3 Vorbemerkung Fast unmerklich, so könnte man meinen, ist Dresden im letzten Jahrzehnt in eine Rolle hineingewachsen, die inzwischen neben dem viel beschworenen Signet »Kunststadt« eine durchaus gleichbedeutende Existenz führen kann: Stadt der Wissenschaft. Erst mit der Verleihung dieses Ehrentitels im Jahr des Stadtjubiläums ist die erstaunliche Entwick lung, die Dresden zum mit Abstand wichtigsten Forschungsstandort in Ostdeutschland hat werden lassen, ins allgemeine Bewusstsein gedrungen. Gute personelle Vorausset zungen und eine energische Förderpolitik haben dafür gesorgt, dass heute in der Stadt elf Fraunhofer-Institute, drei Max-Planck-Institute, fünf Institutionen der Leibniz- Gemeinschaft mit 7500 Beschäftigten (einschließlich der Hochschulen) ansässig gewor den sind. In den Bereichen Biotechnologie und Materialforschung belegen diese Häuser in Deutschland führende Positionen. Große Forschungskapazitäten sind im Umfeld der weltweit agierenden Chip-Produzenten AMD und Infineon/Qimonda entstanden, und selbstverständlich sind auch am Ursprungsort wissenschaftlicher Innovation in Dresden, der Technischen Universität, viele leistungsfähige Neugründungen zu verzeichnen - die oft hochagilen mittelständischen Forschungseinrichtungen wären ebenfalls zu beden ken. Nur Fachleute können dieses Netzwerk adäquat beschreiben. Wenn sich die Dresdner Hefte mit Respekt des aktuellen Themas annehmen, dann weil einerseits Wissenschaft in unserer Zeit ein wesentlicher Teil der Kultur und für diese von elementarem Einfluss ist und weil andererseits Naturwissenschaft und Technik gerade im früh industrialisierten Sachsen große Traditionen haben. In ausgewählten Beispielen wird in diesem Heft davon berichtet, von der Herkunft sächsischer Forschung aus dem merkantil-militärischen 18. Jahrhundert und ihren bedeutenden Köpfen im 19. und 20. Jahrhundert von Andreas Schubert bis Manfred von Ardenne. Die High-Tech-Gegen wart baut auf diesem Fundament. Mit je einem exponierten Beispiel aus Biomedizin, Materialforschung, Nanotechnik und Geisteswissenschaft (sie hat längst ihren festen Platz an der TU) wird eine Anmutung der vielgIiedrigen heutigen Forschungslandschaft Dresdens gegeben. Der Bogen schließt sich in zwei essayistischen Reflexionen über die Freiheit der Wissenschaft und die Bedingungen ihrer Kreativität, die sich - erstaunlich genug - wie einst in der Renaissance erneut künstlerischer Weltbilder zu bedienen beginnt. Hans-Peter Lühr