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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 13.05.1904
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-05-13
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040513021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904051302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904051302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-05
- Tag1904-05-13
- Monat1904-05
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Aus Sachsen.) * P r inzJoachimAlbrechtvonPreußen, der zweite Sohn des Prinz-Regenten Albrecht von Braun schweig, wird demnächst mit einem Verstärkungstransport die Ausreise nach Südwestafrika antreten. * Die Bäckereiarbeiter in Bilbao in Spa- nien find in den AuSstand getreten; die Arbeit in den Bäckereien wird von Soldaten aus den Militärbäckereien besorgt. Gendarmerie-Patrouillen durchziehen die Straßen. * Bei Gyantse hat einneuer Kampf zwischen Engländern und Tibetanern stattgefunden. (S. Asien.) * Die Russen sollen die Hafenanlagen in DalnyindieLuftgesprengt haben. (S. russ.- jap. Krieg.) kine polenclebattr. Im preußischen Abgeordnetenhause hat wieder einmal eine Polendebatte stattgefunden, denn es lag dem Hause die erste Beratung des Gesetzentwurfes, betreffend die Gründung neuer Ansiedelungen, vor, der im wesentlichen dazu bestimmt ist, der Durchkreuzung der Germani- sierungspolitik, wie sie seit Jahren durch die polnischen Parzellierungsbanken erfolgt ist, für die Zukunft vorzu beugen. Unseren prinzipiellen Standpunkt haben wir bereits ausführlich dargelegt, als die Vorlage zum ersten Mal von der Regierung angekündigt wurde. Wir er blicken in ihr einen Akt berechtigter Notwehr, für den man die Verantwortung insofern ablehnen darf, als er ledig- lich die natürliche und unerläßliche Reaktion gegen die polnische Bewegung ist. Wir halten es nicht für nötig, den Haarspaltereien nachzugehen, mit denen Freunde unb Gegner der Vorlage darüber streiten, ob sie ein Aus nahmegesetz ist oder nicht. Wir geben gern zu, daß man den Gesetzentwurf als ein Ausnahmegesetz bezeichnen kann, aber wir ziehen es vor, uns mit dem Inhalt und nicht mit der Form zu befassen, denn dieser Einwand ist wirklich lediglich formell. Kein verständiger Mensch kann leugnen, daß das individuelle Recht, Eigentum zu er- werben, in dem Interesse der Gesamtheit seine Grenze findet. Das Interesse der deutschen Nation fordert aber gebieterisch, daß der Grund und Boden der Ostmark in deutschen Händen verbleibt, und daß der deutsche Grund besitz in den durch das Slawentum bedrohten Provinzen gestärkt werde. An diesem Interesse der deutschen Ge samtheit findet daS Recht des einzelnen, mag er nun ein Deutscher oder ein Pole sein, seine Grenze. Wir können und wollen in den östlichen Provinzen nur solche Grund besitzer dulden, die national zuverlässig sind. Der deutsche Name genügt uns nicht, wir fordern auch die deutsche Ge sinnung. Von diesem Standpunkte aus können wir die leidenschaftlich erregten Ausführungen des Zentrums abgeordneten Roeren lediglich mit kühlem Bedauern zur Kenntnis nehmen. Neue Gesichtspunkte brachte dieser Polenfreund, der fanatischer als die wildesten Agitatoren der Polen selbst ist, nicht in die Debatte. Interessant war nur die außerordentliche Schärfe, mit der er gegen die immer so gefällige und liebenswürdige Negierung zu Felde zog, und daneben auch die Betonung, daß es sich „um Glaubensgenossen handle, die durch andere Per sonen verdrängt werden, die nicht katholischen Glaubens seien". In diesem Satze liegt der Schlüssel zu der polnischen Politik des Zentrums, und auch hier tritt es wieder hervor, daß das Zentrum eine religiöse Partei ist und in erster Linie von kirchlichen Standpunkten geleitet wird. Das nationale Empfinden kommt in zweiter Linie. Es war bedauerlich, daß die Regierung keinen besseren Verfechter für ihre Position hatte, als den Frei herrn v. Hammerstein, dem nun einmal die apollinische Gabe des Vortrages gänzlich versagt ist. Er begann da mit, daß er die etwas triviale Wendung gebrauchte, der Vorredner habe „den Mund zu voll genommen"; der Lärm, der hierauf im Zentrum und bei den Polen los brach, veranlaßte den Minister, seinen Ausfall zurückzu nehmen. Darauf begann er, den Inhalt des Gesetzes mit juristischen Klügeleien zu rechtfertigen, die dem Abgeord neten Rocren, der von „halsbrecherischen Inter- pretaionen" gesprochen hatte, wirklich nur recht gaben. Unseres Erachtens hätte der Minister die politische Seite der Frage in den Vordergrund stellen und das Gesetz ohne weiteres als ein Ausnahmegesetz anerkennen sollen, wie es nachher Herr v. Podbielski tat. Vor kurzem hat Herr Professor vr. Herkner in Zürich in einem Auf sätze ,,Die nationale Bedeutung des deutschen Bauern- standes in Böhmen" nachgcwiesen, daß die Stellung der Deutschen in diesem Lande vorzugsweise dadurch bedroht wird, daß sie die Grundlagen ihrer wirtschaftlichen Existenz in erster Linie in der Industrie suchen müssen. Dort wie hier liegen dieselben Verhältnisse vor, wenn man sic in großen Zügen betrachtet. Tort wie hier muß die bäuerliche Bevölkerung gestärkt werden, wenn das Land uns erhalten bleiben soll. Wird diese Politik konse quent fortgesetzt, so ist ein Mißerfolg so ziemlich ausge schlossen. Allerdings aber ist es notwendig, daß ganze Arbeit gemacht werde, und das kann nur geschehen, wenn der Grunderwerb der Polen in eine unschädliche Bahn gelenkt wird. Hierzu jedoch sind nur dann die Mittel gegeben, wenn der Gesetzentwurf in den beiden Häusern des Parlaments zur Annahme gelangt. Der rurrircst-ispsnircste Krieg. A«s der südlichen rNantschrrrei liegen brüte mehrere Telegramme von höheren russischen Offizieren vor, die erkennen lassen, daß sich die Javaner langsam, aber stetig, von Fönghwangtschöng aus nach Norv- westen und SUdwesten ausdehnen, wobei es zu gelegentlichen, aber nicht bedeutenden Zusammenstößen gekommen ist. So berichtet Generalmajor Eh ar ko witsch unter dem 11. d. M. an den Generalstab: Am 9. Mai zeigte sich im Tale des Sedsyho, eines linken Nebenflusses de- Tajangho, die japanische Borhut. Eine bedeutende japanische Abteilung fährt fort, Luanmiao auf dem linken Ufer des Tajangho, 1L Werst nördlich von Takuschan, zu besetzen; eine andere, rin Bataillon und eine halbe Eskadron starke Abteilung befindet sich etwa 8 Werst nördlich von Takuschan. Eingegangenen Nachrichten zufolge stand eine japanische, 10000 Mann Infanterie und KO Geschütze starke Abteilung am 10. Mai in Saiidsaipudsa auf dem linken Ufer de- Tajangho, 30 Werst nördlich von Takuschan, und rückten am 11. Mai nach Sinian vor. Wie unter dem 10. Mai berichtet wird, rückte nun von den japanischen Divisionen, anscheinend die Garde-Division, au- Föngh. wangtschöng auf dem Wege nach Haitscheng vor. Gegen eine Division Infanterie mit 40 Geschützen und 1500 Mann Kavallerie sollten auf dem Wege Fönghwangtschöng-Samadsi vor gehen. Bis jetzt ist in Ruandiandsian die Borhut dieser Abteilung gesehen worden, bestehend aus einem Bataillon Infanterie, drei Eskadronen, sowie einer Gebirgsbatterie. Meldungen vom 7. Mai zufolge hatten die japanischen Truppen in der Nähe von Föngh wangtschöng in zwei Abteilungen Stellungen genommen, die erste einen Tagemarsch nach Südwesten von Fönghwangtschöng, die zweite am Unterlaufe des Tajangho, die an demselben Tage den Uebergang über diesen Fluß begann. — Ueber die von dem Gegner bei Pitsewa gelandeten Streitkräfte liegen keine genauen Angaben vor. Nördlich vom Kap Terminal sind 30 japanische Transportschiffe gesehen worden. Aus den übrigen Gebieten werden keine Berändrrungen gemeldet. Auf der Halbinsel Liautung landen die Japaner fort gesetzt neue Truppen in der nicht zu verkennden Absicht, diese nach SUdwesten vorzuschieben und dadurch den Port Arthur und Dalny zu Lande abschließenden Truppengürtel immer mehr zu verstärken. Generalmajor Charkewitsch meldet darüber unterm 11. d. M. an den Generalstab: Am 9. Mai erschienen auf der Höhe von Pitsewa und Eap Terminal 60 japanische Transport- und Kriegsschiffe. Zur Feststellung der feindlichen Streitkräfte und der Absichten de- Gegners wurden Frei- willigen-Abteilungen ausgesandt, diese stellten fest, daß die Japaner südlich der Mündung des Flusses Schanese, 1k Werst von Pitswa, gelandet waren, ihre Zahl betrug 10000. Dir russische Be- völterung verließ Pitsewa. Eine russische Abteilung stieß gegen Abend auf den Feind, der in der Ueberzahl war, wich diesem aus, wurde 8 Werst weit von den Japanern verfolgt und hatte nur geringe Verluste. — Die Japaner sandten am Abend des k. Mai eine gegen 2 Regimenter starke Abteilung nach Jandsiafaa, westlich von Pitsewa, sowie 2 Abteilungen in der Richtung nach Süden und Westen vom Landungsplatz. Am 6. Mai 8 Uhr morgens zeigten sich Strrifwachen bet Pulandian. Hierauf rückten Jnfantrrieabteilungen vor, die ein ergebnisloses Feuer auf einen nach Norden fahrenden Postzug eröffneten. Am 7. Mai räumten die Japaner Pulandian, wahrschein lich au- Furcht, abgrschnitten zu werden, da ein Eyklon »u wüten begonnen hatte. Am 8. Mai nahm eine kleine russische Kavallerieabteilung Rekognoszierungen nach der Station Ssanschili, südlich von Pulandian, nach Pitsewa und Wafandian vor; sie legte im Laufe des Tage- 85 Werst zurück. An der Bahnlinie zeigte sich der Feind nicht. Chinesischen Angaben zufolge sind im ganzen 20 000 Japaner mit Artillerie gelandet. Am 9. Mai griff eine japanische Abteilung den russischen Vorposten bet einem Dorf, südlich der Schanese-Mündung an; vier Mann von der Grenzwache wurden getötet, acht verwundet. Am 10. Mai zogen sich die japanischen Abteilungen von der Eisenbahnlinie zurück. Ein Oberstleutnant des 4. EisenbahnbataillonS ließ die Bahnstrecke nach Port Arthur ausbessern. Am 9. und 10. Mai besetzte die japanische Vorhut da» Dorf Mutsiatun und das Dorf Siddiatin. Andere Vorposten de» Gegners nabmen 10 Werst westlich von Pitsewa Stellung. Eine feindliche E-kadron näherte sich Wafandian auf 20 Werst, kehrte aber um, al- sie einer russischen Streifwache begegnete. Da- Dorf Tansiatan wird vom Feinde besetzt gehalten. Auf eine kleine russische Streifwachr, die sich am 10. Mai Pitsewa näherte, wurde ein Geschützfeuer eröffnet. Die Wiederherstellung der Bahnlinie nach Port Arthur ist übrigens, wie auch von russischer Seite zugegeben wird, ist von kurzer Dauer gewesen, denn nach dem „B. T." ist das letzte Telegramm des Statthalters Alexejew über die Wiederherstellung der Bahnverbindung mit Port Arthur nicht vollständig veröffentlicht worden. Au» dem Schlußsatz geht hervor, daß sich die Japaner 20 km südlich von der Bahnlinie nach Bidorwo zurückgezogen haben, wo die Konzentration der gelandeten Truppen und die Ausladung der Belagerungsgeschütze vor sich geht. Vie Hafenanlage ve« Dalny zerstört? In den letzten Tagen wurde schon berichtet, man hätte aus der Gegend von Port Arthur fortgesetzt heftige Explo sionen gehört. Man wollte daraus schließen, daß die Russen in Port Arthur ihre Kriegsschiffe zerstörten, um sie nicht bei der zu erwartenden Einnahme von Port Arthur in die Hand der Japaner fallen zu lassen. Es wäre da» ein etwa- vor eiliges Beginnen gewesen, da es jetzt noch gar keinen Zweck hätte. Plausibler klang eine andere Erklärung, wonach di« Detonationen von den Versuchen der Russen herrühren sollten, die vor der Hafeneinfahrt von Port Arthur durch die Ja paner versenkten Schiffe zu sprengen. Jetzt kommt eine dritte Erklärung, die wir aber trotz der Bestimmtheit, mit der sie auftritt, nur mit allem Vorbehalt wiedergeben. Danach soll der Statthalter Alexejew an den Kaiser telegraphiert haben, die Russen hatten die Dock- und Quai- rn Dalny in die Luft gesprengt, um den Japanern die Landung zu erschweren. Nach späteren Telegrammen sollen die ganzen Hafenanlagen von Dalny zerstört sein. Der russische Angriff auf Andsch«. Ueber den Angriff der Russen auf Andschu am 10. d. M. wird von japanischer amtlicher Seite gemeldet: Die Truppenabteilung, welche Andschu angriff, gehört« der Kolonne an, die unter dem Befehl de- General- Mandaritoff steht. Die Kolonne setzt sich zusammen au- SVO TranSbaikal- Kosaken und 100 Ussuri-Kosaken, sie kommt au- Liaujang und ist täglich 25 Meilen marschiert. Gefangene versichern, daß sie nur Lebensmittel für 12 Tage habe. Feuilleton. Die Geschichte einer Glücklichen. 2j Eine Novelle. Von Gabriele von Lieres und Wilkau. Nachdruck verboten. Gegen Abend langte ein nicht allzu heiter blickender Wanderer vor einem Wirtshause an, das am Anfang eines im Grün von Obstbäumen, Nadelholz und Birken aufsteigenden Gedirgsoorfes lag. Er verlangte ein Nachtlager und nahm, dis dieses hergerichtet wurde, im Vorgärtchen Platz. Von den Lannen am Berghange wehte Harzgeruch herüber. Dem Gaste Gesellschaft zu leisten, nahte der Wirt. Bald stellte es sich heraus, daß der Mann aus Bechtau stammte, woher der Fremde so eben kam. Noch nicht lange von da fort, war er mit allen Einwohnern des Ortes und deren Geschichte ver- traut. Er nannte auch die Familie Wendt. „Das ist ein über alles Lob erhabenes Mädchen, die Liefe!", sagte er, bedächtig einen Zug aus seiner Pfeife tuend. „Sie ging mit meiner Tochter zusammen in die Schule und ist auch nachher befreundet niit ihr geblieben. Und die Lugend wird ihr nicht leicht gemacht. Um sie her ein ewiges Hin und Wider von jungen Lehrern und Seminaristen, und die Mutter ist tot. Aber was ein tüchtiger Baum ist, der gräbt tiefe Wurzeln, und rechte Herzensreinheit ist nicht auSzurotten." Ludwig hörte mit innerlicher Bewegung zu. Ein Aufatmen ging durch seine Brust. Nein, sie war nicht leichtfertig, die Liefe! I Hatten Manfred» rasch eroberte Rosen doch einen Zweifel gegen sie in sein Gemüt gesenkt, io zerstreuten die Worte des Alten diese wieder. Der junae Mediziner gelangte plötzlich zu der Ueber- zeugung, daß der Gasthof, in welchem er sich eben befand, der beste Ausgangspunkt für weitere Wanderungen sei. So mietete er sich in ihm ein, streifte am Tage in den Bergen umher und sah am Abend mit dem Wirt zu- lammen, der mit ihm von dem und jenem, von Bechtau und zuweilen auch von Liese! redete. Und namentlich wenn dies letztere der Fall gewesen, ward eS dem Studenten stets freier zu Mut. Sie besaß dennoch Charakter, die Liesell Charakter und feste, strenge Grundsätze! Ei freilich: nie hatte er im Ernst daran gezweifelt! Die Zuversicht befestigte sich in ihm, daß dies vortreffliche Mädctjen den schönen Manfred bei feiner deutlicheren Annäherung mit einem gewaltigen Korbe heimschicken werde. Am achten Tage wanderte Ludwig nach Bechtau zu- rück. Sein Herz war fröhlich; mit seiner Baßstimme sang er den „Schwarzen Walfisch von Askalon" und andere Lieder vor sich hm. Die Vögel sangen auch, die Sonne lachte, alle Schatten und Sorgen waren von der Erde verschwunden. Wenn alles gut, das hieß, wenn es so ging, wie er selbst es für gut befunden hätte, dann wollte Ludwig im Herbst wieder eine Ferienreise nach Bechtau machen . . aber ohne Manfred! Daß Liefet nur ein schlichtes Kind des Volkes war? Ah, die Liebe schmückt mit Krone und Purpurmantel I Und so viel Prunk brauchte der angehende Doktor bei der Erwählten seines Herzens ja schon gar nicht. Nach Sonnenuntergang kam der Student in Bechtau an. Im Gasthaus, wo er Manfred zu finden erwartete, herrschte reges Leben, das mit dieser Abendstunde hier zu erwachen pflegte. „Der Schlüssel hangt unten", bemerkte der Kellner, der Ludwig im Flur entgeaentrat. „Aber Herr Richter ist ausgegangen. Herr Richter geht um diese Zeit immer aus." Im rasch geöffneten Zimmer erwartete der Zurück- gekehrte mit Ungeduld den Freund. Mit einem Male war er wieder überflutet von sorgenschwerer Bangigkeit. Und Manfred kam nicht. Von unten trug die laue Abend luft Stimmen und Gelächter zu dem Einsamen herauf, draußen sank die Dämmerung immer tiefer. Der Mediziner nahm seinen Hut und ging nochmals aus. Planlos dahinwandelnd, gelangte er in die sich rund um den ehemaligen Burgwall des Städtchen« ziehenden Anlagen. Hier duftete der Flieder, der Mond weckte magische Lichter auf dem stillen Wasser des Leiches. An allen Ecken und Enden irrten schwär mende Pärchen, beim Anblick des Herannahenden meist schüchtern die Flucht ergreifend. Martius schritt weiter und weiter ins Freie. Eine Allee von nicht viel mehr als mannshohen Bäumchen führte ihn endlich in ein Gehölz. Dort angelangt, fand es der Wanderer völlig menschenleer, still und düster. Die Zweige wuchsen über dem Stege ineinander. Die Wipfel rauschten, fernher tönte das Lied der Nachtigall. Dem Klange nachgehend „Also morgen mit dem Frühzuge?" „Mir recht." Sie schwiegen aufs neue, bis der Mediziner mit trockenem Tone begann: „Gedenkst du vorher noch von dem Mädchen Abschied zu nehmen?" „Du weißt?" Manfred fuhr herum. „Du ver mutest!" verbesserte er sich dann nach einem Blick in des Gefährten unbewegtes Antlitz. Und knapp fügte er nur noch hinzu: „Nein." Martius blieb stumm. Als am anderen Morgen der Bahnzug sie fort vom Städtchen trug, als dessen Türme und die waldigen Um gebungen in i)er Ferne verschwanden und Manfred sich auf seinen Sitz zurückwarf, begann Martius doch noch einmal: „Ich bewundere deinen leichten Sinn und wünsche dem armen Mädel einen Teil desselben." Manfred fuhr herum, dem Freunde ins Gesicht starrend. „Ich bitte dich, soll ich sie vielleicht heiraten?" fragte er scharf, „dies Mädchen aus den einfachsten Ver hältnissen und mit dem Bildungsgrad der Volksschule ... dies Mädchen, welches das Gelo nicht hat, über das meine zukünftige Frau nun leider doch einmal verfügen muß . . .! Soll ich die vielleicht heiraten? Ich bitte dich, verschwende dein Mitgefühl nicht an diesen Fall! Möchtest du die Konfusion verantworten, wenn jedes Mädchen geheiratet werden sollte, dem man einmal Ge fallen bezeigt hat! Mensch, Philister, willst du denn alle Jugendpoesie ersticken! Vielleicht weint Liefe! mir einige Tränen nach, ^a! Aber wenn in Wochen oder Monaten irgend ein Spießbürger kommt, der sie zur Frau haben will, wird sie ihm jetzt ebenso gern die Hand reichen, als wenn sie mich nie zuvor gefehen hätte. Ich glaube schon, daß sie mich genommen haben würde. Doch daß sie bestimmt ernste Absichten bei mir voraussetzte, das glaube ich nicht, und es wäre töricht und anmaßend von ihr, hätte sie es getan. Denn sie kennt die wirk- lichen Verhältnisse des Lebens. Sie ist kein Pensions- fräulein, daS absichtlich in idealer Unkenntnis der Wirk lichkeit erhalten wird, sondern ein Kind aus dem Volke, da« mitten im Leben steht und da« in seiner Lebens kenntnis einen Ersatz für die Bewachung hat, welche ihm von außen nicht zu teil wird. Lehre mich die Menschen kennen . . .1" * * * Die Reisegefährten befanden sich wieder in Bre-lau. Sie gingen ihrem Beruf, ihren Studien nach wie früher. Aber der Verkehr zwischen ihnen war nicht mehr der gleiche. Ludwig hatte gegen Manfred eine Ge- reiztbeit, eine Abneigung in sich, die ihm den Anblick de« einstigen Vertrauten zur Zeit un erträglich machten. Es war fast, als ob dem Medi- kam Ludwig an eine Lichtung. Quer über sie weg sprang ein schmales Rinnsal über Kiesel fort zu Tale; wie Silber lag das Mondlicht über dem Grase des freien Platzes. Und hier war es nun so hell, daß der Student die Blätter am Aste zählen und jede Bewegung des Vogels verfolgen konnte, der eine Strecke hin in den Zweigen fang. Seitwärts im Gebüsch versteckt stand eine Bank; da ließ Ludwig sich nieder, und, durch die Stille umher im Innern aufs neue beschwichtigt, dachte er allgemach törichte Dinge. Wie poesiedurchduftet, wie unirdisch friedlich und zart das Bild war, das hier vor ihm lag! Und ob der Himmel nicht auch unter den Kindern der Erde solche geschaffen habe, die, fernab vom lauten Markt des Lebens, etwas von dem Zauber und der Holdselig keit der unberührten Gottesnatur in sich bewahrten? Menschen, die jenseits der Lichtung herannahtcn, störten den Sinnenden. Die Gegend, in welcher er sich befand, mußte wohl zumeist einsam und unbelauscht sein, denn die Kommenden gaben sich nicht die Mühe, ihre Stimmen zu dämpfen, obwohl es wiederum ein Pärchen war, das da ging. Als es drüben am Rande der Lichtung auftauchte, sah Ludwig, daß er es sogar kannte. Man- fred und Liesel! Sie führten sich nicht, ein jedes für sich, schritten sie selbander dahin. Sie schauten sich nicht ein mal viel an. Aber dennoch schien es, als ob sie wie im Schritt, auch mit gleichem Takt im Herzen daherkämen über die Waldwiese. Am Bächlein trat Manfreb an das Mädchen heran, um ihm hinllberzuhelfen. Es schüttelte den Kopf, sprang, ohne seine aus- gestreckte Hand zu berühren, rehbehende über da« Rinnsal und sab sich nach ihm um, der ihr gefolgt war. Indem legte er schon den Arm um die junge Gestalt: „Du sollst ja nicht immer!" sagte Liesel verweisend. Aber sie lächelte dabei mit Grübchen in Kinn und Wangen. „Manfred!" Und nun reckte sie sich selbst empor und überließ ihm, sicher nicht zum ersten Male, ihre Lippen.
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