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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 29.05.1904
- Erscheinungsdatum
- 1904-05-29
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-190405290
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-19040529
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-19040529
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-05
- Tag1904-05-29
- Monat1904-05
- Jahr1904
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 29.05.1904
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Bezugs-Preis i» der Lauptexprditton oder deren Ausgabe- stellen avgeholt: vierteljährlich 3.—, bei zweimaliger täglicher Zustellung in» Hau« 8.7b. Durch di» Posi bezogen für Deutsch- land u. Oesterreich vierteljährlich 4.50, für die übrigen Länder laut Zeitvng-preiSliste. NebattiO«: Johannisgasse 8. Sprechstunde: 5—6 Uhr Rachm. Fernsprecher: ISS. GtzpetzttG«: Johaunttaaffe 8. Fernsprecher: 82«. KtttulsLtzetztttaueu: Alfred Hahn,Buchbandlg.,Universitättstr.3 (Fernspr. Nr. 4046), L. Lösche, Katharinen straße 14 (Fernsprecher Nr. A3Ü) u. Königs- platz 7 (Fernsprecher Nr. 7505). Haupt-Filiale Dresden. Marienstraße 34 (Fernsprecher Amt I Nr. 1713). Haupt-Filiale Berlin: TarlDuncket, Herzgl.Bayr.Hofbuchbandlg., Lützowstratze lOsFernsprechrrAmtVl Nr. 4603.) riWgcr Tagcblall Anzeiger. Amtsblatt -es königlichen Land- und des königliche« Amtsgerichtes Leipzig, -es Rates und -es Nolizeiamtes -er Stadt Leipzig. Anzeigen-Preis die 6 gespaltene Petitzeile 25 Reklame« unter dem RedaktionSstrtch (4gespalten) 7b /L, nach deu Familiennach- richte« (6 gespalten) 50 Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühre« für Nachweisungen und Offerten anuahme » ^4 KO.—, mit Postbesbrderung 70.—. Uunahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: vormittag» 10 Uhr. Morgen-Au-gabe: nachmittags 4 Uhr. Anzeigen sind stet» an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentag« ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi» abend» 7 Uhr. Druck und Verlag von O. ffffskz in Leipzig (Inh. vr. «., R. » A. Kliuthardt). Nr. 2«S. s—SS—s Sonntag den 29. Mai 1904» S8. Jahrgang. Vitt Alchligrlr vom Lage. * Bei dem internationalen Kongreß der wissen schaftlichen Akademien, der gegenwärtig in London tagt, sollten die sranzösischen Gelehrten vom Königs paar besonder» ausgezeichnet worden sein. Dies wrrd uns von einem Teilnehmer an dem Kongresse als unzutreffend bezeichnet. (S. Dtsch. Reich.) * Der alldeutsche Berbandstag wurde gestern in Lübeck eröffnet. (S. Disch. Reich.) * Da» bereit» gemeldete Gefecht bei Otjomasu vom 24. ds. Mt». wird letzt in einer amtlichen Depesche Leut- weinS bestätigt. * DerBesuch deSKönigs vonSpanien inBerlin ist im September zu erwarten. (S. Ausland.) * Schwere Gewitter, die große Verwüstungen und zum Teil Verluste an Menschenleben im Gefolge hatten, werden auch aus Thüringen gemeldet. * Der schweizerische Bundesrat legt der Bundes Versammlung den Entwurf eines einheitlichen schweize rischen Zivilgesetzbuchs vor. (S. Ausland.) * Der König von Italien traf gestern zur Eröff nung der Ausstellung für Touristik in Bologna ein. (S. Ausland.) Äoebeittchau. Kongresse über Kongresse sind in dieser Psinqst- woche abgehalten worden. Hast zu viele. Gesinnung» genossen haben sich versammelt und Leute desselben Beruf», gelehrte Männer und ungelehrte, und kaum gab es zwischen Memel und Belt irgend eine Stadt von Be deutung, die nicht in ihrer lockenden Frühlings gewandung eine Tagung beherbergt hätte. Aber noch ist de» „Tagens" kein Ende. Ter Evangelisch soziale Kon greß und der Evangelische Arbeiterverein, die Hirsch- Dunckerschen und die sozialdemokratischen Bergarbeiter, der Evangelische Bund und der Deutsche Schulderem, die Volkslehrer und die Privatlehrcr sind versammelt ge wesen: die Neuphilologen, die Kriminalisten und der Alldeutsche Verband sind es noch, und auch die Teil nehmer des Kongresses für gewerblichen Rechtsschutz lassen sich ein wenig Zeit beim Abschiednchmcn und haben Berlin noch nicht verlassen. Aber man ist nicht nur aller orten versammelt gewesen in dieser Woche zwischen Pfingsten und Trinitatis: man bat auch allerlei Bc- grützungen veranstaltet und Umtrünke, und man hat ge redet. Ein bißchen viel geredet: morgens, nachmittags, und wenn man abends hinter den Bechern saß, von neuem. Dabei ist gewiß manches grundgescheite und vor treffliche Wort gefallen: aber es zeigten sich hier wieder deutlich die leider engen Grenzen aller menschlichen Be gabung. Für die Redeströme, die sich in dieser -fingst- lichen Kongreßwoche über unser Vaterland ergossen, reicht die Aufnahmefähigkeit des Durchschnittsmenschen schlech terdings nicht aus, und deshalb muß man immer von neuem die bewegliche Frage wiederholen: ist eS denn un bedingt nötig, daß alle, ausgerechnet alle, Vereinigungen und Gruppen just zu Pfingsten tagen? Bei den einen oder anderen mag sich das ja nicht vermeiden lassen: aber die Fülle der Kongresse schwillt von Jahr zu Jahr — man möchte fast sagen: in geometrischer Progression — an, und nachgerade können die Zeitungen mit diesen: allgemeinen TagungSdrang einfach nicht mehr mitkommen. Damit entfällt für die Kongresse aber die Möglichkeit, auf die Oeffentlichkeit zu wirken und — das ist wohl nicht zu viel behauptet — der beste Teil ihrer Arbeit. Unter dem heurigen Uebersluß haben auch zwei Tagungen gelitten, die uns mit als die be deutendsten erschienen: die Zusammenkunft der evangelischen Arbeitervereine in Frank- furt a. M. und die Jahresversammlung des cvan - gelisch-sozialen Kongresses in Breslau. In einer Zeit, die wieder einmal erfüllt ist von dem hysterischen Drange, daß nunmehr unbedingt etwas ge schehen müsse, da die Parlamente von dem Umsturz geschrei widerhallen, in der „Kreuzztg." unbekannte Herrenhausgrößen den toten Bismarck zum Kronzeugen für ihre kleinen Künste anrufen und Herr v. Jagemann mit einer Betriebsamkeit, die unter Gelehrten sonst selten ist, durch Zuschriften an die Blätter sein Staatsrecht des Reichsvertrags auf Kündigung zu komentieren versucht — in so wirren und krausen Zeitläuften wirkten diese beiden Kongresse wie Oasen in der Wüste. Allerlei Stilisten unbekannter Herkunft, zuletzt noch ein präten tiöser Neunmalwcifer in einer Wochenschrift, haben uns einzureden versucht: es gäbe keinen Halb wegs verständigen, denkenden Menschen, der nicht der Ueberzeugung wäre, daß jetzt Kandare geritten werden müßte: daß eS Zeit wäre, den „Mob" init Ge waltkuren zur Raison zu bringen. Nun — in Breslau war ein ganz Teil selbständig denkender, Halbwegs verständiger Männer beisammen: die Harnack und Adolf Wagner wird man jedenfalls dahin zählen dürfen. Aber die verkündeten andere Lehren: ganz andere. Von der Notwendigkeit sprachen sie, die soziale Frage als ethisches Problem zu fasse/: und von unserer Pflicht, das Selbst ständigkeitsverlangen des Arbeiters anzuerkennen, der Herr seiner eigenen Geschicke zu sein wünsche. Und mehr als einmal fiel das Wort: die Zeit des absolutistischen Regiments ist vorüber: auch in Werkstatt und Fabrik. Jetzt gilt es, auch bei der Regelung des Arbcitsvcrhält- nisses nach neuen konstitutionellen Formen zu suchen. Darin aber berührte sich die Breslauer Tagung mit der in Frankfurt a. M. Die Arbeiter, die dort redend auf traten — evangelische Arbeiter, die treu zu Kaiser und Reich stehen und von sozialdemokratischer Utopisterei ge wiß meilenweit entfernt sind, betonten doch mit nicht miß zuverstehender Geflissenheit dieses Selbständigkeits streben. Und als Herr Or Bovenschen vom neu gegründeten „Reichsmahlverband" um Liebe warb und vor Arbeitern die Naivetät vorbrachte, er und der General z. D. Liebert gedächten ja auch Arbeiter zu „orga nisieren", da wurde er kühl und glatt abgewiesen. Aus diesem Vorgänge ist mancherlei zu lernen. Vornehmlich das Eine: daß wir die großen, wir wiederholen: die sehr großen und bedeutsamen Schichten der Arbeiterschaft, die fest und treu auf dem Boden des Gegenwartsstaates stehen, unrettbar der Sozialdemokratie in die Arme treiben würden, falls es uns beifallen sollte, nach den Rezepten der Mirbach und Manteuffel, der Menck und Genossen Politik zu machen. Die Zeit der Eia Popeia- lieder ist nun einmal vorüber und der Patriarchalismns hat endgültig ausgespielt. Wenn wir die Arbeiterschaft beim Staat erhalten und ihm wiedergewinnen wollen, werden wir allein zuvor das Sclbstbestiinmungsrecht des einzelnen bedingungslos anzucrkennen haben . . . Ein starker Selbständigkeitsdrang durchpulste auch den Lehrertag. Man wollte ganze Arbeit machen und verlangte bedingungsloses Universitätsstudium für alle Volkslehrer, wie mmi' sW* auch uneingeschränkt für die Simultanschulc aussprach und der geistlichen Schulaufsicht ein Pereat brachte. Bei dem Protest gegen den konservativ - nationalliberalen Schulantrag berührte sich ja der Lehrertag mit großen Strömungen innerhalb der nationalliberalen Partei selbst. Mit diesem Bündnis sind — wozu sollte man's verschleiern? — bedeutsame Gruppen der Partei durchaus unzufrieden, und alle Konimentqre, die bisher von den Abgeordneten Friedberg und Hackenberg ge spendet worden sind, haben keine wesentliche Beruhigung zu schaffen vermocht. Indes ist es hier vielleicht ebenso sehr das unbehagliche Gefühl, daß die Nationalliberalcn über haupt sich wieder mit der Rechten koaliert haben, was die Beunruhigung schafft, wie der berechtigte Kummer um dieSimultanschule. Denn es kann zugestanden werden, ihre Praxis ist oft genug darauf hinausgekommcn, daß in der Simultunschule wohl der katholische Lehrer seine persön lichen Ueberzeugungen vortrug, der von Denunzianten umlauerte Protestant aber mit Nichten. Und so hat in vielen Fällen der tatkräftigere Katholizismus den Vor teil von der Simultanschule gehabt. Aber das darf mit nichtcn dazu führen, daß wir die Simultanschule preisgeben, sondern daß der Protestantismus mit Energie erfüllt wird. Und man bedenke wohl, daß es aus der ge setzlich festgelegten Konsessionsschule nur schwer ein Ent rinnen geben wird und daß wir mit ihrem Erstehen die Hoffnung auf freundlichere, tolerantere Zeiten begraben müssen. Gleich schwere Gefahren des Schulkompro misses liegen unseres Erachtens auf der andern, der Po litischen Seite: er kann leicht zur Falle werden, in der der nationale Liberalismus für die Zwecke der Konservativen cingefangcn werden soll. Inzwischen ist der große Kulturkampf, der zwischen Vatikan undFrankreich gekämpft wird, an einen Punkt gekommen, wo man allen Ernstes von der Möglich keit einer Kündigung des Konkordats sprechen kann. Leute, die die Vorgänge aus nächster Nähe verfolgen, glauben zwar nicht, daß es schon jetzt so weit kommen werde. Sie meinen, das Kabinett Combes wolle diesen Schritt zwar vorbereiten, aber noch nicht tun. Und das ist immerhin glaubwürdig, denn cs ist mehr als zweifel haft, ob die Regierung für ein so rigoroses Vorgehen schon jetzt die erforderliche Kammermehrheit fände. Don Ostasien aber nicht viel Neues: nur daß das Kricgsglllck sich jetzt wieder den Japanern zuznneigen scheint. Der F«fZts»a Ser Herero. Va» Gefecht bei Gtjemaf«. Ueber da« Gefecht bei Otjomasu vom 24. d. Mt»., da» wir bereit« in der letzten Abendausgabe erwähnten, liegt nunmehr auch ein amtliches Telegramm des Gouver neur« Leut wein vor, dessen Inhalt das bereits mitgeteilte nur in unwesentlichen Punkten ergänzt. E- lautet: Am 24. Mai, vormittag» 5 Uhr, stieß Major von Sstorff, auf die Nachricht vom Abmarsch der Tetjo-Leute von Osten zum Oma- ramba-Fluß, von Lkamatangara aus Otjomasu vor und fand letzter»» besitzt Der überraschte Feind verteidigte sich tapsir. In dichtestem Gebüsch griffen die 1., 2. und 6. Kompagnie an. Der Feind wich nach allen Seiten auseinander und hinterließ 6 Tote, darunter einen Großmann; außerdem wurden Tote und Verwundete weggrschlrppt, Verlust also jedenfalls größer. Dies seitiger Verlust: von der 1. Feldkompagnie gefallen: Retter Lucier aus Paris und Kriegsfreiwilliger Richard Spindler aus LeubuS, Kreis Wohlau. Es wurden 1l5 Stück Kleinvieh erbeutet. Major von Estorfs verfolgte den fliehenden Feind und kehrte dann auf seine Marschstraße Okamatangara—Omaramba-Fluß zurück. Der übliche Abstand von vierundzwanzig Stunden hinter der privaten Berichterstattung wurde von unfern amtlichen Stellen also auch diesmal genau innegehalten. Der ru;;i5ck>-japanircde Krieg. Vie Erstürmung vsn Aintschsn. Von den Kämpfen um Kintschou werden über Lon don folgende Einzelheiten gemeldet: Nach allen hier vorliegenden Berichten war die Schlacht um den Nanschau-Hügel bei Kintschou äußerst heiß und blutig. Der Hügel war nach allen Regeln der Kunst auss stärkste be festigt. Den ganzen Tag tobte der Kampf um jene Stelle. Die Japaner hatten nur leichte Artillerie aufzustellen gegen die zahlreichen schweren Geschütze der Russen, die in mit Stacheldraht umgebenen Laufgräben ausgestellt waren. Um 3 Uhr gingen die Japaner mit ausgepslanztem Bajonett zum Sturm vor, aber eine Reihe nach der anderen wurde niedergemacht, immer wieder stürmten frische Truppen über die Reihen der Gefallenen, bis endlich um 7 Uhr Abends der Hügel erobert wurde. Die Russin zogen sich bei Anbruch der Nacht auf Nankwanling zurück, wo sie eine zweite Verteidigungslinie errichtet hatten. Ueber das Schicksal des rechten Flügels der Russen fehlen bisher Nachrichten. Der Bahnhof von Tafangschang, die erste Station südlich von Kintschou, sowie der Bahnhof von Kintschou selbst wurden von den Russen in die Luft gesprengt; diese kämpften mit Todesverachtung und gaben ihre durch die japanische Ueberzahl unhaltbar gewordenen Positionen in voller Ordnung auf. Wie dem „Daily Telegraph" aus Tokio gemeldet wird, sieben die Japaner nur noch !2 englische Meilen von Port Arthur. Auf diese Stadt wurde von acht japanischen Schiffen ein neue» Bombardement eröffnet. Admiral Togo hat nunmehr die effektive Blockade der Liautung- Halb in sei südlich der Linie Pitsewo Wnfangtien erklärt. Die dritte japanische Armee ist mit ihren Haupt frästen bei Ta kusch an gelandet. Biele Transporte sind noch zur See unterwegs. weitere russische glätte. Eine Petersburger Drabtmeldung der „Daily News" will wissen, Kuropatkin warte nicht langer den An griff der Japaner bei Liaojang ab, sondern ergreife die Offensive. General Konoratovichs Streitmacht, über 25 000 Mann stark, habe sich derartig zwischen beiden japanischen Armeen eingekeilt, daß deren Bereinigung unmög lich sei. Kuroki habe nun General Rennenkamps Kosacken hinter sich und Konoratovichs Division in seiner Flanke. Ein allgemeiner russischer Vormarsch von Liaojang sei möglich, da Kuropatkin in den letzten drei Wochen wesentliche Verstärkungen erhalten habe. Abgelehnte Veenrlttlnng. Die amerikanische Regierung hat in Tokio wie Petersburg ihre guten Dienste zu Friedensvermittlungen angeboten, erfuhr jedoch an beiden Stellen eine Ablehnung. Englisch,russische Annäherung. Die Anzeichen für die Annäherung zwischen England und Rußland mehren sich. So veröffentlicht der „Figaro" in der neuesten hier eingetroffenen Nummer folgendes Telegramm aus St. Petersburg: „Sir Charles Herdinge hat heute bei der Ueberreichung seiner Beglaubigungsschreiben dem Kaiser von Rußland ein Privatschreiben des Königs Eduard überreicht. Zu gleicher Zeit drückte er die Wünsche des Königs von England für die Herstellung der möglichst besten Beziehungen zwischen den beiden Ländern aus." Deutsches Deich. * Leipzig, 27. Mai. * Dom Internationalen Kongreß der wissenschaftlichen Akademien, der gegenwärtig in London versammelt ist, er halten wir von einem Teilnehmer folgende Zuschrift: „Es ist in verschiedenen Londoner und Pariser Zeitungen die Mitteilung enthalten, der König und besonders die Königin hätten bei dem Empfange der Akademiker in Windsor die fran zösischen Delegierten im Gegensatz zu den deutschen ganz be sonder« ausgezeichnet Das Gegenteil ist wahr! Die deutschen Delegierten sind auch von der Königin überaus freundlich begrüßt worden, sodaß dies u. a. den englischen Dele gierten geradezu ausgefallen ist." Offenbar bemühen sich die Franzosen, und vielleicht auch interessierte Engländer, diese absolut unpolitischen Vorgänge ihren Zwecken dienstbar zu machen — und sei e» auf Kosten der Wahrheit. Dabei spielt wahrscheinlich auch der bevor stehende Kieler Besuch de« König« von England eine Rolle. Bismarck oder Lassalle? Unter diesem Titel hat cm „Politikus", so bezeichnet sich der Verfasser, eine kleine Schrift erscheinen lassen (Görlitz bei Rudolf Dülfer), in der er die Ebenbürtigkeit Lassalles mit Bismarck nachzu weisen sucht. Es ist müßig, solche Fragen heute aufzu- rollen, denn eine sichere Antwort darauf, was aus Lassalle bei längerem Leben geworden wäre, kann nie mand geben. Seine Politik hätte ihn, konsequent durch geführt, in das Regierungslager führen müssen. So sagt Bernstein, der aber gleich hinzufügt, daß Lassalle den Beamtenrock nie angezogen hätte, weil er genug besah, um leben zu können. Der „Politikus" dagegen glaubt, daß Lassalle zum unversöhnlichsten Gegner Bismarcks ge worden wäre. Wir unserseits neigen uns mehr der An- sicht Bernsteins zu. In der äußeren Politik waren Lassalle und Bismarck vollständig einig. Ersterer war sogar publizistisch ein Vorkämpfer des Letzteren. In der inne ren Politik hätte sich aber wahrscheinlich auch Verständi- gung gefunden, denn Lassalle war nicht derart geschaffen, daß er jahrzehntelang nur im Schatten der Opposition ge- standen hätte. Wie hierin, so ist auch in manchen anderen Punkten die Auffassung des „Politikus" schief. Nament lich ist sein Urteil über Bismarck ganz einseitig. In Summa: Ein Bedürfnis für die Schrift vermögen wr nicht anzuerkennen. * Der ambulant» «erichtSstan» der Presst ist »war ge setzlich abgrschafft, er wird aber wieder in die Praxis einge- siihrt, wenn ^>ie Behörde mehrere Prozeße miteinander „verbindet". So berichtet die „Breslauer Morgenzeitung" von einem Prozeß, der jetzt am Landgericht Ratibor gegen einen in BreSlau lebenden Redakteur angestrengt worden ist. Da« Verfahren gegen diesen, welches eine Broschüre de« Genannten „Die literarische Freiheit drr Juristen" zum Ausgangspunkt nimmt, wurde in Ratibor eröffnet. Warum? In dem Beschlüsse heißt e», daß ein im LandgerichtSberirke Ratibor wohnender Rechtsanwalt verdächtig sei, den Verfasser durch Mitteilungen unterstützt zu haben und daß ein Buchhändler in Ratibor wegen Verkaufs der Broschüre angeklagt worden sei. Da die drei Fälle nicht zu trennen seien, sei Ratibor der zu ständige Gerichtshof. Soweit die Motivierung. Da nun mut maßlich die Broschüre von vielen Buchhändlern in Deutsch land verkauft worden ist, so könnte der Verfasser nach dieser Deduktion an unzähligen Orten des Deutschen Reiches belangt werden, indem gleichzeitig der betreffende Buchhändler unter Anklage gestellt würde. Auf diese Weise Ware dann der fliegende Gerichtsstand gegen Redakteure ganz wie früher wieder eingeführt. kriucipü8 od8t»? Die Preffe hat allen Grund, die Aufmerksamkeit der höchsten Behörden schon bei dem ersten Falle auf diesen neuen Modus des Verfahrens hinzulenken. * Berlin, 28. Mai. * Neue Maß- und Gewichtsordnung. Der vom „Reichsanzeiger" veröffentlichte Entwutzs einer neuen Maß- und GewichtsordnuttgWt bekanntlich in erster Linie den Zweck, das bereits m einer Reihe von Bundesstaaten jowie ui Oesterreich, Frankreich, Italien, Belgien und der Schweiz eingeführte System dec pe- riodischen Nacheichung im Wege der Reichs- gesetzgebung allgemein zur Durchführung zu bringen. Die bisherige preußische Praxis der polizei lichen Revisionen hat, wie die dem Entwurf beigegebenc Begründung ausführt, kein befriedigendes Ergebnis ge habt. Ihre Folge ist vielmehr, daß jährlich durchschnitt lich etwa jeder vierte, in einzelnen preußischen Provin zen etwa jeder dritte revidierte Gewerbetreibende unter Einziehungen der beanstandeten Gegenstände bestraft werden muß. Die beiden Paragraphen des Entwurfs, die das vom Reichsamt des Innern gewählte System der Nacheichung regeln, lauten: 8 10. Tie Eichung besteht in der vorschriftsmäßigen Prü fung und Stempelung durch die zuständige Behörde. Sie umfaßt die erstmalige Eichung, die vor der Bereitstellung zum Messen und Wägen im Verkehr, und die Nacheichuig, die innerhalb bestimmter Fristen vorzunehmen ist. 8 11. Die Frist, innerhalb deren die Nacheichung vor zunehmen und zu wiederholen ist, beträgt bei den Flüssigkeits maßen und Meßwerkzeugen für Flüssigkeiten, den Gewichten und Wagen für eine größte zulässige Last bis ausschließlich 3000 Kilogramm ein Jahr, den Längenmaßen, Hohlmaßen, Meßwerkzeugen für trockene Gegenstände und den Fässern für Bier zwei Jahre, den Wagen füx eine größte zulässige Last von 3000 Kilogramm und darüber, den fcslfundamentierten Wagen und den Fässern für Wein und Obstwein drei Jahre. Die Frist beginnt mit dem Ablaufe desjenigen Kalenderjahres, in welchem die letzte Eichung vorgcnommen worden ist. Nach tz 12 soll der Bundesrat ermächtigt sein, diese Vor schriften in einzelnen Fällen zu ändern. Diese Regelung hat nach der Begründung vor den: bisherigen polizeilichen Rcprcssivsystem den Vorzug, daß sie die Richtigkeit der Maße besser gewährleistet und daß die zahlreichen Bestrafungen Wegfällen. Eine Folge der Einführung der Nacheichung ist die V er sta a t l i ch u n g der bisher kommunalen Eichämter. Da die Kosten des Eichwesens sich durch die Neuregelung erheblich ver teuern werden, soll die Gebührentaxe nicht mehr wie bis her von der Normal-Eichungskommission, sondern vom Bundesrat festgesetzt werden. Die Festsetzung der Nach- eichungsgcbührcn soll innerhalb der vom Bundesräte zu bestimmenden Höchstbeträge durch die Landesregierungen erfolgen. Der Entwurf enthält dann noch eine Anzahl weiterer Aenderungen, von denen die wichtigste die Stel lung Bayerns betrifft. Nach ff 21 des Entwurfs dürfen Meßgeräte, die den Vorschriften dieses Gesetzes ent sprechend geeicht sind, im ganzen Reichsgebiet angewcndct werden. Damit ist die Freizügigkeit der Maße aus Bayern ausgedehnt. Zu den sonstigen Neuerungen des Entwurfs gehört eine Umgestaltung der geltenden S t r a f b e st i m m u n g e n. Die Ausdehnung des bisher nur für Weinfässer geltenden Eichzwanges ans die Bierfässer sowie die Schaffung des Wortes „Neu zentner" neben der bisherigen Bezeichnung Doppel zentner, durch die die Möglichkeit geboten werden soll, „daß auch eine dem metrischen System angepaßte Bezeich nung für diese GcwichtSmenge im Verkehr Eingang finde." * Der Alltznttfche VertnntzStag in Lübeck wurde Sonn abend morgen lO Uhr im Beisein von 200 Vertretern er öffnet. Vorher wurden Kränze am BiSmarck-Denkmal niedergelegt. Vorträge hielten u. a. die Professoren Hasse- Leipzig, Buchholz-Leipzig und Oberstudieudirektor Ziehen-Berlin. * Ter Kaiser traf Sonnabend Vormittag auf der Station Priort ein und begab sich zum Döberitzer Truppen übungsplatz. Dort staub auf b« Dtzrotzer Lhaußee di«
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