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Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 25.09.1923
- Erscheinungsdatum
- 1923-09-25
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1666408611-192309254
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1666408611-19230925
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1666408611-19230925
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungRiesaer Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1923
- Monat1923-09
- Tag1923-09-25
- Monat1923-09
- Jahr1923
- Titel
- Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 25.09.1923
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Riesaer G Tageblatt ««d A««eiarr Meblatt mw IMgtH. DicttStng, SS. September 1923, nbenbs 76. Jahr«, S24 tei mekr fran- KrankreichS zunächst ««berührt läßt. Die am 1. Oktober ein tretenden Truppenverfchtebungen und -Ablösungen nach dem besetzten Gebiet bleiben in Kraft. Der Oberste Kriegsrat hat am Freitag beschlossen, die Truppenstärke im besetzte« deutsche« Gebiet auch für das vierte Vierteljahr 1VS3 in gleicher Höhe wie bisher bestehen zu lassen. Zwei SchutzpoliMen in Tüsselvorr erschösse» )i D ü s s»l d o r f, In der Eonutag-Nacht wurden an der Ecke der DolkSgartruttraße und der Lberbilkcc Straß» zwei diensttuende Wachtmeister der Schutzpolizei. Rodert Körnen und Karl Motz, durch mehrere Rcvolverschüne getötet. Alt Töter kommen nach Zeugenaussagen zwei Männer in Betracht, di» nach der Tat in der Ni.-tzluna LcS VolktzgartrnS davonliesen. Anscheinend Haden die Täte» zu einer Gruppe von Männern gehört, dir aus einer Ver sammlung von Eondrrdündlern in M.-Gla.dbach gekommen waren, sich in einer dein Tatort gegenüberliegenden Bast- wirtschast aufhielten, heftige Reden gegen die Berliner Re- gierung und Preußen hielten und Hochrufe auf die rheinische Republik aukbrachten. Einer der Männer zeigte «inen Revolver. Da« OrtS-esetz über di« Gewährung von Aufwandsentschädigungen an di« unbesoldeten Ratsmitglteder und di« Stadtverordneten vom 13. Juli 1923 li«gt vom 27. September 1923 »h 14 Tag« lang zu jedermann« Einsicht im Rathaus«, Zimmer Nr. 3, öffentlich au«. Der Rat der Stadt Riesa, am 24. September 1923. K. Berichtig«»»- »« -estriger Beka««tmachuug über Reichrmietenzuschläg«. Bei de» groben Jnftandsetzung«koften muß es heitzen: 5600» fache Grundmiete. D«: Rat der Stadt Riesa, am 25. September 1923. Lte Münchener Zusammevstötze. )( München. Nach einer Mitteilung der „Mkniideu« Post" sind die Zusammenstöße zwischen Mitgliedern der Bunder „Oberland" und Sozialisten am Sonnabend ernsterer Natur gewesen, al« nach der ersten Meldung anzunehmen war. Rach Eintreten der Dunkelheit wurden im Südvirrtel München« ganze Strahenziige von den Mit gliedern de« Bunder „Oberland" adgespcrct. Es wurde blindlin-S a«S Karabinern und Pistolen geschossen. L>« Straßenbahn mußte den Verkehr einstellen. Tie Anwohner der belagerten Straßenziigr wurden aufgrsordert, dir Finiter zu schließen. Dieser Aufforderung folgten sofort Schüsse. Ma»r drang in Häuser ein, mißhandelte Straften- Passanten und schoh blindlings. Ti« Eisenbahner hatten sich geweigert, am Samttag »inen Sxtrazug mit Kamps- bundmitgliedern, die bewaffnet waren, in« Isartal zu befördern. Klare Befehle de- Retchswehrministcrs. Der Parteiausschnß der Deutschen demokratischen Par. tagte am Sonntag im Reichstag von morgens 9.30 bis in die spülen Abendstunden. Wir werden über die Taguna noch berichten. Im Lause der Erörterung nahm auch Reichs wehrminister Getzlcr zu Ausführungen über die Reichs wehr das Wort. Er gab folgende Erklärung ab: „Sie können sich darauf verlassen: wenn der Ruf kommt, dann wird klar besohlen und klar gehandelt, und ich glaube auch an einen klaren Erfolg." Der Minister warnt« davor, die innerpylitische Gefahr zu unterschätzen, die die nächsten Wochen bringen können, und erklärte, mit seinem Namen und seiner Ehre dafür etnzustehen, daß die Reichs- wehr die verfassungsmäßige deutsche Regierung gegen jeden Angriff, aou* «reich, von welcher Seste er komme schütze» „Renmark", nicht „vodenmark". Der Entwurf zur Erricht««, einer WSHrungSdanIk, der vor kurzrm von der Presse veröffentlicht worden ist, hat «ine Reih« von Aenderungrn erfahren, die von so ein- schneidender Bedeutung sind, daß mit einer wesentlich anderen Struktur der neuen Notenbank ,u rechnen ist. Die Bezeichnung für die neue Geldeinheit n»irtz nicht „Bodenmai-»", sondern „Neumark" sein. Das Ende des Ruhrkampfes. Aufgabe des passive« Widerstandes? Gestern mittag 12 Uhr hatte das ReichSkabluett eine Be» sprech««- mit Bertreter« aller politische« Parteien ans de« besetzten Gebiet. Der Reichskanzler legte die finanzielle Lage des Reiches dar, die bet längerer Weiterzahlung der Ruhr, krebste wirtschaftliche, soziale und innerpolittsche Folgen zei tigen könne und voraussichtlich zeitigen müsse, die von Regie rung und Volk nicht getragen werden könnten. Er gab be- kannt, baß die Bemühungen der Reichsregierung, mit den ehemaligen Feindmächten zu Abmachungen zu gelangen, die Deutschland die Erfüllung seiner hauptsächlichsten Forde rungen — Rückführung der Vertriebenen, Befreiung der Gefangenen, Wiederherstellung der HoheitSrechte an Rhein und Ruhr — schon vor einem Abbrüchen des passiven Wider standes sichern, erfolglos geblieb«« find. Daher "sei auch von der Fortsetzung des passive« Widerstandes kein Ergebnis für eine Besserung der außenpolitischen Lage mehr z« erwarten. In -en an die Darlegungen beS Reichskanzlers sich an schließenden Besprechungen stellten sich die Vertreter der Parteien des besetzte« Gebietes, mit Ausnahme der Deutsch nationalen, geschlossen auf den Standpunkt, daß aus den aus der finanziellen Erschöpfung sich ergebenden zwingenden Gründen für Len Abbruch Les passive« Widerstandes der unvermeidliche Schluß gezogen werden müsse: sonst bestehe die Gefahr, daß der passive Widerstand, der eine wirksame Waffe gegen den rechtswidrigen Einbruch war, zu einer Waffe gegen das eigene Volk werde. Die anwesenden Ver treter von Rhein und Ruhr würden es übernehmen, die Be völkerung der besetzten Gebiete zur geordneten Arbeit zu rückzuführen. Nachdem die politischen Parteien ihre Erklärungen abge geben hatten, stellte der Reichskanzler fest, daß die Verant wortung für den Entschluß zum Abbau des von der Rhein- und Ruhrbevölkerung seit neun Monaten geführten passiven Widerstandes allein von der Reichsregierung getragen werde, und er sprach gleichzeitig den Vertretern der Parteien seinen Dank für die Bereitwilligkeit aus, bei der Turchfüh- rung der nun notwendig-werdenden Maßnahmen mitzu- rotrken. Am Nachmittag hatte im Reichskanzlerhause ein großer Kreis von Vertretern der Wirtschaftsgrnppe« «ud Berufs stände der besetzten Gebiete eine Zusammenkunft mit den Mitgliedern des Reichs- und Les preußischen Kabinetts. Der Reichskanzler gab den Anwesenden von der einmütigen Auf fassung der Reichsregierung über die Notwendigkeit der Stillegung des passiven Widerstandes Kenntnis. Hiergegen rourde von keiner Seite Widerspruch erhoben. Vertreter aller anwesenden Gruppen sprachen sich zu der eiuzuschlagenden Art des Abbaus aus und äußerten ihre Wünsche hierzu im Interesse der Bevölkerung von Rhein und Ruhr. Ueberein- stimmung herrschte darüber, daß die Wiederaufnahme der Arbeit geschloffen nach einheitlichen Richtlinien erfolgen und ein Sondervorgehen einzelner Gruppen unbedingt unter bleiben müsse. Zum Schluß betonte der Reichskanzler, die Neichsregieruug werbe auch weiter an ihren Zielen — Rück, führung der Vertriebenen, Befreiung der Eiugekerkerten und Wiederherstellung der Hoheitsrechte an Rhein und Ruhr — unter allen Umständen sesthalten. Die Versammlung endete mit einem starke» Bekenntnis zur inneren, und äußeren Einheit des Reiches. Berliner Blätter über die Besprcchuügen. Die Mitteilung über die gestrigen Besprechungen der Neichsregieruug mit den Vertretern des besetzten Gebietes über den Abbau des passiven Widerstandes wird von einem große« Test der Presse ohne Kommentar wiedergegeben. Von den deutschnationalen Blättern äußert sich nur die „Deutsche Tageszeitung", die ihr Urteil in die Worte zusammenfatzt: Tie neue Regierung ist setzt sechs Wochen am Ruder. Das bisherige Ergebnis ihrer Politik ist nach außen ein nicht mehr zu verschleierndes Fiasko, nach innen kaum besser, nämlich ein Nichts. Das „Berl. Tageblatt" rechtfertigt den Beschluß der Neichsregterung über den Abbau des passiven Widerstandes mit dem Hinweis auf die gewaltigen Mittel, die dieser Kampf verschlinge und die nicht länger zur Bersügung ständen. Habe Loch die letzte Woche allein 3000 Billionen Papiermark ge kostet, eine Zahl, die in rascher Progression von Tag zu Tag steigen würde. Wenn Deutschland jetzt den passiven Widerstand abbricht, so schließt das Blatt, so hat es zwar eine Schlacht verloren: der Kampf mutz aber weitergehen, der Kampf um die Wiedergewinnung des deutschen Bo dens, um die Wiederherstellung der deutschen Souveränität, um die Behauptung der deutschen Einheit. Die „Bossische Zeitung" schreibt: Die amtliche Erklärung bedeutet einen Abschluß und einen Anfang. Sie sagt ohne Umschweife, was ist, und zeigt einen Mut zur Verantwortung, der leider in früheren kritischen Tage» des Deutschen Ret- cheS gefehlt hat. DaS Kabinett Stresemann hat in der knapp bemessenen Zeit, die ihm gegeben ist, alles versucht, nm die abgestumpfte Waffe Les passiven Widerstandes so wirksam nvie möglich zu gestalten im Interesse der Kämpfe an Rhein und Ruhr. Das Ergebnis dieser Bemühungen war negativ. Fortdauer der Besetz««-. Der „TempS" meldet, daß die sich anbahnende Ver- ltärkdiaurul 4» -er Ruüriraae die «UiststLLen MatznaLnve» Propaßimda sür etne rheinische Republik. Zusammenftöfte in Wiesbaden. Wie in anderen Städten des RheinlandeS in der letzten Zeit, so wurde auch am vergangenen Sonntag in Wies baden eine Versammlung der Rheinischen VolkSvereinigung zur Propaganda sür eine rheinische Republik abgebalten. Schon am Vormittag durchzogen Patrouillen die Stadt In den NachmittagSstnnden wurde dir ganze Umgebung des Kurhauses abgesperrt. Gegen 3 Ubr kam rin Zug von Babnbof, der eine grün-wriß-rote Fahne mitführte und sich zum Kurbause bewegte. Zu Beginn der Versammlung war der große Saal des Kurhauses ziemlich voll besetzt. Rent meister Timon aus Franenftein begrüßte die aus der Pfalz aus Rheinhessen, ans Nassau und dem Rheiugau erschienener Mitglieder und erklärte, die Nbeinische Palksvereinigung könne unmöglich länger dulden, daß von Berlin eine Un menge Geldes zur Unterdrückung der rheinischen Bewegung l!) verschleudert werde. Darauf richtete der Sevaratilteniührer Matthes heftige Angriffe gegen die Berliner Regierung und stellte folgende Forderungen auf: Rheinische Währung hinreichende Versorgung mit Lebensmitteln, Steuern nut Abgaben müßten im Lande bleibe», Bildung eines rhei nischen WirtschaltSrats, nur noch rheinische Beamte, rhei nische Eisenbahnen und rheinische Post. Tie ScbiuhanipcaLe hielt Tr. Torten, der den Willen zur Bcrwhnanz mir Frankreich nnd Belgien in den Vordergrund ucllie. Noch Schluß der Versammlung zogen die ouSwärticicu Teilnehmer zum Bahnhof. Auf dem Wege dorthin kam er in der Wilbetmstraße und in der Kaiferstraßc zu Zniainmenstöf-en. Tic Hochrufe auf die rheinische Republik wurden in:r Gegen demonstrationen beantwortet, wobei es zu Tätlichkeiten kam. In der Wilhelmstraße wurde ein junger Mann blutig geschlagen. In der Kanerstratze wurde mehrfach geschossen; dabei wurde rin junger Mann schwer verwunde: Viele Verhaftungen wurden vorgenommen. Falsch« Gerüchte über Bildung einer rheinische» Nevublil. Gerüchte, die vor allem im besetzten Gebiet umlaufen und sogar in die Presse Eingang aefnnden hoben, bebaupten, daß die Bildung einer rheinischen Republik die Billigung der Reichsregierung finde. ES braucht n cbt betont zu werden, daß diese Gerüchte jeder Grundlage entbehren. ES liegt auf der Hand, daß ihre Verbreiter damit nur den Zweck verfolgen, ihren reichsfeindlichen Sond:r!nterc''':r zu dienen. Brtngrrlohn. Für den Fall de» Eintreten» von Produktion-Verteuerungen, Erhöhungen der Löhne und Materialienpreise behalten wir uns das Recht der Preiserhöhung und Nachfordcrung vor. Anzeiger für die Nummer he» Ausgabetage» sind bi« S Uhr vormittag» aufzugeben und im voraus zu bezahlen; ein« Gewähr für da» Erscheinen an bestimmten Tagen und Plänen wird nicht übernommen. Grundpreis sü- die LS nuv breite, 3 mw hohe Grundschrist-Zeile (6 Silben) I'-O Mb: die SS mm breite Reklamezeile 400 Mb; zeitraubender und tabellarischer Satz 50«/-Aufschlag. Ter jeweils zur Berechnung gelangend, Zeilenpreiü ergibt sich au» vorstehenden Grundzahlen vervielfältigt mit der am Tage der Ausnahme gültigen Anzeigenschltissclzahl. Fest« Tarife. Bewilligter Rabatt erlischt, wenn der Betrag versällr, burck Klage eingezogen «erden muß oder der Auftraggeber in Kontur« gerät. Zahlung«, und Erfüllungsort: Riesa. Achttägige Unterhaltungsbeilage „Erzähler an der Elbe". Im Falle höherer Gewalt - Krieg oder sonstiger irgendwelcher Störungen de» Betriebes der Druckerei, der Lieferanten oder der Beförderungseinrichtungen — hat der Bezieher keinen Anspruch auf Lieferung oder Nachlieferung der Zeitung oder auf Rückzahlung de» Bezugspreise«. Rotationsdruck und Berlag: Langer t Winterlich, Riesa. Geschäftsstelle: tzioethestratze 5S. Verantwortlich für Redaktion: Heinrich Uhlemann, Riesa: für Anzeigenteil: Wilhelm Ditteich, Rieia.Tchlüsselzehl: 30909. und Anzeiger Meblatt uns Anzeiger) Drahtanschrift» Tägedkast Riesa- - .Postfcheckkoyto; Dresden 1§3L Fernruf Nr. -0. Das Riesaer Tageblatt enthält die amtlichen Bekanutmaqmrgeu Girokalle Riesa Nr 52. der AmtShauptmanuschaft Srokerchain, des Amtsgerichts, der AmtSanwaltschaft beim Amtsgerichte und des NateS der Stadt Riesa, des Finanzamts Riesa und des HauvtzollamtS Melken, sowie des KemeinderateS «röbq. Der Retter. WLtu». nar Deutschland den passiv«^ stand versuchen müssen? Und warum kann es ihn nicht fortsetzen? Auf beide Schicksalsfragen hat Poincars in seinen letzten SonntagSredcn treffender, als es wahrschein lich seine Absicht war, geantwortet. — Tie erste Antwort ist in den Sätzen enthalten, mit denen der französische Ministerpräsident zu beweisen versucht, das; Frankreich die Großmut, die er für den Ruhrsricden anfündigen ließ, schon früher geübt habe. Allerdings nicht ganz freiwillig. Wärbn nicht, fragt Poincars, die Berbandsmäckste im Herbst 1918 im Stande gewesen, ihren militärischen Sieg zu ver vollständigen, und hätte Frankreich nicht damals schon ap den Rhein, Über den Rhein gehen können? Möglich. Wenn aber Poincars sein Bedauern über diese Versäumnis ganz offen kund gibt, so spricht er aufs Klarste damit auS, warum das deutsche Reich im Januar VleieS Jahres den Widerstand aufnehmen mußte: „Um, soweit es in deut schen Kräften stand, zu verhindern, daß Frankreich nach holte, was es einige Jahre früher höchst ungern unter lassen hatte. Ta jedoch die Beschlüsse von Versailles nicht zu ändern sind, und da sogar der neue Sieg der zösischcn Zähigkeit die Wirkungen des Widerstandes uichr völlig hat auslöschen können, wendet sich Poincars nun mehr den kommenden Tingen zu und warnl, fast in der Haltung eines Retters, das deutsche Volk vor dem „Ab grund". Auch das ist ein Geständnis; und es ist zugleich die Aniwort auf die zweite Frage., Teutschland ist un-ähig geworden, den passiven Widerstand forizuiühken, weil seine Finanz- und Wirtschaftslage das bei uns schon abgebrauchte, in dem Munde des französischen Ministerpräsidenten im merhin auffällige Gleichniswort „Abgrund" in der Tat rechtfertigt. Und es ist in diese Lage geraten, weil Frank reich eine Würgevolitik trieb, deren furchtbare Ergebnisse durch dis nicht zu leugnenden schiveren Fehler deutscher Finanzwirtschast nur verstärkt werden konnten, nicht ur sprünglich verschuldet wurden. Poincars gibt das zu, indem er betont, daß Deutschland noch hart am Rands des Ab grundes dem Sturz entgehen könne, wenn es sich den französischen Forderungen füge; sonst sei es allerdings nicht zu reiten. Tas bedeutet doch wohl, daß Poincars mit voller Berechnung wartet, bis ver Abgrundrand tat sächlich erreicht ist, und bis Teutschland zwischen diesem Rand und dem Verfolger keine Schnittweite Raum mehr behält. Was aber soll Teutschland tun, um die Ratschläge seines neuesten Retters zu befolgen? Poincars sagt: den letzten Rest des Widerstandes beseitigen, die Weisungen der französischen Neujahrsdenlschrift und des „Gelbbuches" ausfükren, überhaupt zahlen. Tabei unterläuft dem fran zösischen Ministerpräsidenten der sonderbare Widerspruch, baß er das heutige Teutschland als eines dec immer noch reichsten Länder bezeichnet. Ein reiches Land stünde dock wohl selbst dann noch vor keinem Abgrund, wenn es, bet zerrütteten Staatsfinanzen, von einem Gläubiger von der Härte des französischen bedrängt würde. Sozialistisch ge richtete französische Blätter haben diesen Widerspruch denn auch sogleich erkannt und fragen den Ministerpräsidenten, welche Zahlungsfähigkeit er einem seit 1918 unvergleich lich erschöpfteren Teutschland für die nächsten Jahre denn zutraue? Solche Kritik hätte in Frankreich freilich geringe Wirkung, wenn nicht der wirtschaftspolitische Antipode der Sozialisten, der Großkapitalist Loucheur, in anderer Form genau das Gleiche sagte. Loucheur, dessen Acußerungen neulich in der französischen Presse wiedergcgebeu wur den, unterstützt natürlich die Politik Poincarss, denen Ein bläser er in wirtschaftlichen Tingen sogar zu sein scheint, erklärt die Schaffung eines neuen deutschen Gelbes und die Ordiiung des Staatshaushaltes für verhältnismäßig leicht, nennt die Währungsvernichter mit Hilfe der Noten presse ein Verbrechen, wiederholt die bekannten Vorwürfe gegen einen Staat, der sich durch künstliche Schulvenver- nichtung „bereichert" habe — setzt aber hinzu, daß dteS auf Kosten des „ruinierten" deutschen Mttelstanbes ge schehen sei. Eine Wirtschaft aber, die in einem so wesent lichen Teil ihrer Träger verarmt und beinahe vernichtet ist, kann unmöglich gesund und unvermindert leistungs fähig sein. Tas wird Poincars bei seinen Deutsckilandret- innaSabsichten doch wohl erwägen müssen.
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