Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 14.05.1904
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-05-14
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040514023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904051402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904051402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-05
- Tag1904-05-14
- Monat1904-05
- Jahr1904
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
vezugS-PretS bi H« tzaupt«kp«dttto» oder der« L»«gatzv- stelle« «tzgetz^ltr »tertetiLyrttch 8.—, bet tüaltch« Kastel l»»a t»«Hau« ^L7b. Durch dt» Pos, drzogni für Driulch. laut ». Oesterreich ««IrljTntch 4.50, fLr dt» ßbrt-eu LLnvu laut Zeirvnqepreirlfft«. Nedatna»! J»ya»»u>aaste ü. prechstaade: ü—6 ltyr «ach«. Ferasprecher: 15« Grsebttta»: KoyanatSgaffe L Fernsprecher. L22 Gtlt«UeN»r»ln<»e« - > f» «st Latz », Buchvu adia., UaiverfitSMr.S (Fernspr Nr. 404S>, ö Lolch,, Machart»,», stratz, 14 iFernIprrch« Nr L9S5- u. Künta«- Platz 7 lFerosprechei Nr 7505). H«»pt-AUUUk Drrtztze»; Marstastraß, 64 (Fernsprecher Amt I Nr. 1713). Haupt-Ftltalr verltn. LarlDuackrr, tzerzgi-BayrHofduchbanblg- Lüpowstratz« lOjF«nsprechrrAmt VI Nr.4603.) Abend-Ausgabe. Wp)Mr TaAMM Anzeiger. ÄmtsStatt -es ÄSnigtichen Land- «ad des königlichen Amtsgerichtes Leipzig, des Rates nnd des Rolizeiamtes der Ltadt Leipzig. Nr. 24t. Tonnabend den 14. Mai 1904. Anzeigen-PreiS die «gespaltene Petitzeile 25 Reklamen nnttr d«m Nedaktionsstrich l4gespaüe») 7b »ach de» Famtziennach- richte» (SgrspaUr») 50 Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend -öder. — «ebühreu für Nachweisungen und Ofsertenanua-me Lb Grtra-Vetlagr» (gefalzt), »nr mit der Moraen-Änlaabr, ob», Postbeförderung 60.—. mit Postbeförderung 70.—. A»uatz»efchlntz mr Anzeige»: «bend-Nu-aabe: vormittag« lO Uhr. «orgea-Ln-gabe: nachmittag« 4 Uhr. Ln zeigen sind stet« a» dir Lzpedttioa zu richte». Di« Lrveditton ist wochriuag« nnuntrrbrochea grLffnrt vo» früh 8 bi« abend« 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Pal» in Leipzig (Inh. vr. «..St. ch W. »ltukhardtX 98. Jahrgang. Var Wchtigrte vom cagr. * Die Frau Prinzessin Johann Georg hat die letzte Nacht ruhig geschlafen. Da» gute Allgemeinbefinden dauert fort. (S. Aus Dachsen.) * Entgegen auswärts verbreiteten Meldungen, daß mit der Hinausschiebung der Schlüsse» de» Sächsi schen Landtag» bis nach Pfingsten gerechnet werde, erfahren wir al» sicher, daß der Landtag am nächsten Donnerstag, 19. Mai, geschlossen wird. * Das Kaiserpaar ist heute früh von Straß- bürg nach Metzweitergereist. (S. Dtsch. Reich.) * Im preußischen Abgeordnetenhaus« haben sich Nationalliberale, Konservative und Freckonser- vative auf einen Antrag geeinigt, der die konfessio- nell-Dolksschulefestlegt. (G. Dtsch. Reich.) * Meldungen über Rücktrittsabsichten deS Kolonialdirektors vr. St übel werden dementiert. (S. Polit. LageSsch.) * Die Sammlungen der Deutschen Kolonial gesell s ch a f t für die Ansiedler inSüdwestafrika haben den Betrag von 200 000 überschritten. Vie llrrdsltuirvabl wird demnächst wieder in den Vordergrund der öffentlichen Diskussion rücke«, da im Reichstage die Debatte über die KaufmannSgerichte zu erwarten ist und in diesem Gesetz entwürfe die Kommission die fakultative Verhältnis wahl der Beisitzer durch die obligatorische ersetzt hat. Die Verhältniswahl ist eine Forderung der Gerechtigkeit; daß sie dabei auch eine Forderung der Sozialdemokratie ist, ist eigentlich eia Widerspruch, denn von dem gleichen Recht für alle wollen bekanntlich die Sozialdemekraten nur dann Gebrauch machen, wen» es ihnen in ihren Kram paßt. So hat den» auch die Sozialdemokratie diese Forderung vorläufig auf dem Boden ihrer Partei ver packt, wo die „Verelendung der Massen", das „eherne Lohngesetz" und andere schöne Redensarten den Schlaf der Antiquitäten schlummer». Gerade sie hätte e» in der Hand, ihren früheren Forderungen zum Siege zu verhelfen, allein daS fällt ihr gar nicht ein. Dort, wo sie profitieren könnte, beim ReichStagSwahlrecht, wagt sie es hier und da noch schüchtern zu fordern, bei Wahlen zu den Gewerbegerichten, zu den Ortskrankenkassen denkt man nicht daran. So kommt es, daß nur eine Ortskrankenkasse, die zu Ravensburg in Württemberg, die Verhältniswahl ein geführt hat und daß nur etwa neun deutsche Städte eS durch OrtSstatut für die Wahl zu den Gewerbegerichten festgelegt haben. ES unterscheiden sich dabei zwei Systeme. Die Wahl mit Ergänzungslisten und die mit ge bundenen Listen. DaS erstere haben zum Teil die preußischen Städte angenommen, vor allem Frankfurt a. M., nach dem daS System genannt ist, und das letztere ist in München in Kraft. Bei beiden Systemen stimmt jedes Mitglied mit einer ganzen Liste ab, auf der sich die ent sprechende Zahl der Kandidaten vermerkt findet. Es kann Kandidaten streichen und dazu schreiben. Beim Frankfurter System nun wird aus den nicht glatt gewählten Kandidaten eine Ergänzungsliste gebildet, oder soll gebildet werden, beim Münchener werden nur die Abstreichungen berücksichtigt, nicht die Ergänzungen. Infolgedessen muß die Auszählung beim Münchener System glatter vor sich geben. Nach beiden Systemen ist erst einmal, und zwar 1902, gewählt worden und dabei haben sich die Frankfurter Wähler geschickter als das System erwiesen, sie haben nämlich gar keine EigänzungS- listen nötig gemacht. In Frankfurt wird auf Grund von auf gestellten Wählerlisten gewählt, in München wird der Wähler nicht erst eingetragen, sondern er legitimiert sich durch Gewerbeschein al» Arbeitgeber, durch Bescheinigung des Arbeitgebers, DistriktS- vorsteherS rc. al« Arbeitnehmer. Bei beiden Systemen findet die Wabl nach gleichem Verhältnis statt. Wenn wir die Zahl der zu wählenden Beisitzer mit bezeichnen, die Kandidatennamen auf den Listen mit e, die Zahl der Stimmen für die einzelnen Listen mit r und die Gesamtzahl der ab gegebenen Stimmen mit g, so ergibt sich folgende Formel: : c : g. Werden 60 Kandidaten gewählt und beträgt die Zahl der Listen 3 mit je 300, 200, 100 Stimmen bei einer Gesamtzahl abgegebener Stimmen von 600, so fallen auf die erste Liste, die von 300 Wählern abgegeben wurde, 30, auf die zweite 20, auf die dritte 10 Beisitzer. Reste werden ausgeglichen, bei Stimmen gleichheit entscheidet daS LoS. Bis jetzt hat sich die Wahl bewährt. Die Minderheiten haben sich eine Vertretung ge sichert und dort, wo man sich mißtrauisch an der Wahl nicht be teiligt hatte, wie einzelne Arbeitgeberkategorien in Frankfurt, hat man eivg-,.hen, daß sich mit Hülse der Verhältniswahl wenn auch kein Sieg, so doch Einfluß erring«» läßt und das ist auch schon etwas wert. Im Vorstände mancher Kranken kaffe und bei den Beisitzern mancher Gewerbegerichte, die hier besonders al- Einigungsämter in Betracht kommen, würde eS anders auSsehen, wenn die Verhältniswahl eingeführt wäre. Der ffulztanck Oer Herero. Die militärische Lage. Die letzten Nachrichten vom Kriegsschauplätze lassen eine etwas günstigere militärische Lage erkennen. Der Feind hatte nach seiner Vertreibung aus Okahandja durch Hauptmann Franke in den Tagen nach dem Gefecht am Kaiser Wilhelm- berg seine Hauptmacht unter Samuel Maharero zuerst in den Onjatidergen stehen. Dann, als von Gobabis die Streitkräfte TetjoS in nordöstlicher Richtung auf Owikokorero zu hinzugekommen waren, lieferte er den Truppen in der Gegend des OndrohungubrrgeS mehrere Gefechte. Zuletzt war I er immer mehr nach Norden auf die etwa 25 km lange Linie! Owikokorero-Otjikuara gedrängt worden. Etwas nördlich von I letzterem Platze, in Onzatu, steht jetzt Major v. Estorfs mit! 4 berittenen Kompagnien, 2 Batterien 0 96, 4 Maschinen gewehren und einer Anzahl Bastards, zusammen 706 Mann. Von Otjosasu nach Onjatu in nördlicher Richtung unterwegs, hatte Maior v. Estorfs Fühlung mit dem Feinde rn Okaharui, wo er nicht mehr Stand hielt. Nun ist der Feind, wie der Gouverneur meldet, in nördlicher, nordöstlicher und nordwest licher Richtung, hauptsächlich aber in nördlicher Richtung nach Waterberg hin abgezogen. Samuel soll zwischen Omaruru und Waterberg sitzen. Ueberhaupt regt e» sich jetzt nach langer Zeit wieder im Norden. Zum ersten Male seit dem Beginn des Kriege« ist Outjo unmittelbar vom Feinde angegriffen worden. Der Platz, der augenscheinlich außer dem zurückgebliebenen Rest der 4. Feldkompagnie durch eine Abteilung Matrosen ver teidigt wird, wäre wegen seiner Lage m einer Pfanne gegen einen größer» Ansturm des Feindes schwer zu kalten. In Chauas, dem angegriffenen Ort östlich von Outjo. befindet sich an einer vorzüglichen Wasserstelle auf einem Talabbang der Truppengarten. Ferner hatte Ober leutnant Vollmann, Distriktschef von Grootfontein, am 28. April mit zwölf Reitern zehn Kilometer östlich von Okanguindi ein Gefecht, in welchem die Herero 31 Tote ver loren. Den Ort finden wir auf der Karte am Omuramba Omatako verzeichnet. Vollmann bat die Aufgabe, den Ueber- gang der Herero mit ihrem Vieh über den Omuramba Omatako in das Sandseld und die Kalahari zu verhindern. Es wären also schon einzelne Gruppen der Herero über den Omuramba gelangt. Um so notwendiger ist die jetzt durch den Abgang des Oberleutnants v. Zülow mit 200 Mann, 2 Geschützen und 2 Maschinengewehren nach Outjo und Grootfontein erfolgte Verstärkung des Nordens, womit auch eine Einschließung des Feindes von Norden und Süden ermöglicht ist. Ueber das Gefecht vom 28. April bei Okanguindi ging hier der Leutweinsche Bericht am 12. d. M. ein. Er meidet u. a.: „Diesseits ein Kriegsfreiwilliger gefallen." Ebenso hieß es tagszuvor in der Meldung über das Patrouillengefecht bei Naues: „diesseits vermißt zwei". Diese Art der Berichterstattung muß, wie wir wiederholt bewerten, den schärfsten Widerspruch Hervorrufen. Was dem privaten Nachrichtendienst möglich ist, muß dem amtlichen erst recht möglich sein, und das war in diesen! Falle die prompte Ueber- mittelung der Namen, die man durch den Berliner „L.-Anz." bereits zur selben Zeit erfuhr, wo die obigen unbe stimmten Angaben von amtlicher Seite veröffentlicht wurden. Es ist eine durch nichts zu beschönigende Rücksichtslosigkeit und Lauheit der Kolonialverwaltung, Hunderte von Familien zn Angst und Ungewißheit harren zu lassen, wo ohne jede oder mit verschwindend kleinen Mehrkosten prompte Klarheit geschaffen werden kann, wenn nur die nötige Ini tiative und der gute Wille dazu da ist. Wer speziell der Schuldige ist, läßt sich von hier aus natürlich nicht beurteilen, aber wer es auch sei, ein Ende muß dieser Trödelei gemacht werden und zwar möglichst bald. Verftärkttng»«Lran»x»rt. Für den nächsten Truppentransport nach Deutsch-Süd westafrika ist von der Woermann-Linie der Dampfer „Monte video" von der Hamburg-Süvamerika-Linie gechartert worden. Der Transport, der u. a. auch Generalleutnant von Trotha mit seinem Stab aufnimmt, wird Ende dieses Monat- nach Swakopmund in See gehen. Ferner wird Oberleutnant GrafFr. v. Königsmark vom KönigS-Ulanenreaiment, der brillante Herrenreiter, am südwestafrikanischen Feldzuge teilnehmen und zwar wird der Graf, der seinerzeit einen Kursus bei der Kavallerie-Telegraphenschule in Berlin durchmachte, bei der Feldtelegrapbie in Südwestafrika angestellt werden. Graf v. Königsmark machte bereits als jüngster Adjutant des Generalfeldmarschalls Grafen von Waldersee den China- feldzug mit. Dagegen wird die Meldung, Prinz Joachim Albrecht werde nach Südwestasrika hinau-geben, de mentiert. vei turrirch-iapanirebe Krieg. Mobilmachung der dritten japanischen Arme«. Wie dem „B. T." aus Tokio gemeldet wird, ist die Mobilmachung der dritten japanische» Armee seit einigen Tagen beendet, und die Armee ist unter das Kom mando des General« Nodzu gestellt, der bi«her General inspekteur des Erziehungs- und Bildungswesen« war. Die Einschiffung bat schon in mehreren Häsen deS inneren japanischen Meere« begonnen. Teile der Armee sind schon abgegangen. Die zweite Armee soll, wie verlautet, nicht nur bei Pitsewo und Kintschou ihre Landung auf der Halb insel Liautung in« Werk gesetzt haben, sondern daS GroS ihrer Kräfte soll bei Takuschan an« Land gestiegen sein und zu beiden Ufern deS Tajangho den Vormarsch begonnen habe». A«r Niutschmang wird gemeldet: Räuberbanden plündern die Umgegend der Stadt. Mehrere reiche hiesige Eingeborene sind fortgeschleppt worden, um Lösegeld von ihnen zu erpressen. Man ver mutet, daß Pawlow, der Vertreter Alexejews in Peking, be müht ist, China zu überreden, die Verwaltung der hiesigen Gegend auf sich zu nehmen. Japanische Kundschafter sind Donnerstag abend sieben Meilen südwestlich von Kaitschou gesehen worden. Ein Teil der japanischen Armee rückt in nordwestlicher Richtung auf Ssiuian vor. Ihre Anzahl ist noch unbekannt, sie muß aber bedeutend sein. Es sind nur zwei Regimenter in jener Gegend, da der Rest der Truppen, die sich früher dort befanden, auf Mulden zu vorrückt. Man vermutet, daß die Ruffen ihre Armee von Mulden nach Chardin marschieren lasten werden. Port Arthur ist voll ständig abgeichlosten, sowohl vom Eisenbahn- wie vom Tele graphenverkehr. Die Behörden erklären jedoch, daß sie täg- üche Drahtverbindung und dreimal wöchentliche Verbindung durch Kuriere haben. Die Ruffen verbrennen auf ihrem Rückzüge die Bahnhöfe und alle Lebensmittel, welche sie nicht sortschaffen können; sie haben zahlreiche Chinesen häuser zerstört. Die Chinesen fürchten, wenn die Rusten die Gegend gänzlich räumen, würden alle vorhandenen Ge bäulichkeiten zerstört werden. Die in Nmlschwang in Chinesenbänden befindlichen Warenvorräte sind die bedeutendsten in der Manlschurei. Ihr Wert wird auf fünfzig Millionen Dollars Gold geschätzt. Untergang de» japanischen Lorpedsbsst» 48. Das Torpedoboot 48 wurde nach Meldung aus Tokio zerstört im Laufe einer Reihe von Bombardements und Be wegungen, um die Zerstörung von Minen und anderen Hinder nissen m der Talienwanbai, der Kerrbucht und Deepbai zu überwachen. Die Bewegungen wurden vorgenommen vom 3. Ge schwader unter dem Beseht des Admirals Katsoka. Das Ge schwader traf in der Kerrbucht Donnerstag am frühen Morgen ein. Die Panzerschiffe „Itsukuschima", „Nlshin" und „Mijako" Feuilleton. In der nächsten Abendnummer beginnen wir an dieser stelle mit dem von allen Leiten mit Spannung erwarteten neuesten Roman von Mdelm «»ne»". Die Geschichte einer Glücklichen. 3j Eine Novelle. Don Gabriele von Lieres und Wilkau. Nachdruck verboten. Ludwig war nicht sonderlich erfreut, als einer der nächsten Läge ihn in einem Lokal den Neuverlobten be gegnen ließ. Er hätte den, dessen Leichtsinn dem ge liebten Mädchen so viel Bitterkeit gebracht, lieber wohl überhaupt nicht wiedergefchen. Aber um eine Stunde später dachte er milder. Denn Manfred, der, gegenwärtig offenbar geneigt, die ganze Welt zu umarmen, die Entfremdung zwischen ihnen ver gaß und ihm mit ausgestreckten Händen entgegenkam, er schien in seinem Glück aufs vorteilhafteste verändert. Mochte ihn zuerst immerhin auch ein Teil weltlicher Klugheit in das reiche Haus geführt haben, jetzt beruhte die Bräutigamsseligkeit des leichtbeweaten Menschen auf wirklicher Empfindung. Die ehrliche Liebe zu seiner Er- wählten durchwärmte jedes seiner Worte, und in dieser Liebe schien er ein anderer, besserer geworden zu sein und die kecken Abenteuer seiner früheren Tage wahr- hastig abgetan zu haben. Auch daS mit Liefe!. Als sie sich getrennt hatten, trug Ludwig die lieber- zeugung mit sich, daß er diese wirklich al» das Opfer von Irrtümern ansehen mußte, nicht als dasjenige kalt be- rechnender Frivolität. Ihres eigenen Irrtums, mit dem sie ihre Träume an die Stelle de« Verstände« setzte. Manfreds Irrtums, mit dem er sie infolgedessen für eine andere hielt, als die sie war. Denn darin mußte Manfred Recht behalten: sie war ein Kind deS realen Lebens. Sie mußte als solche« wissen, daß die Worte der Leidenschaft verwehen wie Rauch. Verschloß sie sich wahrheitsschcu wider Vernunft und Möglichkeit, so trug sie die Folgen. So zog leise eine andere Denkart in Ludwig ein. Aber trotzdem sagte er unter einem Vorwande ab, als im No vember die Hochzeitseinladung für ihn gekoinmen war. Um die Stunde der Trauung befand er sich auf einem Gange in der Nähe der Kreuzkirche, wo jene stattfinden sollte. Es war ein unfreundlicher Tag, der Wind pfiff schneidend kalt, am Himmel hingen graue Wolken. Dem rasch Dahinschreitenden fiel cs ein, daß hier auf der Straße in der nächsten Minute vielleicht Hochzeitswagen nahen könnten, aus denen man den säumigen Gast er blicken werde. Er wollte fort. Aber es öffnete sich ihm nicht gleich eine Seitenstraße zum Ausweichen. Und da kam es auch schon heran mit rollenden Rädern und funkenschlagendcn Rosseshufen. Eine lauge Reihe von Mietswagen. Als der letzte, der mit dem Brautpaar darin und den weißen Pferdeleinen, sich auf gleicher Höhe mit Ludwig befand, gab es in dem Verkehr auf dem Fahrdamm plötzlich eine Stauung. Ein guer aus einem Torweg kommendes Arbeitsgefährt hatte sie veranlaßt. Der Kutscher des Hochzeitswagens ritz die Rosse zurück, durch zwei Sekunden konnte man in das Innere der Equipage schauen. Eine Braut in schimmerndem Atlas saß darin.... und daneben Manfred. Ludwig, bis an die den Bürgersteig grenzenden Häuser zurückgewichen, sah um sich, wie er in dem Ge wimmel von gleich ihm nach dem Fahrdamm starrenden Passanten am schnellsten sich wciterfinde. Da durchfuhr eS ihn, wie wunderlich der Zufall doch manchmal spiele und wie grausam. In Trauerkleidern von klein städtischem Schnitt, am langen Riemen ein Reisetäschchen um die Schultern gehängt, stand zwei Schritte von ihm Liesel Wendt. Ein Widerstreit von Gefühlen ergriff ihn. Sollt' er sie anreden? Sollt' er sich vorüberschleichen? Und da stand er auch schon vor ihr und sprach auf sie ein, als sei es gar nicht ander« möglich und als könnt' er damit ungeschehen machen, was er doch deutlich ge sehen hatte: daß ihre Augen dieselbe Richtung genommen gehabt wie die seinen und die deS gaffenden Volkes um- her, und daß sie dasselbe erblickt haben mußte wie er. „Fräulein Liesel, Sie hier? Und in Trauer?" Em Antlitz, bleich wie Schnee, sckiaute ihm entgegen. Mechanisch entgegnete Liesel: „Der Vater ist tot. Ganz plötzlich am Herzschlag gestorben, mitten aus einen. Lachen heraus. Die Brüder sind jetzt alle in der Lehre. Ich gehe nach Oberschlcsien, um dort auf einem Gute eine Stellung anzunehmen." Aber während sie gefügig Rede stand, schien ihre Seele weit fort von dem Traurigen und Neuen zu sein, was sie erzählte, und wie das Flackerlicht in ihren Augen den festlichen Gefährten nachzufolgcn, die jetzt eben um die ferne Straßenecke verschwinden wollten. Als gäbe es jetzt nichts für sie, denn dies eine, sprach sie, ohne noch mehr Worte hinzuzufügen, den Blick immer in jener Richtung: „Wo? Ich möchte hin!" Martius erbebte. Es war ihm, als sollt' er heftig ab wehren. Aber dann bezwang ihr todestrauriger Aus druck ibn doch, daß er nachgab und sich anbot, sie zu be gleiten. „Sie wußten noch nichts?" fügte er hinzu und empfand gleich darauf erst, wie töricht die Frage war. Verloren klang durch plötzlich aufheulenden Wind ihr müdes „Wie sollt' ich!" zu ihm herüber. In Eile wanderten sie dem Gotteshaus zu, denn die Hochzeitsglocken wollten schon verstummen. So kam es, daß Liesel an MartiuS' Seite das „Ja" vernahm, mit dem ihr Herzliebster sich einer anderen am Altar gelobte. Ein Wort, wie sie es in der Kraft und dem Trotz ihrer Liebe von Manfreds eigenen Lippen hatte hören wollen, ehe sie ibn aufgab. Ludwig blickte mehr als einmal unruhig auf das Mädchen neben ihm. Ihm war, als müsse er es halten. Aber es bedurfte dessen nicht; aufrecht saß es da, im Blick jedoch die Hülflosigkeit eine« verirrten Kindes. Orgelklang, kirchliche Lieder, eine schöne und hehre Feier " Nach der Trauung geleitete Ludwig seine Gefährtin noch zum Bahnhof. Es wurde Zeit für die Abfahrt. Ihr Zug ging jetzt bald. Sie sprach auf dem Wege mit ihm, gleichgültige Dinye. Von ihrem Munde kam keine Klage. Aber es erschütterte ihn, wie allen Wohllautes bar ihre Stimme plötzlich geworden war. Auf dem Bahnhofe schickte er sie in den Wartesaal, während er selbst ging, um Billett und Gepäck zu be sorgen. Als er sic wieder auffuchte, saß sie, in sich ver sunken. allein an einem Tisch. Martius sagte ihr, daß sie sich nun auf den Perron begeben könne. Sie hob den Kops. Und da gewahrte er. daß sie ihn aus einem ganz veränderten Antlitz anschaute. Etwas sonderbar Ruhiges, Kaltes und sehr Bestimmtes lag darin. Sie stand auf und folgte ihm. Draußen gingen sie noch eine Meile auf und ab. Und bei der kurz bemessenen Zeit berührte er in dem Drange, ihr seine Freundschaft zu beweisen, etwas unge schickt, was sie beide bewegte. „Nehmen Sie es nicht allzu schwer, Fräulein Liesel. Die Zeit heilt jede Wunde. Lassen Sie Ihr Herz hart werden deshalb." Noch einmal ging die Schwermut über sie hin. „Mein Herz?" murmelte sie finster und doch bange, „mein Herz ist tot. Es gehörte Manfred, es hat im Leben keine Stätte mehr." Da riß das Gefühl, ihr helfen zu können, wenn sie nur wollte, Ludwig fort, daß er flüsterte: „Ich weiß einen, der ihm in Geduld und Treue eine Stätte geben möchte." „Still!" rief sie schmerzlich. „Nicht wieder lieben!" Er schwieg. Einen Augenblick standen sie noch schweigend nebeneinander. Martius sah auf Liesel, Liesel irgendwohin in die weite Ferne, wo ihr jetzt eben die letzten ihrer Illusionen zerfließen mochten. Plötzlich lachte sic. Nicht krampfhaft, sondern recht von Herzen, leise anjetzcnd, dann lustig hinausschmctternd. Martius überlief cs kalt. „Liesel!" stammelte er ver ständnislos. „Ties Lachen!" Ihre Augen blitzten ihm dunkel entgegen. Ihre Zähne leuchteten weiß zwischen den Lippen. „Ich lache meiner Tränen", entgegnete sie leichthin. „Ah, starren Sie nicht so entsetzt! Aengstigen Sic sich nicht um mich ich tu' mir kein Leid an?" Seltsam genug für diese Stunde, hatte ihr Ton einen Anflug von Koketterie. Wieder glänzte es keck in ihren Augen auf. Sie drückte Martius fest die Hand. „Leben Sie wohl!" Sie stieg ein; daS Dampfrotz führte sie hinweg. Ludwig starrte dem Zuge nach, bis da« aus dem Coupe fenster winkende Tüchlein, die letzten Rauchwölkchen der Lokomotive in der Ferne verschwanden. Liesels Lachen gellte ihm in den Ohren nach; mit qualvoller Deutlichkeit stand vor ihm, wie neu und fremd ihr liebes Gesicht heute unter seinen Augen geworden war. Urplötzlich fiel ihm jene Turgenjeffsche Erzählung em, in welcher der Freund der Freundin rät. „ihren Schmerz in Tränen zu versengen". Sie aber erwidert: „Das Feuer versengt noch besser al« tue Tränen , und ihre
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite