01-Frühausgabe Dresdner Nachrichten : 10.10.1907
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-10-10
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-19071010014
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-1907101001
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-1907101001
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungDresdner Nachrichten
- Jahr1907
- Monat1907-10
- Tag1907-10-10
- Monat1907-10
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- 01-Frühausgabe Dresdner Nachrichten : 10.10.1907
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»«»rtchnet. Lab L-r Mangel an «rbeitSge-tlse» sich von Jahr »« Jahr ernster gestaltet und dab man in der Haupt sache nur noch über Ältere Tagelöhner verfügt, die an et»e« Wechsel der Beschäftigung nicht mehr denken, oder über ausländische Dienstboten lvaoern. Böhmen oder Polen). Man bat nun versucht, den einem geregelten LandwtrtschoktSbetrteb« schädlichen Verhältnissen dadurch entaegenzumtrken. dab man die Beziehungen der aus ländlichen »reisen stammenden Soldaten »u ihrem Berufe auch während der Militärdtenstzeit aufrecht erhielt. Am ältesten sind dtese Bestrebungen wohl in Belgien, wo schon seit dem Jahre 1890 landwirtschaftliche Unter- richt-kurse für Soldaten in einer Reihe von Gar nisonen eingerichtet worden sind. In Frankreich und in Dänemark ist man diesem Beispiele gefolgt, aber die weiteste Verbreitung bat das landwirtschaftliche Unterrichtswcsen für Soldaten in Italien gefunden. Dort sind nach einer Statistik von 1908 in 230 Garnisonen landwirtschaftliche Lehrkurfe für Soldaten eingerichtet, an denen sich nicht weniger als 45000 Mann beteiligten. Die Erfahrungen, die man mit diesem Unterrichte acmacht ha», sind Ver anlassung gewesen, dab man auch im niedcrösterreichischen Landtage den Antrag einbrachte, es möge dem Kaiserlich Königlichen Reichskriegsministerium die Einführung und Abhaltung landwirtschaftlicher Kurse im Heere empfohlen werden." — 4900 Jahre alte Kupfersunde 1« Sachsen. Di« Prähistorische Sammlung im Zwinger ist vor kurzen» in den Besitz zweier wichtiger Funde gelangt, bei denen e-S sich um die ersten KuPsersumdc aus Sachsen han delt. DaS ein« Fundstück ist e i n e d u r ch lo ch t e Kupfer- axt von ungarischem Typus. Sie soll in Len 70er Jahren des 19. Jahrhunderts bei Großenhain gefunden wor den sein und ist wahrscheinlich durch Tauschhandel in di« dortige Gegend gekommen. Der zweite Fund ist eine kupferne Flachaxt von sehr roher Arbeit, an der man noch die Reste der Gußnähte bemerken kann. Si« wurde im Jahre 1897 von einem Holzfäller beim Roden eines Stockes auf der Flur des Rittergutes Treue» i. B. etwa 18 Zentimeter ti.es in der Erde gefunden. Das Alter der beiden hochinteressanten Fundstttcke wird von dem Direk tor der prähistorischen Sammlungen. Hvsrat Professor Dr. Deichmüller, auf ca. 4000 Jahre geschätzt. Bei der grohen Seltenheit der Kupfersunde in Mitteldeutschland sind dies« sächsischen vorgeschichtlichen Funde deshalb von besonderer Bedeutung, weil sie den Beweis erbringen, daß bereits in der sriiiheften Metallzeit, also vor rund 4000 Jahven, noch che die Brance eingeführt muvde, vereinzelt auch Kupser- geräte bis in unsere Gegend gebracht worden find. — Ueber die Beweggründe, die die Bürgermeisters, tochter Grete Beier in Brand zu dem Morde an ihrem Bräutigam veranlaht haben, bringt die „Chcrnn. Allgem Ztg." »och folgende Einzelheiten: Ueber die Borbercitun qcu zur Tat werden jetzt Einzelheiten bekannt, die eine direkte Mitschuld der Mutter der Grete Beier an der Tat in Zweifel stellen. Als Grund dafür wird vor allen» an gegeben, dab die Eltern den Verkehr der Grete mit dem gansmann Merker verboten hatten und dah sic eine Ber einigung ihrer Tochter »nit dem gutsituierten Obcringcnieur wünschten. Die Motive zur Tat seien vielmehr in den» Licbcslebcn der Mörderin zu suchen. Der 25jährige Kauf mann Merker stand ihrem Herzen schon lange nahe, ehe sic Prcßler kennen lernte. Sie setzte das Verhältnis mit Merker fort, als dieser nach Dresden gezogen war, trotz dem cs gegen den Wunsch von Gretes Eltern »var und diese sich »nit dem OLeringenicur Preßler aus Chemnitz oerlobt hatte. Die Beziehungen zwischen Grete und Merker, die sich in Frciberg oder Chemnitz Stelldicheins gaben, wur den sogar so intim, dab sich unerwünschte Folgen einstcllten «»trete und Merker wollten schließlich die Ehe schlichen. Ohne Geld und gegen den Widerstand der Eltern war es nicht zu ermöglichen. Und in dieser Zeit nun ist der Plan zur Beseitigung und Beerbung PrehlcrS entstanden. Es gingen die mit grobem Raffinement entworfenen fingierten Briese auS Mailand bei Grete Beier ein. Sie stellen die Ein lcitung zum Schluhkapitcl deS groben Sensationsromans dar. Eine Italienerin warnt Grete vor Liner Heirat mit Prebler. Sie selbst sei seine Gattin, in Mailand habe er sic geheiratet. Aber nicht in Liebe sei sie ihm ergeben — sie hasse ihn. Ihre Schwester habe er versührt, die sich das Leben genommen. Nun werde sie Rache an ihm nehmen. Der Zeitpunkt sei gekommen: er stehe vor einer neuen Heirat. Und nun schildert die Schreibern, in milder Romantik, wie sic nach Chemnitz gereist ist und ihn vor die Wahl gestellt, entweder Verhaftung wegen Bigamie oder Selbstmord. Er babe das letztere gewählt. Nachdem die Italienerin damit ihre Mission für erfüllt glaubt, richtet sie noch an Grete Beier ein rührendes Schreiben und tröstet sic damit, dab -er Tod dieses Mannes für Grete nur ein Glück sei, da er an einer unheilbaren Krankheit gelitten habe. Das gefälschte Testament unterzog der Bruder des Verstorbenen, ein Referendar, erst später einer Prüfung. Eine Stelle, in der -er Ermordete sich selbst bezichtigte, infolge seines leichtest Lebenswandels eine unheilbare Krankheit erworben zu haben, und namentlich der Schluhpastus: „Lustig gelebt und selig gestorben, das heibt dem Teufel die Rechnung ver dorben". waren ausgefallen. Nachforschungen ergaben denn auch Li« Fälschung. — In dem dem Grasen Schünburg gehörigen Eichen Hain in Wechselburg fand am 7. d. M. eine grobe Ucbung der freiwilligen Sanitätskolon, neu vom Noten Kreuz zu Rochlitz. Pcnig, Lunzenau und Wcri>»gswalde statt, die mit nahezu hundert Manu erschic nen waren und der u. a. beiwohnte» -er Tcrritorial- -elegiert« Generalleutnant z. D. v. Schmalz. Ser Vorsitzende vom Direktorium des Landcsvcreins vom Noten Kreuz I) Gras Bitzthun» v. Eekstädt, mehrere Oberstabsärzte, Sladlrat Dr. Schanz aus Leipzig, Amtshaupiiwann Dr. Sübmilch und Bürgerincister Schilling aus Rochlitz. Die Leitung d«r Ucbung lag in den Händen -cs Stabsarztes -er Reserve Dr. mcd. Zlnßcr-Rochlitz. — Au» den öffentlichen Verhandlungen des Landrsver- sicherungsamtes. Johann Nöhner in Dohma ist am 8. August lUOK an Blutvergiftung gestorben, die — wie mit großer Wahr scheinlichkeit angenommen wird — durch einen Insektenstich am halse verursacht worden ist. Seine Witwe behauptet, dah er am l August 1906, also eine Woche vor seinem Tode, aushilfsweise im Betriebe eines dortigen Gutsbesitzers als landwirtschaftlicher Aibeiter beschäftigt gewesen und bei dieser Gelegenheit von einer giftigen Fliege gestochen worden sei. Die angestellten Erörte rungen haben ergeben, dah Röhner am Nachmittag des er wähnten Tages tatsächlich bei den Erntearbeitcn des Guts besitzers geholfen hat, ohne dah es dieser wühle. Die Veran lassung war die: Röhner handelte mit Koks, den er aus einer Glashütte bezog. Zum Transport des Koks von der Glashütte in seine Behausung benutzte er regelmäßig ein Geschirr des Guts- bcsitzers Als er am erwähnten Tage wieder um das Geschirr bat, beschiel» ihn der Schirrmeister des Gutsbesitzers, dah er es nachmittags zum Roggeneinfahren selbst brauche. Da er be merkte, er hoffe nachmittags mit dem Einfahren vielleicht fertig zu werden, hat sich Röhner zur Hilfeleistung erboten und ist gegen Mittag mit dem Schirrmeister aufs Feld gefahren. Eine Be zahlung war nicht rn Aussicht genommen, die Hilfeleistung wurde vielmehr als eine Gefälligkeit für die lleberlaffung des Geschirres zu Koksfuhren angesehen. Ueber Zeit und Ort des Insektenstiches gehen die — meist aus Aussprüchen des Verstürbe- nen beruhenden — Angaben der Zeugen auseinander. Die Land wirtschaftliche Berufsgenoffenschast hat die Ansprüche der ver witweten Röhner und ihrer Kinder auf Sterbegeld und Hinter bliebenenrente abgewiesen. weil ein Unfall beim land- wirtschaftlichen Betriebe nicht vorliege. Dieser Nuffassung ist das Schiedsgericht beigetreten. Auch ver Rekurs der Rcihnerschen Hinterbliebenen wurde verworfen. Das Landes oersicherungsamt sah als erwiesen an. dah ein Insektenstich die Ursache der Blutvergiftung und des Todes Röhner« gewesen sei lud lieh dahingestellt, ob der Verunglückte als Arbeiter im Be trieb« des lvutsbesttzer» beschäftigt war. Er fehle aber am Be weise dafür, bah das Injrkt den «erstorbenen während der Lrntearbeiten gestochen habe. Nach dein Eraebniffe der ange- ktellten Erörterungen sei es nicht ausgeschlossen, bah der In sektenstich schon vor der Fahrt aus» Feld erfolgt lei. — Ernestine verehelichte Ntebel in Hohnbach ist am 27. Oktober 1908-da durch zu Schaden gekommen, dah sie, als sie Feuerholz au» dem Schuppen holen wollte, von der Leiter herabsiel und sich neben einer Kontusion der Wirbelsäule eine stark blutende Wunde am linken Ellenbogen zuzog, die infolge hinzutretender Blutvergif tung zu einer schweren Beeinträchtigung ihrer Gesundheit und Aroeitssähigkeit führte. Die Berussgenossenschast hatte Ent schädigung abgelcynt, weil der Unfall sich nicht in dem landwirt- jchastlichcn, sondern im hauswirtschastlichen Betriebe ereignet habe Der Ehemann der Beruiiglückten ist Schiefer- decker und besitzt ein Hausgrundstück mit Garten und Feld im Flächengehalte von etwa IV2 Acker, dazu hat er noch Vr Acker Feld gepachtet. Er zieht jährlich einige Schweine aus und hält Ziegen. Er lebt mit seiner Frau allein und geht die größere Hälfte des Jahres seinem Berufe als Schieferdecker nach. Das mar auch am Unsalltage der Fall. Die Beköstigung erhält er solchenfalls auswärts. Die Frau versorgt das Vieh und ver richtet die sonstigen landwirtschaftlichen Arbeite», zu denen tage weise eine fremde Hilsskrast zugezogen wird. Der Ehemann Hilst nur zeitweise mit. Die Niebel behauptet, dah sie an den Tagen, an welchen ihr Ehemann auswärts arbeite, wie gerade am Unfalltage, für sich warme Speisen nicht zubereite, vielmehr nur Kaffee trinke. Dagegen koche sie täglich mehrmals Futter und Tränke für oas Vieh. Zu diesem Zwecke habe sie auch das Holz gebraucht, bei dessen Herbeischafsunasie verunglückte Ihret wegen allein »vürde sie überhaupt kein Feuer angemacht haben. Aus ihre Berufung hatte das Schiedsgericht den Entschädi gungsanspruch dem Grunde nach sestgestellt, weil es nach Lage der Sache den Ablehnungsgrund der Eenossenschast nicht als zutreffend anerkannte. Gegen das Schiedsgerichtsurtcil hatte nun die Berussgenossenschast Rekurs eingelegt, den das Landesversicherungsamt als unbegründet verwarf. Es komme darauf an. ob die Verunglückte bei der Arbeit, die den Unsall verursachte, vorwiegend den Zwecken der Hauswirtschaft oder vorwiegend den Zwecken der Landwirtschaft gedient habe. Nach den glaubhaften Angaben der Niebelschen Eheleute sei das letztere anzunehmen und deshalb die Berussgenossenschast entschädigungspflichtig. — Der Eeschirrsührer Christian Friedrich Hillig in Waschleithe sollte an» 28. Juni 1906 für seinen Dienst herr», einen Wirtschaftsbesitzer und Holzhändler in Beierfeld, aus dein Erünhaincr Staatssorstrevier Holz abfahren. Als er nach dem Beladen des Wagens die Pferde einsträngte, schlug das Sattelpferd aus und zerschmetterte ihin den rechten Ober schenkel. Die Landwirtschaftliche Berussgenossenschast hat Un fallentschädigung abgelehnt, weil sich der Unfall nicht in einem bei ihr versicherten Betriebe ereignet habe. Hilligs Be rufung hat das Schiedsgericht verworfen. Der Arbeitgeber betreibt neben seiner Landwirtschaft Lohnsuhren. Das Reichs versicherungsamt hat seinerzeit den Lohnsuhrwerksbetrieb als landwirtschaftliches Nebengewerbe der Landwirtschaftlichen Ve- russgenossenscbast überwiesen, gleichzeitig aber festgestellt, dah den wirtschaftlichen Schwerpunkt des Eesamtunternehmens nicht Landwirtschaft und nicht Lohnfuhrwcsen, sondern Holzhandel bilde. Dieser sei nach Lage der dermaligen Gesetzgebung nicht versichert. Unter diesen Umständen wurde auch der Rekurs Hilligs verworfen. Der Unfall sei nach den angestellten Erörte rungen im Betriebe des Holzhandels eingetreten. Dieser Be trieb sei aber auch nach der Auffassung des Landesversicherungs amts weder bei den in Anspruch genommenen, noch bei einer an deren Berufsgenoffenschaft versichert. Die Zivilprozetz-Reform. Der vom RcichSjustizamt ausgcarbeitete Entwurf, durch welchen besonders das Arbeitsfeld der Amts gerichte erweitert werden soll, ist, wie schon gemeldet, jetzt erschienen, und man erführt nunmehr definitiv die Vorschläge der Regierung. Als solche kann man aber den veröffentlichten Entwurf nur betrachten, La er zuerst im Bundcsrate erörtert wirb und dann erst an den Reichstag gelangt. Es ist nun bei der Wichtigkeit der Materie höchst wahrscheinlich, dah nicht unwesentliche Aender urigen vorgcnommen werden, bevor die beantragten Reformen als Gesetz erscheinen werden. ES handelt sich in erster Reihe um die Erhöhung der amtSgerichtlichen Zustän digkeit von 300 aus 800 M a r k und um die Einfüh rung von Bcstinrmungen, wonach eine Berufung gegen eine amisgcrichtltch« Entscheidung nur daun möglich ist. wenn die Summe des Streitfalles mindestens 50 Mk. be trägt. Man glaubt, auf dtese Weise di« Land- und höheren Gerichte zu entlasten, die Tätigkeit der Amtsgerichte, bei denen ei» Anwaltszwang nicht existiert, aber entsprechend zu erweitern. Es wird hierdurch eine Verbilligung des Verfahrens angestrebt. In vier Hauptpunkten soll durch neue Best!»»»- mungen die jetzige Rechtslage verändert werden. Sic be treffen 1. Las Gerichtsversassungsgesctz, 2. Lie Zivilprozetz- Ordl»ung, 3. das Gerichtskostcngcsctz und 4. die Gebühren ordnung für Rechtsanwälte. — Die nach außen hin sicht barste Veränderung bctrisst die höhere Abgrenzung der amtsgerichtlichen Zuständigkeit. Hier wird die Erhöhung der Streitsulnme aus 800 Mk. vorgeschlagen. Man will hierdurch die Vorteile, welche durch das neue Verfahren den Parteien geboten werden, einem größeren Kreise der rechtsuchenden Bevölkerung sichern. Es »vird -ie Ver tretung durch Anwälte a»ich bet der jetzt höheren Summe nicht als obligatorisch erachtet, und bleibt «S den Parteien überlasten» ob sie ohne oder »nit Anwälten verhan deln wollen. In der Praxis »vird der Unterschied -nicht so sehr hcrvortretcn. denn diejenigen Parteien, z. B. großer Kausleute und dergleichen, welche öfters Prozesse führen müssen, werde» sich aus Gründen der Bequemlichkeit »vie der Sicherheit trotzdem eines Anwalts bedienen. Diejenige Partei, welche ihre Sache direkt vertritt, muß ja trotzdem den Anwalt -er Gegenpartei bezahlen, wenn sie unterliegt. Das Verfahren vor den Amtsgerichten soll weiter — und das ist einer der wichtigsten Punkte — ver- billigt und beschleunigt werden. Cs sollen nämlich, wie dies bei den Gciverbe- und Kausmannsgerichtcn bereits ein- gesührt »st, die Parteien das Recht haben, ihre Zeugen mt't zur Stelle zu bringe», svdaß nicht erst eine lange Beschlußfassung und Ladung erfolgt, sonder» der 3 t ich »er die anwesenden Zeugen gleich vernehmen lau». Hierdurch dürsten die vielen Vertagungen rntsallcn und eine viel schnellere Erledigung des Streitfalles möglich werden. Tic Zustellungen und Ladungen von Amts wegen sollen künftig, um den Parteien Zeit und Kosten zu er sparen. kostenfrei geschehen. Diese Kosten sollen vom Fiskus getragen werden. Nur die Zustellung der Urteile und die im Mahnverfahren zu erlassenden VvllstrcckungS- besehle sollen den» Parteibctricbc verbleiben. Mit der Einführung des Amtsbetriebes hängt die in Artikel II des Entwurfs vorgcschlagene Bestimmung über die Vor bereitung -er mündlichen Verhandlung zusammen. Es sollen Anordnungen getroffen werden, uielchc zu einer rascheren Aulklärung des Sachvcrhältnis- «s führe»». Der Entwurf weist in dieser Beziehung auf die Bestimmungen der österreichischen Zivilprozeßordnung hin, wo sehr häufig durch die bestehenden Anordnungen und durch die Möglichkeit der sofortigen Zeugenverneh mung Streitsachen in einem Termine erledigt werde» können. Von weiteren Vorschlägen ist die Be s ch r ä n k u n g - e r Berufung besonders wichtig. Eine schnelle endgültige Erledigung geringfügiger Streitsachen ist für beide Par teien am dienlichsten. Es soll für alle vor die ordentlichen Gerichte gehörenden NcchtSstreitigkeiten, also auch für die landgerichtlichen Prozesse, eine Bcrufungssumme cingesührt werden. Diese ist auf 50 Mk. festgesetzt. Dagegen soll eine Revision nicht vom Werte des Streitgegenstandes, sondern vom Beschwerd«gea«nstand abhängig sein. Die Kosten est s e b u n « soll dadurch vereinfacht werben, -aß die Fest setzung -er Sotten dem GertchtSschrewer auch für die Par. teien übertrage» wird. Letztere können aber die Entschei dung LcS Gerichts gegen die Verfügung der GerichtS- schreiber im Wege der Beschwerde anrusen. Bezügttch der Einlassung«, und Ladungssristen im Wechielprvzejse wird eine einheitliche Regelung der Fristen für Städte mit Bororten angcstrebl, da die bisherigen Vorschriften »ich! exakt genug waren. Im Mahnverfahren soll die Einspruchsfrist aus eine Woche verkürzt wer den, und es soll die Zustellung an den Schuld „er von Amts wegen erfolgen. Hierdurch erwartet mau eine häufigere Anwendung des Mahnversahrens, durch welches die vi«l höheren Kosten einer ordentlichen Klage erspart werden. Die Aenderunge» -es Gerichtskostengesetzev und der Gebührenordnung für Rechtsanwälte bezwecke» hauptsächlich, de» Prozeßverschleppungcn entgcgenzuwirkc». Es svll nach Anberaumung der notwendigen Termine für jeden weiteren Termin eine Vcivndere Gebühr von fün» Zehntcile» der vollen Gebühr vorgesehen werden. Ei» Anwalt, der also durch sein Verschulden die Verhandln» gen wiederholt vertagen läßt, würde diese Mehrlvste» selb» zu tragen haben. Schließlich enthält der Entwurf Vestim mungen zur Vereinfachung des KassenwcseilS, indem im Gerichtskvstengeictz und in der Gebührenordnung iur Rechtsanwälte die Schreib- und Postgebühren nicht mein einzeln ausgesührt, sondern pauschalster in Ansatz gebrach! werden sollen. Soweit sich die Vorschläge bis jetzt beurteile»» lassen, dürsten sie eine Verbesserung der jetzt bestehenden Rechts normen bringe». Man wird ja die Vorschläge vielscilig bespreche», sie werden ihre Gegner und ihre Lvbredner finden, und es wird noch vielerlei geändert werden. Jeden falls »nuß man aber das Bestreben der Regierung aner kennen. durch eine teilweise Vereinfachung des Versal, rens eine schnellere und billigere Erledigung der Rechis- strcitigkcitc» herbeizusühren. Der Hochverratsprozesz gegen Dr. Karl Liebknecht. Vor dein vereinigten 2. und 3. Strassenat des Reichs gerichtS fand gestern, Mittwoch, die Verhandlung gegen den Berliner Rechtsanwalt Tr. Karl Liebknecht wegen vor bereitender Handlungen zum Hochverrat statt. Tr. Karl Liebknecht hatte zu Beginn dieses Jahres eine Broschüre unter dem Titel: „Militarismus und Antimilitarismus unter besonderer Berücksichtigung der internationalen Jugendbcivegung" erscheinen lassen. Die Broschüre wurde etwa drei Monate nach ihrem Erscheinen auf Veranlassung des Oberreichsanwalts beschlagnahmt und gegen Liebknecht Anklage wegen Vorbereitung zum Hochverrat erhoben. Er svll durch seine Broschüre die gewaltsame Abänderung der Verfassung des Deutschen Reiches vorbereitet haben. Dem Angeklagten »vird zum Vorwurf geinacht, daß er die Ar beiter in dieser Broschüre ausgesordert habe. Wassensabriken zu bauen und eine proletarische Nevolutionsarmec aus zubilden. mit der dann die soziale Revolution herbeigesührt werden solle. Ferner werden aus der Broschüre Bestrebun gen herausgclese», Frankreich zu einen» Kriege gegen Deutschland zu reizen, und zwar mit Hilfe der Sozial demokratie beider Länder, um bei dieser Gelegenheit die soziale 'Revolution zu inszenieren und dabei der Armee den Garaus zu machen. Der im allgemeinen so stille Platz vor dem Rcichs- gcrichtsgebände war von zahlreichen Neugierigen belebt. Die Schutzmannsposten waren daher verstärkt. Aus der Freitreppe hatten sich verschiedene Photographen aus gestellt. Ter Vorsitzende, Reichsgcrichcs - Senatsvräsident Treplin, eröffnet«: die Verhandlung kurz nach 9 Uhr. Die Anklage vertrat der bekannte StrasrcchtSkommcntator Dr. Olshausen. Die Verteidigung des Angeklagten lag in den Händen des früheren sozialdemokratischen Reichs- tagsabgeorüneten Rechtsanwalts H a a s e - Königsberg i. Pr. und des Rechtsanwalts Dr. Hczcl - Leipzig. Der Staats anwalt hatte keine Zeugen und auch keine Sachverständigen geladen. Von der Verteidigung »var der Rcichstagsabg. August Bebelals Zeuge geladen und auch erschienen. Als Sachverständiger mar Professor Dr. Eulen bürg- Berlin namhaft gemacht worden, es wurde aber aus sein Gut achten verzichtet. Nach Erössnung der Verhandlung gab Dr. Lieb knecht seine Personalien an. Er ist am 13. August 1871 zu Leipzig als Sohn des im August 1900 verstorbenen Rcichstagsabg. Wilhelm Liebknecht geboren. Dr. Liebknecht kst Dissident, Soldat gewesen und gehört jetzt zur Land wehr 2. Aufgebots. Er ist Inhaber der Landmehr-Dienst- auszeichnnng 2. Klasse und unbestrast. — Es wurde dann der Erüsfnungsbcschluß verlesen. Danach ist Liebknecht wegen vorbereitender Handlungen zum Hochverrat aus Grund der 88 86. 82 und 81. Abs. 2, unter Anklage gestellt worden. Tic Anklage stutzt sich aus Stellen seiner Bro schüre gegen den Antimilitarismus. — Präsident: Welches mar die Veranlassung für Sic, diese Schrift zu verfertigen, und wollen Sie namentlich über die Vorgänge ans dein Mannheimer Parteitage der Sozialdemokratie Auskuust geben, die wohl zunächst die Veranlassung zur Vcröffeiu lichung der Broschüre waren? — Angeklagter: Der Partei tag -in Mannheim hat mit der Broschüre nichts zu tun. Vielleicht ist aber die Konferenz jugendlicher Arbeiter, die im Anschluß an den Mannheimer Parteitag tagte, gemeint. Allerdings habe ich aus dieser Konferenz auf Wunsch xiu Referat über den Antimilitarismus übernommen. Der Vortrag ist aber nicht identisch »nit meiner Schrift. Er gab aber die Veranlassung zu dieser Verösscntlichung. Der ganze Gedankcngang ist darin enthalten und erweitert »vor der». Die Schrift wurde im Januar dieses Jahres fertig- gestellt und erst nach 3 bis 4 Monaten konsiszicrt. Nach dem die Schrift fertig »var, sah ich, daß sic literarisch nicht meinen Anforderungen entsprach. Deshalb war mein zieni lich feines literarisches Gewissen etwas beunruhigt. Das sind aber nur Schönheitsfehler, sonst übernehme ich für alles, was in der Broschüre gesagt ist, die volle Verantwortung. Präsident: Sie scheinen auf die I u g e u d 0 rg g n i s a t-ivncn besonderen Wert zu legem. — Angeklagter: Zch möchte doch bitten, das erst nach Verlesung der Broschüre zu erörtern. — Präs.: Aber etwas müssen wir vorher schon wissen, denn der Senat ist wenig bekannt mit diesen Ver hältnissen. Warum sind die Jugendorganisationen gcgrün de>t worden? — Augekl.: Die Christlich-Soziale», die Na tionallibcralen, das Zentrum und alle möglichen anderen Parteien haben solche Organisationen der Jugend gegrün det. Außerdem wird in der Schule in zielbewusster Arbeit vorgegangcn, damit der Jugend gang bestimmte, den pro letarischen 'Auffassungen widersprechende Uoberzeugungeu künstlich beige bracht weiden. Das Hot Veranlassung ge geben, daß auch die Sozialdemokratie solche Zmgemdvrgaiii sationen gegründet hat. Wir konnten »ns der lieber zcugung nicht verschließen, daß es dringend notwendig sei, auch sozialdemokratische Jugendorganisationen zu grün den,. Sie wurden zunächst im Jahre 1004 ans gmoerlschaft licher Basis errichtet. — Es wurde dann ein Artikel ans dem „Vorwärts" von» 23. September 1900 verlesen, in dem der Vortrag Liebknechts iibw den Antimilitarismus im „Verein junge Garde" angekündigt »vird und ferner ein Artikel vom 2. Oktober, der einen Berich! über das Referat bringt. — Angetl.: DaS Referat ist nicht ganz gut wieder gegeben worden. Es sind manche Fehler unterlaufen, aber es kann im allgemeinen als Auszug ans meiner Rede gclten. — Es wurden dann di« zahlreichen Resolu tionen und A n t r äg e. die Li e b kn c ch t aus den ver schiede neu Parteitagen, vor allem in Jena, Mannheim und Essen, gegen den Militarismus cingebrackst hak, verlesen. — Präs.: Ihre Anträge haben nichk iminer den Beifall der Mehrheit gesunden? — Angelt.: Nein, sie sind abgelehnt worden, sogar oft recht brüsk. — Präs.: Beson ders di« Parteiführer Bebel und v. Volkmar sind wohl dagegen gewesen. — Anaekl.: Jawohl. — Etz svll Dresdner Nachrichten. Nr. 281. Seite 3. 'd Donnerstag. 1«. Oktober 1VVV
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