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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 19.05.1904
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-05-19
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040519024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904051902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904051902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-05
- Tag1904-05-19
- Monat1904-05
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ve-«gS-PrriS di der Hauptexpedtttou oder deren Ausgabe» stelle» «d,»holt: vterteljähelich S.—. bet -weimaltga täglich« Zustelluug in» Han» ^l S.7L. Durch die Pos, brjogru für Deullch- land n. Oesterreich vierteljavcltch 4.V0, für di« Adrigen Länder taut gtttvngOpreUitstt. NebaMsni Johannidgasie 8. E-rechponde: k—S Ubr Nachm. Fernsprecher: IbS GWe-ttwiu^^ohannlsgass« L Alfred Lad».«Hundt»,Untverstiät-str.« <ssernfpr.dk 404«), L Lösche, Katharinen, straßr 14 (Fernsprecher Nr LS3Ü- ». Königs» plag 7 (Fernsprrchri Nr. 7bOü). Haupt^ttwt» Dresden. Marienstratze 34 (Fernsprecher Amt I Nr. 17131 Haupt-Ftlialr verltn: LarlDnocker, Herzg(.vayr.HosduckbaudIa„ Lützowsttab« 10<LeruiprecherAmtVl SK.460L) Abend-Ausgabe. WpMcr. TagMalt Anzeiger. Amtsblatt des königlichen Land- und -es Königlichen Amtsgerichtes Leipzig, des Nates und des Nolizeiamtes der Ltadt Leipzig. t U Anzeigen-PreiS die 6gespaltene Petitzeile 25 Reklamen onter dem RedaktionSstrich (4gespalten) 7Ü nach den Famüieuuach- richten <6 gespalten) bO Tabellarischer und Zisserniatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Osfertenannahme Lö Extra-Vetlagen (gesalzt), nur mit da Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung öü.—, mit Postbrsörderuag 70.—. «nnahmeschlutz sur Anzeigen: Abend.«u«aabr: vormittags 10 Uhr. Morgen-Au-gabe: nachmittag« 4 Uhr. Anzeigen sind stet« an dir Expedition zu richt«. Dir Expedition ist Wochentag« ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis abend« 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Pal» in Leipzta (Inh. Dr. B., R. L W. KliuthardK Nr. 253. Donnerstag den 19. Mai 1904. 98. Jahrgang. Var wichtigste vom läge. * Der Sächsische Landtag wurde heute mit einer vom König Georg verlesenen Thronrede geschlossen. (Siehe Leitartikel.) * Generalleutnant von Trotha ist gestern abend von Trier nach Hamburg ab gereist. (S. Aufst. d. Herero.) * Die Tagung de« bayerischen Landtag« ist bis zum S. Juli verlängert worden. * Der Berliner Bäckerstreik hat insofern eine Ver schärfung erfahren, als verschiedene Meister ihre Ein willigung in die Forderungen der Gesellen zurück gezogen haben. (G. Deutsch. Reich.) * In den Berliner Straßenbahn-Werkstätten streiken etwa 1200 Arbeiter. * Beim Bau de« Simplon-TuanelS haben sich neue Schwierigkeiten ergeben. (S. a. a. W.) Vie ttrotueae. 2. Dresden, 19. Mai. Ein halbes Jahr voll ernster und gesetzgeberischer Arbeit. Möge es dem Lande zum Guten sein! Und nun gehen die Landboten heim, des eigenen Hauses Arbeit zu bestellen. Feierlich, wie es wichtigem Werke geziemt, ist der Schlußakt. Zuerst Festgottesdienst in der evangeli- schen Hofkirche; dann begeben sich die Mitglieder beider Kammern inS Residenzschloß, wo in althergebrachter Weise höfischer Prunk entfaltet wird. Grenadiere prä- sentieren, schmucke Tardereiter grüßen mit entblößtem Pallasch. Die Turmuhr verkündet soeben die erste Stunde, da naht derKönig mit dem Kronprinzen und dem Prinzen Johann Georg. Ihm voran schreiten drei Staatsminister und die Spitzen des Hof- staates; bezopfte Pagen in roten Röcken begleiten den feierlichen Zug. Hochrufe begrüßen den Monarchen. Neben den Mitgliedern der Kammern sind die Herren vom diplomatischen Korps, viele Beamte in ihren Hof- trachten und Offiziere in mannigfachen Uniformen er schienen; sie geben dem Festakt ein feierliches Relief. Am Throne macht derKönig Halt. Grüßend neigt er das Haupt, dann läßt er sich auf dem Sessel nieder und bedeckt das Haupt wieder mit dem Helme. Staats minister v. Metz sch nähert sich jetzt dem Throne und überreicht dem Monarchen folgende Thronrede, die der König mit lauter Stimme verliest: Meine Herren Stände! Die Arbeiten, zu deren Erledigung Ich Sie zu- sammenberufen habe, sind beendet. Es ist Mir ein Be dürfnis, Ihnen am Schlüsse dieser arbeitsreichen Tagung für Ihre, namentlich in den letzten Wochen unter besonders schwierigen Verhältnissen mit so großer Pflichttreue und Gewissenhaftigkeit entwickelte Tätig keit Meinen königlichen Dank auszusprechen. Die zur Fortführung einer geordneten Staatsverwaltung nötigen Mittel sind durch Ihre Beschlüsse zum Staats- Haushaltsetat bereit gestellt worden. Es gereicht Mir zur Genugtuung, daß Sie den Ihnen unterbreiteten Vorschlägen ohne wesentliche Abweichungen zur Be- schließung zugestimmt und die Bemühungen Meiner Regierung, in allen Zweigen der Staatsverwaltung und der Staatsbetriebe eine verständige, wirtschaftliche Sparsamkeit zu üben, tatkräftig gefördert haben. Mit Befriedigung habe Ich ersehen, daß über die Vorlage wegen Regelung der Verhältnisse derOber - rechnungskammer und wegen Erlasses eines Gesetzes über den Staatshaushalt eine Eini gung mit Ihnen erzielt worden ist. Es steht zu hoffen, daß die Verabschiedung dieser Gesetze den auf Herbei führung einer möglichst gesicherten Finanzlage ge richteten Bestrebungen wirksam Vorschub leisten wird. Ernste Sorgen bereitet Mir die stetig zu- nehmende Verschlechterung der finan- ziellen Beziehungen des Reichs zu den Bundes st aalen. Die zur Deckung des ordent- lichen Bedarfs des Reiches für das Jahr 1904 erforder- lichen Mittel werden in einem solchen Umfange durch ungedeckte Matrikularbeiträge aufzubringen sein, daß, wenn nicht besonders günstige Umstände eintreten, die Erhaltung des Gleichgewichts im Staatshaushalte für die laufende Periode schon jetzt in Frage gestellt er- scheint. Ich weiß Mich eins mit Ihnen in der lieber- zeugung, daß hier baldigst Abhülfe geschaffen werden muß. Meine Regierung wird keinen Schritt unter- lassen, der geeignet erscheint, auf die Beseitigung der in jener Hinsicht bestehenden Mißstände hinzuwirken. Mit um so größerer Freude erfüllt es Mich, daß der Rechnungsabschluß der Finanzperiode 1902—1903 ein befriedigendes Ergebnis gebracht hat. Hinsichtlich der in Aussicht genommenen Neuordnung de? Ge- meindesteuerwesens und der bezüglichen Aenderungen des Wahlrechtes zur Zweiten Kam- mer der Ständeversammlung ist es bei der Ueberhäu- fung der nunmehr beendeten Session mit schwierigen Arbeiten zu einer übereinstimmenden Entschließung der beiden Kammern nicht gekommen. Meine Regie- rung muß sich daher Vorbehalten, die einschlagenden Fragen weiter zu verfolgen und künftig mit neuen Vorschlägen an Sie herantreten. So lasten Sie Mich denn von Ihnen mit dem Wunsche scheiden, -aß Unser gemeinsames, auf die Förderung des Wohles Unsre- teuren Sachsenlandes gerichtetes Streben von dem göttlichen Segen begleitet sein möge. Dann wird der Landtagsabschied borge- tragen. Der König nimmt die Schrift entgegen und überreicht sie den Präsidenten der beiden Kammern. Und nun erklärt Staatsminister von Metzsch im Auftrage seines Souverains den 30. ordentlichen Land tag des Königreichs für geschlossen. Grüßend verabschiedet sich der König. Der feierliche Zug verläßt, wie er gekommen, den Thronsaal. Dem Landesvater folgen Hochrufe seiner getreuen Stände. Die Feier ist beendet. Heute abend sechs Uhr findet im Bankettsaale zu Ehren der Mitglieder des Landtages eine königliche Tafel zu 200 Gedecken statt. ver ftuktanä «er sierers. Di» letzten Gefechte. Zu den letzten Gefechten wird dem „L.-A." von einem militärischen Mitarbeiter geschrieben: Die letzten Nachrichten aus den Distrikten Outjo und Groot« fontein lassen neue und interessante Schlüffe auf die gegen wärtige Lage im Norden zu. Aus Outjo wurde unter dem S. d. M. ein Gefecht bei Rauas (ThauaS?) — 5 Kilometer östlich Outjo — gemeldet, nachdem die Herero sich am Wend in der Richtung auf die Paresis-Gerge zurückzogen. Diese liegen nur 3 Kilometer südlich Outjo unweit der großen Straße nach Omaruru, die demnächst die Abteilung unter Ober leutnant von Zülow (etwa 200 Mann) benutzen wird, die der Grootfontein-Besahung Hülfe bringen soll. Hier sind also vielleicht neue Zusammenstöße zu erwarten. Tie ParesiS« Berge gehörten zur Kapitänschaft des bekannten Herero-Häupt lings Wanjo, der sich zu keiner Zeit besonders deutschfreundlich gezeigt hatte, und seine Leute werden es wohl sein, die sich wieder in die Nähe ihrer Wohnsitze vor dem Aufstand gezogen haben. Aus dem Distrikt Grootfontein wurde von einem Gefecht am 28. April berichtet, das Oberleutnant Volkmann mit 10 Reitern 10 Kilometer östlich Okanguindi „versprengten" Herero lieferte, die 31 Tote verloren. Wenn der genannte Ort — woran Wohl nicht zu zweifeln ist — mit der Wasserstelle Ohanguindi am Omuramba Uamatako (Chuob), SO Kilometer südlich Grootfontein, identisch ist, so hat Oberleutnant Volk mann sich durch diesen kühnen Patrouillenritt ein großes Ver dienst um die Klärung der Lage nordöstlich des Waterberges erworben. Drei bekannte Wege standen ihm zur Erreichung des Omuramba zur Verfügung: 1) Grootfontein-Otjituo, 2) Grootfontein-Okapukua-Owisume und 8) Grootfontein- Okamahundju-Toblenz. Sei eS nun, daß er den ersten, der ihn längs des Omurambi nach Okanguindi geführt hätte, be nutzt hat, sei es, daß er in direktem Vorstoß von Norden her diesen Ort erreichte, immer erscheint die Lage zweifellos dahin geklärt zu sein, daß die Landschaften am Omuramba südöstlich Grootfontein bis Okaguindi von stärkeren Ansammlungen des Feindes frei sind. In Verbindung mit den oben erwähnten aus Outjo eingetroffenen Meldungen und der Nachricht aus Okombahe, daß dort eine Farm von den Herero überfallen und Vieh geraubt worden sei, läßt das Ergebnis deS Patrouillen ritt» VolkmannS dagegen den Schluß zu, daß in dem Dreieck Waterberg-Outjo-Omaruru allenthalben starke Ansammlungen deS Feindes angenommen werden müssen. Ob der Otavi-- Distrikt frei oder besetzt ist, säßt sich zur Zeit nicht übersehen. Da« SefeHt bei Gkaharui. Im „Militärwochenblatt" wird die Veröffentlichung der Gefechtsberichte des Hauptmanns Fischel fortgesetzt. Aus der Schilderung des am 3. April von Glasenapp den Herero gelieferten erfolg-, aber auch verlustreichen Ge- fechts bei Okaharui geben wir einige interessante Stellen wieder. Die eigentliche Gefechtsschilderung interessiert den Nichtfachmann weniger; allgemein bemerkenswert sind folgende Mitteilungen Fischels: Die Verfolgung (der Herero) wurde etwa 7 Kilometer am Wege entlang fortgesetzt. Danach ging daS Detachement mit den aufgefundenen Toten, die von den Herero alle vollständig nackt ausgezogen und der Kleider und Waffen beraubt waren, auf die Höhe zurück und bezog hier Biwak für die nächste Nacht. Leutnant der Reserve Nörr wurde mit durchschnittener Kehle aufgefunden; einigen Leichen war der Schädel mit dem Kirri «ingeschlagen. Die Herero machen nämlich keine Gefangenen, sondern sie lasten den Schützen einige Leute mit KirriS (Keulen) folgen, um den Verwundeten und Gefangenen den Schädel ein zuschlagen. ES war für die Kompagnie (Fischel) verhängnis voll, daß das Detachement im Moment des Angriffs weit auS- einandergezogen war; die Hauptverlufte sind bei dem an sich ja immer sehr schwierigen Rückzugsgefecht nach der Kompagnie Brockdorff hin eingetreten. Leutnant Hildebrandt hat vier Schüsse erhalten, in den Hut, in die Feldflasche, in den rechten Aermel und in das linke Achselstück; er hat nur an der Achtel «ine unbedeutende Kontusion. Ich bin etwa» bester weg gekommen und habe nur einen Prell- oder Streifschuß, eben falls mit unbedeutender Kontusion über dem rechten Teil des Gesäßes. Wir sind beide bei der Kompagnie geblieben. Hilde brandt trägt einen Verband, ich nicht Die Mannschaften in der Kompagnie haben in der schwie rigen Lage, in der sie sich befanden, vollauf ihre Schuldigkeit getan. Unteroffizier Fritsche war bei Leutnant Hildebrandt und verließ die Schützenlinie nicht, obgleich er einen schweren Schuß im linken Arm hatte, er feuerte vielmehr mit dem rechten Arm weiter, indem er sein Gewehr auf einen Buschast legte; erst auf ausdrücklichen Befehl von Leutnant Hildebrandt und mir ging er zurück. In ähnlicher Weise tat sich Unteroffizier Lungwitz (Sachse) hervor; er erhielt einen Schuß in den linken Fuß, trotzdem hielt er als Führer des linken Seitenschutzes tapfer bis zu Ende aus, ebenso wie Leutnant Hildebrandt und Unteroffizier Fritsche den Leuten ein vorzügliches Beispiel von Tapferkeit gebend. Für mich war es keine leichte Auf gabe, die Leitung der Kompagnie, die in dem gänzlich unüber sichtlichen Gelände zerstreut war, in der Hand zu behalten. Major v. Glasenapp erkannte denn auch in seinem Ge- sechtsbericht an Oberst Leutwein der Kompagnie Fischel die Hauptleistung des Tages zu. Glosse« über -le Vorgänge i« Deutsch- Sü-wsstafrlka. Der Deutsche im Auslande, auch wenn er nicht über See wohnt, beurteilt manche Erscheinung in unserer Politik sachlicher und klarer, als wie wir es vermögen. Sicherlich ist das der Fall mit Erscheinungen unserer Kolonialpolitik, für die er mehr Verständnis und Er fahrung besitzt, als der größere Teil der Deutschen im Reiche. So finden sich recht beherzigenswerte Worte über die Beurteilung südwestafrikanischer Vorgänge in der „Deutschen Wochenzeitung in den Niederlanden": „Sol- datenbriefe werden förmlich als delphische Orakelsprüche hingestellt. Ein kleiner Echec der mit dem Gelände und der Kampfesweise der Herero nicht vertrauten, aus Neu- fingen bestehenden Entsatztruppe bietet den militärischen Berichterstattern häufig Stoff zu einer vernichtenden Kritik der ganzen Truppenorganisation. Schreibt ein Farmer, er wolle das Land verlassen, weil er sich nicht Feuilleton. Tamms Garten. 4s Roman von Wilhelm Jensen. «achvn»«k »erbot»«. An der rechten Sette führte ein« breite Trepp« aber bequeme niedrig« Stufen -nm ob«r«n Stockwerk hinauf; da- Geländer ward zu beiden Seiten von kunstvoll au»- geschnitzten, aber sichtlich vom Wurm zerfressenen Holz balustern getragen, gelbe» Bohrmehl übersprenkelte sie. Der bis an den Ausgang Vorgeschrittene blieb einen Augenblick zaudernd stehen, dann überwog der Trieb, der ihn herrtngebracht, und er stieg die Treppe hinan. Ihm kam'», westen Füße im Verlaus vieler Jahre hier aus und nieder gegangen sein Mächten; im Gegensatz zu der mit tägigen Tlanzhelle draußen umgab » ihn nun hetvah mit Dämmerung, in der seine Phantasietättgkett sich geräusch los von droben herabkommende, neben ihm über die Stufen ntedergleit«nbe ungewisse Schatten erzeugte. Dann jedoch, al» er einen Absatz erreichte, an dem jene in rechtem Winkel umbogen, fiel ihm wieder klare» Licht von einem oberen Korridor entgegen, saft stromhaft aus einer dort offenstebenden Zimmertür yervorbrechend. Beim Eintritt in diese erklärte sich die Glanzfülle, d«an gegen- über schien die Sonne voll durch mehrere hob«, vorhangs lose Fenster in ein große» Gemach, da» sie mit einem auaenblenden-en Strahlenglan- überschüttete. Auch di« Wände warfen grellen Schein zurück, st« waren weiß und trugen, gleich der Bodenbecke, aus br«it«n Flächen vor springende Atuckverzierunaen, Blumensträuße und -Ge winde, von Fahnen und Hellebarden umgebene Schild«, Gerank und Schnörkel mannigfacher Art. Ueber den Türen sahen verblaßte Sürporte-Gemälde herab, Land schaften und Tierstückc; ein zierlicher, doch leerer Rokoko. GlaSschrank mit halberblindeten Spiegelscheiben an der Rückwand hob sich zwischen den Fenstern auf, und einige alte Armsessel, in deren verschossene Sitz» und Lehnenüber züge märchenhafte Vögel eingestickt waren, standen in den Ecken. Sonst enthielt der Raum keine GinrichtungS- gegenstände, redete wie der Flur drunten von einem sich selbst zum Verfall Ueberlastensetn. Auch hier lag über allem hauch- und tonlose Unbeweglichkeit, nur in den breiten Sonnenbahnen spielten tausend goldgfimmermde Stäubchen durcheinander. In dieser flammenden Helligkeit sing von der toten Stille etwa» noch w«tt stärker geisterhaft Anrührende- au», al» e» der Anblick des gelben Gebäude» von draußen Dieter Ltndenholz je im Gefühl erweckt hatte. Er stand, »erhaltenen Atemzug» sch«u umhersehen-, wunderlich überlief'» ihn, und «r wollte sich auf den Zehenspitzen, keinen Ton sein«» eigenen «Schritte» zu verursachen, wieder nach -er Treppe zwrückwenden, al» au» einem Nebenraume her durch die geschlossene Tür Laut« hdr- bar wurden. Sin undeutlicher Stimmenklang, ein Auf- lachen and dann ein Fußtritt; gleich danach, ehe der Pri maner, seine Absicht, geräuschlo» davonzugehen, auSstthren konnte, vssnete sich die Tür, und ein junger, ihn dem Aussehen nach um ein paar Jahre an Alter übertreffen- der Mana oder vtelmehr Herr trat auf die Schwelle. Offenbar ein der Universität AngehSren-er, nach studen- tischen, Brauch, doch eleganter al» die Mehrzahl gekleidet, lässig-vornehm tn der Haltung, mit schdngeschnittenen Zügen von unverkennbar artftokrattschem «Gepräge. Doch zeigte sein Gesicht gegenwärttg eine ihm mutmaßlich sonst nicht eigene hochrote Färbung, sprach in Ueberetnstim- umng mit den eigentümlich glanzfltmmernden braunen Augen wohl von reichlichem vormittägigen Wetngenuß. So sah er »en unerwartet tn der leeren Stube nah vor ihm Stehenden überrascht an, merklich in feinem Gebächtni» suchend, eh' ihm die Jvage vom Munde kam: FSas «ollen Sie hier? Ich kenne Sie nicht." Doch abbrechend fügte er gleich nach: „Pah, du bist wohl ein Pennal auf verbotenem Schlvpstoeg? ^itimur in ettitum, sagte Ovidiu» Naso, der verstand sich drauf, und al» wissen-durstiger Schul- such» eiferst du ihm nach. Oupiwu«,ve nesvta, da» ist klassisch« Vorschrift; Schulmeister mit Verstand im Kops sollten ihr« Befolgung mit der besten Zensur lohnen. Ich gvnne jedem Durst seinen Trnnk, dir auch für deine Kehle, und petze dich nicht hei deiner Klassenrute an, wenn mein Name auch »tagt, al» ob'» von Hau» au» sei» Beruf mär'." Zweifellos hatte au» dem Sprecher di« «Weinzunge länger fortgeredet, al» er'» in nüchterner Bersassung einem unbekannten Gymnasiasten gegenüber getan haben würde. Belm letzten besann er sich, daß «» dem HSrer un verständlich sei» müsse, tickte kurz mit der Rechten an eine Eerevi-kappe aus seinem Scheitel »nb sagte erläuternd dazu: »Detlev von Petzold, Studiosus juri». Habe viel leicht die Ehre noch einmal wieder, wenn du dich zu einem Auch» in -er -weiten Potenz gehäutet hast." Ein herablassender Spaß oder Spott de» halb berauschten Studenten war'», der den Schüler wie einen Jungen oder Dienstburschen „du" genannt, und seinen Fuß weiter setzend, ging er der Treppe zu. Kurz hallte sein leicht schwankender, indes ohne Scheu geräuschvoll austretender Schritt an den Wänden der Stube um, dann lag iu ihr wieder die Stille von ebenzuvor. Doch ver ändert, gewissermaßen entgeistert Lurch die lebendige An wesenheit eine» Menschen, von dem Dieter in» Gedächtnis kam, -aß er ihn schon einmal auf der Straße gesehen habe, vermutlich hielten sich noch Genossen des adligen Studenten, zu einem VormittagStrunk versammelt, in dem Nebenvaume auf, nach dessen offen gebliebener Tür der Primaner mechanisch nochmals den Kopf zurückdrehte. Da sah ihn -rau» auch ein von dunklem Haar umflossene» Gesicht mit gleichfalls tiefdunklrn, doch wie schwarze Stein kohle einen Glimmerschein ««»sprühenden Augensternen an, und e» dauerte ein biSchen, eh' er durch die Sonnen blendung umher klar erkannte, daß der Kopf nicht der eine» Studenten, sondern eine» jungen, ihn mit prüfendem Blick betrachtenden Mädchen» sei. Sie war von kleiner Gestatt, doch schlankem Wuchs, und wie'S ihm vorkommen wollte, etwas auffällig, anders al» sonstige Mädchen ge neidet: am vierten Kinger ihrer linken Hand trug sie einen Ring, von dem ein roter Stein Sichtfünkchen a«S- wars. Nun machte sie, -en Fuß aus -er TürSffnung -nrücksetzen- und diese fretlassend, eine leichte Hand bewegung, -ie augeuscheinlich -en «nkvmmling zum Ueberschreiten der Schwelle etnlud. Er wußte nicht, wie er sich benehmen soll«, fühlte nur, baß er einen Grund seine» Hierstehens tm fremden Hause vorbringen müsse, sand jedoch zunächst kein« Wort« dafür. So folgte er in seiner Befangenheit unwillkürlich stumm der Aufforderung, trat durch die Tür tn ein Zimmer, da» -em anstoßenden ungefähr an Große glich, auch ähn liche Stuckverzierung «n den Wänden trug, sonst tnde» tn mehrfacher Richtung davon abstach. Die Fenster gingen nach einer andern Seite hinau», so -aß die Sonne nicht hereinfiel, außerdem dämpften gelbe Gardinen da» Licht zu einer Haldmattigkttt ab. Und dieser Raum war er kennbar eine Gaststube, wenn auch nicht für zahlreich«» Besuch eingerichtet, zum Teil mit alte«, -um andern mit neu auSsehenben Möbelstücken. Zu den letzteren gehörten ein paar kleine, von wenigen Stühlen umstandene Rund tische, dagegen stammte sichtlich ein zierliches, mit einigen Likörkaraffen und Gläsern besetztes Buffet auS ver gangener Zeit, und gleicherweise ein äußerst breiter Divan, dessen Sitzfläche und gepolsterte Rücklehne auf ver schossenem Grunde die nämlichen Märchenvögel eingesttckt zeigte, wie die Armsessel im Borderzimmer. Niemand befand sich hier; auf einem Tischchen am Oberenbe des Kanapee- stand nur eine silber-köpfige leere Eham- rxtgnerflasche mit zwei hohen Spitzgläsern, und ein blinkender holländischer Dukaten lag daneben. Der Primaner ließ gedankenlos die Augen darüber htngehen, doch sein Mund verhielt sich noch immer schweigend, umsonst nach einer entschuldigenden Erklärung suchend. DaS Mädchen aber fragte jetzt tn einer eigen tümlich langsam gedehnten, wie Tropsenfall von d«n Lippen kommenden Sprechweise: „Wollen Sie auch Thampagner trinkend Die ersten Worte aus ihrem Munde waren » und be fielen ihn mit einem Schreck der Vorstellung, daß er von seinem geringen Taschengeld eine so unerschwingliche Ausgabe bestreiten solle. Doch ging ihm aus der Frage erst nun auf, sie müsse eine Bedienerin der Wirtschaft sein, und zugleich durchschoß seinen Kopf ein hlllfreicher Ge danke, der ihm die ein wenig gestotterte Antwort eingab: „Nein — ich wollte nur — e» ist heiß draußen, und ich möchte einen — ich alaubc, Pfeffermünz heißt'» —* Da» Wort fiel ihm ein, ohne daß er einen rechten Begriff damit verband, aber er hatte es öfter nennen ge hört, und die Kosten dafür konnten nicht beträchtlich sein. Die junge Aufwärtertn trat an'S Buffe», schenkte Su ttner Karaffe in ein Gläschen, da» sie zurückbrachte, während er eine kleine gehäkelte Geldbörse hervorzog und nach dem Preis deS Getränke» fragt«. Leicht mit den Schultern zuckend, erwiderte sie: „Einen Schilling" un setzte, ibn anblicken-, hinzu: „Sie sind wohl noch auf der Schule? Mir kommt'S vor, ich habe Sie schon mit Büchern vorbeigeben sehen Da dürst« ick Ihnen eigentlich nicht» geben, aver man muß nicht hartyerzig kein. Wenn einer so groß und thm'S heiß ist, kann er aus der Schule schon Durst haben." Ein leicht lachender Ausdruck spielt« ihr dabtt um »i« vollen Lippen, sie nahm -en Dukaten vom Tisch, danach -en Schilling ««» seiner Han- «n- sagte, den letztere»
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