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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 28.05.1904
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-05-28
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040528029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904052802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904052802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-05
- Tag1904-05-28
- Monat1904-05
- Jahr1904
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Anzeigen-Preis die 6gespaltene Pelttzeile 25 Reklamen unter dem Redaktionsstrich (4 gespalten) 7b -4, nach den Familiennach richten (6 gespalten) bO Tabellarischer und Zisfernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Osfertenannahme 25 Extra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung 60.—, mit Poslbeförderung -ä> 70.—. Annahmeschlub mr Anzeigen. Abend-AuSgabe: vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: nachmittags 4 Uhr. Anzeigen sind stetS au die Expedition zu richten. Die Expedition ist wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi» abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Pol» io Leipzig (Inh. vr. B., R. L W. Klinkhardt). Nr. 288. Sonnabend den 28. Mai 1904. 98. Jahrgang. Var Wichtigste vom Lage. * In Leipzig wurde anläßlich des XIX. Deutschen Schmiedetages eine Schmiede-Fach-Ausstellung eröffnet. « * Der Kaiser passierte auf der Reise von Danzig nach Döberitz heute früh 8 Uhr 20 Min. die Wildparkstation bei Potsdam, wo Prinz Eitel Friedrich in den Zug einstieg. * Die Krönungsfeierlichkeiten in Belgrad sind endgiltig auf den 29. bis 31. August festgesetzt worden. * Der Bau einer neuen Eisenbahn quer durch Kanada ist vom kanadischen Abgeordnetenhaus genehmigt worden. (S. Ausland.) preussische Zoriaipolitilr. In dem soeben ausgcgebenen Jahresbericht der preußischen Gewerberäte für 1903 (Verlag R. v. Decker, Berlin) sind mancherlei interessante sozialpolitische Mit teilungen enthalten. Der Bericht stellt fest, daß für Ber lin und die anliegenden Gemeinden in dem Geschäftsjahre 1903 die Zahl der Arbeiter um 30 104 gestiegen ist und die Höhe von 246 845 erreicht hat. An gesetzlichen Ucber- trctungen hat es nicht gefehlt und die Prüfung der Ar beitsordnungen ergab zahlreiche Mängel und Gesetz widrigkeiten. Tie Gesamtzahl der Unglückssälle hat sich gegen das Vorjahr um etwa 12 Prozent vermehrt. So sind durch Fahrstühle 10 tödliche, 4 schwere und 39 leichte Verletzungen verursacht worden. Tie hygienischen Zu stände der Heimarbeiter sind schlechter als die der Werk- srättenarbeiter. Was die Arbeitsräume anbetrifft, so ist dafür am wenigsten im Fleischercibetriebe geschehen. Ueber die wirtschaftlichen Verhältnisse bemerkt der Be richt, daß trotz der gebesserten Ettverbszustände die Durch- fchnittslöhne keine Steigerung aufweisen. Die Ein stellung von Kindern und jugendlichen Arbeitern ist ge stiegen. Wegen unangemessener Beschäftigung jugend licher Arbeiter und wegen Ausbeutung von Lehrlingen mußte wiederholt eingeschrittcn werden. Tie Zahl der Arbeiterinnen hat sich gegen das Vorjahr um 12 918 ver mehrt. Sie betrug im Berichtsjahre 78 160, darunter der dritte Teil jugendliche, d. h. solche unter 16 Jahren. Sehr schlechte hygienische Zustände herrschen vielfach in den Werkstätten der Mützen- und Tamenhut-Fabrikation, der Putzmachereien, Kürschnereien und Plättanstalten. In diesen Betrieben ist eine Arbeitszeit von dreizehn, vierzehn, fünfzehn Stunden durchaus nicht selten und in den Plättereien in den letzten Wochentagen regelmäßig. Es sind sogar Arbeitszeiten bis zu zwanzig Stunden festgestellt worden. Für Postkartcn- Koloriercn fand sich eine genügende Anzahl von jungen Mädchen, welche diese Arbeit um einen Wochenlohn von zwei bis drei Mark verrichteten. Gegenüber allen diesen recht betrübenden Tatsachen darf wenigstens darauf hingcwiesen werden, daß sich die Stellung der Gewerbeaufsichtsbeamten sowohl zu den Unternehmern als auch zu den Arbeitern zusehends bessert. In den Kreisen der Handwerksmeister hingegen begegnet die Gewerbeinspektion noch immer schroffem, ja sogar tätlichem Widerstand. Alles in allem beweist der Bericht der Gewerberäte aufs neue, wie unerläßlich und wie segensreich diese Institution ist. Durch ihre Tätigkeit wird der autoritative Nachweis geführt, daß wir auf dem Gebiete der Sozialpolitik noch lange nicht rasten dürfen. Die wenigen Punkte, die hier aus dem Bericht heraus gegriffen sind, zeigen deutlich, wie viel noch zu tun ist, ehe alle Arbeiter ein einigermaßen menschenwürdiges Dasein erreicht haben und ehe die Forderungen der Volks hygiene voll befriedigt sind, die wir im nationalen Inter esse stellen müssen Vor allen Dingen muß die Jugend und besonders die weibliche Jugend den Schutz des Ge setzes finden, und daß dieser zur Zeit noch nicht ausreicht, ist durch die erwähnten Daten zur Evidenz dargetan. Es bleibt also bei der sozialpolitischen Devise: „Raste ich, so roste ich!" Gewiß soll das Tempo nicht überstürzt werden, aber es soll auch keine Pause, kein Stillstand ein treten, denn noch haben wir keinen Grund, auf unseren Lorbeern zu ruhen und uns zu rühmen, wie herrlich weit wir es auf diesem Gebiete gebracht haben. So lange die ebenso energische wie besonnene Persönlichkeit des Grafen Posadowsky an leitender Stelle steht, haben wir ja auch eine Gewähr dafür, daß dieser Kurs fortgesteuert werden wird. ver HuManü Ser Herero. , Da» Gefecht von Oviusnbo. In einem von den Kieler Neuesten Nachr." veröffent lichten Feldzugsbriefu^eines Seesoldaten findet sich eine packende Schilderung vver das Gefecht, das Leutwein am 13. April bei Ovinmho zu bestehen hatte. Es heißt sa: Wir hatten noch nichts vom Feind gesehen, als wir an einer Wasserstelle am Swakop Halt machten, um das Vieh zu tränken. Ochsen und Maultiere werden ausgespannt, Pferde entsattelt, und wir graben gerade nach Wasser, als wir ganz nahe aus dem dichten Gebüsch auf der anderen Seite des Flusses plötzlich von einem fürchterlichen Kugelregen überschüttet werden. Alles eilt an die Gewehre, die Geschütze fahren auf, Bagage in die Mitte, und es wird zum Gefecht klar gemacht. Meldereiter — Bastards und Witbois, fixe Kerle, die uns große Dienste leisten — berichten, daß wir einem über zehntausend (?) Mann starken Feind, der sich in dem dichten Busch auf einer kleinen Anhöhe stark verschanzt hat, gegenüberstehen. In wenigen Minuten ist das schönste Monstre-Konzert im Gange. Wir kriegen Schüsse von allen Seiten und es wird deshalb ein großes Viereck von uns gebildet. Wir werden zur linken Flanke kommandiert und gehen in Schützenlinie vor. Es fallen die ersten Toten. Tie 6. Feld-Kompagnie unter Hauptmann von Bagenski geht vor uns, ihr Hauptmann kommandiert gerade: „Auseinander, schwärmen!", als er von einer Kugel in die Stirn getroffen vom Pferde sinkt, eine andere Kugel tötet den neben ihm reitenden Unteroffizier; viele iverden verwundet. Aber kein langes Besinnen, wir springen ichn die Leichen hinweg und gehen vor, bis uns das heftige Feuer zwingt, zu halten. Nun beginnt ein heftiger Kampf. Wir liegen jetzt sieben Stunden aus dem Bauch in der großen Hitze, von vorn, rechts und hinten beschoffen. Ich sage Dir, angenehme Stunden. Der Feind ist aber hartnäckig und weicht trotz unseres heftigen Feuers und unserer Ge schütze nicht, im Gegenteil, er rückt uns in seiner Uebermacht immer näher auf den Leib und will uns umzingeln. Es sind schon viele ge fallen und verwundet. Alles freut sich, daß es um 6 Uhr dunkel wird. Wir denken alle, daß bei anbrechender Dunkelheit diese Schießerei ein Ende nimmt, aber die Kaffern denken anders. Es folgt jetzt für uns eine schreckliche Stunde, die ich in meinem Leben nicht vergessen werde. Auf der linken Flanke sind nur wir Seesoldaten und zwei Maschinengewehre, weil es bei un» in den letzten Stunden verhältnismäßig nicht so schlimm wie bei den anderen Flanken war. Da, um 6 Uhr (es ist schon dunkel) hören wir plötzlich laute Kommandorufe vor unserer Front. Wir sind erst der Meinung, es sind unsere Witbois, wir bekommen jetzt aber yeftiges Feuer aus 200 m Entfernung und unter lautem Hurrarufen — Hurra, Hurra rufen sie — kommen die Kaffern auf uns los; sie wagen tatsächlich einen Sturmangriff, etwa 1000 Mann gegen 50. Nun heißt es aber, aus den Büchsen, was das Zeug halten kann. Das Seitengewehr wird aufgepflanzt und Salve auf Salve wird den Schwarzen entgegengejagt. Aber vergeblich, unser Feuer vermag die Kerle nicht zurückzudrängen, die Schüsse blitzen schon aus 50 Meter Entfernung und die Hurrarufe kommen immer näher. Ein Zurück unsererseits gabs natürlich nicht. Wir sahen mutig dem Tode ins Auge, ich hatte schon im Geiste Abschied von dieser Welt genommen. Wir schossen noch immer was wir konnten. Da in der allerhöchsten Gefahr kommt zuerst die Kompagnie Franke und dann noch andere Kompagnien mit Ge schützen uns zur Hülfe. Nun gehts aber los: „Achtung, Schnell feuer!" „Legt an", „Feuer", „Laden" u. s. w. Dazwischen krachen die Geschütze. Einem solchen Feuer können die Wilden nicht widerstehen, sie ziehen sich zurück, erwidern das Feuer aber noch immer aus 300 Meter Entfernung. Wenige Minuten und wir Seesoldaten wären rettungslos verloren gewesen, von der Uebermacht überrannt und mit Kurries elendiglich erschlagen worden, wenn nicht Franke uns zur Hilfe gekommen wäre. Um 8 Um: kommt der Befehl, daß wir uns still zurückziehen sollen, die Munition für die Geschütze ist ausgegangen, auch haben wir keinen Proviant. Wir haben nichts erreicht, der Feind ist in seiner Stellung verblieben, muß aber schwere Verluste gehabt haben, wir haben aber auch zehn Lote, darunter zwei Offiziere, viele Verwundete und Vermißte. Wir sind jetzt anderer Meinung über den Feind, einem solchen Feuer standzuhalten, das zeugt nicht von Feigheit, das ist mehr wie Mut, das ist der Berzweiflungskampf und alles ist sich jetzt bewußt, daß wir hier noch schwere Zeiten zu durchleben haben." Die nächften militärischen Operatisnen. Ueber den künftigen Verlauf der Ereignisse in Südwest afrika urteilt man in sachverständigen Kreisen wie folgt: Auf den Truppenübungsplätzen Münster und Alt-Döberitz finden jetzt Neuformationen von Mannschaften und An sammlungen von Pferdetransporten aus Ostpreußen statt. Diese Verstärkungen werden in Höhe von 2000 Mann und 2400 Pferden in Einzeltransporten nach Südwestafrika dirigiert, so daß sie in der ersten Hälfte des Juli dort sämt lich eingetroffen fein werden. Nach den vorliegenden Berichten wird Oberst Leutwein die Hauptabteilung schon Anfang Juni (also noch vor Eintreffen des Generals von Trotha) auf Waterberg in Marsch setzen. Bis dahin werden die Kolonne v. Estorfs sowie die vereinigten Kräfte der Ober leutnants v. Zülow und Volkmann nördlich und östlich von Waterberg postiert sein. Nach Eintreffen der Hauptabteilung ist ein konzentrischer Angriff gegen die bei Waterberg ver sammelten Herero und eine Niederlage des Feindes zu er warten. Das günstigste Resulrat hiervon kann wohl nur in der Zersprengung des Feindes und Fortnahme von etwa 30000 Stück Vieh bestehen. Ein Entweichen der zersprengten Herero auf den vielen vorhandenen und ihnen bekannten Schleichwegen nach Norden zu den Ovambo wird nicht verhindert werden können. Die notwendige Folge hiervon wiederum ist eine Fortsetzung der Operationen gegen die Ovambo bis zu deren völliger Niederwerfung. Inzwischen wird es nötig sein, so viele wie möglich von den zersprengten Ab teilungen des Feindes aufzusuchen und zu entwaffnen resp. im Kampfe zu vernichten. Denn nur dadurch können schließlich geordnete und ruhige Zustände wieder her gestellt werden. Ob sich der Feldzug gegen die Ovambo direkt an die Operationen beim Waterberg anschließen oder die inzwischen wohl eintretende Regenzeit abgewartet werden wird, steht noch dakin. Jedenfalls ist vor Ablauf eines Jahres die Beendigung der militärischen Operationen und vor I V» Jahren der Eintritt völlig normaler Zustände in dem südwestafrikanischen Schutzgebiet nicht zu erwarten. Die Abteilung des Majors v. Estorfs, die auf dem Wege nach den: Waterbergtistrikt am 22. dS. Mts. mit der ersten Feldkompagnie und einer Anzahl Bastards Lkamatangana erreicht hatte, traf auf dem Weitermarsch am 24. d. M. in Otjomasu ein und stieß dort mit dem Feinde zusammen. Dieser wurde nach siegreichem Gefechte, das leider auch auf unserer Seite nicht ohne Verluste war, zurückgeschlagen, wie dem „L.-A." in folgendem Telegramm berichtet wird: Windhuk, 27. Mai, 4 Uhr 35 Min. nachm. Auf die Meldung, daß die Tetjoleute aus östlicher Richtuna zum Waterberg treckten, stieß Major v. Estorfs am 24. Mai auf Otjomasu vor, das er besetzt fand. Er überraschte den Feind, der sich anfangs tapfer verteidigte, dann aber nach allen Seiten auseinanderwich und dabei sechs Tote zurückließ, darunter den Großmann Kaimuner. Diesseits sind ge fallen Kriegsfreiwilliger Lucier aus Paris und Richard Spindler aus Leubus bei. Breslau, die beide zur ersten Kompagnie gehörte«. 100 Stück Kleinvieh wurden erbeutet. ver russisch japanische ffrieg. Die Erftürmrrng von Aiirtschou. Der kommandierende General der japanischen Truppen, die Kintschou angriffen, meldet folgendes: Am 21. d. Mts. wurde durch unsere Beobachtungen und aus dem Schießen des Feindes festgestellt, daß dieser auf dem Naushan-Hügel südlich von Kintschou vier 15-, zehn 9- bis 15-Zentimeter- Geschütze (die 11 Vr - Zentimeter - Geschütze sollen eine Trag weite von 8500 Meter haben), zwei 12 - Zentimeter- Schnelladegeschütze und außerdem zehn Forts habe. Am Fuße deö Hügels waren Netzwerk aus Draht und Minen ausgelegt. Am 22. d. Mts. begannen die angreifenden Streitkräfte vorzurücken. Am folgenden Tage wurde durch Rekognoszierung festgestellt, daß der rechte Flügel des Feindes bei Huashangtao stehe mit ungefähr 8 schweren nach der See gerichteten Geschützen. Teile der feindlichen Geschosse zeigten, daß die Russen 20 - Zentimeter-Geschütze, kurze 15-Zentimeter-Geschütze und Schnelladekanoncn hatten. Kleine Abteilungen Infanterie und Artillerie wurden in Kintschou bemerkt. Am 25. morgens griffen wir Kintschou an und verwickelten die feindliche Artillerie in Naushan in Feuilleton. Tamms Garten. 11j Roman von Wilhelm Jensen. Nachdruck verbalen. Sie kamen -wischen die längst in dunkler Ruhe liegen den Dorfhäuser, nicht mehr weit war's bis zu dem Dieters. Er konnt's jetzt doch nicht verhalten, zu sagen: „Ich bin gleich hier zu Haus — wenn ich's dir nicht darf, Pcyold, will ich's morgen dafür Amella danken, daß sic mir den Rat gegeben hat, dahin zu gehen, wo ich die besten und vornehmsten unter den Studenten fände. Du hörst es dann nicht und kannst mich nicht anfahren, daß ich den Schnabel halten soll, aber die Ohren werden dir doch wohl klingen." Leicht beredt ging's jetzt dem fröhlich Berauschten vom Mund, sein Begleiter erwiderte: „Ich verstehe nicht, was du meinst; Ämella, wer ist das ?" Ueber so viel Besinnung verfügte Dieter, daß er auf die Frage antwortete: ,^Jch dachte nicht dran, das kannst du ja auch nicht, ich nenne sie so nach der Birgils- aster — ihre Augen und ihr Kleid haben die Farbe von der —" Sie waren stehen geblieben und er sprach lebhaft mit der gelösten Zunge weiter, erzählte, wie er Amella in Tamms Garten getroffen und wie sie seine Freundin geworden sei. Petzold fiel ein: „Tamms Garten? Was ist das wieder?" Und lachend fetzte er hinzu: „Du hast also schon eine Sponsage, Fuchs? Das hält' man dir nicht an der Nase angesehen." Mit der studentischen Bezeichnung verband Dieter keinen Begriff oder hielt sie für gleichbedeutend mit seinem Wort „Freundin"; er erläuterte nun ausführ lich, wo und was Tamms Garten sei, so weitläufig, daß der Zuhörer ihn schließlich unterbrach: „Ja, was sonst noch drin wächst, kann ich mir denken. Also da hast du die Amella getroffen — Asternaugen, das muß sonderbar ausiehen. Wie alt ist sie denn und wo wohnt sic?" Ihr Alter wußte der Befragte selbst nicht genau, nach seinem Dafürhalten war sic wohl ungefähr siebzehn Jahre, aber sic sähe eher jünger aus, wenn auch hoch gewachsen, noch halb wie ein Kind. Er schilderte ihr Aeußeres so getreu als möglich, und daß man gleich auf den ersten Blick erkenne, obwohl sie in einem Baucrn- hauße groß geworden, sei sie doch keine Baucrntochtcr, sondern etwas viel Feineres, das Mädchen aus der; Fremde in dem Schillcrschen Gedicht. Erst vor gut drei Wochen wäre sie in die „Hoffnung" gekommen — der Er zählende mußte ein paar Augenblicke innehaltcn, denn Detlev Petzold bekam plötzlich einmal einen Lachanfall, durch den er herausstieß: „Na, das ging rasch", doch sich besinnend, fügte er nach: „Ach so — ich hörte nicht genau — sie ist wohl da draußen in die Dorfwirtschast „Zur Hoffnung" gekommen, vermutlich als Gläser- putzerin. Du sagtest vorher so etwas von nicht würdigen Dienstleistungen, das wird freilich ihre Hände nicht ver schönern, läßt sich ja aber nicht ändern. Wohnst du hier ?" Dieter bejahte und kam danach noch einmal auf Amella zurück, daß sie sehr wünsche, anderswohin in eine Stellung zu kommen, wo sie wenigstens nicht Hunger leiden müsse. Dem pflichtete Pctzold bei: „Na ja, eine bessere Stelle wollen sie alle, das ist natürlich; aber ge wöhnlich liegt's an ihnen selbst, wenn sic's nicht möglich machen können. Dummlnnt hat nur selten schuld dran, cs «fehlt sonst. Da schlaf' deinen kleinen Spitz aus, Tilius, und falls du Lust hast, weißt du morgen Abend den Weg zur Schwelle der Fortuna. Gut' Nacht!" Der Sprecher streckte seine Hand nach der des Heim geleiteten vor, der indes beim nächtigen Dunkel nur ihre Fingerspitzen in die scinigc bekam, die er mit herz lich-kräftigem Druck umfaßte und dazu erwiderte: „Ja, zur Schwelle des Glücks — das war sie heut' Abend für mich, denn sic hat mich mit dir zusammcngebracht. Entschuldige, mir kvmmt's vor, ich habe dir wohl ein bißchen zu viel von Amella gesprochen, die du ja nicht kennst, und dich etwas gelangweilt —" „Bitte, was einem guten Freund wichtig ist, kann mich nicht langweilen, dafür habe ich auch immer Teil nahme und höre dir gern zu, wenn du erzählst. Ein andermal machst du mir das Vergnügen länger, jetzt will ich versuchen, ohne Arm- und Beinbruch über dein antc- diluvianisches Dorfpflastcr den Weg zur Glücksschwcllc zurückzufinden. Katzenaugen hat mir die Natur nicht gegeben, oder Astcrnaugcn, denn die sind vermutlich auch grün." Pctzold lachte zum letzten, schritt jetzt davon und Dieter stand allein vor seiner Haustür, ein Weilchen mit dem Schlüssel nach dem Schlüsselloch suchend. Er sprach dabei laut vor sich hin: „Ja, die Glücksschwelle — das Glück ist die Schwelle —"; ihm kam's, er habe die Worte einmal irgendwo gelesen, aber in seinem Kopf war's doch etwas zu verworren, als daß er sich zu erinnern vermochte, wo, und wie es weiter gegangen sei. Ebenso entsann er sich nicht deutlich, trug nur ein Gefühl, daß sein neuer Freund von Amella etwas geringschätzig ge dacht oder auch gesprochen habe, doch war ihm das nicht übel zu nehmen und konnte kaum anders sein, denn er kannte sie ja nicht. Wenn er sie einmal sähe und sprechen hörte, würde zweifellos seine Meinung von ihr sich be richtigen — es gelang dem Bemühen des am Schloß Hantierenden jetzt, die Tür zu öffnen, und er setzte be hutsam den Fuß über die Schwelle, um nicht seine Mutter aus dem Schlaf zu wecken. Detlev Petzold kehrte in die „Fortuna" zurück, wo er beim Wiedereintritt in das Kncipzimmcr Wichard Ellendshcim begrüßte: „Den Rcnommierfuchs haben wir auf Nummer Sicher, solche Beihülfe bei einem ersten Pennaldusel säet un- vcrlüschliche Dankbarkeit und schießt über Nacht ins Kraut. Wenn ich deine Tante auch 'mal beschwimelt nach Haus eskortieren könnte, drehte sich der Schlüssel an ihrer Brautschatztruhe ohne viel Mühe um. Der Rüdesheimer scheint während meiner Lamaritcrlcistung verduftet zu sein — Punsch, Paula! — r». p. — das ist ein guter Allittcrationsfund und will ich künftig als Ab kürzung gebrauchen. Was hast du eigentlich — nein, ich meinte nicht dich, Wichard — was für Augen haben Sic eigentlich, Paula? Bei Nacht sind alle Katzen grau, man muß wahrnchmcn, sic bei Licht zu sehen. Nein, Ihre sind ein paar Steinkohlen — möchten Sic auch grüne Katzenaugen haben oder Astcrnaugen? Astern augen, Blödsinn! Also p. p.! und gestrichen Maß, wer gearbeitet lmt, verdient seinen Lohn. p. — praewissis praeruittenclm." * * . Mit einem unbekannten, ein bißchen dumpf auf den Sinnen lastenden Kopsgefühl erwachte Dieter am andern Morgen, doch schwand es bald ab, wie ein vom heitern Tageslicht versä-euchter Nebel, und noch wirksamer war an dieser Auflösung eine Sonne der Freudigkeit in ihm selbst tätig. Vom gestrigen Abend stand alles deutlich in seiner Erinnerung bis aus den Heimgang oder viel mehr einiges, was er zu Detlev Petzold gesprochen; offenbar hatte der ungewohnte Bier- und Weingenuß ihm zuerst den Kopf mit einem Bctäubungsanfall ein genommen und danach seine Zunge wohl zu etwas über mäßiger Regsamkeit gebracht; er entnahm für sich die Lehre daraus, künftig behutsamer im Trinken zu ver fahren, bei einem Anzeichen, daß er im Begriff zum Ueberschreiten der vernünftigen Grenze stehe, sogleich aufzuhören. Doch bereute er nicht, dies eine Mal über das richtige Maß hinausgcgangen zu sein, denn ohne die Rauschbcflügeiung würde es ihm wahrscheinlich an der Beredsamkeit und an Mut gefehlt haben, seiner be glückten Empfindung und Dankbarkeit gegen Pctzold so offenen Ausdruck zu geben, wie's die Teilnahme und Hülfsbereitschafti eines Freundes fordern konnte und mußte. Mit ein wenig Zaghaftigkeit rührte khn freilich das Gedächtnis an die Acußerung an, daß cs nicht von diesem, sondern von der Gesamtzahl der Fortuna-Ge sellschaft abhänge, ob ihm ein Anschluß an sie verstauet sein werde; doch er durfte auf die Fürsprache Pcyolds zählen und besaß jedenfalls die Erlaubnis, vorderhand sich dort wieder cinzustellen, um ein Urteil zu ermög lichen, ob man ihn zu einem Mitglied der geplanten Verbindung für würdig befinde. Klar erhellte sich ihm heute, Amella sei sein guter Genius gewesen, ohne ihren Ratschlag würde er nicht auf den richtigen Weg gekommen sein. Sie hatte die Einsicht und die Selbstbescheidung in sich getragen, für sein neues Leben werde neben einer Freundin auch ein Freund erforderlich, und ihr Feingefühl, in unwillkürlicher Ahnung vor dem rohen Wesen der studentischen Mehrzahl zurückschreckend, hatte nur die Besten und Vornehmsten als zu ihm passende Genossen empfunden. Ein edles Mädchen besaß unverkennbar im Innern etwas über die eigene Er fahrung Hinausrcichcndcs, Divinatorischcs, wies schon Tacitus in seiner „Germania" den deutschen Krauen zugemesscn. Bei seiner Mutter traf dies -war leider nicht zu, und er machte ihr keinerlei Mitteilung von seinen inneren und äußeren Erlebnissen. Sie hätte dafür weder Ver ständnis noch Anteilnahme gcl-abt, bekümmerte sich, da er für sein Univcrsitätsstudium kein Geld von ihr zu verlangen nötig hatte, um sein luu und Lassen nicht weiter, als daß sic mutmaßlich im stillen berechnete, wie viel Zeit noch vergehen möge, bis er als angestelltcr Pastor eine reichliche Einnahme und Amtswohnung be komme, so daß sie ihren Kramladen aufgeben könne, »m in seinem Pfarrbausc die Wirtschaft zu führen. Ihm tat's weh, von derjenigen, die ihm die Nächste hätte sein
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