02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 31.05.1904
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-05-31
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040531021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904053102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904053102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-05
- Tag1904-05-31
- Monat1904-05
- Jahr1904
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
VezugS-PretS 1» -« tzauptexpedttio» oder deren Ausaab«- stell«, abgeholt: vierteljährlich 3 —, b«i zweimaliger täglicher Zust«l l u » g in« Hau» -^l S.7L. Durch di« Pos« bezogen für Deutsch, land ». Oesterreich vierteljährlich X 4.bO, sür di« übrige» Länder laut Zeitungepreitliste. Neduktton: Johaunt»gajsk 8 Sprechstunde: h—S Uhr Nachm. Fernsprecher: Ibs Gkpe-ttt»»: Johannr-gass« L Fernsprecher 222 FiltulerprdtNonen: Alfred Hayn, vuchhundlg., Untversität«str.8 lFeruspr. Rr. 404«), ö Lösche »athartnru. straß« 14 (Fernsprecher Nr 2Ä3ü> u. Königs- platz 7 iFerusprrcher Nr 7Ü0Ü). H«llpt-Ftl«atr Drestzni: Marieastratze 34 (Fernsprecher Amt l Str. 1713). Haupt-Fttt-le Berlin: LarlDu n cke r, Herzgl.Bayr.Hofbuchbandlg» Lützowstraße 10(FernsprecherAmtVl Nr.4V03.) Abend-Ausgabe. MMer JasMall Anzeiger. Amtsblatt des Hömgkichen Land- und des königlichen Amtsgerichtes Leipzig, des Aales und des Nolizeiamtes der Ltadt Leipzig. Anzeigen-Preis die 6gespaltene Petitzeile 25 Reklamen unter dem Redaktion-strich (»gespalten) 7S 4. nach den Familieunach. richten (6 gespalten) bO Tabellarischer und Ziffrrnjatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Ossertenannahme Lö -H. Extra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung 60.—, mit Postbrsörderung X 70.—. Anuahmefchlutz ,ur Nuzetgrn: Abend-Ausgabe: vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: nachmittags 4 Uhr. Anzeigen sind stet» an dir Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentag» unuuterbrocheu geöffnet von früh 8 bi- abend» 7 Uhr. Druck und Berlag von G. Polz tu Leipzig (Inh. vr. B.,R. L W. -linkhardt). Nr. 273. Dienstag den 31. Mai 1904. 98. Jahrgang. Var Mchligrre vsm rage. * Der deutsche Schmiedetag beschloß in seiner heutigen Sitzung in Leipzig den Bundestag im nächsten Jahre in Wiesbaden abzuhalten. * Die in Hannover tagende Versammlung deutscher Landesversicherungsanstalten überwies die Frage der Verschmelzung von Kranken- und Invalidenversicherung einer Kommission von sieben Versicherungsanstalten. (S. Dtsch. Reich.) * Es kann als wahrscheinlich gelten, daß in absehbarer Zeit gleichzeitig mit einem Gesetzentwurf wegen Staffelung der Braumalzsteuer im Gebiet der norddeutschen Brau steuergemeinschaft auch ein solcher über das Verbot der Surrogate zur Ausarbeitung gelangen wirb. * Die Budgetkommission de» Reichstages ist auf den 8. Juni einberusen worden. Die Tagesordnung steht noch nicht fest. * Die Marine-Rangliste für 1904 ist soeben aus gegeben worden. Sie ist abgeschlossen am 17. d. M. * An Antwerpen wurde gestern da- deutsche Turnerhaus eingeweiht. (S. a. all. Welt.) Vie vieler Woche. Zur Kieler Monarchen-Zusammenkunft will die ln ausländischen Angelegenheiten nieist gut informierte „Bir mingham Post" erfahren haben, Lord Lansdowne, der eng lische Staatssekretär des Auswärtigen, werde am Mittwoch zusammen mit dem deutschen Botschafter in London Grafen Wolff Metternich die politischen Fragen feststellen, die anläßlich des Besuches des Königs Eduard in Kiel zur Sprache kommen solllen. Die Monarchenbegegnung werde wider Erwarten die wich tigsten politischen Ergebnisse haben. Man darf trotzdem der Meinung sein, daß die KielerFürüen- zusammenkunft an der politischen Lage nickt allzuviel ändern wird. Wenn man ihr politische Bedeutung beimesscn will, so kann es nur die sein, daß England bestrebt sein wird, Deutsch land von einer Annäherung an Rußland abzuhaltm. WaS es dafür zu bieten haben wird, erinnert wahr scheinlich an den Zanzibarvertrag. Wenn wir deshalb oben von der „gut informierten" „Birmingham - Post" gesprochen haben, so sollte sich das nur auf die englischen Absichten beziehen. Im übrigen ist ja auch zu bedenken, daß der König von England nach der Verfassung eine recht unpolitische Persönlichkeit vorstellen soll. Seinen Einfluß deshalb zu unterschätzen, würde freilich von einer sehr äußer lichen Auffassung zeugen, aber jedenfalls reicht er nickt so weit, England von seiner traditionellen unheimlichen Politik abzubringen. Der König wird höchstens ihr vornehmster Emissär sein. Was wir im übrigen von England zu hoffen haben, zeigt das Verhalten dieses Landes dem verbündeten Japan gegen- Feuilleton. Lamms Garten. 13f Roman von Wilhelm Jensen. Nachdruck verbot«». „Noch ein bißchen — ich will Nachdenken, warum du heute nicht so wie sonst gegen mich gewesen bist, damit ich nichts wieder sage und tue, was dir nicht an mir ge fallen hat." Da hatte sic'S doch auSsprechcn müssen: er stand ver wirrt und antwortete etwas stotternd: „Was sollte mir an dir nicht — das bildest du dir nur ein — nein, denke über nichts, waö nicht ist, sondern freue dich hier am Garten. Der ist sehr viel schöner, als der Horsaal, und ich bliebe auch viel lieber drin. So leb' recht wohl bis morgen, AmeliaI" Kur» regte sich seine Hand etwas gegen die ihrige zum Abschiednehmen vor, doch schnell zog er sie wieder zurück und ging mit eiligen Schritten davon, wandte erst in ziemlicher Entfernung den Kopf noch einmal nach ihr um. Da faß sie so, wie sein Blick sie am ersten Tage wahrgenommen, völlig eine am Boden umgeneigte BivailSaster vortäuschend,- nach der Haltung ihres KomeS schien sie ihm nachzusehen, doch der Ausdruck -es Gerichtes ließ sich nicht mehr unterscheiden. Er war sehr zufrieden mit sich und dennoch auch unzufrieden. Ihr gegenüber hatte er beim ersten Wiederzusammen sein seiner Pflicht genug getan, -och sich selbst, seiner eigenen Willensbeherrschung, nicht. Um nicht offenbar werden zu lassen, welche Veränderung an seinem Freundschaftsgefühl für sie ihm im Innern vorgegangen, war sein schleuniges Verlassen des Gartens notwendig gewesen; er sah ein, daß er weiterhin zur Durchführung seines Vorsatzes einer Beihülfe von ihr selbst benötigt sei. Sie durfte nichts mehr sagen, hauptsächlich nichts tun, was ihm nicht gefiel — das traf freilich nicht zu, so hatte sie« nur benannt — was vielmehr im Gegenteil ihm seine Ausgabe erfänverte. Davon besaß sic jedoch keine Ahnung, und um es zu verhüten, mußte er ihr deuten, was sie vor seinen Augen Unterlasten solle. Dies aber fiel wieder nicht möglich, denn dann hätte er ihr sagen wüsten, sie dürfe es nicht in feiner Gegenwart, über. ES benutzt nicht nur den Krieg, um sich die größten Vorteile in Egypten und Tibet zu verschaffen — das ist schließlich sein gutes Recht — sondern eS bändelt sogar in der Periode der größten japanischer: Erfolge mit Rußland an, und noch ist nicht abzusehen, als seine aufdringliche Ver mittlerrolle nicht doch eine« Tages erfolgreich gespielt wird. AuS allen diesen Gründen muß man fast hoffen, die Kieler Woche verlaufe so unpolitisch wie möglick. Sollte sie aber dennoch uns die schon lange verheißenen großen Erfolge bringen, so wollen wir sie mit geziemender Dankbarkeit be grüßen und uns nicht daran stoßen, daß die Erfolge wider Erwarten und Erhoffen gerade bei der Gelegenheit erreicht fein würden. ver fltlkrtanä der Herero. Einzelheiten zu -en Gefechten vsn Oganjira nn- Ovisnrbo. Ein aus Meerane gebürtiger Soldat der kaiserlichen Schutztruppe, der Reiter Paul Fritzsche von der 0. Fcld- Ltoinpagnie, der an den Gefechten bei Oganjira und Ovionibo teilgenonnnen, bringt in euieni hier- her gesandten Briefe, datiert Lkahandja, 2. Mai, interessante Einzelheiten über diese Kämpfe. Er schreibt: Ain 0. April gingen wir in der Richtung nach Otjasasv vor und trafen am 9. April bei Oganjira mit den Herero zusammen. Um ^9 Uhr morgens fiel der erste Kanonen schuß. i/ill Uhr gingen wir vor, und der Feind wurde bald niit großen Verlusten zurüclgeschlagen, trotzdem er uns niit einem gewaltigen Kugelregen empfing. Das meiste Vieh und andere Gegenstände hatte der Feind schon in Sicherheit gebracht, und nur ein Teil fiel in unsere Hände. Die Verluste auf unserer Seite waren gering. Nachdem wir etwas geruht hatten, trafen wir am 13. April bei Oviombo wieder mit dem Feind zu sammen und wurden überfallen. Wir wollten Biwak be ziehen und uns eS gemütlich machen. Die Feuer braun- ten, Wasser wurde geholt, um das Mittagessen zu be reiten. Patrouillen suchten das Gelände ab, fanden aber den Feind nicht, denn er hatte sich gut verschanzt und — saß auf Bäumen. Ich selbst war am Flusse und holte mir etwas Wasser, da fielen einige Schüsse. Ich kümmerte mich wenig darum, denn geschossen wird immer, aber mit einem Male Pfiffen und summten die Kugeln an mir vorbei in den Sand, und ich mußte machen, daß ick wegkam, denn ich erhielt reines Schnell feuer. Da kroch ich auf dem Bauche nach den Gewehren. Es war die höchste Zeit, denn die Herero hatten uns fast ganz eingeschlossen, aber dank unseren guten Geschützen und Maschinengewehren schafften wir uns bald Luft. Wir konnten nicht vorgehen, da es im dichten Busche war und der Feind, der sich ganz verzweifelt verteidigte, in großer Ucbermacht gegen uns stand. Tas Gefecht dauerte bis Uhr. Zwischen 5 und 6 Uhr wollte uns der Feind mit Hurra stürmen. Mit einer Art Lanze kam er in Stärke von etwa 1500 Mann in Galopp auf uns heran, aber da haben wir ihn heimgcleuchtct. Zwei Drittel der Feinde waren gefallen, aber cs war auch die höchste Zeit, daß das Gefecht zu Ende ging, denn wir hatten keine Patronen mehr und auch die Artillerie hatte sich ganz verschossen. Wir verließen ohne Beute das Schlachtfeld. Abends 7 Uhr suchten wir mit aufgepflanztem Seiten- gewehr unfern Hauptmann, der, von einer weil sie ein Mädchen sei. Selbstverständlich konnte er das nicht vom Munde bringen, jedenfalls nicht, ohne sich dabei durch ein Rotwerden zu verraten, und gestern noch hatte er ihr in seiner Unerfahrenheit tadelnd zum Vorwurf gemacht, daß sie von einem Mädchen sinnlos als von etwas Andersartigem spreche; sie meinte allerdings nur etwas Geringeres damit. Seiner Einfalt hatten erst im wörtlichen Sinne die Augen aufgchen müssen, wenn er auch wohl eine unverstandene Empfindung schon ein paar Tage lang vorher in sich getragen; doch ihrer Un befangenheit konnte er zu einem Beistände für sich die Augen nicht öffnen, denn er hätte -«durch nicht allein bas Lieblichste an ihr zerstört, sondern auch ein ferneres Zusammenkommen mit ihr unmöglich gemacht. So be fand er sich nach zwei Richtungen in gleicher Schwierig keit, dem, was die Alten ein Dilemma benannt, wanderte, vergeblich über eine Lösung desselben nach sinnend, durch die Keldeinsamkeit fort. Sein Kolleg war ja nur eine Vorgabe gewesen; das lastete gleichfalls auf ihm, die erste Lüge und die erste Verstellung seines Lebens war's. Und noch mehr bedrückte ihn, daß er durch die letztere Amella betrüben, sich bei ihr in ein falsches Licht als wankelmütig und des Verkehrs mit ihr, mit einem Mädchen, überdrüssig hatte stellen müssen. Wahrscheinlich glaubte sie nicht an seine Wiederkunft morgen nachmittag und blieb deshalb wohl auch selbst au», obgleich sie sich jetzt nach ihrer Uhr richten konnte, die sie sorglich unter ihrem Kleide bewahren gewollt. Das eben hätte sie nicht tun sollen, dann wär's ihm doch wohl möglich geworden, noch länger bet ihr zu bleiben, und er hätte nicht die Unwahrheit zu sagen gebraucht. Und nicht einmal die Han» hatte er ihr heute beim Weggang gegeben — sie mußte denken, er habe ein- gesehen, sie sei doch etwas zu Geringes für ihn, und er wolle sich von ihr lossagen — Vor seinem Blick stand wie leibhaft ihre Hand, mit der sie sich bemühte, die Uhr in Sicherheit zu bringen, nur glimmerte diese seltsamerweise nicht von silberner Farbe, sondern hatte «inen rosigen Schetn angenommen, der den Kopf Dieters sich hastig wie vor etwas Wirk lichem zur Seite drehen ließ. Zugleich indes wandte er auch seinen Fuß um, ging eilfertig zur Stadt zurück und fucht« -en Laden eines Goldschmieds auf, wo er nach reiflicher Auswahl eine goldene Umhängekette ein kaufte. Die kam zwar, obwohl nur aus ganz kleinen, feinen Ringclchen zusammengereiht, beträchtlich höher im KugeldurchdenKopfgetroffen, hinter Ge- büsch tot dahingestreckt worden war. Auch ein Unter offizier unserer Kompagnie ist gefallen, einige wurden leicht verwundet. Jetzt liegen wir in Ruhe und warten neue Verstärkungen ab. Es handelt sich noch um em oder zwei Gefechte und der Feind wird geschlagen sein, denn sein Pich leidet an der Pest und die Leute sind krank, denn es fehlt an Kleidern und Nahrung. Hier sind die Nächte sehr kalt und am Tage ist cs, wenn die Sonne scheint, ziemlich warm, trotzdem wir den Herbst vor uns haben. Anfang Juni sollen die richtigen Ge fechte losgehen, wenn es nicht schon früher beginnt. Angriff auf eine Heliographenstatisn. In Okowakuatjiwi griff gestern nach einer Depesche des „L.-A." eine Hererobanüe die Heliographenstation an, wurde aber zurückgeschlagen uno ließ vier Tote zurück. Der Ort Okowakuatjiwi liegt am Fuße der Konjatiberge, etwa auf dem halben Wege zwischen Ka ribik und Outjo, 110 Kilometer südwestlich vom Water berg. Es scheint sich darnach um eine Streisbande zu handeln, die sich auf dem Wege nach Waterberg befand. Der gepinnte Angriff auf Waterberg. Daß es jetzt für Oberst Leiitwein nur noch einen Angriffspunkt gibt, den Watcrberg, bedeutet insofern eine Verbesserung der imlttäiischen Lage, als die Zer splitterung der Streitkräfte fortan vermieden wird. Aber man darf, wie der „L. A." richtig heroorhcbt, den wichtigen Unistand nicht aus den Augen lassen, daß Samuel Maharv jetzt eine gewaltige Macht, mehrere tausend Gewehrträger, am Waterberg versammelt hat, und daß diese zum großen Teil beritten sind. Hier scheint der Gegner also die Entscheidung erwarten oder doch wenigstens den Abzug des Volkes und der Herden nach Norden durch energischen Widerstand decken zu wollen. Nach den bisherigen Erfahrungen muß es aber als zweifelhaft erscheinen, ob die Schutztruppe — selbst nach ihrer letzten, nun im Schutzgebiete verwendungS- bereiten Verstärkung — imstande sein wird, den Massen des Hcrcrovolkes gegenüber einen den Krieg entscheiden- den Sieg zu erringen. Und um einen solchen muß es sich jetzt handeln. Vor Ansetzung eines erneuten Angriffs — und hier mit kommen wir auf den Kern unserer Ausführungen — müßten daher Garantien vorhanden sein, die das wohl zweifellos beabsichtigte Ausbrechen der Herero nach Nor den, das durch einen Angriff von Süden her naturgemäß ein nur noch schnelleres Tcnipo annehinen würde, zu ver- hindern geeignet wären. Tiefe Garantien können aber nur in einer bedeutenden Verstärkung der deutschen Streitkräfte bei Grootfontein-Otavi bestehen. Die De tachements der Leutnants Votkmann und v. Zülow — zu sammen etwa 300 Mann — sind nicht im entferntesten stark genug, um den mit Energie nach Norden drängen den Hereromassen erfolgreich Widerstand leisten zu können. Daher scheint es der ernstesten Erwägung wert, ob man zu einem erneuten Angriff auf die am Waterberg vereinigten Herero nicht das Eintreffen der bedeutenden Verstärkungen unter General v. Trotha abwarten solle. Bis zu diesen« Zeitpunkte müßten die Truppen im süd lichen Horerolande sich lediglich abwartend und anfklärend verhalten. Preise zu stehen, als er sich vvrgcstellt, machte seine Börse um eine ziemliche Anzahl ihrer Dukaten leerer. Aber er hatte beiin Kaufe der Uhr ohne Gedanken daran ge handelt, wie die Empfängerin sie denn tragen solle. So, an der Kette befestigt, ließ sic sich sicher unter den« Kleide bcwahren; indes bildete diese Vorsorge gegen den Ver lust uicht den Hauptgrund seines Tuns. Er schuldete Amella eine Freude für den Kummer, den er ihr wider seinen Willen zugefügt, und sich selbst, daß er ihr einen Berveis seiner unveränderten Gesinnung in die Hand lege oder vielmehr um den Nacken hänge. Denn das konnte er ohne Gefahr selbst tnn, seine Hand berührte dabei nur ihr Kleid, und freudig verließ er den Laden; im voraus klang ihm ihre Stimme mit der staunenden Krage im Ohr, wie er auf den Gedanken geraten sei, ihr etwas so Kostspieliges zu schenken, wofür sie ihm mit garnichts ihre Dankbarkeit beweisen könne. Dies ahnungslose Nichtwissen von ihrem Reichtum erhob eben ihre leibliche Schönheit zu einer so wundersamen des Gemütes, der Seele, und er fühlte das Kettchen in seiner Hand nicht als etwas mit Geld Erkauftes, sondern wie ein ihm vom Himmel hcrabgefallencs Glück. Dabei jedvch blieb sein Denken auf das gerichtet, was er für sich selbst als nötige Unterstützung seiner Willens stärke erkannt hatte, und der spätere Abend sah ihn in die Tür des „Fortuna"-Hauses cintreten. Oben im Kneipzimmer ward ihm dieselbe höfliche Aufnahme zu teil, wie bei seinem ersten Besuche, doch mischte sich in sie eine gewisse Vertraulichkeit ein; er gewann nach kurzem den Eindruck, es habe sich bereits ein Urteil über ihn, und zwar in günstigem Sinne ausgebildet. Man war am gestrigen Abend zu der Beschlußfassung vor geschritten, das Korps solle sich unter dem Namen „Obotrttia" und Annahme der Farben Rot-Weiß in der nächsten Woche öffentlich proklamieren, alle Stimmen hatten sich vereinigt, Detlev Petzold zum Genior und Wichard Ellendsheim zum zweiten Chargierten zu er wählen. Ueber einige Paragraphen der Statuten wurde noch beraten; in Anwesenheit des Gastes geschah'», als ob er ein Zugehöriger der neuen Verbindung sei, ja einige Male erging bei zweifelhaften Bestimmungen auch an ihn eine Krage über seine Meinung. Bedacht- fam hütete er sich davor, wieder in den neulichen Zustand zu geraten, führte nur dann und wann, mehr zum An» schein, kurz sein Glas an den Mund, aber trotz dieser Mäßigkeit umgab ihm allmählich ein Rausch aus anderem ?sliki»che lsgerrcha«. * Lechzt«, 31. Mai. Parität. Der ehemalige Pfarrer Gottfried Schwarz hat kürzlich ein Flugblatt herauSgegeben, in welchen« über den Tvleranzantrag des Zentrums gesagt wird, der Toleranz antrag sei ein Anschlag auf die Geistesfreiheit des deutschen Volkes, welcher, wenn er gelänge, geeignet sei, in demselben alle Wahrheitserkenntnis und alle Liebe zum Guten zu vernichten und so den Untergang seines geistigen und leiblichen Lebens herbeizuführen. Es war auch noch von der Macht „des Bösen" darin die Rede. Wir wollen einmal von der rhetorischen Uebertreibung, die natürlich in diesen Worten liegt, absehen ; die Geistesfreiheit des deutschen Volkes ist so leicht nicktzu vernichten. Aber was sollen wir dazu sagen, daß die Badische Staatsanwaltschaft in den biblisch gefärb ten Worten des Pfarrers eine Beschimpfung der römischen Kirche erblicken will, welche unter den tz 166 fällt und demnach mit Gefängnisstrafe bis zu drei Jahren bestraft wird! Dabei wollen wir gar nicht einmal die oftmals von Zentrumsseite beliebte Behauptung benutzen, das Zentrum sei keine kon fessionelle Partei. Aber ist denn schon das Zentrum mit der katholischen Kirche identisch? Gewisse katholische Schriftsteller erlauben sich in angeblich wissenschaft lichen Darstellungen vie unflätigsten Verunglimpfungen Luthers; der Protestant aber wird verklagt, sobald er auch nur einmal in seiner Kritik etwas lebhafter wird. Mit einen« politischen Worte nennt man das „Parität" und cs ist kaum vierzehn Tage her, daß der Kaiser zu einem evan gelischen Prediger sagte: „Sie sollen sehen, daß sie gleich berechtigt sind." — Stöckers mißglückter Husarenrttt. Wir haben die Tatsache schon gewürdigt, daß Herr Stöcker seine Gesinnungsgenossen im Wahlkreise Straßburg- Land aufgefordert hat, sür den elsässisch-klerikalen Herrn Hauß zu stimmen. Diese Haltung hat Herrn Stöcker mancherlei Mißgeschick eingebracht: erstens ist er aufgefordert worden, eine Festpredigt, zu der er eingeladen war, lieber nicht zu halten, zweitens hat er seinem Schützling Hauß wegen der Wiedergabe der Stöckerschen Aeußerung über Blumenthal in einem Wahlslugblatte eine Beleidigungsklage seitens Blumenthals zugezogen, und drittens hat er genau das Gegeuteil von dem erreicht, WaS er wollte. Das Organ des Herrn Hauß stellt fest, daß bei der Hauptwahl „in den protestantischen Gemeinden die Wähler, alle persönlichen Neben rücksichten außer Acht lassend, beinahe vollzählig für Herrn Blumenthal stimmten. Des weiteren läßt sich das sozialdemokratische Zentralorgan so empört über die Herrn Blumenthal durch Stöcker zugefügte Ehrenkränkung aus, daß man wohl anzunehmen hat, daß, wofern die Sozialdemokraten über ihre Haltung in der Stichwahl an sich vielleicht noch nicht schlüssig gewesen wären, das ungeschickte Eingreifen des Herrn Stöcker sie jedenfalls dazu veranlassen wird, am 2. Juni Mann für Mann für Blumenthal einzutreten und damit dessen Sieg zu sichern. Wie singt doch Wilhelm Busch? „Ach, man will auch hier schon wreder nicht so wie die Geistlichkeit." Brüskierung -es deutschen Botschafters in Washington. Lassans Bureau verbreitet folgende Meldung des ihm ähnlichen „Newyork Journal" aus Washington: Der deutsche Botschafter Freiherr Speck von Sternburg ließ sich dieser Tage dem Kriegssekretär Taft melden, als dieser gerade eine Konferenz mit dem Admiral Walker hatte. Kriegssekretär Taft Ursprung die Stirn; auf eine solche und so bald erfolgte Anerkennung seiner PcZon hatte er nicht zu hoffen ge wagt, sein Kopf glühte von einem daraus aufströmenden erhebenden Selbstgefühl. Als ein Phantasiegebilde gaukelte vor ihm, daß er mit einer rotweißen Mütze und gleichfarbige,« Bande über der Brust in Tamms Garten cinträte, und wortlos erstaunt, doch freudig sah er die Augen Amellas auf deu Anblick gerichtet. Das ließ ihn eine Zeitlang vergessen, was gegenwärtig um seinen Sitz her war, bis ihn einmal die Stimme Pctzolds zur Be sinnung brachte: „Sitz'st du im Kolleg, Tilius, und labst dich an Verheißung der ewigen Glückseligkeit? Das ist noch ein bißchen hin, vorderhand solltest du mit dem vorlieb nehmen, was die Fortuna dir auf der Kugel heranrollt. Mir fällt ein, sagtest du nicht 'mal, du möchtest mein Leibfuchs werden Der Befragte antwortete etwas stotternd: ,Hch? Nein — das hätte ich mir nicht erlaubt — du sagtest einmal —" „Erlaubt ist keine erlaubte Redensart, solche Vokabeln mußt du dir abgewöhnen. Siehst du" — der Sprecher nahm aus dein Behälter vor ihm eine Anzahl non Fidibus, die er auf den, Tisch zu einer Leiter über einander legte — „das ist eine Treppe, saala« almas matris, denk' sie dir als Ausstieg unter einem Baum, an dem süße Früchte hängen, zu hoch, um von unten mit der Hand dran zu reichen. Ich stehe bloß, als Bursch im vierten Semester, um ein paar Stufen höher draus, aber ich fasse dich an der Hand und mit einem Schwung bist du als mein .Leibfuchs neben mir —- Er hatte nach der Hand des an feiner Seite Sitzenden gegriffen, zog sic mit einem scherzhaften Ruck kn die Höh, doch ließ sic wieder fahren und sagte, sich auf etwas be sinnend, mit verstimmtem Ton: „Nein, das geht ja nicht, du mußt unten bleiben." Betroffen fragte der plötzlich Losgelafsene: „Warum geht es nicht?" „Mein Leibs,ichs müßte zum Korps gehören, und vom Sonstigen abgefehn, könntest du das ja garnicht." Dieter wiederholte, jählings au« seiner Hoffnung und seinen Phantasicbildern herabgestürzt, noch klein- lauter: „Warum nickt —?" „Du könntest al« Theologe keine Waffen führen, «eil >
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Keine Volltexte in der Vorschau-Ansicht.
- Einzelseitenansicht
- Ansicht nach links drehen Ansicht nach rechts drehen Drehung zurücksetzen
- Ansicht vergrößern Ansicht verkleinern Vollansicht