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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 03.06.1904
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-06-03
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040603021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904060302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904060302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-06
- Tag1904-06-03
- Monat1904-06
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Anzeigen-Preis die 6 gespaltene Petttzeile 25 Reklamen unter dem Redaktionsstrich (4gespalten) 7b nach den Familiennach richten l6 gespalten) bO Tabellarischer und Zissernjatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Ossertenannahme 25 Vrtra-Betlagen lgesalzt), nur mü der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung -/L 00.—, mit Postbeförderung ^l> 70.—. Annahmeschlutz ,«r Snzetgrn: Abend-Ausgabe: vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: nachmittags 4 Uhr. Anzeigen sind stets au die Expedition zu richten. Tie Expedition ist wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis abends 7 Uhr. Truck und Verlag von E. Pol» in Leipzig tZnh. Or. V., R. L W. Kliuthardt). 98. Jahrgang. Vas Aichligzle vsm Lage. * Rechtsanwalt James Breit aus Leipzig, der am 4. Dezember 1901 wegen Zweikampfs zu drei Jahren Festung verurteilt wurde, ist nach Ver büßung des größten Teils der Strafe begnadigt worden. (S. Leipziger Angelegenheiten.) * Der Landtag von Reuß j. L. lehnte heute mit großer Mehrheit die Regierungsvorlage, bctr. Staatsvertrag wegen Errichtung einer thü ringischen Aerztekammer, ab. * Sämtliche deutsche Oberpostdirektoren waren gestern und vorgestern im R e i ch s p o st a ni t zu einer Konferenz unter Vorsitz des Staatssekretärs Kraetke versammelt. * In Wien sind die Aussperrung und der Aus - stand der Bauarbeiter beendet. Tic Arbeit wird am Montag wieder ausgenommen. Marokko. Das Sultanat Marokko stellt augenblicklich aus mebr als einem Grunde im Vordergründe des öffentlichen Interesses und bildet demgemäß auch den Gegenstand zahlreicher Erörterungen in der Presse. Viele der letzteren sind anscheinend unter dem Eindruck geschrieben, als sei Marokko eine reife Frucht, die nur vom Baume ge schüttelt zu werden brauche, ohne daß man den Eigentümer des Baumes zu fragen habe, und bei deren Zerteilung man ein möglichst großes Stück zu erhaschen suchen müsse. Dem gegenüber ist es von besonderem Wert, einmal die Aeußerungen eines in Marokko selbst Ansässigen deutschen Kaufmannes zu vernehmen, der die Verhältnisse dort von Grund aus kennt und in seiner Beurteilung derselben wesentlich andere Gesichtspunkte aufstellt, als bisher hier geschehen ist. Der betreffende Herr läßt sich in einer uns zur Verfügung gestellten Zuschrift an hiesige Geschäftsfreunde wie folgt vernehmen: Rabat. 12. Mai 190 t. Ich empfing heute von Ihnen mehrere Zeitungsausschnitte und möchte Ihnen auf die Artikel zu dem englisch-französischen Abkommen folgendes erwidern: Unsere Handelsinteressen in Marokko sind nach all den Erörterungen jetzt bekannt genug, trotzdem kann ich nickt ein sehen, weshalb wir einen Hafen in Marokko brauchen, wie in einem der Artikel behauptet wird. Die Häfen von Marokko eignen fick vorläufig nicht zu Flottenstationen ; Herr Kontreadmiral Rosendahl bat in der „Täglichen Rundschau" sehr richtig die Wertlosigkeit der marokkanischen Häfen, die er wiederbolt besucht hat, geschildert. Der Ausbau der Häfen würde ein Heidengeld koste», und die Ausgabe würde sich nie bezahlt machen. Nun bedenken Sie aber doch, bitte: Frankreich protegiert ganz Marokko, hat die Oberaufsicht über das marokkanische Heer und hat in jedem der übrigen Häsen Schiffe stationiert. Wenn wir nun zu einem Krieg mit Frankreich kommen?!, da nehmen uns doch die Franzosen zu allererst unsere ganze Station mit den schönen Kohlen und Molen weg; wieviel Schiffe sollten wir denn hier halten, um unsere Station gegen diesen Nachbarn zu schützen?! Wenn Spanien das Protektorat über Marokko bean spruchte, wäre es eine andere Geschickte. Mit Spanien werben wir wohl kaum in einen Krieg verwickelt werten, sodaß wir wegen der Station in Marokko nicht in ewiger Sorge leben müßten. Frankreich und England haben sich über Marokko ver ständigt; deutsche, spanische und italienische Politiker geben ihre Meinung ab, die Marokkaner haben aber wohl nichts zu sagen?? — Am l2. April, also kurz nach Bekanntmachung des Ab kommens, brachte das „Journal du Maroc" einen „I-a Prrmeo au Zlaroe" übersckriebenen Artikel, der mit den Worten beginnt: „Iwlin nuus 80wwe8 ober: uous". Zu Haus sind sie noch lange nicht! Eine Eroberung des Landes aus friedlichem Wege ist unmöglich; die Franzosen sind im Irr tum, wenn sie das glauben. Falls die scherisiansiche Majestät, der Sultan, es mit ihrer Würde vereinbar hält, unter die französische Vormund schaft zu kriechen, werden seine Untertanen nicht mitmachen. Das ganze Land wird sich gegen jeden Eindringling ein mütig erheben, und so werden die Franzosen die Eroberung des Landes als ein sehr kostspieliges, langwieriges Unter nehmen finden. So ruhig 'einstccken läßt sich Marokko nicht, Waffen und Munition sind reichlich vorhanden; es fehlt heute nur an einem geeigneten Führer, sonst wäre vielleicht der Aufstand gegen alle Europäer schon jetzt im Gange, Stimmung ist zur Genüge verbanden. Buhamara hat dem Sultan s. Zt. sehr viel zu schaffen gemacht, und es folgten ihm doch nur einige wenige Kabylen! Würde sich der Sultan eine Bevormundung von Seiten Frankreichs energisch verbitten, so hätte er das ganze Land hinter sich, und die Franzosen konnten an dem Bissen schön würgen! Bleibt aber, wie man glaubt, dem Sultan das Schicksal seines Landes gleichgültig, so wird sich schon noch zur rechten Zeit ein angesehener Scherif finden, der die Leitung des heiligen Krieges übernehmen wird. Lutin uous sonimoL clier nou8? ? Frankreick wird sich von seinem Vorhaben, sein afrikanisches Reich durch die Einverleibung Marokkos abzurunden, nicht abkalten lassen; mag Frankreich das Land einstccken, wenn es kann. Wir brauchen auch keinen Hafen, aber darauf bestehen müssen wir, daß an dem derzeitigen Han delsregime nichts geändert wird, und daß wir auch in Zukunft nicht ins Hintertreffen gelangen. Der deutsche Handel mit Marokko läßt fick noch bedeutend steigern, und wir hoffen, daß Herr Graf Bülow gegenüber Frankreich unsere Interessen energisch wahrnebmen wird. Wir Kaufleute wären Ihnen sehr dankbar, wenn Sie es er reichen könnten, daß die deutsche Regierung unsere Mei nung über einen Handelsvertrag mit Frankreich durch den Herrn Gesandten in Tanger einholen würde. In einer in Tanger einzuberufenden Konferenz könnten wir dann unsere Wünsche vorbringen, und mit Bei stand unserer Regierung muß es sich vermeiden lassen, daß der deutsche Handel hier wie in Algier und anderen franzö sischen Kolonien nach und nach zurückgeht! Gerade der letztere Vvrscklag ist im hohen Grade beachtens wert, und seine Verwirklichung könnte von weittragender Bedeutung nicht allein für den Handel mit Marokko, sondern im Anschluß daran für unfern ganzen überseeischen Handel werden. Auch unserer Kolonialpolilik könnte es nur förderlich sein, wenn das kaufmännische Element in der Verwaltung zu wechselseitigem Einfluß gelangen würbe. Der ruzriscb-iapanirche Krieg. Ariegsn«ü-»skeit in Rußland. Es mehren sich die Meldungen aus Rußland, die darauf hin deuten, daß in der Bevölkerung eine starke Gärung vorhanden ist. In Charkow fanden jüngst bei dem Transport von Reser visten nack dem ostasiatischen Kriegsschauplatz erschreckende Scencn statt. Die Reservisten mußten mit Gewalt gezwungen werden, die Wagen zu besteigen, ihre Frauen aber warfen sich vor den fahrenden Zug, mehrere wurden von der Loko motive zermalmt und andere schwer verletzt. war Anropatkin meldet. * Petersburg, 2. Juni. Wie ein Telegramm des Generals Kuropatkin an den Kaiser von gestern meldet, berrscht in der Umgebung von Fönghwangtschöng Ruhe. Die von den Japanern geräumte Statt Staimadsy wurde am 31. Mai wiederum von russischen Truppen besetzt. An demselben Tage hatten russische Strcifwachen im Laolinpaß ein Schar mützel mit einer etwa zwei Kompagnien und einer halben Eskadron starken japanischen Abteilung. Auf russischer Seite wurde ein Kosak verwundet. — Vor Niut schwang und Kai tschau sind keine Veränderungen eingetreten. Nentralitätrsorgen. Der „Standard" meldet aus Tientsin: Der große Rat in Peking richtete an den russischen Gesandten eine Note, in der er darauf aufmerksam machte. Laß die russischen Truppen, wenn sie daö neutrale Gebiet verließen, nicht Ge bäude zerstören möchten, die von den Einwohnern bewohnt wurden, da sonst daraus eine ernsthafte Verletzung der Neu tralitätsgesetze entstehen könnte. Ebenso sandle der große Rat ein Telegramm an den General Ma mit der An weisung, allen russischen Offizieren dieselbe Mitteilung zu gehen zu lassen. poistizcde cagesrcha«. * Leipzig, 3. Juni. Verwirrung, nicht Läuterung. Der Kongreß der „Internationalen Kriminalistischen Vereinigung" ist nun vorüber und es muß leider konstatiert werden, daß die Verhandlungen zu keinem fruchtbaren Ergebnis geführt haben. Sie waren seit langen Jahren eingehend vorbereitet und man konnte annebmen, daß sich in der Stuttgarter Tagung ein praktischer, brauchbarer Niederschlag ergeben würde. Diese Hoffnung ist nicht erfüllt worden. Die Bedeutung der Ver handlung liegt auf dem Gebiete der Kritik, nicht auf dem der Neuschöpsung. Ein Resultat von unbestreitbarer Wichtig keit blieb freilich übrig, daß nämlich der heutige Straf prozeß unhaltbar ist. Sobald aber die Frage erörtert wurde, wie denn nun verbessert werden solle, standen die Ansichten sich in diametraler Gegensätzlichkeit gegen über. Das galt von der Frage, ob die Er öffnungsbeschlüsse sortfallen sollen oder nickt, das galt von der Untersuchungshaft und von der Kollustonshaft, von der Behandlung der Protokolle und von der Stellung der Richter zu den Ermittelungen und Akten des Vorverfahrens. Ueber alles wogten die Meinungen chaotisch durcheinander und wider einander, und die „Vossische Zeitung" hat durchaus recht, wenn sie erklärt, daß die Stuttgarter Versammlung nicht zur Läuterung, sondern zur Verwirrung der Anschau ungen beigetragen habe. Ein Racheakt. Das Münchener Zentrumsblatt „Der Bayrische Courier" schreibt: „Ein Aufsehen erregendes Gerücht kursiert in Offizierskreisen über einen schon älteren Vorgang. Ein sehr hoher Offizier soll von der aus Stabsoffizieren der Garnison München gebildeten Verwaltung des Unterstützungssonds für Offiziere dreißigtausend Mark erhalten haben. Der Fonds ist dem Kriegsminister unter stellt. Der Herr Kriegsminister ist also in jeder Hinsicht am besten in der Lage, Aufschluß zu geben. Abgesehen davon, daß die Dar leihung einer so hohen Summe den allerhöchsten Vorschriften wider spricht, wäre es doch ganz unangängig, wenn Untergebene die Ent scheidung geben mußten." Bekanntlich ist der Kriegsminister von Asch dem bayri schen Zentrum ein Dorn im Ange. Augenscheinlich hat die Partei bisher vergebens nach Fußangeln und Fallstricken für Herrn von Asch gesucht und sich nun genötigt gesehen, einen „älteren" Vorgang auözugraben, um dem Minister etwas am Zeuge zu flicken. Man merkt nur leider allzu deutlich, daß hier lediglich ein politischer Racheakt vorliegt und da durch wird die Meldung von vornherein unglaubwürdiger. Herr von Asch wird jedenfalls nicht verfehlen, sich mit gewohnter Energie zur Wehre zu setzen. Tie Währung in der Sozialdemokratie. Bekanntlich Kat die Sozialdemokratie eine unumstößliche Doktrin, deren Prophet Herr Bebel ist. Es mehren sich aber in den Reihen der Partei die Ketzer, und Autodafes vermögen sie nickt abzusckrecken, so eifrig auch August, der Großinguisitor, Holz zum Scheiterhaufen herbeischleppt. Heule liegt wieder eine ganze Reibe von Aeußerungen namhafter Genossen vor, die beweisen, daß der Koloß der Sozialdemokratie auf tönernen Füßen rubl und daß die Partei die bisherige orthodoxe Geschlossenheit nicht mehr auf reckt zu erhalten vermag. Paul Kampf- meyer hat im Münchener Verlag von G. Birk L Co. eine Broschüre veröffentlicht „Wandlungen in der Theorie und Taktik der Sozialdemokratie". Er hat Kundgebungen der hervor ragendsten Führer und Beschlüsse der Parteitage kritisch ver glichen nnt kommt zu dem Schluß, daß die Sozialdemokratie sich mehrfach gemausert habe und sick auch fernerhin mausern werde. Ein anderer Genosse, der Gewerkschaftsführer von Elm, erklärt die bisher bei Ausständen übliche Kampfmethode, die die bürgerliche Presse bekanntlich oft genug gekenn zeichnet hat, für „taktisch geradezu wahnwitzig". Ein dritter Genosse, Georg Schmidt, kritisiert in den „Sozialistischen Monatsheften" die Parteiinslitution der Maifeier, die er als vollständigen Fehlschlag bezeichnet. Er erklärt es für töricht, daß die Arbeiter alljährliche ihre Feuilleton. Tamms Garten. 16s Roman von Wilhelm Jensen. Nachdruck verboten. Ein wenig von einer zaghaften Empfindung ward er noch einmal am Nachmittag überkommen, als er dem ersten Wie derzusammentreffcn mit Amclla in Tamms Garten entgegensah. Und wic's nicht anders sein konnte, geschah's merkbar ihr ebenso; als sie, durch die Zaunlücke hervortretend, seiner ansichtig ward, schlug sic die Augen nieder und ging langsam-unsicher in schüchterner Mädchen befangenheit auf ihn zu. So blieb sie wortlos vor ihm stechen, erst wie er den Mut gewann, seine Hand ihr auf die Schulter zu legen, schlugen ihre Augen sick auf, und nun konnte ihr kein Zweifel über das bleiben, was aus den seinigen sprach. Leis bewegte sie zuerst das Gesicht näher gegen seines vor, sein Arm umfaßte ihren Nacken, und dann ruhten die Lippen beider ein Weilchen in stummer Sprache aufeinander. Damit war der Bann des ungewifscns Zagens von ihnen abgclöst; ihm kam danach vom Mund: ,Solche Mondnacht gibt's nur ein mal im Leben, Amelia", und sie antwortete lächelnd: „Hast du schön heut' nacht geträumt, Dietger?" und Hand in Hand ließen sie sich zum Sitze« nieder. Schwer war's doch noch für ihn, einen Gesprächsanfang zu finden, er zog das Goldkcttchen hervor nnd sagte: „Das hast du gestern am Tempel zurückgclasscn und vergessen." lieber ihr Gesicht blühte dabei eine Röte empor, sic erwiderte schnell: „Hab' ich das — und bis jetzt noch nicht vcmcrkt? Dein schönes Geschenk — was mußt du von mir geglaubt haben, wie gleichgültig mir's sei! Aber das war's gestern abend auch — verzeih' mir's — ich will's nicht zu ent schuldigen suchen, nicht anders sagen, als es mar. Ich dachte nur an dich, an daö, was du mir damit kundtatcst — aber nnn —." Sic nahm jetzt eilfertig die Bindfaden schnur vom Hals und nestelte mit einiger Schwierigkeit die Uhr, deren Gehäuse sich in ihrem Kleid festgchäkclt hatte, aus diesem hervor; da der Zuschauer während dessen plötzlich seinen Blick von ihr abkehrtc, fragte sic: „Willst du nicht scheu, ob die Kette sich gut dran festmachen läßt?" Nun fiel er ein: „Nein — das mutzt du nicht tun — ich wollte dir's schon früher —", aber er wußte nicht fortzu fahren, und sic wiederholte mit bcgrisflvscm Erstaunen: „Was muß ich nicht tun? Die Uhr nicht an der Kette fest machen? Hast du sie mir denn nicht dazu gegeben?" — „Ja — gewiß — natürlich", stotterte er; ihm kam zum Be- wußtmcrdcn, es sei noch schwieriger, vielmehr unmög licher, seiner Braut, als überhaupt einem Mädchen, in Worten zu erklären, was er mit der verweisenden Aeußerung gemeint habe, doch beseligend durchdrang ihr kindlich ahnungsloses Behoben ihn mit einer tiefen Rührung, wie etwas Heiliges saß sie in ihrer Unwissenheit und Unschuld vor ihm. Sich auf das vorher von ihr Ge sprochene besinnend, knüpfte er hastig jetzt an dies an: „Mich machte es unsagbar glücklich, daß du nicht mehr an die Kette gedacht hattest — als ich sic auf der Stufe liegen sah, verstand ich's gleich, warum sie dir vergessen aus der Hand gefallen war — und auch heute, sagtest du, war dir noch kein Gedächtnis dran gekommen. Das ist der wahren Liebe Zeugnis — komm, jetzt will ich nach holen, was ich gestern nicht konnte und woraus ich mich so gefreut hatte, sic dir um den Hals hängen." Die Kette nehmend, bewegte er seine Hände gegen Amclla vor und zog dabei leis-unvermerkt ihr Kleid, das beim Lvsmacheu der Uhr vor der Brust ein wenig zum Auseinandcrklassen geraten war, in Ordnung zusammen; sic saß stumm, nur lieblich lächelnd, bis er mit dein Umhängen zu stände ge langt, dann erst sagte sic: „Aber nnn werden alle mich d raus ansehen, von wem ich wohl das kostbare Geschenk lmbe. Was soll ich da antworten, wenn mich einer fragt? Ich darf doch nicht lügen, ich hätt's mir selbst gekauft, und das würde ja auch niemand glauben, denn jeder weiß, welch' ein armes Ding ich bin, und daß ich in der Hvssuung kaum einen Lohn bekomme." Dem Hörer flog über die Lippen: „Du mußt sagen, wic's wahr ist, daß dein Ver lobter dir —", doch sich besinnend, brach er ab: „Nein, ich Hab s mir heut' morgen überlegt, cs ist bester, daß noch niemand davon weiß." Tic sah ihn an, als sei ihr ein ihm vom Munde gekommenes Wort unglaubhaft, und cs dauerte einige Augenblicke, eh' sic die Frage hervorbrachte: „Sind mir denn miteinander versprochen, meinst du das im Ernst so?" — „Hätte ich dich denn eben geküßt, wenn du nicht meine Braut märst?" Noch wie halb ungläubig wiederholte sie: „Deine Braut? Ja — nun verstehe ich dich — du bist so gut gegen mich." Ein Schluchzen durch zitterte ihre Stimme, und von einem aufstürmcndcn Dank gefühl überwältigt, schlang sic den Arm um seinen Nacken und schloß ihre Lipen so fest und lang auf die seinigen, daß ihm der Atem verging. Dann vermochte er wieder zu sprechen: ,FVic schnell wir das gelernt haben, wovon wir gestern noch nichts wußten, nichts ahnten." Aus jubelnder Brust klang's, und als ob ein Rausch um seinen Kopf liege; doch danach sagte er: „Nun müssen wir ernsthaft beraten, was ge schehen muß. Ich weiß es schon, hab's bedacht, während du mich küßtest, dein Kuß hat's mir gesagt. Du mußt aus der Hoffnung fort, in eine andre, besser deiner würdige Stellung." Da er nachdenkcnd anhielt, antwortete sie: „Du meinst — ja, bisher ging's und Hab ich's geduldig ertragen — aber du meinst, für deine Braut ist's nicht würdig —ü Beglückt empfand er, daß sie sich durch das Wort ver wandelt, empvrgehoben fühle, doch wie sein Gedanke zur Ausführung gelangen könne, wußte er noch nicht aus findig zu machen. Nur vorderhand ein Sicherungsmittel für einen möglichen Fall, gegen etwas, das ihr von der Roheit des Wirtes in der Hoffnung drohen konnte; hastig zog er seine Börse hervor, leerte den Inhalt d'raus in ihre Hand und sagte: „Notwendig ist's, daß du im stände bist, zu jeder Stunde aus dem Haus fortzugehn, wenn's zu schlimm wird. So kannst du dir irgendwo bei einer ordent lichen Familie ein Stübchen verschaffen, bis wir eine bessere Stellung für dich gefunden haben." Merkbar war in der Tat in Amclla eine Veränderung vorgegangcn, ihr Blick richtete sich nicht mehr staunend auf die Gold- und Silbcrmünzen und sic machte keine ab lehnende Handbewegung, sondern sagte: „Ja, gestern war vieles anders und da hätte ich dies nicht von dir ange nommen. Aber deine Braut darf es und muß cs, denn cs ist ja für dich. Du willst es und kannst von deiner Braut verlangen, daß sic sich nicht -einer unwürdig be handeln läßt. Vorhin verstand ich dich nicht, als du von etwas sprachst, was ich nicht tun müßte, aber hierbei ver stehe ich dich ganz; sag' mir nur immer alles, was ich tun oder lasten soll, du bist ja älter und viel klüger als ich, und ich bin gewiß in vielen Dingen noch sehr unwissend und dumm, daß du vielleicht manchmal im stillen den Kopf dazu schüttelst, wie solche Einfältigkeit möglich ist Mit der anderen Stelle für mich kommt mir aber doch etwas — nein, das ist natürlich auch nur ein törichter Einfall von mir — nur weil ich so wenig von deinem Gelbe ver brauchen mochte, als es irgend angeht —2 „Was für einen Einfall haft du?" „Ob vielleicht einer deiner vornehmen Freunde — wie heißt doch der, der dir am liebsten ist, über meinem Kummer gestern und dem Glück heut' habe ich seinen Namen vergeßen —" „Meinst du Pctzold? Der ist mein bester Freund." „Ja, nun weiß ich ihn wieder, du sagtest, glaub' ich, einmal, er wäre der vornehmste von ihnen. Ist er auch so groß wie du und sieht dir ähnlich?" „So groß ungefähr, doch von Gesicht sind wir ganz verschieden. Er hat eine gebogene Nase und viel dunkleres Haar als ich." „Und dazu dann wohl auch dunkelfarbige Augen und wahrscheinlich einen größeren Schnurrbart als du." „Ja, einen viel stärkeren, das stellst du dir ganz richtig vor, wie wenn du ihn mit Augen gesehen hättest. Er ist aber auch vier Jahre älter als ich; könntest du ihn einmal sehen, würdest du gleich begreifen, daß jeder auf seine Freundschaft stolz sein muß." „Nein, wenn er so anders ist als du — verzeih', datz ich's gcradhcraus sage — aber mir könnt' er nicht gefallen, denn ich müßte ihn ja mit dir vergleichen und bin froh, -aß du keine krummgebogene Nase und nur einen so kleinen, weichen Schnurrbart hast, von dem man bei'm Küssen kaum etwas fühlt. Aber weil er dein bester Freund ist, muß er ein guter Mensch sein, und darum kam ich ans den Gedanken, ob er nicht vielleicht aus Freund schaft für dich uns beihclfcn könnte, daß ich in eine andere, deiner Braut würdigere Stelle käme. Befrage ihn doch einmal, ob er keine weiß und sag' ihm von mir." „Das hab' ich schon mehrmals getan und ihm viel von dir erzählt, ich meinte, du wüßtest es " „Ja, gewiß, ich i-ab's nur im Augenblick vergessen. Aber daß ich in der Wirtschaft zur Hoffnung bin und gern von dort fortmöchte, hast du ihm wohl nicht gesagt." „Doch, -aß du da bist, weiß er, von deinem Wunsch aber, glaub' ich, habe ick nicht mit ihm gesprochen." „Sv war's also tem Zufall —" „Was meinst du?"
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