01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 25.05.1904
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-05-25
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040525010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904052501
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904052501
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-05
- Tag1904-05-25
- Monat1904-05
- Jahr1904
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
BezugS-Prei- t« d« »a«pttxp«dittm> »der deren Ausgabe stellen avbtholt: vierteljährtich ^4 3.—. bet zwetmaltger täglicher Zustellung in« Hau« 3.75. Durch die Post bezogen für Deutsch land u. Oesterreich viertrljtchrltch ^l 4.50^ für die übrige« Länder laut Zettung-prei-itste. Aedatttau: Jo-anut-gasse 8. Sprechstunde: 8—8 Uhr Rach«. Fernsprecher: 188. Ggtzedttia»: gohanut-gaffe 8. Fernsprecher: SL2. KtltalerpedtrtaneU: Alfr »d Huh »»Vuchhandlg., UutverfitSt-str.S «Fernspr. Rr. 4046), L. Lösche, Kathartnru- straße 14 (Fernsprecher Rr. S938> ». KöntgS- Platz 7 (Fernsprecher Nr. 7505). Ha «Pt-Filiale Dresden: Marteustratz« 34 (Fernsprecher Amt I Rr. 1718). Hanpt-Filtale Verltu: LarlDnncke r, Hrrzgl.Bayr.Hofbuck>bandIg^ Lützowstraße 10(Frrujpr«h«rAmtVI Nr4603.) Morgen-Ausgabe. MpzMrIllgMaü Anzeiger. Ämtsvlatt -es königlichen Land- und -es königlichen Amtsgerichtes Leipzig, -es Nates unS des Nolizeiamtes der Ltadt Leipzig. Anzeigen-PretS die 6 gespaltene Petitzeile 25 Reklamen u«t«r dem RrdoktiouSstrtch («gespalten) 78 >4, nach de« Familieanach- richte« (6 gespalten) 80 H. Tabellarischer und ZtsserNstch entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisung« Und Ossertenannlchme » «rtra-veilage» (gefalzt), »ur mtt der Morgen-Ausgabe, »du« Postbefdrderuug 60.—, mit Postbrfvrderung 70,—. Sauahmeschlutz für Anzeige«: Abe«d»All«gabr: vormittag» 10 Uhr. Viorg«u-Au«gaber nachmittag« 4 Uhr. Anzeigen find stet« an dir Expedition ,u richten. Di« Ervedttion ist Wochentag» ununterbrochen geöffnet «LS früh 8 bi« abend« 7 Uhr. Druck and Verlag von G. Palz t» Leipzig (Inh. Dr. B., R. ch W. «ltnkhardtX Nr. 2«1. Mittwoch den 25. Mai 1904. 88. Jahrgang. Var Wichtigrtt vom Lage. * Generalleutnant von Rabenhorst, Kommandeur der 24. Division, scheidet Ende Juni diese« Jahre« au» dem aktiven Dienste. (S. Leipz. Angel.) * Der Kaiser ist gestern früh 8»/. Uhr in Prökelwitz eingetroffe«. * Bon gut unterrichteter Seite erfahren wir, daß nach den letzten Beratungen der Kommission für die Reform de« Strafprozesse« die Einführung der Berufung im Prinzip gesichert erscheint. * Da« Leichenbegängnis de« verstorbenen Herzog« Paul Friedrich von Mecklenburg fand gestern in LudwigSlnst statt. (S. Dtsch. Reich.) * Die Verlader derNewyork-Newhaven-Hartfort- Eisenbahn sind in den Au«stan d getreten. (S. Ausland.) * Unter den Chinesen und den japanischen Truppen am Ialu soll eine Cholera-Epidemie ausgebrochen sein. (S. ruff.-japan. Krieg). An Ferm v. Zagemann. Leipzig, 24. Mai. Werter Freund! Es war kolossal liebenswürdig, daß Sie mir Ihr Buch zusandten. Empfangen Sie meinen herzlichsten Dank dafür! Sie können sich denken, wie wohltuend eS für mich sein mußte, die Ansichten, die ich praktisch vertrete und gern in die Tat umsetzen möchte, theoretisch so geist voll bestätigt zu hören. Sie wissen ja, daß die Theorie nicht gerade unsere starke Seite ist. Merkwürdig, daß wir sie bisher immer von Juden beziehen mußten; wenn nicht der selige Stahl uns seinerzeit unser theoretisches Zeughaus gebaut hätte, dann hätten wir einfach den liberalen Schwätzern gegenüber verstummen müssen. Und das Beste, was gegen die heutigen Liberalen gesagt worden ist, das hat doch schließlich der Sohn des jüdischen Seidenhänülers gesagt, dessen Zeitschrift immer noch die gelesenste in ganz Deutschland ist. Also, verehrter Herr von Jagemann, Sie können sich denken, wie ich mich darüber gefreut habe, daß unsere Anschauungen endlich einmal gewissermaßen „standesgemäß" begründet worden sind. Läßt sich auch keinen Augenblick verleugnen, denn Sie gehen kolossal schneidig vor, geradezu „zielbewußt", wie die rote Rotte sagen würde, die unser PosadowSky so zärtlich ins Herz geschlossen hat. (Dieser Charakter- köpf müßte eigentlich der erste sein, der aus der Minister- gallerie verschwände.) Fabelhaft, Ihre Idee, daß das Deutsche Reich überhaupt gar kein Staat ist, sondern ein fach aufgelöst wird, wenn Majestät und die anderen hohen Kollegen sich darüber verständigen! Allerdings ist ja, unter uns gesagt, dazu wenig Aussicht, denn es sind leider auch unter den hohen Herrschaften immer Einige, die gern auS der Reihe tanzen. Aber wer weiß, vielleicht führt der Ernst der Stunde sie doch zusammen. Also: Reich wird einfach aufgelöst und nach einer halben Stunde erscheint „Reichsanzeiger" in Extraausgabe und kündet den Auf- bau eines neuen Reiches an, selbstverständlich ohne den Wahlrechtsunfug und auf einer soliden Grundlage, die den alten historischen Ständen ihren natürlichen Einfluß auf die Gestaltung des Staatslebens sichert. Selbstver ständlich auch im modernen Sinne; bessere bürgerliche Elemente, wie beispielsweise August Scherl, müssen herangezogen werden; geradezu erstaunlich, was sein Blatt neuerdings für uns leistet. Und dabei famoS ge schrieben. . Der letzte Leitartikel beginnt mit den klassischen Worten: „Das Pfingstfest wirft seine Schatten in die Politik der Woche." Wundervoll, nicht? Aber, verehrter Freund., trotz aller Anerkennung habe ich einige Bedenken, die Sie mir hoffentlich nicht verargen werden. Der Augenblick zu Ihrer Veröffent lichung ist nicht gerade günstig gewählt. Bülows Position wird dadurch entschieden verstärkt, und Sie hätten dem Manne keinen größeren Gefallen tun können, denn natürlich heißt es nun von allen Seiten, der Kanzler habe die deutsche Politik bisher vor extremen Richtungen beschützt und jetzt, wo es heiße „Fahre wohl, Doria, schöner Stern!" zische die Schlange der Reaktion aus allen Schlupfwinkeln empor. Sie wissen ja, das ist so der Stil dieser Kerls, die für ihr journalistisches Ge belfer bezahlt werden. Bülows Liberalismus, eS ist zum Totschießen l Sie wissen ja, daß die Sache in Wirklichkeit ganz anders liegt. Majestät hat nun einmal eine liberale Tendenz, die immer wieder zum Durchbruch kommen wird. Das weiß der Kanzler und dieser Neigung hat er sich geschickt angepatzt. Er würde auf unserer Seite stehen, wenn nur der allerhöchste Herr in der Beziehung unerschütterlich wäre. Indessen ist es unsere Pflicht, Majestät möglichst über die Lage der Dinge aufzuklären. Ich fürchte nur, daß Ihre Ausführungen an dieser Stelle nicht allzu gnädig ausgenommen werden. Man kann auf die Idee kommen, daß bei einer Auflösung des Reiches auch das Kaisertum vor die Hunde gehen könnte. Hätten Sie mich vorher gefragt, so hätte ich Ihnen geraten, an dieser Stelle kurze Bemerkungen einfließen zu lassen, am besten bißchen mystisch gehalten: Gottesgnadentum, Un antastbarkeit der nicht von den Völkern verliehenen Würde, Kaisertum mancher Familien gewissermaßen immanent geworden ustv. Läßt sich das jetzt nicht Noch machen? Es würde entschieden die Situation sehr erleichtern. Was Einwirkung nach oben anbetrifft, bleibt Stöcker immer vorbildlich. Er ist überhaupt, abgesehen von seinen sozialen Katerideen, ein fpmoser Kerl. Schade, daß ihn damals Fürst Hohenlohe im allerhöchsten Auf trag au- dem Parteivorstand hinauSgeekelt hat. Daß Ihnen die Herren Jellinek und Anschütz geant- wartet haben, braucht Ihnen den Kopf nicht schwer zu machen. Professorales Applausbedllrfnis, höchste Zeit, datz diesen Leuten der Korb angelegt wird. Selbstver ständlich mit Unterschied. Wir wissen die Verdienste Wohl zu schätzen, die manche Professoren sich um uns erworben haben. Denke dabei z. B. an Schmoller; wirklich aus- gezeichnet, was er neulich über Manteuffel sso. sagte. Ich war ganz erstaunt, ich mag den Mann sonst nicht, und schließlich sind diese Leute doch alle mehr oder weniger unsichere Kantonisten, mit oder ohne Geheimratstitel. Unfern guten Manteuffel jun. überschätzt er wohl allerdings etwas; sein berühmtes Ge heimnis ist von ungefähr demselben Werte, wie das Ge heimnis der alten Mamsell. Schadet aber nichts, die Hauptsache ist, datz wir jetzt 'mal erst mit den Sozis reinen Tisch machen; vom Liberalismus ist ja nichts zu fürchten; so lange die Leutchen solche Typen aufweisen wie den Herrn Hackenberg, so lange braucht man sie nicht zu schonen. Im ganzen darf ich wohl sagen, unsere Sache steht günstig, auch daS kommt uns sehr zu paß, daß die kleinen Bülowoffiziösen alle naselang in den Blättern unmittelbar bevorstehende Erfolge anzeigen, die sich nachher nicht realisieren, so z. B. handelspolitisches Entgegenkommen von Seiten Rußlands und dergleichen. DaS ist zu durchsichtig und gerade so gescheit, Latz es Herz- lich dumm ist. Nun adieu, verehrter Freund, und nochmals herz lichen Dank! Sollten Sie aber wieder einmal unter juristischer Verschleierung eine politische Attacke reiten, so benachrichtigen Sie mich freundlichst vorher. Ich kann Ihnen manchen nützlichen Wink geben. Da man heut- zutage nicht wissen kann, ob man nicht die vertraulichsten Schreiben beim nächsten Morgenkaffee im „Vorwärts" liest, und Sie ja wissen, wer ich bin, so unterzeichne ich mich nur mit verbindlichsten Grüßen als Ihr stets ergebener L. ver nirrirch-lapanir»e Weg. Die militärische Lag* Der Kriegsberichterstatter der „Daily Mail" meldet au« Niutschwang vom 23. Mai: Die japanische erste Armee hat sich zurückgezogen und verschanzt sich bei Fönwanatjchöng. General Misttschenko bleibt mit 4000 Kosaken in Fühlung mit den Vorposten der japanischen Kavallerie im Westen. Die japanische zweite Armee dringe langsam südlich von Pitsrwo und Pulanlien vor behufs gleichzeitigen Angriffs zu Lande und zur See auf Kintschau. Dre Ein nahme dieser Stellung ist notwendig, ehe Port Arthur gänzlich eingeschloffen werden kann. General Fuchs wird den ent schlossensten Widerstand leisten mit dem Beistände der Be satzungen von Dalny, Talienwan und Kintschau, die je nach dem e« die Notwendigkeit gebietet, sich südwärs zurückziehen werden. Eine dritte japanische Armee werde in Hiroschima mobilisiert. Nach einer au« russischer Quelle stammenden Meldung rückte General Fuchs mit 8 Bataillonen und 2 Batterien von Port Arthur nach Norden und stieß zwischen Wafangtien und Saaschilipu auf eine weit stärkere Abteilung Japaner mit 24 Geschützen. E« entspann sich ein scharfe« Gefecht, wonach die Russe« in ihrer Position nach Kintschau zurückkehrten. Fuchs hat SO Mann an Toten und Verwun deten verloren, darunter 9 Offiziere. Die Japaner erlitten große Verluste. Die sibirischen Kosaken drängen förmlich zum Kampfe. Wie dem „L.-A." au« Niutschwang telegraphiert wird, sind die Wege durch Regengüsse und unter Schmelzen deS Schnee« im Gebirge geradezu unpassierbar, sodaß die Opera tionen bei beiden feindlichen Armeen zeitweilig eingestellt werden mußte«, sodaß beide Seiten sich augenblicklich auf die Konzentration ihrer Streitkräfte beschränken. Nach einer Blättermeldung au« Liaujana scheint unter den Chinesen und den japanischen Truppen am Ialu «in« Choleraeptdemie au-gebrochen zu sein. E« stürben täglich an 100Mann. Die Epidemie sei durch schlechte« Wasser verursacht und verbreitet sich schnell. Vom ersten Krankheittsvmvtom bi« zum Tode vergehen kaum 24 Stunden. Biele Krank« sterben schon nach drei Stunden. Deutscher Keich. * Leipzig, 24. Mai. * T«tUUtzett»«tentffche Lichtblicke. Allgemein hatte man sich gewundert» daß der Ausfall de« sozialdemokratischen Scherbengericht« -eg«, di« Genossen Heine, Bern hard und Govre nicht zuerst „offiziell" im „Vorwärt«", sondern in der „Köln. Ltg." veröffentlicht und al« eine alatte Niederlage Bebel« bezeichnet wurde, während der „Vorwärts" «wächst nur lakoaüch mit drei dem „Boll-bl. f. Lnh." entlehnten Zeilen von der Mach« Nötiz nahm und erst mehrere Tage später den Wortlaut und di« Begründung de« Schiedsspruch« veröffentlichte. Der „Vorwärts" versuchte zwar, die Ver zögerung damit zu erklären, man habe erst den Abschluß des gegen Braun schwebenden Schiedsgerichtsverfahrens abwarten wollen, aber man merkte doch, daß die Veröffentlichung de« „Urteilstenors" dem „Vorwärts" und seinen Hintermännern sehr „wider den Strich" ging. Jetzt kommt von indirekt beteiligter Seite ein wenig Licht in die Angelegenheit. Genosse F. Mehring, der nach Bernhards Behauptung in der „Leipz. BolkSztg." eine Art Diktatur führen sollte, ergreift in diesem Organ das Wort zu einer längeren Erklärung, der wir folgende Stellen entnehmen: An der Einleitung des schiedsgerichtlichen Verfahrens bin ich völlig unbeteiligt; ich habe mir darin aus begreiflichen Gründen die strengste Reserve auferlegt. Sobald jedoch die Nachricht, daß die Angeklagten von dem Parteischiedsgerichte freigesprochen worden seien, als eine „glatte Niederlage" Bebels in die „Kölnische Ztg." lanziert worden war, wußte ich genau, was kommen würde. Nach gerade kenne ich die Weise, den Text und auch die Verfasser .... Alles das (nämlich die Bearbeitung der Presse durch seine Gegner) geschab, ehe die „Leipziger Volkszeitung" ein kritisches Wort zu den schiedsgerichtlichen Urteilen geäußert oder die Leipziger Ver trauensleute ihren bekannten Beschluß gefaßt hatten. Auch dieser Beschluß ist von mir nicht angeregt worden, sondern aus der eigensten Initiative der Leipziger Genossen entsprungen. Sie brauchen keinen Vormund, und ich denke nicht frivol genug, mich ihnen als Vormund aufzudrängen. Ich habe ihnen nur den Wunsch ausgesprochen, durch eine Bekundung ihres Vertrauens zu mir der Mühe überhoben zu werden, mich mit Leuten herumzuschlagen, die das Urteil des Parteischiedsgerichts in verleumderischer Weise gegen mich ausbeuten. Diesen Wunsch haben sie erfüllt, und so mögen die Kläffer ganz nach ihrem Belieben kläffen; ich antworte auf ihre Verdächtigungen nicht. Diese Darlegung ist in mehr als einer Hinsicht interessant. Der Jungbrunnen in Dresden muß doch nicht die ihm zugeschriebene Heilkraft besessen haben, sonst wäre eS wohl nicht möglich, daß Genossen Mitteilungen gegen andere Genoffen in bürgerliche Blätter längeren, damit sie von dort ihren Weg in die soziausiische Presse finden. Am meisten aber muß die subtile Unterscheidung Vergnügen machen, die Mehring zwischen „Anregung" und „Wunsch" zu konstruieren versteht. Er hat den Beschluß der Leipziger Vertrauensleute nicht „angeregt", sondern „nur den Wunsch ausgesprochen", em Vertrauensvotum zu erhalten, das ihm auch prompt ausgestellt worden ist. Die Krone de« Ganzen bildet aber folgender Satz: Die Verantwortung für den Versuch, die schiedsgerichtlichen Ur teile für faktiöse Zwecke auszubeuten, fällt allein auf den anonymen Einbläser der „Kölnischen Zeitung", auf W. Heine, auf das „Neue Montagsblatt" und den „Vorwärts", die Heines Attentat auf das Schiedsgericht vollstreckten, in dem sie seine Erklärung veröffentlichten. Heine als Gewährsmann der „Köln. Ztg.", daS ist wirklich prächtig! " Einen unerbetenen Rat nennt die hiesige „Volks- zeitung" eine Auslassung des heftig von ihr befehdeten „Vorwärts" in Sachen des hiesigen Aerztekonflikts. Das Berliner Zentralorgan hatte den Distrikts ärzten geraten, sofort ohne Prozeß auf die bisherigen Verträge zu verzichten und auf Verträge nach freier Arzt- mahl emzugehen, während die Mitglieder sämtliche Ver- bandsärzte mit Ausnahme einiger Spezialärzte boykot tieren sollten. Für diesen „unerbetenen Rat" wird der „Vorwärts" nun von der hiesigen „Volksztg." scharf her untergekanzelt und muß sich u. a. folgendes sagen lassen: Die Bekanntgabe seiner Weisheit ist ein gefundenes Fressen für die bürgerlichen Blätter, die den Verbandsärzten fast sämt lich Handlangerdienste verrichten. Dieselbe Unsitte des „Vor wärts", mit seiner bekannten Sicherheit Leipziger Dinge zu beurteilen, hat vor drei Jahren beim Aerztekonflikt gerade genug Verwirrung hervorgerufen, so daß wir diesmal direkt beim Anfang uns ebenso höflich wie entschieden vor der Wieder holung solcher Quertreibereien bedanken. Ohne den „Vor wärts" wäre schon damals der Leipziger Aerztekonflikt nicht versumpft, sondern unter für die Kasse wesentlich günstigeren Bedingungen als jetzt zum Austrag gebracht worden. Das eine muß man den „Genossen" lassen: an Deut lichkeit läßt die Sprache, die sie gegeneinander führen, nichts zu wünschen übrig. * * Berlin, 24. Mai. * Leichenfeier für Herzog Paul Friedrich von Mecklea- d«rg. In Ludwigslust erfolgte Dienstag vor- mittag Uhr die Ueberführung der Leiche des Herzogs Daul Friedrich (Sohn) vom Bahnhof nach der katholischen Kirche, wo eine Trauerfeier stattfand. Hinter dem Sarge schritten der Großherzog mit dem Herzog Paul Friedrich (Vater) und dem Herzog Borwin. In der nächsten Reihe folgten Prinz Heinrich von Preußen, der Großherzog von Oldenburg, der Fürst Hugo zu Windischgrätz, Herzog Johann Albrecht zu Mecklenburg-Strelitz und Prinz Hein rich XVIII. von Reutz. Vertreter hatten ferner geschickt Prinz Heinrich der Niederlande und Grotzfürtz Wladimir von Rußland. Außerdem nahmen an dem Leichen begängnis teil die Hofchargen sowie Vertreter der Admi ralität und des HeereS. * Kongreß für ,eu»erdltchen Rechtsschutz. Zur Eröff nung und Teilnahme an dem hier stattfindenden Kongreß sind die Vertreter fremder Staaten und Fachleute au« alle» Ländern erschienen. Nach der bereit« gemeldeten Be grüßungsansprache de- Grafen PosadowSky dankte Präsident v. Schütz und legte dann die Aufgaben de« Kongresse« dar. Hierauf begrüßte der Präsident de« Kaiserlichen Patentamte«, ferner Bürgermeister Reicke namen« der Stadt Berlin, Geheimrat Herz »amen« der Berliner Handelskammer und Stadlrat Weigert «amen« der Berliner Kaufmann schaft die Versammlung. Darauf sprachen noch der Präsident de« französischen Patentamte«, Breton, namens de« französischen Handelsministerium«, Harmand namen« de« I französischen Unlerricht«minister«, Chaumat namen« de« fran-1 zöfischen JustizmimsterunnS, Dektion-rat Beck von Manna-> getta namens de« österreichifthen, der Präsident deS unga rischen Patentamtes, Ballai, namen« der ungarischen Regierung, sowie die offiziellen Vertreter der Vereinigten Staaten von Amerika, Portugal-, Belgien-, Schweden« und Norwegens, Dänemarks, Rumänien« u. a. Nach der Früh stückspause begann die erste Arbeitssitzung mit Verträgen von Maillard-Pan« und Vr. Richard Alexander-Kat«. Im weiteren Verlaufe der Sitzung nahm der Kongreß einen Antrag Tail- lefer Pari« an, der e« für wünschenswert»erklärt, daß Artikel 2 der Pariser Konvention dahin abgeändert werde, daß die Angehörigen der Union da« Recht auf die Wohltat der Gesetzgebung jedes anderen Unionstaates haben, ohne gezwungen zu sein, in diesem Lande eine Niederlassung zu besitzen. Ferner wurde eine Reihe von Grundsätzen an genommen, nach denen e« dringend erwünscht ist, daß im UnionSvertrage selbst die Grundsätze, nach denen der Äus- stellungSschutz zu regeln ist, festgesetzt werden. * Neue Matz und GewtchtSordmmg. Die Grundlage des vom Reichsamt des Innern soeben den Bundesregierungen zur Begutachtung mitgeteilten Entwurfs einer neuen Maß- und Gewichtsordnung bildet nach der „AugSb. Abend zeitung" die Einführung der obligatorischen Nach eichung. Die Vorschriften hierüber sind den einschlägigen Bestimmungen in ß 30 der bayerischen Verordnung vom 1. November 1883 nachgebildet, wonach sich der Eich meister alljährlich, einmal zur Vornahme von Amts handlungen in die einzelnen Gemeinden zu begeben hat. In den Interessentenkreisen erwartet man, daß die Ein führung der Zwangsnacheichung den oft beklagten Be strafungen wegen vorschriftswidriger Beschaffenheit von Maßen, Gewichten und Wagen und andere» Uebelständen abhelfen werd«. Noch eia anderer schwerer Mißstand war von den beteiligten Kreisen schwer empfunden worden. Die im übrigen Reichsgebiet vollzogenen Eichungen werden in Bayern ebenso wenig anerkannt, wie die bayerischen Eichungen im übrigen Reichsgebiet Geltung habe«. Nicht zuverlässig bekannt ist, ob der Entwurf die mehrfach befürwortete gesetz liche Einführung de« EichzwangeS für Bierfässer enthält. Jedenfalls herrscht an allen maßgebenden Stellen lleber- einstimmung darüber, daß die unten» 1. August 1885 er lassene deutsche Eichordnung, obschon zu ihr verschiedene Nachtragsbestimmungen ergangen sind, veraltet und in vielen Punkten unzweckmäßig ist. * Der Prozetz de« «rase« Haenttraech «ege« «en Kaplan Dasbach, in dem e« sich um gerichtsnotorische Festlegung der Tatsache handelt, daß. der Grundsatz „der Zweck heiligt die Mittel" tatsächlich in jesuitischen Schriften inhaltlich vorkommt und jesuitischer Moral zu Grunde liegt, soll am 3l. Mai in Trier zur Verhandlung kommen. Da- Material des Grafen HoenSbroech ist soeben in einer dritten, stark vermehrten Auflage seiner Schrift: „Der Zweck heiligt die Mittel" erschöpfend dargestellt worden. (Verlag Schwetschke und Sohn, Berlin.) * * Hamburg, 24. Mai. Die Einigung-Verhand lungen im Brauerstreik sind gescheitert. Hunderte von Arbeitern waren feiten- der Karkellkommission organisiert, um während der Pfingsttage vor und in den großen Bier lokalen die Besucher von dem Genuß des boykottierten Biere« abzuhalten. * Essen, 24. Mai. Infolge de-StraßenbahnerstreikS kam eS zu einer wüsten Ausschreitung. Der Pöbel warf auf der Viehhof-Chauffee eine« Straßenbahnwagen um und demolierte ihn vollständig. Es erfolgten zahlreiche Ver haftungen. * In Metz hatte ein katholischer Geschichtslehrer am paritätischen Gymnasium die Zweifel der historischen Forschung über den römischen Aufenthalt d«S Apostel« Petrus erwähnt. Der katholische Religionsichrer berichtete an Bischof Benzler, dieser ans Ministerium, und der GeschichtSlehrer erhielt eine Zurechtweisung. „DaS Dogma hat die Geschichte besiegt", lehrte der Jesuit Perrone. Ruslana. Frankreich. * Spionriecherei? Unter dem Verdachte, in einer Privatjacht die Umgebung der Festung Loriend ausge kundschaftet zu haben, ist der ehemalige Oberst der eng lischen Royalartillerie, Edward Schmitt-Gordon, ver haftet worden. * Louise Michel, die bekannte Anarchistin, die vor kurzer Zeit noch in Toulon mit dem Tode rang, ist, kaum genesen, in Paris wieder al« Rednerin aufaetreten und sprach über da« aktuelle Thema: „An den Pforte» de« Todes." Sie schilderte ihre Krankheit so beweglich, daß eine allgemeine Rührung entstand. Nach ihrem Vortrag fielen manche Frauen vor ihr auf die Knie und küßten ihr die Hände. Andere schnitten kleine Stücke von ihrem Umschlagetuch ab, um sie al« Reliquien aufzubewahren. Im Triumph wurde sie an ihren Wagen getragen, den sie uicht ohne Schwierig keit erreichte. Sie wird von Pari« nach London zurückkehren, wo sie gewöhnlich lebt. Belgien. * Der Dtamantfchletfer-Streik. Die Diamantarbeiter von Antwerpen, die sich seit 15 Wochen im Streik befinden, hielten Pfingstsonntag eine große Versammlung ab, um den Gerüchten entgegenzutreten, daß ihr« Frauen streikmüde seien. Von 475 Frauen stimmten 464 für die Aufrechterhaltung de« Streik«. Serbien. * Neue Anlethe. Au- Belgrader Finanzkreiseo erfährt die »Nat.-Ztg ", daß die serbische Regierung die Aufnahme einer neuen Anleihe im Nominalwert« von 15 000 000 Gold franc« beabsichtigt. Diese Summe soll zur Anschaffung von Verbandsmaterial und Artikeln zur Krankenpflege für Militär zwecke dienen. Eß dürfte noch erinnerlich sein, daß Vormast zwei Jahren der gesamte Vorrat an Verbandsstoffen und ähnlicktu Materialien einer Feuersbrunst zum Opfer siel. Der Schaden wurde damals auf 2 000 000 Frc«. beziffert und war mcht durch Versicherung gedeckt. E- ist auffalleud, daß man nun zu dem genannten Zweck 15 000 000 Frc«. aufu^m« will und
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Keine Volltexte in der Vorschau-Ansicht.
- Einzelseitenansicht
- Ansicht nach links drehen Ansicht nach rechts drehen Drehung zurücksetzen
- Ansicht vergrößern Ansicht verkleinern Vollansicht