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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 16.05.1904
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-05-16
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040516025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904051602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904051602
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-05
- Tag1904-05-16
- Monat1904-05
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Sechziger Tageblatt. Nr. 247. S8. Sabrg. Krieg-Minister und der Hofminister. Die Kaiserin gab dem Kaiser da» Geleit zum Bahnhof. Lhina» Neratralttät. Die bei den einzelnen Mächten beglaubigten Vertreter Japan» haben eine Verbalnote überreicht, in der in klarer und unzweideutiger Sprache folgende» ausgeführt wird: Japan habe seit Beginn de» Kriege» die Haltung Chinas mit größter Aufmerksamkeit verfolgt und sei überzeugt, daß eine Verletzung der Neutralität durch China nicht zu befürchten sei. Gleichwohl babe Japan, da immer wieder von der Möglichkeit eine» Neutralitäts bruches die Rede sei, seinen Vertreter in Peking neuerdings aufgefordert, der chinesischen Regierung nochmals nachdrück lich anzurateu, nickt» zu tun, wodurch ein Bruck der Neu tralität berbeigeführt werden könnte. Dies mutz auch die Absicht China- selbst sein, denn der amerikanische Gesandte in Peking Conger, telegraphiert, China habe neuerdings wiederholt, daß es entschlossen sei, strenge Neutralität zu beobachten, und behaupte, in der Lage zu sein, diesen Ent schluß durchführen zu können. Verkauf deutscher Schisse. Der Verlauf des Hamburger Dampfers „Auguste Viktoria" »ach Rußland ist perfekt geworden, das Schiff ist bereits in Libau eingetroffen. Dampfer „Kaiser Friedrich" sollte heute von Hamburg abgehen. Vie Haseuaulageu vsn Daluy zerstört In Petersburg eingetroffenen Meldungen aus Liaujang zufolge sind die Hafeudämme, Docks und Quai» in Dalny durch die Russen gesprengt worden. Die Stadt selbst soll vernichtet werden, sobald die Kortsckaffung der Bewohner gelingt. Man nimmt an, daß die Japaner in Kwantung nur eine Demonstration beabsichtigen und alle Streitkräfte gegen Liaujang richten werden. politircde Lagerrckau. * Leipzig, 16. Mai. Staat-gefährliche Witzblätter. Bekanntlich hat neulich Graf Bülow die deut- scheu Witzblätter ermahnt, dem Auslande gegen über vorsichtiger als bisher zu sein, und jetzt finden wir in der „Süddeutschen Rcichskorrespon- denz", die der Herr Katz mit so viel Takt und Geschmack leitet, noch einmal eine ernste Warnung. Wir hören, daß man im Auslande deutsche Karikaturen sammelt und niaßgebende Persönlichkeiten durch sie gegen uns zu ver stimmen weiß. Mit diesen maßgebenden Persönlichkeiten kann nun wohl kaum jemand anders gemeint sein als der Zar, und daraus allein erklärt sich auch die mimosenhafte Empfindlichkeit unseres Herrn Reichskanzler. In den westeuropäischen Kulturländern weiß jeder Staatsmann den Wert oder Unwert einer Karikatur richtig einzu schätzen. Wir erinnern nur an das Kaiserheft, welches das französische Journal „Le Rire" vor einigen Jahren herausyab. Es war wirklich nicht möglich, die Verspot tung ernes Monarchen stärker und raffinierter zugleich zu betreiben. Trotzdem ist es uns nicht eingefallen, unsere Politik Frankreich gegenüber zu verändern, und der Kaiser ist nicht um ein Haar von der Linie entgegen- kommender Höflichkeit abgcwichen, die er sich Frankreich gegenüber seit seinem Regierungsantritt vorgezeichnet hat. Wir sind ganz sicher, daß König Eduard VH„ Präsident Loubet oder der König von Italien sich durch die Witzblätter nicht bestimmen lassen würden, die Politik, die sie einmal als sachgemäß erkannt haben, aus Mo- tiven persönlicher Eitelkeit zu modifizieren. Daß natür- lich Nikolaus dem Zweiten bei Betrachtung der übrigens sehr zahmen und harmlosen Karikaturen unserer Witz blätter um seine Gottähnlichkeit bange wird, begreifen wir. Aber Männer, die im öffentlichen Leben stehen, müssen sich nach einen, französischen Sprichwort damit abfinden, „alle Morgen zum Frühstück eine Kröte zu schlucken". Diese zuerst widerliche Speise härtet allmäh- lich die empfindlichsten Magennerven hochstehender Per sönlichkeiten einigermaßen ab. Im Ernst, es ist wirklich eine starke Zumutung, daß unsere ganze Presse auf Schonung des nervenschwachen Autokraten gestimmt werden soll, dem wir bisher nicht das Allergeringste zu verdanken haben, und von dem wir, wenn es nach ihm ginge, auch nicht das Allergeringste zu erwarten haben würden. Rußland fiebert jetzt und infolgedessen ist seine Temperatur auch uns gegenüber wärmer geworden. Unsere Presse und Witzblätter haben den Kranken ge schont: von einem gehässigen Ton, den der seit einigen Wochen so nervöse Kanzler bemerkt haben will, ist uns nichts bekannt, wenn wir von den sozialdemokratischen Blättern absehen, die ja in Bezug auf die auswärtige Politik vollkommen unzurechnungsfähig sind. Weil irgend ein Mitglied der russischen Kamarilla den Zaren durch mißliebige Zeitungsausschnitte verstimmen konnte, deswegen können wir uns das Recht der freien Rede nicht durch Herrn Katz beschränken lassen. Der konfessionelle Friede. Das „Korrespondenzblatt für die Präsides der katho- lischen Jugendvereinigungen" hat am 1. Oktober 1903 an leitender Stelle einen Vortrag abgedruckt, in welchem es heißt: „Die Marianische Kongregation ist, wie der berühmt« General der Gesellschaft Jesu TlaudiuS Aquaviva sich auS- drückte, einem wohlgerüsteten heiligen Kriegsheere gleich, das unter der Fahne und Führung Mariä gegen zahlreiche und verwegene Feinde des Heils in den Kampf zieht." Diese verwegenen Feinde sind natürlich in erster Linie die Protestanten. Man kann sich also denken, wie sehr die Wiederzulassung der Marianischen Kongregationen dazu beiträgt, den konfessionellen Frieden zu stärken, für den die Berliner Regierung, die die Kanalvorlage und die Handelsverträge durchbringen muß, jetzt so außerordent lich schwärmt. In der Tat wird denn auch dieser Friede gerade augenblicklich von katholischer Seite mit ganz er- staunlicher Hingebung gepflegt. So hatte vor kurzem das Evangelische Konsistorium in Württemberg den evange lischen Geistlichen nahegelegt, ihren Gemeinden von der Kundgebung des Evangelischen Kirchenausschusses in Sachen der Aufhebung des H 2 des Jesuitengesetzes Mit teilung zu machen, und der „Staatsanzeiger für Württem berg" hatte diesen Erlaß des Konsistoriums abgedruckt. Darauf hat der Bischof Kepler von Rottenburg die Er klärung abgegeben, daß diese Anweisung des Konsisto- riums und ihre Wiedergabe im „Staatsanzeiger" eine Kriegserklärung gegen die Katholiken bedeute. Bekannt lich halten die Katholiken streng auf Parität. Man sollte also meinen, was der Leitung der katholischen Kirche recht ist, das sollte der evangelischen Kirche billig sein. Davon ist aber nicht die Rede. In gemessenen Zeiträumen er scheinen päpstliche Kundgebungen, in denen die protestan- tische Lehre in den tiefsten Grund der Hölle verdammt wird: der Papst kann sich eben alles erlaubest, was einem Konsistorium schwer verargt werden würde. Ein auf- richtiger Friede zwischen den beiden Konfessionen ist eben so lange nicht möglich, als die Ultramontanen für sich die herrschende Stellung beanspruchen und sich nicht ent- schließen können, die anderen Konfessionen als gleich- berechtigt zu betrachten. Und dazu ist keine Aussicht: ^»turaw kurcs, erpells,? kamen usque reenrret. Russische dann mol». Ein guter Freund in Rußland, den wir nicht nennen werden, sendet uns manchmal kleine Manuskripte, die er „zu Hause" nicht drucken lassen darf. Heute erkalten wir von ihm rwri reizende kleine Histörchen von politischem Werte. Sie bedürfen keinerlei Kommentar und klingen so natürlich, daß man an ihre Echtheit glauben kann, auch wenn sie uns nicht ausdrücklich als sicher verbürgt bezeichnet worden waren; sie lauten: Wie General Dragomirow über den Krieg denkt. In Petersburg erzählt man sich, wie un» geschrieben wird, fol gendes Geschichtchen von dem bekannten, volkstümlichen General Dragomirow. Gefragt, was er über den AuSgaug de» Kriege denke, erwiderte der General: useb» poiätzt — modill»Lnij» vi>ecb s^jat^cb usek okovtsedvnL", d. h. „Nun, e» wird schon gehen — die Mobilisation aller Heiligen tst bereit beendet!" Ein russischer Obrist über die Japaner. In einer deutschen Gesellschaft Petersburgs entwickelte ein russischer Obrist seine Ansichten über die Minderwertigkeit der Japaner und erklärte dabei kategorisch: „Die Japaner können den Russen gar nichts machen, — gar nichts!" Als darauf dft: schüchterne Einwand einer Dame erfolgte, die Japaner hätten ab«r doch den Russen gegenüber bereit- einige Erfolge aufzuweisen, erhielt sie die klassische Antwort: „Nun ja, — wenn die Japaner solche Surprisen machen, was sollen dann dieRusseq tun?!" Deutsches strich. * Berlin, 1K. Mai. * Ter Stand der Militärpensionsreform. Im Reichs- tage sagte im April der Preußische Kriegsmmister von Einem auf die Anfrage des Reichstagsabgeordneten Grafen Oriola über den Stand des Militär-Pensions gesetzes, daß er hoffe, den Gesetzentwurf noch in der jetzigen Tagung des Hauses vorlegen zu können. „Ob dies aber der Fall ist, wird und muß abhängen von dem Gange der Beratungen innerhalb der verbündeten Re gierungen." Damit scheint die von den pensionierten und vor der Pension stehenden Officieren sehnlichst erhoffte Pensionserhöhung sä cslouckss gruecas verschoben zu sein. Um die „Beratungen innerhalb der verbündeten Regie rungen" vielleicht etwas zu beschleunigen, sei hier, schreibt man der „Augsb. Abdztg.> Nachstehendes erwähnt. Diejenigen pensionierten Offiziere, welche wegen mangelnder Befähigung zu den höheren Stellen in Pension gehen müssen, sind die Offiziere vom Hauptmann erster Klasse aufwärts. Diese eigneten sich wohl für ihre Stellen und werden im Falle eines Kriege» meist in ähn- lichen Stellungen wieder verwendet. Ihre durch den langjährigen Dienst allerdings geminderte Felddienst- fähigkeit reicht für viele mobile Formationen noch aus. Sie sind aber fast alle über das landsturmpflichtige Alter hinaus uyd nach ihrer Pensionierung gesetzlich zu keinerlei Dienst mehr verpflichtet. Wie denken sich nun die Ver- bündeteft Regierungen die Aufstellung der Mobil- machungs-Kalender seitens der Generalkommandos, wenn B. zum nächsten 1. Oktober sämtliche pensionierten Offiziere eine Verwendung im Falle eines Krieges ab- lehnen würden ? Wer soll die Landwehr- und Landsturm- Bataillone, Regimenter, Brigaden, Divisionen, wer die Besatzungs-Bataillone, Regimenter usw., wer die Ersatz- Bataillone, wer die Etappen- und Eisenbahn-Kommandos übernehmen? Wenn alle diese Stellen von aktiven Offi zieren besetzt werden müßten, würden schon bei Beginn eines Krieges sämtliche Kompagnien von Leutnants ge führt werden. Wer soll sie nach den ersten Verlusten lühren? Mam sollte meinen, die verbündeten Regie rungen hätten ein großes Interesse an ihren pensionierten Offizieren. Es ist unbedingt notwendig, daß viele noch ziemlich rüstige Offiziere im Pensionsstand vorhanden sind. Man sorge daher auch für deren materielles Wohl. ' GenosseuschaftSstatistik. Schon bei den vorbereiten, den Schritten zur Errichtung einer Genossenschaftsstatistik für Preußen im Jahre 1896 war darauf hingewiesen worden, daß eine nicht unbedeutende Anzahl von Ge nossenschaften der in Preußen bestehenden Genossen schaftsverbände außerhalb Preußens ihren Sitz habe, und daß deshalb eine auf Preußen beschränkte Genossen schaftsstatistik nur von begrenztem Werte, vollends aber im Hinblick auf die für das Reich geltende einheitliche Gesetzgebung und auf das einheitliche Wirtschaftsgebiet des Reiches unzulänglich sein müsse; es sei daher eine Ausdehnung der einzurichtenden Genossenschaftsstatistik auf alle Bundesstaaten zu erstreben. Wenn dieser Ge- danke zunächst allerdings nicht verwirklicht wurde, weil auf Wunsch des Finanzministers vr. v. Miquel zuvörderst für Preußen die Durchführbarkeit der beabsichtigten Statistik erwiesen werden sollte, so wurde doch das Ziel nicht aus dem Auge gelassen. Eine spätere, von Preußen angeregte Rundfrage des Reichskanzlers wegen Betet- ligung an der Statistik nach dem Muster der preußischen hatte den Erfolg, daß im Jahre 1899 die Einrichtung einer gleichartigen Genossenschaftsstatistik grundsätzlich gesichert war; drei Bundesstaaten (Bayern, Württemberg und Hessen) behielten sich allerdings vor, die Statistik für ihr Gebiet selbst zu bearbeiten, während die übrigen die Bearbeitung der Statistik der Preußischen Zentral-Ge- nossenschafts-Kasse überließen: auch die drei ersteren haben aber im Laufe weiterer Verhandlungen ihre Be reitwilligkeit erklärt, ihre selbstbearbeitete Genossen schaftsstatistik zum Besten der Einheitlichkeit nach gleich artigen Formularen, die demnächst vereinbart worden sind, aufzumachen. Sonach wird zum ersten Male nach dem Stande vom 31. Dezember 1902 eine, wenn auch an vier verschiedenen Stilen bearbeitete, so doch nach einheitlichen Gesichtspunkten und in einheitlichem Ver fahren hergestellte deutsche Genossenschaffsstatistik aufge stellt werden. Als erste derartige Veröffentlichung ist ein einheitliches „Genossenschaftskataster" nebst den „Mit- teilungen" für dqj Deutsche Reich in Aussicht genommen. Die Herausgabe des Katasters wird im Gerbst 1904 er folgen. * Der Verband »er Deutschen Gewerkvereine (Hirsch- Duncker), eine Organisation von Arbeitern und Handwerkern mit 112 000 Mitgliedern, hält in der Pfingftwoche in Han nover im Saale de» Arbeiterverein« seinen 15. ordentlichen BerbandStag ab. Auf der Tagesordnung der Hauptverhand- lung stehen folgende Gegenstände von allgemeinem Änterefse: I. Bericht über die Tätigkeit und Entwicklung der Gewerkvereine und de- Verband«- fett dem vierzehnten ordentlichen Verbands tage (1801). II. Referate: 1) Die Einführung von ArbettSkauunern in Deutschland. Ref. BerbaudS-Redakteur Karl Goldschmidt und Ber- bandS-Abg. Dornblüth-Bromberg. 2) Arbeitrrschutz in der Heimarbeit. Ref. BerbandS-Abg. L. Winter- Berlin und F. Berndt-DreSden. 3) Tarifverträge und Koalitionsfreiheit. Ref. Verbandsanwalt vr. Max Hirsch und BerbaudS-Abg. Käser-Nürnberg. VerbandS-Abgeordnete für die Gewerkvereine im König reich Sachsen und der Thüringschen Staaten sind Friedr. Berndt-DreSden und O-car Friedrich, L.-Anger. der« alles Raum zu unbehindert freiem Aufwuchs be sessen. Wie in allen Gärten des Landes, nur massenhafter gedrängt, leuchteten im Juni hohe Bosquetwände von blühenden Syringen, Goldregen, Rotdorn und kugeligen Schneeballen, bildeten Einfassungen breiter und schmaler, verschlungener Wege oder umgaben grüne Rasenplätze. Bäume von hohem Alter fehlten; augenscheinlich hate die Anlage des Gartens keine vorgefunden, doch die vielfach vorhandenen Linden, Kastanien, Ulmen und Wallnuß bäume deuteten dem mit der verschiedenen Schnelligkeit ihres Wachstums Vertrauten, daß sie sämtlich um die gleiche Zeit, vor ungefähr 50 bis 60 Jahren, gepflanzt seien. Der vom Dorf abgekehrten offenen Feldseite zu verwandelte der Schmuckgarten sich in ein Obstgehege mit Apfel, und Birn-, Kirsch- und Pflaumenbäumen. Stachel-, Johannis- und Himbeeren; auch Erdbeerbeete zogen sich in freier Sonnenlage da zwischen entlang. Alles erregte das Gefühl von sorg- lickem Vorbedacht, nach einem alten Wort „mit Liebe" er- wogen und die Ausführung von sachkundiger Obhut übermacht worden zu sein. Doch vor lang gewesener Zeit und dann nicht mehr. Dann war alles im wesentlichen dem eigenen Triebe und Gutdünken überlassen geblieben. Wie es zu erwarten stand, schalteten sich an geeigneten Stellen des Gartens Lauben in die Gebüsche ein, auch Raseusitze und Holzbänke, aber von den letzteren eigent'- lich nur mehr halberkennbare Ueberbleibsel. Steinerne Tische dagegen hatten der Witterung getrotzt, sich nur mit grauen Flechten und grünen MooStupfen überzogen, ebenso wie vereinzelte Sandsteinbildwerke, Urnen und kleine Figuren, Gnomen und allerhand Tiergestalten, die im Geschmack der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts ehemals wahrscheinlich aus Gefträuchumrahmungen und Halbversteckcn hcrvorgesehen, doch zum größeren Teile, gemach von überhängendem Laubgehänge verdeckt, un sichtbar im Dunkel ihr reglos-stummes Wesen sortbc- trieben. Ein Rundraseu, von dessen Umkreise sternförmig sechs Wege abstrahlten, trug in der Mitte auf steinernem Sockel etwa» auch vordem in Gärten allgemein beliebt Gewesenes, eine große schwarze Glaskugel, die als Sckmarzspicgek da» Bild der Umgebung in eigentüm licher, wie unterweltlicher Beleuchtung zurückgeworsen. Dies rat sie bei Hellem Licht auch noch, allein nicht mehr mit der Klarheit der verkleinert, scheinbar aus weiter Entfernung wiedergegebenen Gegenstände, wies ihr wohl ursprünglich innegewohnt; viel heftiger Wind hatte Sand und kleine Kiesel gegen sie gepeitscht, an manchen Stellen ihre Oberfläche damit verschrammt und andere waren von langem Anhaften sie naß überklebender Blätter halb er blindet. Doch unzerbrochen hatte die schwarze Kugel Sommer und Winter, Stürme und Unwetter überdauert, spiegelte beim Ausfall der Sonne diese als einen kleinen, mattglimmenden Ball zurück. : Stein und dickes Glas besahen mehr Widerstandskraft als Holz, und an einem Bau, der auS solchem am Rand eines anderen Platzes aufgerichtet stand, hatten die Jahre mit ihren Wetterzähnen sichtbar stark genagt. Ein von gelblichen Gäulen getragener Rundpavillon in antiker Tempelform wars, wie sie gleichfalls zu den Liebhabereien des 18. Jahrhunderts gehört; über dem türlosen Ein gänge sah eine dreieckige Gtebelfront gegen Süden, und verwaschene Ziffern ließen mutmaßen, daß sich aus ihr eine Sonnenuhr befunden. Auch ein eiserner Stab be stätigte die», zeigte indes -en Stand -er Sonne nicht mehr an, sondern er hing losgebrochen am unteren Ende ver rostet herab und diente nur den Winden zum Spielzeug, ihn gelegentlich wie einen Pendel hin und her schwingen zu lasten, der keinen, den Gang der Stunden deutenden Zeiger in Bewegung fetzte. Am Oberrand der gleichsam abgelaufenen Uhr hatten sich ebenfalls halbverlöschte Reste einer Umschrift erhalten, doch gelang e» bet achtsamer Be trachtung noch, den Sinn ihrer Worbe: „Das Glück ist die Schwelle des Unglücks", mehr zu erraten als leserlich herauszubringen. So verfuhr die Zeit mit de» Erzeugnissen von Menschenhand, über die der Natur dagegen übte sie keine Macht aus oder bedurfte wenigsten» dazu weit größer bemessener Frist. Ahornbäume, di« von rückwärts her mit ihrem zackigen Laube das Pavillondach zu über schatten begonnen, taten noch durch nichts eine Alters schwäche in ihrem Innern kund, entwickelten vielmehr ihre lang jugendlich glattrindig erhaltenen Schößlinge zu dick umborkten Stämmen der kräftigsten Mannesjahre, und schlanke Birken hoben sich noch in wetßumbasteter, von keinen dunklen Einrissen zerfurchter Schönheit hochkrontg über jene hinauf. Da» waren großmächtige Söhne und Töchter der Natur, bestimmt, erst in ihrem -weiten Jahr- hundert dem Greisentum zu verfallen, -och auch manche ihrer kleinerwüchsigen Verwandten hatten sich ihre Lebenskraft und -Luft noch nicht vom Vernichtung »gelüst der Zeit entwinden lasten. Sie beanspruchten ebenfalls alterworbenes Bodcnrecht, dauerten auf dem heimlichen Platze vor dem SLulenbau fort, Ziersträucher vcrschie- dener Art, rotblühende japanische Quitte, Makvendßsch« und der mit braunen sonderbaren Blüten nach Erdbeeren dusten-e CalicanthuS. Nicht als Fremdlinge, sondern wie heimisch geworden, standen sie da, hochaufgeschossen und breit um sich greifen-, ttn Halbbogen umrahmt von wall- artig dicht gedrängten Lieblingen der Großmütterzeit, Pinrpinellrosenbüschen, auf denen blaßrütlich Blume an Blume lag. So zart wie ihre Karbe, so fein war ihr süßer Dust, Holderes als -er Verein von beiden kaum vor- stellbar. Zugleich konnte die Röschenfülle an einen von Feen Heraufgezauberten Schmuck alter Märchengärten und an graziös tändelnde Rokokogewiüde erinnern, und zu beiden stand da» Gäulengebäude, al» kleines Ab- bild eines Tempel» der Vorzeit oder al» Pavillon aus LouiS-quatorze-Tagen im Einklang. Do erschien über/ diesen Teil de« Garten», wenn er in sonniger Stille balag, ein besonderer Retz au-gegossen, anmutreiches Leben in freudigem Licht, doch dabei mit einem leisen Einschlag von Schwermütigkeit, die laut- und reglose» Schweigen um jede Schönheit webt. Im übrigen gemahnte sonst nichts an Rokoko, ober Zopfstil, keinerlei Verkünstelung nnd Einzwänguna der Naturtriebe durch die verbildende Gärtnerschere. Gradlinig gestutzte yosquetwände, zu Figuren oder Ornamenten modellierte und verschnittene Laubkronen ließen sich hier nicht vorstellen, jede» Wachs- tum war uneingeschränkter Freiheit de» eigenen Be lieben», -er friedlichen oder herrisch-erzwungenen Ab findung mit dem gleichen Verlangen seiner Nachbarn an- heimgegeben. Sin langbestehender stummer Kamps mochte sich vielfach von Jahr zu Jahr erneuert haben, allein der Blick nahm nirgendwo etwa» von Gewalttätigkeit und Unterjochung gewahr Auch nicht geradezu von Verwilderung im Sinne menschlicher Ordnung-Pflege, wenigsten» nicht, was die Plätze und Wege betraf. Die Raseifflächen waren zwar al» solche vollständig verschwunden. Herübergewehte Samen von Löwenzahn, Ranunkeln, Lichtnelken un- Bocksbart hatten sich ihrer bemächtigt, sie in kleinere and größere, zur Blütezeit vorwiegend goldfarbige Wiesen umge- wandelt; au» den Gängen dagegen ließen Sommersonne und Regen die sonst verdrängten Grashalme aufsprießen, doch nicht wirklich festdauernden Besitz von iHnen er- greifen. Im Frühjahre kamen stet» ein paar alte Männer mit Hacke und Schaufel, rodeten mehrere Tage lang arbeit- sam da» Wegunkraut fort, kehrten im Spätherbst nochmal» ebenso wieder und säuberten überall den Boden von der Masse de» dürr abgefallenen, im Bind umherkreiselubeu Laube». Während dieser Tätigkeit standen die Zugang»- Montag, 16. Mai 1904. — Al- zukünftiger Prästdeut des Reich-statistischen Amt- wird jetzt der Geh. Oberregieruug-rat vr. van ver Borght au- dem Reich-amt de- Jauern genannt, vr. vau der Borght war früher Professor der Nationalökonomie an der Technischen Hoch, schule und hat al- solcher hauptsächlich über Berkehrrfraaen ge- arbeitet. Längere Zeit hindurch gehörte er auch der uattoualnberalen Fraktion de- Abgeordnetenhauses an. Al- Vortragendem Rat im Reich-amt de« Innern fiel vr. van der Borght die Leitung der nn letzten Jahre veranstalteten Erhebungen über die Kartelle und Syndikate zu. — Wie wir hören, ist vom Reich-amt de- Innern za de» deutsch-belgischen Handelsvertrag-Verhandlungen Geh. Rat Müller nach Brüssel delegiert. * * Flensburg, 15. Mai. Die Flensburger Strafkammer hat dieHau-suchung im RedaktionSzimmer de-Reich-tog-abgeordnetcn Jens Jessen, die aus Anordnung der Staatsanwaltschaft erfolgte und im Reichstage scharf kritisiert wurde, al- unstatthaft ettllüt. Die Staatsanwaltschaft hatte infolge der Forderung de- Reichs tage- nach Aufklärung eine Rechtfertigung versucht, die den Reichs tag nicht befriedigte und den Beschluß der Einforderung der Akten zeitigte. ' Stuttgart, 15. Mai. In Anwesenheit desKönig 8- Paares und des gesamten Hofes, sowie der Spitzen der staatlichen und städtischen Behörden erfolgte heute vor- mittag bei schönstem Wetter in feierlicher Weise und mit militärischem Gepränge die Einweihung deS Stand bildes des verstorbenen Prinzen Hermann zu Sachsen-Weimar, dessen verdienstliches Wirken als energischer Förderer patriotischer, gemeinnütziger und künstlerischer Bestrebungen in Stuttgart und ganz Schwaben noch lange in gesegnetem Andenken bleiben wird. Sein Denkmal erhebt sich in einer Anlagennische schräg gegenüber dem ehemaligen Palais Weimar in der Neckarstraße. Der Prinz ist in bürgerlicher Kleidung, im Straßenanzuge, dargestellt. Auf etwa mannshohem Syenitsockel, der die Inschrift trägt: „Hermann, Prinz von Sachsen-Weimar, 1825 bis 1901", erhebt sich in anderthalbfacher Lebensgröße die straffe, ritterliche Ge stalt. Schöpfer des schönen Werkes ist Prof. Karl Donndorfjr., der Guß wurde in der Erzgießerei von Bierling in Dresden ausgeführt. Bei dem Ent- hüllungsakte wurden eine große Zahl prachtvoller Lor beerkränze mit Widmungsschleifen an dem Denkmal niedergelegt, in den Ansprachen kamen die warmen Sympathien für den Heimgegangenen Prinzen zu be redtem Ausdruck: Militärmusik schloß die Feier. Außer diesem Denkmal ist zum Andenken an den „Prinzen Wei mar", wie er hier kurzzweg genannt zu werden pflegt, noch eine Stiftung errichtet worden, deren Zinsen zu Reise st ipendien für jüngere Künstler be stimmt sind. Bis jetzt sind für diese Prinz Weimar- Stiftung 40 000 -F eingegangen: die Sammlungen sind noch nicht abgeschlossen. * München, 15. Mai. Nach dem Bericht des 1. und 3. Ausschusses der Kammer der Reichsräte ist die bayrische Wahlrechtsreform zur Zeit als aussichtslos zu betrachten. Hurlanck. Spanien. " Die Verhandlungen mit Frankreich 2Ler Marrokko. Die neuesten Eindrücke über dre Pariser Verhandlungen bezüglich Marokkos sind etwas günstiger. Frankreich scheint etwas nachgiebiger gesinnt zu sein, jedenfalls um das nachbarliche Freundschaftsverhältnis zu Spanien nicht aufs Spiel zu setzen; Die Amtskreise in Madrid beobachten zwar absolute Reserve, lassen jedoch durch- blicken, daß der Abschluß des Vertrages im Laufe dieser Woche ermöglicht werden wird. Serbien. * Die Fürstenbeweguug in Nisch hat am Sonnabend stattgefunden. Der König kam einige Minuten früher und erwartete den Fürsten. Die Monarchen küßten einander nicht, was unangenehm berührte, sprachen einander aber gleich mit „Du" an. Nachdem sie gegenseitig ihre Gefolg- schaff vorgestellt hatten, fuhren sie, begrüßt von einer zahl reichen Menge, zur Präfektur. Während des Frühstücks sagte König Peter, er sei glücklich, auf dem serbischen Boden den Vertreter des Brudervolkes begrüßen zu können und trinke auf das Wohl Bulgariens und dessen Herrscherfamilie. Fürst Ferdinand erwiderte, daß er freudig berührt fei von dem Empfange, den er auf der Durchreise gefunden habe; er danke für die Worte des Königs und trinke auf das lange Leben des Königs, auf das Wohl seiner Dynastie und auf das Gedeihen des Brudervolkes. Diese unbedeutenden Reden enttäuschten die Anwesenden ziemlich. Man ist jedoch überzeugt, daß die Besprechungen, die zwischen dem König und dem Fürsten und zwischen den Ministern geführt werden, ge- pforten, deren verrostete Schlösser -em Schlüssel von Jahr zu Jahr mehr Widerstand leisteten, manchmal ein Weilchen offen; zu allen anderen Zeiten waren sie verriegelt und betrat niemand den Garten. Das reffe Obst ward von keiner Hand gepflückt, sondern siel au» den Zweigen her unter, ungenutzt am Boden zu vergehen, mindestens diente es keinem Menschengaumen -um Genuß. Nur be flügelte Gäste wußten die süßen Herbstgaben zu schätzen, große und kleine, Vögel und Wespen, und am eifrigsten stellt« sich an der mft Aepfeln, Birnen und Pflaumen überdeckten Tafel eine buntleuchtende Gesellschaft von Zackenfaltern ein. Ihr Anblick konnte gleichfalls an den Zauberstab einer Fee erinnern, so prangend und prächtig wogten und wiegten sich über dem großen Fruchttisch in der ungestörten sonnigen Einsamkeit Admirale, Kleine Füchse und Pfauenaugen durcheinander. Ab und zu kam auf braun-schwarzen Sammeffchwingen ein Trauermantel au» der Lust herab und schwebte, einem Schatten gleich, zwischen die Farbenfreudigkeit der andern hinein. DaS war TammS Garten, jeder im Dorfe benannte ihn fo und fast alle, ohne sich bei dem Namen etwas weiteres zu denken, al» daß er selbstverständlich so heiße und so zwischen -er alten Buchenhecke daliege. Darüber zu grübeln, was das erste der beiden Worte bedeute, fiel keinem ein; die Väter hatten al» Kinder von Tamms Garten gesprochen, und ihre erwachsenen, wieder mit Nachkommen begabten Söhne taten e» gleicherweije. Gärten trugen auS Vorzeit her manchmal sonderbare, nicht erklärliche Namen, «wie auch Feldstücke und Gehölze. Nach Bodenart, einem Getter oder Baum, zufälligen Eigentümlichkeiten waren sie einmal so derartig benannt worden. So verhielt sich'» mit TammS Garten wohl auch; wenn'» geschah, daß er bei einer Grenzbestimmung schrift lich in Rede kam, lautete die Angabe „westlich oder nörd- lich vom TammSgarten". Das Steuerregister des Dorfes hatte nichts mit ihm zu tun, denn e» stand kein Wohn gebäude in ihm und er brachte keinen Nutzungsertrag. .'Fortsetzung folgt.)
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