber nunmehr stationär bleiben zu wollen, lieber den augenblicklichen Stand der Erkrankungen werden dem „8.-A." folgende Einzelheiten gemeldet: * Windhuk» 9. Mai. Der augenblickliche Bestand an Typhus- kranken in Otjihaönena beträgt zwei Offiziere und 65 Mann ein- schließlich der bereits auf dem Wege der Besserung befindlichen. Die Kranken sind in dem ehemaligen Mtssionshause untergebracht, das jetzt in ein gesondertes Typbusluzarett umgewandelt ist. 50 Betten und alles zur Verpflegung Nötige sind vor rinerWoche dort eingrtrosfen, und ein von Oberstabsarzt Metzle au» Okahandja abgrscndtrr Hennrbrrg- scher Trinkwasserbereiter ist nach Otjthaenena unterwegs. Im Windhuker Lazarett liegen noch 40 Typhuskranke, welche seinerzeit von Oujatu hier eingeliefert wurden. Im Typhuslazarett in Okahandja, bestehend aus einem festen Gebäude und einer Baracke, liegen im ganzen 42 Kranke; die Typhus-Rekonvaleszenten sind in einer Extra-Baracke untergebracht, und diese sämtlichen Baulich keiten liegen 500 w vom großen Baracken lazarett entfernt. Zur Wasserversorgung in Okahandja ist eine neue Wasserleitung angelegt, außerdem ist ein Hennebergscher Wasserbereiter im großen Lazarett, auch ein Röntgrnstrahlen-Apparat findet dort Verwendung. Ferner ist in AbbabiS ein Erholungsheim eingerichtet, wo sich di« Typhus- und Malaria-Rekonvaleszenten wieder kräftigen können. In dem wegen des Typhus sehr verrufenen Karibik liegen im dortigen TyphuSlazarett 26 Kranke, ein Hennebergscher Wasserbereiter ist dort beretts fett zwei Monaten in Tätig keit. — Major von Glasenapp trifft Mitte dieser Woche zu einem kurzen Urlaub hier ein. Oberst Leut wein ist mit seinen beiden Generalstabs - Offizieren heute für einige Tage nach Karibik gefahren, um di« von dort abmarschierende Nord-Abteilung — eine Kompagnie, zwei Geschütze, zwei Maschinen gewehre, im ganzen etwa 200 Mann unter dem Kommando des 98. Jahrgang. Dienstag den 10. Mai 1904. Oberleutnants von Zülow — zu inspizieren. Diese Abteilung soll das Detachement des Oberleutnants von Bolkmann in Groot- fontein verstärken. Die letzten Nachrichten Vollmanns, die vom 14. März stammen, lauten beruhigend. Ne«e Verstärk«« g«n. In den Besprechungen, welche General v. Trotha gegen wärtig mit den maßgebenden Stellen hat, wird es sich auch entscheiden, ob der neue Verstärkungs-Transport die Stärke von 1500 Mann überschreiten wird. Der NachtragSetat liegt bereits in den Ausschüssen deS Bundesrat-, so daß er in wenigen Tagen an den Reichstag gebracht werden dürfte. Interessant ist nun, wie das rheinische Organ der „ausschlaggebenden" Partei sich argen die Hinaus sendung neuer Truppen wendet und seine 8eser glauben machen will, als ob etwa wieder eine Expedition L I» China geplant werde. Das Zentrum weiß ganz genau, daß die für Südwestafrika bestimmte Truppenstärke nicht über die notwendige Grenze hinausgehen wird, aber erforderlich wird es sein, daß die hinauSaehenden Truppen so stark sind, daß die Niederschlagung des Aufstandes schnell und entschieden erfolgt. Der Aufstand der Herero ist ein sehr ärgerlicherZwischen- sall in der Entwicklung des süvwestafrikanischen Schutzgebiets; Deutschlands Ehre und Ansehen erfordern es, daß den Herero und auch zugleich den Ovambo die Lust nach neuen auf rührerischen Bewegungen genommen wird. Darum handelt es sich, nicht aber um eine große Expedition, die anderweitige Verwicklungen hervorzurufen vermöchte. Die „Köln. VolkSztg." mag sich ja nur einmal bei ihren Parteifreunden, dem Prinzen Arenberg und dem Abg. Schwarze-Lippstadt erkundigen, um zu erfahren, daß die deutschen Kolonialpolitiker von einer Aben teuerpolitik sehr weit entfernt sind. Mit solchen Redensarten erweist man nur der Sozialdemokratie einen großen Gefallen und tatsächlich spricht ja schon der „Vorwärts" von der sinnlosen, durch Abenteurerübernmt frevelhaft heraufbeschworenen südwest» afrikanischen Kriegsaffäre; für ihn ist die leider blutige Niederwerfung des Aufstandes ein BerzweislungSkampf miß handelter Eingeborener. Wenn Südwestafrika eine schreck liche Sandwüste wäre, dann wäre es allerdings der Opfer an Gut und Blut nicht wert, die bereits gebracht sind und noch bevorstehen. Allein die berufenen Kenner de- Lande» haben uns einen ganz anderen Begriff davon beigebracht, so daß es sich wirklich lohnt, das Schutz gebiet für immer festzuhalten. Freilich dürfen die Er fahrungen der letzten Monate nicht spurlos vorübergehea. In betreff der beabsichtigten Ausschiffung von Teilen der Truppentransporte an der Südküste von portugiesisch Angola bei Port Alexandre sollen nach der „Magd. Zta." derzeit Verhandlungen zwischen Deutschland und Portugal stattfindea. vrr nirrirch-sapsnirche Weg. Der Aanepf arn I«l«. Der Korrespondent des Reuterschen Bureau» im Haupt quartier der Japaner gibt eine Darstellung des Verlaufe» der Schlacht am Ialu, in der es heißt: Zwei japanische Batterien eröffneten das Gefecht, indem sie eine halbe Stunde lang Feuer auf die Anhöhen gaben. Die Russen erwiderten daS Feuer erst, als die erste lapanische Angriffs kolonne nur noch einige hundert Meter vom Flusse entfernt war. In diesem Augenblick brach ein mör derisches Feuer gleichzeitig auS mehreren Verschanzungen los. Die japanischen Offiziere blieben zu Pferde vor den Truppen. Das rauchlose Pulver der Ruffen bewährte sich ausgezeichnet. Man konnte weder die Stellungen der Russen entdecken, noch die Stärke der Truppen beurteilen. Bald nach 8 Uhr verstummte da» russische Feuer. Die Formation der Japaner war dichter als dies bei den englischen Truppen der Fall ist. Um 9 Uhr pflanzte ein Soldat, der allein vor seinen Kameraden die Anhöhe erklommen hatte, die große Fahne auf der etwa 1000 Fuß oberhalb gelegenen russischen Befestigung auf. Feuilleton. laLtsrna maAea. Von Anna Klie. Nachdruck vrrboten. (Schluß.) Kalendula nennt der Gärtner die schöne gelbe Blume, die einer kleinen Sonnenblume ähnlich sieht. Kalendula heißt auch die junge Ballschönheit, deren schwarzes Haar und lichte» Spitzengewand solche gold farbene Blüten schmücken. Ich meine sie heute noch zu sehen, wie ich sie damals sah — das Lieblichste, Holdeste, was meine Augen in einem langen Leben je geschaut — da» war Kalendula! Ich sehe auch mich selber neben meiner Gespielin im ersten Ballkleide wie sie. Wir stehen in einem Gartensaale, ähnlich diesem hier, unter einem venetianischen Kronleuchter, den man uns zu Ehren entflammt hat, damit die versammelten Haus bewohner, bevor der Wagen vorfährt, unsern Ballstaat bewundern können. „Beate, wenn aber Paul uns sehen will, muh er nun endlich kommen!" sagte Kalendula zu mir. Sie issi ungeduldig und kräuselt die feinen Augen brauen. ..Ja, wo mag er bleiben?" spreche ich verwundert. Da werde ich gewahr, daß ich droben in unserem Mädchenstübchen meinen Fächer vergessen habe. Unbeachtet von den Zuschauern, die alle Kalendula betrachteten, schlüpfe ich auf den HauSflur hinaus und die schwach beleuchtete Treppe hinauf. Oben im Halbdunkel am Geländer lehnt eine Gestalt. Fast hätte ich aufgeschrien, so habe ich mich erschrocken. . Aber Paul, warum kommst du denn nicht in den Saal? Dulala wartet auf dich, sie ist schon ganz un- gnädig!" Er schüttelt den Kopf. „Warte einen Augenblick, Paul", sage ich, „nur daß ich meinen Fächer hole —" Als ich zurück komme, steht er noch da. „So, nun komm mit herunter, Paul, bitte, schnell!" Er streift die Hand, mit der ich seinen Arm berührt habe, unfreundlich von sich. „Ich will nicht!" stößt er zwischen den Zähnen hervor, und ich merke, daß seine Stimme unsicher ist von ver haltenen Tränen. „Daß du mich nicht verrätst, Beate! Sie soll nicht wissen, daß ich hier stehe und sie sehen kann!" Ich folge seinem Blick und werde gewahr, daß er über das Treppengeländer hinweg gerade die Glastür des Saales drunten und durch die Scheiben den brennen den Kronleuchter sehen kann und mitten darunter die lichtumflossene, liebreizende Mädchengestalt. Schon fasse ich nach seiner Hand und drücke die wider strebende in aufwaüendem Verständnis. „Armer, lieber Paul!" flüstere ich mitleidig. Da findet sein Kummer Worte, abgebrochene, schluch zende Worte, deren Ton ich nie vergessen habe. „O. warum bin ich nur ein Schüler und muß hier im Dunkeln stehen, wie ein dummer Junge, und sie wird die Schönste sein, und ein Glücklicherer wird sie mir fort nehmen " Draußen rollt ein Wagen vor die Haustür. Die Räder knirschen im Schnee. Tie Saaltür unten wird hastig geöffnet. „Beate, Beate, der Wagen ist da! Schnell, komm her unter, wir müssen fort!" Ich fliege die Stufen hinab. Dann sitzen wir im Wagen. „Paul hatte wohl kommen können!" schmollte Kalen- dula, und der Schein der Straßenlaternen huscht im Vor überfahren in unsern Wagen und zeigt mir ihr ent täuschtes Gesicht. - Aber der Mißmut ist bald verflogen. Paul hat richtig prophezeit. Kalendula ist die Schönste von allen, und der Glück liche, dessen Erscheinen seine Eifersucht vorausgeahnt, er sieht schon an diesem Abend sein Schicksal besiegelt. Fern über den Acquator hat ihn der Stern seines Glückes zu einem flüchtigen Aufenthalte in die deutsche Heimat, die alte Hansastaot am Meer, geführt. An diesem Abend kreuzt das Glück seinen Lebensweg. Es trägt einen Kranz von Sternen auf dem dunklen Scheitel, und sein Name ist Kalendula!" Die Erzählerin schweigt. Um sie her ist tiefe Stille. Nur der Abendwind rauscht im Kastanienbaume, und die alte Uhr draußen im Hausflur verkündet mit feierlichem Klange die neunte Stunde. Als sie zu Ende geschlagen hat, spricht Beate: „Nella und Toni, was kam euch denn vorhin so lustig vor an meiner Geschichte?" Die Dunkelheit verbirgt da» Erröten der ertappten Backfische. „Ach, Tante Beate" — man hörte die Verlegenheit aus Nellas Stimme — „Toni darf eigentlich noch keine Liebesgeschichten lesen, in ihrer Pension ist daS verboten! Und sie kann doch jetzt nichts dafür, weil du sie uns doch erzählst! Aber, nicht wahr, kriegen tun sie sich nicht in deiner Geschichte, die Kalendula und der Paul, daS darf Toni also dreist sagen, wenn ihre Pensionsmutter sie ausfragt?" Ein Helles Gelächter, in das sämtliche Anwesende einstimmen, ist die Antwort, die Nella erhält. „Wir wollen sehen", spricht Tante Beate, al» wieder Ruhe eingetreten ist, „ob wir unsere I-stsro» wagm« vor Tonis PensionSmutter verantworten können! Jedenfalls bitte ich mir für die Störung von euch beiden je ein Pfand aus!" Die Pfänder werden eingeliefert und Toni ruft ver gnügt: „Und nun, Tante Beate, rutsch, ein ander Bild!" „Ich sehe", beginnt die Erzählerin aufs neue, „den Hafen von Hamburg mit seinem Mastenwald«. Der klein« Dampfer, der die Passagiere an Bord des großen, für Afrika bestimmten Schiffes gebracht hat, fährt unter Hurrarufen wieder ab. Die Tampfpfeite stößt ihre durch- dringenden Töne aus, und der große Afrikafahrer wird von Schleppern langsam die Elbe hinuntergeschleppt. Ruhig, im klaren Herbstsonnenscheine gleitet er durch die Flut dahin. Unter den Hunderten von Zuschauern, die von Sankt Paulis Landungsbrücken dem scheidenden Schiffe mit Tüchern und Hüten Abschiedsgrühe nachwinken, steht ein junger Forstmann. Er hat seinen Arm um die Schulter eines kleinen Schulmädchens gelegt, damit der Wilofang mit den langen blonden Zöpfen, den er brüderlich be schützt, ihm nicht im Gedränge abhanden kommt. Auf dem Promenadendeck des großen Schiffes steht indessen ein junges Paar, Hochzeitsreisende, deren Ziel die ferne Kapstadt ist. Die schöne junge Frau schmiegt sich an ihres Mannes Arm. Ihr Schleier flattert im Winde. Während ihre Linke den Strauß hält, den ihr Jugendgespiele ihr zum Abschied geschenkt hat, schwenkt die Rechte ein Tüchlein in Lüften, und das ist tränenfeucht. Ich selber stehe auf der Landungsbrücke neben dem jungen Forstmann und meiner kleinen Schwester mit den langen Zöpfen und ich höre, wie sie ihren Beschützer fragt: „Onkel Paul, glaubst du, daß Kalendula, wenn sie ein mal wieder nach Europa kommt, mir einen kleinen Neger mitbringen wird? Versprochen hat sie eS mir!" „Wozu willst du denn den Neger haben, Hildegard?" „Er soll mir meine Notenmappe tragen, wenn ich in» Konservatorium gehe, um eine berühmte Sängerin zu werden!" Ter Jüngling sieht dem in Lüften wehenden Tüchlein nach, das fern und ferner in Wind und Sonnenschein ent- gleitet Wir treten den Heimweg an. La» Kind mit den blonden Zöpfen fragt nachdenklich:
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