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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 11.05.1904
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-05-11
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040511010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904051101
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904051101
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-05
- Tag1904-05-11
- Monat1904-05
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Anzeigen-Preis die 6gespaltene Petitzeile 25 Reklamen unter dem Redaktionsstrich (4 gespalten) 7b nach den Famtlieuuach« richten (6 gespalten) bv Tabellarischer und Ztsfernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Rachiveisungeu und Ofsertenannahme 2ü Grtr«-veU«»e» (gefalzt), nur mit der Morgen-AuSgabe, ohur Postbefbrderung ^l 60 —, mit Postbefbrderung ^l 70.—. «,n«h»eschl»s, für A„et,n,: Abrnd-AuSgabr: vormittag» 10 Uhr. Morgen-AuSgabe: nachmittag« 4 Uhr. Anzeigen sind stet« an die Expedition zu richten. Die Expedition ist wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi» abend« 7 Uhr. Druck und Verlag von G. Polz in Leipzig (Inh. vr. «., R. L W. Klinkhardt). 98. Jahrgang. Nr. 238 Mittwoch den I I. Mai 1904. Var Aichiigrtr vom Lage. * Gegen die Verordnung der König!. Kreisbauptmann- schäft zu Leipzig in Sachen des AerztestreikS vom 7. Mai hat der Vorstand der Ortskrankenkasse beim Mini sterium de- Innern Beschwerde eingelegt. * In Chemnitz sind die Maler, Lackierer und Anstreicher wegen Lohndifferenzen in den Ausstand getreten. * Iustizminister vr. Schönstedt soll demnächst seine Entlassung nehmen wollen. * Von einer Rücktrittsabsicht LeutweinS ist an amtlicher Stelle in Berlin nichts bekannt. * Ueber Vertagung oder Schluß des Reichstags ist eine Entscheidung noch nicht getroffen, doch steht der Reichskanzler einer Vertagung nicht unfreundlich gegenüber. * Ueber den Stand der Privatbeamten soll im Reichsamt des Innern eine Denkschrift ausgearbeitet werden. * Zwischen Brasilianern und Peruanern soll am Chandles-Flufse ein für die Peruaner ungünstiges Gefecht stattgefunden haben. SeKämpkung »er Zorialäemolrratie. Seit dem Ausfall der Reichstagswahlen des vorigen Jahres, der den Sozialdemokraten eine Stimmenzahl von 3 Millionen brachte und zu der Wahl von 81 Ab geordneten führte, hat sich auch weiterer Kreise tiefes Un behagen und starke Kümmernis ob dieses Ereignisses be- mächtigt. Was also tun? Die Einen schrien nach Ausnahmegesetzen, die die sozialistische Bewegung in Schach halten und den wild dahertobenden Strom eindämmen sollten, und die Anderen glaubten durch Bewilligung der berechtigten sozial demokratischen Forderungen — Maß und Grenzen der Be rechtigung schwankten leider im Urteil des Einzelnen —, durch konesquentes, weitestgehendes Entgegenkommen gegenüber der Sozialdemokratie diese überwinden und be siegen zu können. Beider Wünsche wird eine kluge und einsichtige Politik, die sich von grauer Theorie fern hält, nicht erfüllen können. Für Paragraphen, die den Sozial- demokraten erinneren und für ihn eine verschärfte Wir- kung der Gesetze bestimmen, kann in deutschen Landen heutigen Tages kein Platz sein. Man hat nicht nötig, sich die oft abgeleierte Phrase von einer „Entrechtung" zu eigen zu machen, aber man wird zugeben müssen, daß von praktischen und ethischen Gesichtspunkten auS es unmög lich ist, ein Viertel oder gar ein Drittel der deutschen Wähler außerhalb des Gesetzes zu stellen und als minder berechtigte zu behandeln. ES ist müßig, zu untersuchen, ob die Aufhebung des Sozialistengesetzes ein Fehler oder eine Klugheit war, jetzt ist die Schaffung eines solchen Ge setzes, gleichviel welcher Art und welchen Namens, ein Unding. Ein gesetzgeberisches Vorgehen nach dieser Rich- tung würde zur einzigen Folge haben, daß alle die „Mit- läufer", die jetzt nur sozialdemokratisch gestimmt haben, ohne Sozialdemokraten zu sein, der nationalen Sache auf die Dauer verloren gehen. Es würde sich auch erweisen, daß der Versuch, drei Millionen Wähler unter das Schwert der Ausnahmegesetze zu bringen, in unserem öffentlichen und politischen Leben so tiefgehende Erschütterungen Hervorrufen würde, daß unserem auf dem Föderativ- shstem basierenden Reiche ernstlicher Schaden zugefügt werden könnte. Die Bewegung und Erregung würde un geheuer sein, und es fragt sich, ob die nachteiligen Folgen des Prozesses nicht beträchtlich schwerwiegender sein müßten, als der vermeintliche Vorteil, den man von einem schärferen Anpacken der Sozialdemokratie erhofft. Und deshalb meinen wir, daß man die Pflicht der reiflichen Ueberlegenheit hat, ob sich nicht vielleicht die Krankheit durch weniger einschneidende Mittel heilen läßt, bevor man sich zur Vornahme einer Gewaltkur ent schließt. Diese Prüfung scheint uns umsomehr geboten, als wir glauben, daß noch andere, heilkräftige Mittel vorhanden sind. Deshalb möchte man auch die Politiker, die täglich nach Ausnahmegesetzen mit weithin vernehm- kicher Stimme verlangen, ermahnen, ihren Wünschen und ihren Rufen den Zaum anzulegen. Von den „Scharf- machern", wie der oft harte politische Sprachgebrauch sie nennt, profitiert am Ende nur die sozialistische Presse, die daraus trefflich Kapital zu schlagen versteht und in den Stand gesetzt wird, das Gift der Beunruhigung und Er- regung mehr und mehr zu verbreiten. Ebenso aussichtslos aber, wie mit Hülfe eines Aus- nahmegesetzes, ist die Bekämpfung der Sozialdemo kratie, wie sie von der äußersten bürgerlichen Linken an geraten wird. Hier plädiert man für eine möglichst um fassende Erfüllung der berechtigten sozialistischen Forde- rungen. Tendenz und Wille dieser Politik sind recht gut: Es mag manchen Idealisten locken, die wider strebenden und dem nationalen Gedanken fremden Brüder dadurch zu gewinnen und dadurch an den Gegen wartsstaat zu fesseln, daß man ihnen zeigt, wie dieser für sie sorgt und sich müht, ihnen Sein und Leben recht behaglich zu gestalten. Diese Politik ist wohlmeinend, und sie wäre auch praktisch, wenn nicht ihr Kalkül einen Grundfehler enthielte, der überaus einschneidend ist und an dessen Anwesenheit die Ausführbarkeit der sozial reformerischen oder — wenn man will — katheder- sozialistischen oder nationalsozialen Vorschläge scheitert. Alle diese Parteien beurteilen das eigentliche Wesen, den Grundcharakter der Sozialdemokratie falsch: Sie haben sich, trotz aller Pronunciamentos der Führer und der sozialistischen Presse, trotz aller Geschehnisse, die das Gegenteil beweisen, noch nicht von dem kindlich ver trauenden Glauben lösen können, daß die sozialdemo kratische Partei im Grunde rein wirtschaftlichen Cha rakters sei und nur sozialpolitische Tendenzen habe. Sie erblicken in ihr nur den Anwalt der Bedrängten und Bedrückten, und sie trauen ihr zu, daß sie ihre Auf gabe einzig und allein darin sieht, durch ausgedehnte Reformen einen sozialen Ausgleich herbeizuführen, um es kurz zu sagen: den Arbeitnehmern bessere Lohnbe- dingungen zu schaffen. An diesen harmlosen Charakter der Sozialdemo kratie glaubt heute, und diese Entwicklung ist mit Freude zu begrüßen, nur noch eine verschwindend kleine bürgerliche Minorität. Wenn die Sozialdemokratie nur eine soztalreformerische Partei wäre, dann Glückauf! Aber das ist sie nicht! Das Ziel der Sozialdemokratie ist nicht soziale Reform, sondern politische Macht. Sie hat sich allem sozialreformerischen Vor gehen abgeneigt gezeigt, und ihr Bestes getan, alle wohl- meinenden Absichten zu vereiteln. Den fadenscheinigen Grund für dieses Verhalten mußte die Unzulänglichkeit der bis jetzt verabschiedeten Arbeiterschutzgesetze abgcben, man brauche von den Bourgeois kein Almosen, der Ar beiter wolle sein Recht! Keine Sozialreform wird etwas daran ändern, daß Demagogen aufstehen, die dem Volk goldene Berge versprechen, und kein noch so zwingender Beweis für die loyale sozialreformerische Arbeit des Staates und der bürgerlichen Gesellschaft wird es aus der Welt schaffen, daß diese Demagogen Anhang finden. Man wird diesen Anhang nicht verschwinden machen können, man ist aber im stände — und darin liegt auch die Bekämpfung der Sozialdemokratie —, ihn auf ein kleines Maß zu reduzieren. Die Unentwegten wird man von den Führern nicht losmachen können: die Verbisse nen und die Intransigenten werden bei ihrem Bebel ausharren I Die große Schar der Mitläufer aber, die nicht Sozialisten sind und nicht zur Partei gehören, die nur sozialistisch gestimmt haben, weil sie ihrer Unzu friedenheit mit schlechten Zuständen auf diesem oder jedem Gebiet Ausdruck geben wollen, — sie sind für die nationale Sache wieder zu erobern, und diese Eroberung sollte uns im Sinne liegen. Von sehr hoher Stelle soll vor einigen Wochen die Aeußerung gefallen sein, daß man sich ja leider habe über zeugen müssen, daß die sozialdemokratische Partei durch soziale Reformen nicht klein zu kriegen sei; daS dürfe aber nicht abhalten, Sozialreform zu treiben, und zwar um ihrer selbst willen. Und — so möchten wir hinzufügen — gerade um dieser „Mitläufer" willen. Sie sind noch dem Staate zu erhalten, auf sie wird man Rücksichten zu nehmen haben, wenn man es unternimmt, den wirtschaft- lich Schwachen gegen die natürliche Uebermacht deS wirt schaftlich Stärkeren zu schützen. Ohne auf die Einzel heiten einzugehen, möchten wir aber betonen, daß wir als „Sozialrcform" nicht eine heftige und unkluge Gesetz macherei erblicken, die die vielen eigentümlichen Formen des Lebens nicht berücksichtigt und, die Erfordernisse der Praxis nicht in Betracht ziehend, mit papiernen Para graphen vorgeht, ohne auf die Tragfähigkeit der zu be lastenden Schultern zu achten, wenn es sich darum handelt, sozialen Mißständen abzuhelfen, die vielleicht Lurch die Unzulänglichkeit alles Menschlichen bedingt werden. In den Uebelständen liegt zwar ein gut Teil der Kraft der Sozialdemokratie — nicht sowohl der Miß- stände auf sozialem Gebiet, als der des sonstigen öffent lichen und politischen Lebens. Gerade die letzte Zeit hat so sehr die Existenz dieser „Mißstände" dargetan, und was wir meinen, wird man verstehen, wenn wir sagen, daß die Arenbergerei, Soldatenmißhandlungen, die Konnivenz der Regierung gegenüber dem Zentrum s tutli guantl das Wählerkontingent der Sozialdemokratie um enorme Stimmenzahlen vermehren müssen. Die Zertrümmerung dessen, was der Sozialdemokratie als Agitationsstoff dienen kann, wird aber Hand in Hand zu gehen haben mit einem geschlossenen Vorgehen der Re gierung und der bürgerlichen Parteien gegen die Inter« nationale. Daß dieses Rezept das richtige ist, beweist der Ausfall der bisherigen Nachwahlen. Der Zusammen schluß der Antisozialisten ist eines der wertvollsten Mittel: Ohne Ausnahmegesetze, auf dem Boden des bestehenden Rechts, kann das Genossentum scharf angepackt werden. Die Gerichte werden sich vor dem Schein hüten müssen, bei sozialdemo kratischen Angeklagten die Gesinnung zu strafen; nur Ge setzesverletzungen müssen geahndet werden, unbeirrt durch das Geschrei der sozialistischen Presse. Im Rahmen eine- Artikels kann selbst das. Wichtigste nur andeutungsweise gestreift werden; daS wird aber ge nügen, um zu zeigen, daß unser Vaterland keinen Anlaß hat, vor der sozialistischen Hochflut bang zu verzweifeln, sondern daß es noch Mittel besitzt, um mit Aussicht auf Erfolg die Sozialdemokratie zu bekämpfen. 8. I-, ver Humana sei Herero. Lesstevein« Rücktritt dementiert. Ein Telegramm unsere» Berliner /--Mitarbeiter» besagt: An amtlicher Stelle liegt keine Bestätigung dafür vor, daß Leutwein zu einem Rücktritt entschlossen ist, der allen seinen früheren Erklärungen widerspräche. Die» wird von der „Nordd. Allg. Ztg." in folgender Form bestätigt: Ein in Südwestafrika befindlicher Bericht erstatter meldet am 8. Mai au» Windhuk, Gouverneur Leut wein sei entschlossen, sogleich nach Uebergabe der Geschäfte an Generalmajor v. Trotha nach Deutschland zurückzukehren. Wir halten die Meldung für durchaus falsch, denn sie steht in einem unlösbaren Widerspruch mit den Erklärungen, die Oberst Leutwein auS freien Stücken seinen Vorgesetzten Behörden abgegeben hat. Auch die „Münch. Allg. Ztg." gibt dem Zweifel an der Richtigkeit der Rücktrittsmeldung Ausdruck, Sie schreibt: Irgendwo muß ein Mißverständnis abwalten. Auch wenn Oberst Leutwein der Entsendung de« General» v. Trotha einen Sinn bei legen wollte, der hier jedenfalls nicht beabsichtigt war, so gibt es doch für einen Soldaten, der vor dem Feinde steht, einen Entschluß der gemeldeten Art nicht. Er hat selbstverständlich ans seinem Posten auszuhalten. v. Lstirffr Vormarsch. Nach der gestrigen Meldung de» Gouverneur» Leutwein muß die Nordostkolonne v. Estorfs unmittelbar vor einem Zusammenstoß mit dem bei Onjatu in verschanzter Stellung befindlichen Feind stehen. Estorfs selbst ist auf einem Auf- klarungSritt bei Otjikuara, der nur wenige Kilometer südwestlich von Onjatu liegt, bereit» in Fühlung mit dem Feinde getreten. Die deutsche Führung scheint diesmal mit anerkennenswertester Vorsicht zu operieren; sie hat ihre rückwärtigen Verbindungen wirksam ge sichert, indem sie in Otjikuroko einen Teil der Bastard reiterei und die 6. Kompagnie zurückließ. Es ist zu hoffen, daß in kürzester Zeit aus dem alten Operationsgebiete der ehemaligen Östkolonne, die jetzt auf Otjihaönena in Quaran täne liegt, Meldungen über neue Kampfe eintreffen werden, deren Ergebnis für uns, wie man zuversichtlich annebmen darf, ein weniger schmerzliches al« der vom benachbarten Owikokorero und Okaharm sein wird. Verstärkungen. Wie der ,)L.-A." wissen will, nimmt mau in gut unter richteten militärischen Kreisen an, daß die Zahl der be- ritttenen Truppen in Südwest-Afrika um etwa 2000 Mann erhöht werden wird. ver riirrirch-lapanirche Weg. Vie nächsten Matzregeln der Raffen. Au» angeblich bestunterrichteten Kreisen Petersburg» wird der „T. Rundsch." gemeldet: Kuropatkin hat angeraten, die südliche Mantschnrei auf zugeben und die russischen Truppen nordwärts zu konzen trieren, hat aber aus Petersburg den Befehl erhalten, die Südmantschurei zu halten, besonders die Eisenbahn zu schützen und Port Arthur wenn möglich noch in diesem Monat zu entsetzen, da sonst die dortige Flotte ver loren sei und dir Entsendung der Ostseeflotte nach Ostasien auf- gegeben werden müsse. DaS letztere ist inzwischen bereits gescheben. Nach Meldungen au» Söul hätten japanische Truppen auf ihnen bekannten Bergwegen den von den Russen ungenügend besetzten Motie- Paß überschritten und seien bei Langtseschau zwischen dem Teng- chinlingpasse und Liautang erschienen. Zweifellos handelt Feuilleton. Meine Erinnerungen an Franz v. Lenbach. Bon Hermione von Preuschen. NacbdruS verboten. Nun ist auch Er dahim der Van Dyck unserer Tage — die Eiche, die nicht der Sturm zerschellt hat, sondern der Wurm zerstört. Nun ist auch Er dahin gegangen, von wannen e» keine Rückkehr gibt. Mir ist, mich umfächelt noch die warme Sommerluft, wie damals, al» ich, neunzehnjährig, in der Mar-straße in München hauste, umgeben von den Prachtstoffen, den Pfauen und andern, Gevögel, mit denen der große Meister meiner malerischen Jugend und der ersten Wut meiner Stillrben- passion unter d»e Arme griff. Gegen abend durst' ich dann hinaus in die Louisenstraße pilgern und ihm selber »uscbauea, wie er ein Bild nach dem andern auf tue Staffelei stellte, prüfte, kratzte, firnißte und über seine Brillengläser hinweg beäugte. Dabei plauderte er in einem fort. Ich junges Ding war so stolz und glücklich und schaute und lauschte mit Augen und Ohren. Wre begnadet fühlte ick mich damals. Dana kam öfter Paul Heyse herüber, auch ein mal der alte Hermann Linag, mit dem Patriarchenkopf. Am öftersten aber kam Wilhelm Busch, der philosophische Humorist. Wie freuten sich die beiden, al- ich einmal eine Staffelei nmwarf und zitierte: ,Dieses ist der erste Streich, Doch der zweit« folgt sogleich." Nicht müde wurde Lenbach, mir von Schack zu erzählen und von Böcklin und von dem reichen Leben, daS schon hinter ihm lag. Dann warf die Abendsonne schräge Strahlen über die Brokatwände und alten Goldrahmen. Da» Faktotum kam, an- Fortgehn zu mahnen. Oft auch, wenn der Meister nicht zu Hause war, weilt' ich allein in den geheiligten Räumen. Wa» ich damals gelernffk wa» ich von Schönheits bedürfnis und Stilgefühl in mich ausgenommen, unbewußt — wer vermag e» zu sagen? Wie viele Jahre darüber hingegangen, wie fremd mir Lenbach auch später ge worden, ich habe seit jener Zeit niemals das Heimat gefühl verloren, wenn ich seinen Bildern gegenüberstand, oder später hier und da (ihm persönlich entfremdet) in den Prachträumen seine» neuen Atelier gestanden. So merk würdig es klingen mag, da» Künstlerempfinden Lenbachs bat meinem Leben die innere Richtung gegeben und den Instinkt für alle- Echte und Große in mir bestärkt. Nach Jahre» kam ich dann wieder mit ihm zusammen, im Fürstensalon de» Zentralbahnhof» von München. Wir erwarteten die Kaiserin Friedrich auf der Durchreise. Sie kam, wir verbeugten un» tief. Sie reichte allen gnädig die Hand zum Kuß. Lenbach ergriff sie herzhaft und drückte einen saftigen, schallenden Kuß darauf. Ich sah ihn ganz entsetzt an. „Ich bin doch au- Schrobenhausen", flüsterte er mir zu. Die Kaiserin aber lachte. „DaS war ehrlich", meinte sie. Und später, im römischen Atelier de» Palazzo Borghese, wie oft hat mir da sein Papagei, der böse, die Stiefel »erhackt! Er hatte viel Glück bei den Frauen, der Meister au» Schrobenhausen." E» ist herrlich, daß er si<b seiner Herkunft niemals schämt«, sondern stol« war auf den weiten Weg, der seine Kindheit tu jeder Weis« von der Höh« seine» Leben» trennte. Bon dieser Höhe ist er hinabgesunken in den Tod. Bon der Höhe seiner KünstiervoUeodung. Vor einem Jahre sah ich ihn zuletzt. Im Garten seiner herrlichen Villa. Er kam auf mich zu: „Wie geht e» Ihnen, wie geht e» Ihrem Gemahl?" „Er ist seit sieben Jahren tot." „Entschuldigen Sie," sagte er da lächelnd, „ich weiß schon gar nicht mehr, wer noch lebt und wer schon tot ist." Er sagte das in einem Ton, al» wollte er sagen: „wer noch im Vorzimmer ist, oder wer schon zum Thronsaal durch geschritten." E» war sein letztes Wort zu mir. Nun ist er im Thronsaal — im Thronsaal der Ewigkeit, vor der Majestät des Tode» — wir andern aber, wir stehen noch draußen. Wie lange? * M«stk. Festkonzerte znr Heier öe« »ojährkg«- Be stehen« Riedel-Verein«. N. Das zweite Festkonzert (zugleich da« 5. Abonnement konzert) de« Riedel-DereinS bot Liszt« Oratorium „Christus". Wie einst Wackenroder da« Wesen der roman- tischen Poesie al« ein „Verdichten der im Leben umher irrenden Gefühle" bestimmte, so möchte man LiSztS ge waltige« Werk in ähnlichem Sinne eine lyrisch-geistliche Dichtung nennen. Lyrisch, weil der Komponist mit pein licher Scheu aller Handlung, allem Dramaüschen au« dem Wege ging, vielmehr e«, den Satz „TrisU" «r »nim» mea" au-genommen, gänzlich vermeidet, den Er- loser selbst hervortreten zu lassen und in dem Ganzen I lediglich dem Gupranaturalilmut da- führende Wort! übergibt. Aber fast alles wohl, was dem Meister in viel bewegten Lebenstagen an „umherirrenden" geistlichen Empfindungen zu teil geworden, finden wir hier ge bunden. Daher die unmittelbare Wirkung seiner Christus-Komposition, die merkwürdige Eindringlichkeit seiner Kunst und neben Mysteriösem und fremdem In nern schwer Zugänglichen« so manche allgemein mensch liche Züge. Liszt war überzeugter Katholik und ver- mochte gar nicht andere kirchliche Musik zu schreiben, als wie sie eben seinem innerlichen, reichen Gemütsleben und dem tief religiösen Zuge seiner Natur entsprang. In solchem Sinne ist seine gesamte Musik konfessionell, d. h. Konfession, Bekenntnis. Und doch ist gerade im „Christus" vieles, was eben „katholisch", d. h. allgemein ist. Und so lange wir noch ferne sind von musikalischer Kirchenpolitik, finden wir hier die natürlich gegebenen Anknüpfungspunkte. He mehr wir uns vertraut machen mit dein Werk, desto stärker empfinden wir den unnach ahmlichen Reiz der Einfalt, die unergründliche Liefe, den Nachdruck, die Wärme und Kraft des Empfindens und die Wahrhaftigkeit des Zeugnisses, welches Liszt hier als künstlerisches und menschliches Glaubensbekennt, nis allen vorlegt, die guten Willens sind, es zu hören. Und hierin liegt für mich zugleich die ethische Seite Litztschen Schaffen«: einer der stärksten Rufer tm ge waltigen Kainpfe der Geister seiner Zeit, war seine kunst- lerischc, insbesondere religiöse Sprache von johannei- schem Geiste, den« der versöhnenden Liebe, erfüllt; einer der kühnsten Reformatoren und Revolutionäre in Sachen künstlerischen Geschmacks, bot er, vornehmlich in seiner Christus-Komposition, Loch Sätze, die in ihrer Schlicht heit und Reinheit, ihrer Wahrhaftigkeit der Empfindung
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