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Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 14.10.1922
- Erscheinungsdatum
- 1922-10-14
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1666408611-192210149
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1666408611-19221014
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1666408611-19221014
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungRiesaer Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1922
- Monat1922-10
- Tag1922-10-14
- Monat1922-10
- Jahr1922
- Titel
- Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 14.10.1922
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noch fast kindliche- Weib sich bereit- anschicktH dke große ernste Reise anzutreten, von der niemand zuruckkehrt. Nach wenigen Tagen wurde unter den uralten Linden, die das Erbbegräbnis der gräflichen Familie beschatteten, die junge Schloßfrau mit großem Gepränge beigcsetzt. i Als der Graf vor Jahresfrist dre zweite Ehe schloß, hatten die Leute kopfschüttelnd gemeint, „die wird ihn ja ein halbes Menschenalter überleben bei dem Unterschied an Jahren" — aber an diesen Ausgang hatte damals nie mand gedacht. i ; Als alles vorüber und man in das Schloß zurückgekehrt war, trat der Gras in das Zimmer seines Kindes. Er beugte sich über die schlummernde Kleine und hob behut sam das weihe Bünoelchen aus der Wiege. Er drückte eS an sich» und ein klarer Tropsen siel aus den alternden Augen aus -aS winzige Gesicht. - ,Hch will dich nebhaben, deine Lina, «ne mich deine Mutier bat, auch wenn du nur ein Mädchen bist" — und der alte Mann schritt lrnge auf und ab — während die kleine unwillkommene Tochter süß und ahnungslos in ihres Later- Armen schlummerte, dessen graues Haar in wenigen Lagen schneeweiß geworden war. ,LieS diesen Brief, Gerta," sagte der Baron von Waldenstein zu seiner Frau, nachdem er das Schreiben mit dem Trauerrand dnrch^logen. Cie nahm es ihm aus der Hand. „Nur ein Mädchen! — und die junge Frau tot! — wie schrecklich!" „Nun ist Heino der Erbe," sagte der Baron. ' ,WaS nützt es ihm ?" klang die bittere Erwiderung seiner Frau, „er wird ja doch nie etwas davon haben können Ter Baron seufzte. „Ich werde an Waldenstein schreiben »nd ihm unsere Teilnahme an seinem großen Verlust aus sprechen." Und dann verließ er das Zimmer. Tie Baronin blieb «Nein zurück. Ihre Züge trugen einen finsteren Aus druck. ,-O," dachte die stvlze Frau, „warum konnte mein Sohn, jetzt der Erbe dieser großen Besitzung, der Erbe des gräf lichen Titels, nicht ein frischer, gesunder Junge sein wie e» deren so viele gibt; ein Junge, wie manche arme Arbeiterfrau deren ein halbes Dutzend besitzt! Wanun, o warum mußte gerade mein einziges Kind ein körperlich Vnd geistig schwaches, zurückgebliebenes Wesen sein, dessen man sich säst schämen muß!" Sie dachte daran, wie das kleine, gebrechliche Geschöpf von der ersten Lebensstunde an ein Gegenstand der Sorge gewesen, wie ost schon der schwache Lebensfunke am Er löschen war, wenn immer wiederkehrende Krämpfe den zarten Körper auf das äußerste erschöpften. , , Jetzt zählte der Knabe vier Jahre. Sein Gesicht war blaß und trug einen alten Ausdruck. Die groben Augen blickten scheu, sein ganzes Wesen drückte Aengstnchkeit aus. Ran hatte seinen Körper gepflegt, aber dem kleinen Herzen wenig Wärme und Liebe gezeigt, und etwas Freudloses hatte dieser blasse Knabe, wie es sonst Kindern fernttegt. Seine schwachen dünnen Beinchen erschwerten ihm das Gehen. An Laufen, Springen, Klettern war kür ihn nicht zu denke«. Wenn er sprach, brachte er nur mühsam un deutliche Worte hervor. — Und dies Kind war der Erbe von Waldenstein! i Sieben Jahre waren vergangen Ter Graf saß auf der Terrasse vor dem Schloß. In den alten Linde» des Parkes rauschte der Sommerwind, und auf dem Rasen flatterte die kleine Lina gleich einem Schmetterling hin und her. Tas Weiße Kleid und die blonden Locken flogen und schimmerten im Sonnenschein, wenn sie jauchzend den Ball emporwarf, um ihn wieder mit den emporgehaltenen Händchen aufzufangen. Tie Blicke des Grafe» folgten den behenden Bewegungen seines Lieblings, und seine grauen Augen leuchteten dabei. Sie war sein Sonnenschein, fein alles geworden — obwohl sie nur em Mädchen war. ' „Mutter," wandte er sich an die Greisin, die ihm mit einer Handarbeit gegenübersaß, „ich habe vor einigen Tagen an Waldenstein geschrieben und sie gebeten, mir einmal ihren Sohn zu bringen oder zu schicken." - „O, Eberhard, diesen geistesschwachen halben Idioten! Wozu tatest du das?" „Ich möchte den künftigen Besitzer von Waldstein sehen, mag er nun sein, wie er will," lautete die Antwort; „und hier, Mutter, ist der Brief, der mir sagt, daß Heino übermorgen mit seinem Hofmeister für eine Woche, wenn ich ihn so lange behalten wollte, kommen wird." - AA Tame seufzte. Sie konnte es nicht verwinden, daß rpaldstem in den Besitz der Seitenlinie übergehen wurde, und dazu an einen »Erben, wie Heino war. Nach zwei Tagen rollte der Wagen mir dem Erwar tete» ft» den Schloßhos. Mitleidig sah der Hausherr die schmächtige, Merschlanke Gestalt, die müden BeweMnge«, den allen Ausdruck in dem blassen, kleinen Gesicht, ans dem die tiefliegenden dunklen Augen so traurig blickten« Ein steifer, ernster Hofmeister begleitete den Knaben. Freundlich bewillkommnete der Graf seinen jungen Neffen und wandte fick an Lina, die er an der Hand hielt: „Sieh, Töchterchen, dies ist dein Vetter und jetzt unser Neber Gast, den mußt du immer recht schön unterhalte« und ihm Freude machen, solange er bei uns ist." Sie reichte ihm schüchtern die kleine Hand, und er sah sie einen Augenblick verwundert an, ohne etwas zu sagen. Während des Mittagessens suchte der Schloßherr den Knaben öfters in das Gespräch zu ziehen, fragte nach seiner Heimat, seinen Eltern, seinen Beschäftigungen; aber nur mit größter Mühe und halb stotternd brachte der Kleine schüchtern einige Antworten hervor, und unter den bestän dig streng auf ihn gerichteten Augen des Hofmeisters wagte er kaum, die gereichten Speisen zu berühren. Hin und wieder erschütterte ein trockener Husten die schmale Prust, den er vergebens zu unterdrücken sich, bemühte. „Du scheinst wenig Appetit von der Reise mitgebracht zu haben," meinte die alle Greisin, „und doch wäre gerade sür dich eine sehr kräftige Ernährung notwendig." Ter traurige Blick aus den großen Kinderaugen ließ sie ver stummen. Sie ahnte nicht, daß Heino, ehe man sich in den Speisesaal begab, aus einem Nebenzimmer ihre Be merkung gehört hatte — „diese Jammergestalt!" — Ta- Wort hatte ihm alle Eßlust genommen. „Nun zeige deinem Vetter dein kleine- Reich," sagte nach aufgehobener Tafel der Graf zu Lina. — „Ich denke, wir überlassen die Kinder etwas sich selbst," wandte er sich dann an den Präzeptor. „Wie der Herr Graf befehlen," erwiderte dieser steif, und Lina führte Heino auf die sonnige Terrasse. „Ich will nur meinen Hut holen, warte auf mich dort unter der Linde, da steht eine Bank, da hole ich dich gleich ab." Und sie eilte davon. — Als sie nach einigen Augenblicken unter der bezeichneten Linde erschien, blieb sie zögernd unter den tiefhängenden Zweigen sieben. Tort auf der Bank saß ihr Vetter »n zusammengekauerter Stellung und hatte die Hände vor das Gesicht gedrückt. Ein stummes Schluchzen erschütterte von gelt zu Zeit de« gebrechlichen Körper. Ta legte sie leise o>e kleine Hand auf seinen Arm. „Warum bist du so traurig, Helno?" Ec batte ihr Kommen überhört und fuhr erschrocken und halb beschämt empor. „Möchtest du wieder zu deiner Mama?" fragte sie weiter. „Ich habe keine Mama mehr; aber ich denke es mir schön, wenn man noch eine hat." Heino dachte an seine stolze, schöne Mutter, von der er so selten nur einmal eine flüchtige Zärtlichkeit erfuhr, und er sah das kleine Mädchen traurig an. „Nun sage mir, hast du Schmerzen?" klang die sanfte Kinderstimme Wieder, „sag's mir doch, Heini." — Und ihre Weiche, rosige Hand streichelte zärtlich die blassen, dünnen Finger des Knaben, deren durchsichtige Haut deutlich die blauen Adern erkennen ließ. „O, laß nur," stieß er hervor, „cs ist nur weil mich niemand mag, weil ich so schwach, so dumm und so häß lich bin!" „Aber deine Mama mag dich doch, und dein Papa?" kam es verwundert von Linas Lippen. „Ich glaube^ die auch nicht, weil ich doch nicht so viel kann, wie die anderen Jungens," flüsterte da arme Kind. „Aber ich habe dich lieb, hörst du. Heim? Ich will dich immer liebhaben, und du mußt nicht mehr traurig sein, hörst du, Heini? — Weißt du, der liebe Gott kannk alles, und wir wollen ihn jeden Tag bitten, daß er dich gesund und stark machit, wie andere Jungens." Sie faßte Heino mit beiden Aermcken um den Hal- und küßte seine eingefallene Wange. Er errötete vor Freude und wurde verlegen bei diesem, ihm so ungewohn ten Liebesbeweis — dann drückte er ihre Hand und sagte mit fester Stimme, ohne zu stottern: „Wir wollen Freunde sein, Linchen; auch wenn du nur ein Mädchen bist. Ich habe mir immer so sehr einen Freund gewünscht, aber den Jungens bin ich immer zU langweilig, weil ich nicht so laufen, klettern! und springen kann wie sie." . Lina fühlte sich geschmeichelt. ' * I „Ja, von heute ab wollen wir Freunde sein," sagte sic wichtig und fuhr dann nach einer Pause fort: „Warum jagst du Linchen zu mir? Tas Ningt so drollig, — die anderen Memchen sagen immer Lina." „Tu sagst ja auch Heini zu mir, und die andere« Menschen nennen mich dock Heino." > „Tas ist wahr! Ich wollte dir etwas Liebes sagen. Ich finde, Helnr klingt lieber als Heino." . . „Und Linchen klingt lieber als Lina." " - „Nun komm aber zu meinen Kaninchen und zu den Zwerghühnern und Tauben, und meinen Pony und die weißen Ziegen mußt du sehen!" Und beide Kinder! ginge« Hand in Hand Volk einer Sehenswürdigkeit zur anderen. Geduldig wartend blieb das kleine Mädchen neben dem KUaben, der, von der Reise heute besonders ermüdet, oft erschöpft stehen bleiben und Atem schöpfen mußte. Ter große blaße Junge mit den traurigen, müden Äugen tat ihr so leid. Au einem be sonders schönen Punkt im Park, der einen Ausblick auf die Terrasse und einen Teil des stattlichen Schlosses bot, meinte er: „Bei euch ist es sehr schön, viel schöner und größer als bei uns." „Ja, es ist schön hier," erwiderte dw Kleine und fuhr nach einer Panse fort: „Großmama sagt, wenn ich groß bin, bin ich arin, wie eine Kirchenmaus, mrd dann mutz ich von hier fort — aber das ist ja noch lange hin." „Tas glaube ich nicht, dein Papa ist ja ein reicher Gras, da kannst du doch nie arm werden," lautete Heinos Ent gegnung. „Ich verstehe es auch nicht, aber Großmama hat es gesagt. — Weißt du eigentlich, Heini, wie Kirchenmäuse aussehen, und warum sie so arm sind?" „Ich weiß es auch nicht, ick habe auch noch keine gesehen." Tic Unterhaltung der Kinder wurde gestört, man rief sie zum Vespern. Lina bat, man möchte für sie und Herno das Tischchen unter der Linde decken, und da der Graf sah, daß der verschüchterte Knabe mit seinem Töchter chen so zutraulich zu verkehren schien, winkte er seiner Mut ter, daß sie ihre Enkelin gewähren ließ. Und bald schenkte Lina ihrem Gefährten die Milch ein, reichte ihm geschäftig den Teller mit den Honigschnitten, und er ließ sich von ihr nötigen und aß mit Appetit, was er sonst fast niemals tat. — Dann holte sie ihre Bilderbücher, und als nach einiger Zeit der gestrenge Hofmeister nach seinem Zögling sah und ihn erst ungesehen, von ferne beobachtete, konnte er seinen Augen und Ohren nicht trauen, denn der traurige, gewöhnlich so apathische Knabe sprach lebhaft und ohne zu stottern mit seiner Keinen Gefährtin; ;a, eS huschte sogar hin und wieder ein Lächeln über die kranken Züge. Heino war es, als sei er nn Paradies, und er konnte sich an Linas behenden Bewegungen, an ihrem treu herzigen, frohen Geplauder nicht satt sehen und hören. Und dabei fühlte er sich mit Liebe und Wärme umgeben, wie er es nock nie im Leben erfahren. Manchinal glaubte er zu träumen, so sckön erschien ihm alles. * » * „Mit dem Jungen ist ?S ja oar nicht so schlimm, als es die Leute und besonders seine eigenen Eltern gemacht Wben," sagte nach einigen Tagen der Graf zn seiner „Na, ich finde ihn schlimm genug," meinte diese. „Ein Jammerbild ist und bleibt er, und lernen soll er ja durch aus nicht können." „In die allgemeine Form wird man ihn freilich nicht pressen dürfen — danach sind seine Kräfte nicht," erwiderte der Graf. „Uebriaens braucht er aber mehr Sonnenschein, Luft und Freiheit, auswendig und inwendig. Das habe ich dem Präzeptor auch gesagt. Mit Gewalt läßt sich auch die Bücherweisheit nicht nachholen, die durch frühere lange Krankheiten versäumt werden mußte; aber die Haupt sache ist, daß Geist und Herz gebildet wird. Auf etwas mehr oder weniger lateinische und griechische Grammatik darf es hier nicht Einkommen — zumal der arme Junge mit feiner schmalen Brust und dem schwachen Rücken kaum je des Königs Rock wird tragen können. Für ihn kann man keine bestimmten Examina anstrcngen, da heißt es nur, den Charakter stählen und recht vielseitige, werte Interessen wecken. — Ich hoffe, der Präzeptor hat mich verstanden und hört mit seinen tötenden Theorien und Pedanterien auf — dann wird der Junge auch mehr aus sich herauZkommen." „Also du meinst wirklich, daß daraus, noch einmal etwas Vernünftiges wird?" Und die Greisin schüttelte zweifelnd den Kopf. < Ta kam Lina atemlos gelaufen. § > . > - „Ich glaube, Heini ist zu Mel mit mir «gegangen, er Wollte versuchen, auch laufen, und nun ist er ganz matt. Bitte. Papa, ich möchte ihm gern Wein bringen» weißt du, die arme Frau damals, die am Wege lag, weil sie so müde war, die konnte bald wieder gehen, als du ihr Wein gegeben." Ter Graf war bei den Worten seines Kindes in den Garten geeilt und fand seinen jungen Neffen halb bewußt los auf dem Msen an einen Baum gelehnt. Ter Wem tat bald seine Wirkung, und Heino erholte sich. Lächelnd kam es von den blassen Lippen: „Ick wollte so gern ver suchen zu laufen, wie Linchen, aber es ging noch nicht." „Verliere nur den Mut nicht, lieber Sohn, mit der Zeit wirst du schon alles lernen," sagte freundlich der alte Herr, indem er ihn behutsam aufrichtcte. „Siehst dir, Heini, ich hab's dir auch schon gesagt, immer so nach und nach, immer nur ein blßcken, aber nicht so auf einmal!" „Wie kommt es, Kinder, daß ihr euch Heini und Lin chen nennt, so kagk Vocks sonst niemand?" fragte lächelnd der Graf. „Wir finden, daß das lieber klingt," sagte Lina, „da tut es auch," stimmte der Knabe ein. Heinos Eltern hatten bereitwillig die Bitte des Grafeck Waldenstein erfüllt, ihm den Knaben, anstatt der anfang bestimmten Woche, während der ganze« Sommerferien zn überlassen. Endlich kam doch der Abschied, und die Trennung wurde beiden Kindern sehr schwer. Jedoch trö stete sie das Versprechen, im nächsten Jahr oie große« Ferien wieder gemeinsam in Waldstein zu verbringen. * * * «i» „Ich hätte nie gedacht, daß dieser Besuch einen so vorteilhaften Einfluß auf Heino Men würbe," äußerte ine Baronin gegen ihren Gemahl, nachdem ihr Sohn zurück gekehrt war. — Sie wußten nicht, daß das ganze Ge heimnis dieses Einflusses in der Liebe bestand, tne man ihm entgegengebracht, und deren Wärme die Seelenkräfte entfaltet, wie der Sonnenschein den Blumenkelch. Während der nächsten Jahre vergingen für die Kinder die Sommerferien in der gleichen Weise, nild die Freude auf diese Zeit belebte Heino wunderbar. Inzwischen schrieben er und Lina sich hin und wieder kleine Briefe, in denen sie sich ihre Erlebnisse erzählten. Meder war ein Sommer gekommen. Lina war jetzt elf und Heino fünfzehn Jahre all. Diesmal stieg der Knabe nickt mehr langsam und vom Diener unterstützt vom Wagen, sondern er sprang fast elastisch aus dm Boden, und in seinen früher so traurige», dunkle» Augen leuchtete es glücklich auf, als Lina auf ihn zuslog, ihn zärtlich umarmend. Er war sehr gewachsen und mußte sich tief zu der Keinen Spielgefährtin herab beugen. Tas Gefickt war noch immer sehr hager und die Hautfarbe bleich, aber es lag in Blick und Gebärde eine größere Zuversicht, als früher. ; „Linchen," sagte er, als sie allein waren, „wo sind deine Locken geblieben?" und bedauernd strich er über ihren blonden Scheitel. „Ach, du meinst den Zopf?" gab sie lackend zurück, „Großmama meint, ich bin jetzt zu groß für die lose» Haare." „Cckade," sagte er. Tann gingen sie in den Garten und besuchten zusammen die allen Plätze. „Weißt du, Heini," begann Lina, „ich schrieb dir doch; daß jetzt Herr von Rohrbeck auf sein Gut gezogen ist, da» an Daldstein grenzt; sein Sohn ist Kadett, und der hat jetzt auch Ferien und wird gewiß öfter herüberkommen. In den Weihnachtsferien und Ostern tvar er auch manch mal hier. Er tut sehr fein in seiner Uniform und fragt »sich sehr nach dir aus." > Auf Heinos Stirn lag eine Wolke. „Er wollte wohl von dir wissen, was für ein arnrer Schwächling ich hin?" kam es gepreßt von des Knaben Lippen. „Tas weiß ich nicht, aber ich habe ihm gesagt, daß du sehr klug und sehr gut bist, und daß ich dich lrebhabe» wie meinen Bruder, und daß wir beide seit fünf Jahren Freunde sind. Ta hat er gelacht." Sic waren im Pferdestall angelangt, und die neue Ponheguipage wurde besehen und von Heino sehr be wundert. Ter Kadett war bald vergessen. Eines sonnigen Nachmittags ritten Heino und Lin aus den Ponys im Park spazieren, und der zuschaucnde Graf frentc sich an den wachsenden Kräften und dem zu nehmenden Geschick seines Neffen. Ta rollte ein Wa«n, und Herr von Rohrbeck mit Sohn wurde gemeldet. Die jungen Leute wechselten einen Blick, und Heino seufzte. Tie Ponys wurden dem Stallknecht übergeben, und da trat von der Terrasse her der junge Gast schon auf sie zu. Tic Knaben maßen sich mit einem Blick, Lina, rnr weißen Kleid, den runden Strohhut aus den blonde» Flechten, stand zwischen beiden und sah halb verlegen von -ein einen zum andern. „Komm, Heim, laß uns Franz de« Park zeigen, — du lnst ja im Sommer noch nicht hier gewesen," wandte sie sich an diesen. Ter junge Kadett fühlte sich bald als Herr der Situation. Er begann niit Eifer Geschichte« aus dem Korps zn erzählen und wußte alles mit so vielen» Humor vorzutragcn, daß zuweilen alle drei laut auflacken mußte». Mit viel Geschick wußte er sich selber meist als die Haupt person und den Helden der Begebenheiten hinzustellen. Go kamen sie an einen Bach, -er einen Teil des Parke durchschnitt. „O, die schönen Glockenblumen drüben!" rief Ltnol plötzlich, „wenn ich sie doch pflücken könnte!" „Ich lvcrdc sic holen," meinte der Kadett und krem pelte rasch die Beinkleider aus. „Ach nein, Franz! Tn reißt die Blumen immer so kurz mit den Köpfen ab, das habe ich schon einmal ge sehen, als du mir welche pflücktest, und die Stiele müssen ganz lang bleiben." „So pflücke sie dir selbst, Lina!" Und ehe sie eS sich versah, hatte er sie aus sein« Arme gehoben und trug sie durch hen Bach. «Fortsetzung folgt.! ..
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