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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 04.06.1904
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-06-04
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040604022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904060402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904060402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-06
- Tag1904-06-04
- Monat1904-06
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Anzeigen-Preis die 6gespaltene Petitzeile 25 Reklamen unter dem Redaktionsstrich (4gespalten) 75 nach den Famtliennach- richten 6 gespalten) 50 Tabellarischer und Ztsfernsatz entsprechend höher. — (Gebühren für Nachweisungen und Lssertenannahme 25 Ertra-Veilagen (gesalzt), nur mit da Morgen.Ausgabe, ohne Postbefvrderung 60.—, mit Poslbesörderung 70.—. Annahmeschlutz für Anzeigen: Abend«Ausgabe: vormittag» 10 Uhr. Morgen.Ausgabe: nachmittag- 4 Uhr. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Tie Expedition ist wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi- abends 7 Uhr. Truck und Verlag von E. Pol; in Leipzig (Inh. vr. V., R. L W. Kltnkhardt). Nr. 281. Sonnabend den 4. Juni 1904. 98. Jahrgang. Var Wchiigrte vom läge. * Major Prinz Ernst von Sachsen-Altenburg, kommandiert zur Dienstleistung beim Großen Generalstabe, ist während der diesjährigen Herbstmanöver d»r Flotte an Bord von Schiffen der aktiven Schlachtflotte kommandiert. * In einem Patrouillengefecht bei Outjo wurde am 31. Mai der Seesoldat Friedl von der Kompagnie Häring getötet. * Die Aussichten auf Zustandekommen der badiscben Wahlrechtsreform sind durch das Verhalten des Groß grundbesitzes in der Ersten Kammer noch geringer ge worden, als sie schon waren. (S. Dtsch. Reich.) * Durch Großfeuer wurden in dem Dorfe Pri'eUt hausen bei Stargard i. P. 24 Bauerngehöfle mit 150 Gebäuden eingeäschert. * Die Gerüchte von der Amtsentsetzung des Grafen Lambsdorff bestätigen sich nicht Vie Notwendigkeit der evang. rsrialen Vereinigung. Antwort auf die „Warnung" des Herrn vr. v. F r e g e - W e l tz i e n. Herr vr. v. Frege hält die evangelisch-soziale Be strebung fiir erfolglos so lange, „bis nicht die Erkenntnis des Programms der Kaiserlichen Botschaft vom November 1881 Gemeingut aller Staatsbürger geworden ist". Ob der bezeichnete Zustand jeinals eintritt, wissen wir nicht. Jedenfalls warten wir nicht auf ihu, sondern fangen mit unserer Arbeit an. Wir m ii s s e n anfangen, nicht weil der Erfolg uns sicher ist, sondern die innere Nötigung unseres Glaubens zwingt uns zum Vorgehen. Ter Apostel Paulus hat sich einen Schuldner genannt der Griechen und der Ungriechen, der Weisen und der Un weisen, sollen wir uns nicht anch als Schuldner fühlen gegenüber dem Arbeiterstande, der unserm evangelischen Ehristcntnmc beute fernstcht? Nun möchte aber Herr vr. v. Frege-Weltzien eine evangelisch soziale Arbeit ablehnen, weil es in allen Ständen Gegner der evangelischen Kirche gibt. Tas kann niemand leugnen, aber diese Tatsache enthält nichts Anormales, so bedauerlich sie ist, der Glaube ist nun ein mal nicbt jedermanns Ting. Tas Anormale unserer Ver- hältnissc ist nur, daß ein ganzer Stand beinahe geschlossen sich abwendct, und das sollte jedem Freunde der Kirche zu dcnkcu geben, ob nicht hier eine Schuld der Kirche mit zu Grunde liegt, ob wir Ehristcn nicht in besonderem Sinne „Schuldner" des Jndnstriearbeitcrstandes sind. Hat die Kirche immer mit gleichem Maße gemessen? Hat sic immer das Sclbständigkeitsstreben tm vierten Stande ganz gebilligt? Hat sie nicht manchmal die heran- gereiften Arbeiter bevormundet wie Kinder? Herr vr. von Frege tut's heute noch, wenn er sich Sorge macht, daß sie zu viel in die Kneipe laufen, und davor warnt, sie oben drein noch in evangelisch-soziale Diskussionsabende zu locken. Die Warnung vor der Kneipe mag einem Vater seinem leichten Sohne gegenüber anstehen, aber nüchternen Arbeitern gegenüber, die nach dem Einerlei der Fabrikarbeit noch etwas hören wollen von den großen Fragen des geistigen Lebens, ist sie völlig deplaciert, da zu hat auch ein großer Herr kein Recht. Es ist manches versehen worden in der Gerechtigkeit nnd in ver Liebe zum aufstrebenden Arbeiterstande, darum sind wir seine Schuldner. Herr vr. v. Frege schreibt schließlich: „Nicht neue Ver- cinigungen helfen, sondern Einigkeit der alten, einmal be stehenden Parteien gegen alle Revolutionäre des Wortes wie der Tat". Tas ist eine merkwürdige Aufforderung an Leute, die eben erst feierlich erklärt haben, daß sie keine Politik treiben wollen. Wir werden keine Partei bekämpfen, auch nicht die sozialdemokratische, weder in ihren wirtschaftlichen, noch in ihren politischen Zielen: wir werden aber den evangelischen Glauben ver kündigen allen, die uns hören wollen. „Gebet dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist", mit diesem von vielen, wohl auch von Herrn vr. v. Frege mißverstandenem Worte scheidet Jesus die Gebiete Politik und Religion. Wir werden uns an diese Scheidung halten, wir werden religiöses Tenken anregen, so viel wir können, aber in der Politik jeden tun lassen, was er verantworten kann. Oastor lüs'ostor. ver nirKrcb-ispanizche Weg. Alexejew bleibt. Aus Petersburg wird gemeldet: Das Blatt „Nowh Kraj" erklärt die Gerüchte von dem bevorstehenden Rücktritt des Statthalters Alexejew sür unbegründet; Alexejew sei an die Spitze der aktiven Armee nid Flotte gestellt und werde den Posten in der gegenwärtigen schweren Zeit nicht ver lassen, welche verlange, daß dir Leitung in einer festen nnd energischen Hand liege. Der Statthalter sei besonders jetzt unersetzbar. Ver Bericht des Generals Stoffel liegt nun ausführlicher vor. Er lautet: Am Abend des 26. Mai gab ich nach einem erbitterten Kampfe, ter zwei Tage gedauert hatte, Befehl, die Stellung bei Kinlschon zu räumen, da uns nicht weniger als drei Divisionen mit 120 Geschützen gegenüberstanden. Das Feuer des Feindes, vor allem das von vier Kanonenbooten und sechs Torpedo booten, vernichtete unsere Batterien auf der Stellung bei Kintschou vollständig. Das fünfte Regiment, das sich aus der Stellung selbst befand, kämpfte heldenmütig. Durch das Feuer dieses Regimentes, das Feuer unserer Batterien und das des Kanonenbootes „Bobr", welches bei Hunuesa lag, wurden den Japanern ungeheure Verluste zu gefügt. Unsere Verluste an Toten nnd Verwundeten betragen gegen 30 Offiziere und etwa ><u> Mann. Alle Geschütze wurden von uns, soweit sie nicht ver nagelt wurden, gesprengt und unbrauchbar gemacht. Die auf der Stellung befindlichen Geschütze während des heftigen Kampfes wegzuführen, war natürlich aus geschlossen; man hätte dies drei Tage vor dem Kampfe tun müssen. Der Kampf am 26. Mai selbst begann um 5 Uhr morgens und hatte bis 8 Uhr abends gedauert, als ich den Befehl erteilte, die Stellung allmählich zu räumen. Ein Teil der Minen und Flatterminen wurde nicht gesprengt, da die Japaner unter dem Schutze des Feuers ibrer Schiffe unsere Stellung direlt von der Seeseile her umgingen. Der Geist der Truppen ist ausgezeichnet. Nene Aampfe. Einem Petersburger Telegramm der „Köln. Ztg." zu folge wird aus Liaujang gemeldet, daß die Japaner eine Gebirgspositiou besetzten, wobei Rittmeister Marinow einen 2 >/, stündigen Kamps mit dem mehrfach über legenen Gegner aufnahm. Die Japaner wollten zum ent scheidenden Sturmangriff übergehen, als eine starke Kavallerie- Abteilung des General Samssouow heran- riichte. Ohne Zögern wurde der allgemeine Kampf mit großem Mut und in wirkungsvoller Massenbewegung aus genommen, so daß die Japaner alle ihre Kräfte auf die Position zurückzogen. Die Japaner standen unter Befehl des General Aiama. Sie marschieren südwärts nach Snejan und nach Port Arthur jstsMircbe Lagezzchau. * Leipzig, 4. Juni. „Unstimmigkeiten." Zu den Errungenschaften Des neuesten Kurses ge hört Das herrliche Wort „Unstimmigkeiten", niit dem mau die Störungen bezeichnet, die sich gelegentlich zwischen den einzelnen Bundesstaaten einstellen. In den letzten Jahren hat es an ihnen nicht gefehlt. Wir denken an die Zwischenfälle in der Lippeschen Frage, an die Kundgebung von Swinemiinde, an die Aufhebung des 8 2, an Sie Stellung Bayerns zur Totalisatorvorlage, an Sen preußischen Lotteriegesetzentwurf und wie vieles der Oeffentlichteit verborgen bleiben wird, das kann jeder Uneingeweihte sich leicht vorstelleu, wenn auch nach außen hin die Risse immer wieder vertüncht werden. Jetzt hat nun der Finanzminister Bayerns offen zu dem T i ä t e n a n t r a g e Stellung genommen und dec Gegensatz zu Berlin ist deutlich zu Tage getreten. Für die Diäten oder Anwesenheitsgeldcr ist im Bundesrat eine Mehrheit vorbanden, und der Reichskanzler selbst teilt die Ansicht dieser Mehrheit. Er muß aber die preu ßischen Stimmen gegen einen derartigen Antmg in struieren und Preußen kann seinen Widerstand gegen alle übrigen Bundesstaaten aufrecht erhalten, weil das Gesetz eine Verfassungsänderung darstellt, die mich Artikel 78 als abgelchnt gilt, wenn sie im Bundesrat 14 Stimmen gegen sich hat. Preußen mit Waldeck versügt aber über 18 Stimmen. Daß von Zeit zu Zeit im Bundesrat Meinungsverschiedenheiten anstauchen, ist selbstverständ lich. Ebenso selbstverständlich aber sollte es sein, daß sie mit der größten Feinfühligkeit und Diskretion behandelt würden, daß Majorisierungen tunlichst vermieden würden und daß die Politik des Reiches stets nach außen hin als eine einheitliche erscheinen müßte. Ter Präsidialwrchsel im reichsstatistischen Amt. Tie Bestallung des Protessors van der Borght zum Präsidenten des Kaiserlichen Statisti ¬ schen A mtes gibt der „Frkft. Ztg." zu einem Rückblick auf die Geschichte dieser Behörde Anlaß. Sic erinnert daran, daß die beiden ersten Leiter des Amtes National- ökonomen von Fach waren, die sich in der volkswirtschaft lichen Literatur einen Namen gemacht hatten. Dann aber fiel das Amt an den Juristen W i l h e l in t, und trotz seiner großen Verdienste trat während seiner kurzen Ver waltungstätigkeit die Neigung hervor, Juristen hier zu begünstigen. Um so erfreulicher erscheint es, daß nun ein ehemaliger Professor der Nationalökonomie ernannt wor den ist, der seinen Fachgenossen wieder zu der Geltung verhelfen kann, ans welche sie auf diesem Gebiete be rechtigten Anspruch haben, auch wenn sie nicht durch das Purgatorium der beiden juristischen Eramina hindurch geschritten sind. Arbeiter als Schöffen und Geschworene. Tie Bayrischen Minister des Inneren und der Justiz haben über die Herstellung dec Liste der Schöffen und Ge schworenen eine Verfügung erlassen, in welcher darauf hingewiesen wird, „daß die Fähigkeit, diese Aemter zu bekleiden, weder abhängig vom Vcrmögensbesitz, noch von einem bestimmten Bildungsgrade sei. Es stände demnach nicht im Einklänge mit dem Gesetz, wenn Per sonen zum Amt eines Schöffen oder Geschworenen nur deshalb nicht berufen würden, weil sie zur Arbeiterklasse gehören. Gesetzwidrig wäre es übrigens auch, wenn bei der Berufung zum Amt eines Schöffen oder Geschwore nen auf die Zugehörigkeit zu einer politischen Partei Rücksicht genommen würde." In den konservativen Kreisen Preußens wird diese Verfügung anßerordentlicb verstimmen und Graf Mirbach dürfte, wenn er sie liest, eine ebenso trübe Viertelstunde verleben, wie sie das un abhängige Benehmen des Großherzogs von Hessen von Zeit zn Zeit den ostelbischen Magnaten bereitet. Selbst verständlich will die Verfügung nur das, was Gesetz ist. verwirklichen. Sie verdient aber alles Lob, indem sie die Vorurteilslosigkeit der Regierung unwiderleglich dar tut. Wir sind neugierig, ob die sozialdemokratischen Organe diese Tatsache anerkennen werden oder ob es ihnen gelingt, auch aus dieser Blume Gift zu saugen. Ein ungarischer Evrivlnn. In Ungarn gibt es augenscheinlich noch nicht Parteien genug. Darum hat sich der Freiherr Desidcr von Banffy entschlossen, einem tiefgefühlten Bedürfnisse abzuhelfen. Er will eine neue Partei grstuocry,. deren einziges Programm die Zotttrennung von Oesterreich ist Es ist an sich schon interessant, daß ein in der Politik ergrauter Staatsmann diesem Programm eine so starke Anziehungskraft zutrant, daß er seine politische Cristen-, darauf begründen will und sich nicht scheut, zu seiner ganzen Vergangenheit in schlossen Gegensatz zu treten. Tenn Baron Banfsy hat in Gemeinschaft mit dem öster reichischen Ministerpräsidenten Grafen Badeni als un garischer Ministerpräsident den Ausgleich mitgeschasfen. Als im Jahre 1898 die Obstruktion in beiden Parlamen ten die regelmäßige Erledigung des Ausgleiches ver hinderte, machte Baron Banffy, der damals an der Spitze der ungarischen Politik stand, den Vorschlag, in das Zollbündnis, das regelmäßig nach zehn Jahren er neuert werden muß, die Bestimmung auszunehmen, daß es ohne weiteres sortdauern solle, bis die Aushebung vom Parlament beschlossen werde. Baron Bansfy ist also ver letzte ungarische Politiker gewesen, der nocb einen Ver- such wagte, das Zollbündnis zur bleibenden Einrichtung Feuilleton. Lamms Garten. 17f .Roman von Wilhelm Jensen. Nachdruck verboten. „Du bist ein Leibfuchs von seltener Klugheit, TiliuS, die dich immer auf das Richtigste bringt; Minerva hat offenbar neben mir gestanden, als ich dich für mich auswählte. Dafür verdienst du die OpfcrwiUigkcit der Freundschaft, und „vergewissern" ist auch ein Wort, das den Nagel auf den Kopf trifft. Dem wollen wir gleich morgen Gehör geben; ich warte hier am Nachmittag, daß du mich abholst und mir den Weg zeigst." „Morgen? Willst du's morgen schon —?" „Gute Vorsätze muß man nicht aufichiebcn und das Eisen schmieden, so lang' es heiß ist. Das schcint's mir nach deinem dringenden Wunsch heut' geworden zu sein; du hast recht, außer mir braucht niemand etwas davon zu erfahren. Also abgemacht, morgen nachmittag hier um welche Zeit?" ,Menn's dir paßt, gegen vier Uhr." „Wenn s dir dann paßt, paßt's mir; so denk' ich, kommt alles zu paß und findet sich wohl das Passende heraus. Nun wollen wir uns wieder das Glas an den Mund passen. Nein, zu danken brauchst du mir nicht; was einem Leibsuchs angehört, gehört auch der Für sorge seines Leibburschen an. Da darf's nicht passieren, daß der sich passiv verhält, sondern er hat die Pflicht, nach Kräften für das Beste seines Leibfuchses aktiv cin- zutreten." Die beiden begaben sich zu den übrigen zurück, Pchold seytc sich neben Ellcndshcim, tat einen Zug aus seinem Glase und sagte: „Wir haben noch etwas Nötiges zu besprechen vergessen, Wichard. Das Korps braucht, wenn wir Besuch von auswärts bekommen, sür seine Reputation eine besser anstehende Servante, als die unterirdiscix Paula; solche Guvmensigur schimpfiert uns die Kneipe, ich hab's dir schon früher einmal gesagt, glaub' ich. Deine verehrte Tante wird's uns auch zu Dank wissen, wenn eine anständigere Person herkvmmt, womöglich zum Unterschied eine blondköpfige; die da mit der schwarzen Pechkappc macht ihrem vestalischcn Ge müt zu viel aufregenden Kummer. Das tut mir leid für sic und auch für dich, denn du leidest natürlich als guter Ncveu mit unter ihrer Bekümmernis; Flachshaar gibt immer mehr Garantie für Schicklichkeit. Ich will einmal in den Küchenhades zu unserer Persephone, der Witwe Köpken, hinuntersteigen und mich erkundigen, ob sie vielleicht etwas Passenderes für uns weiß, sonst müßte man selbst drauf passen und sich danach umtnn, denn für die Obotritia paßt die Minima nicht mehr. An einen Senior treten viele Pflichten heran, die er nicht abweisen kann; wart' ein bißchen, ich komme mög lichst rasch aus der Unterwelt wieder herauf." Ein bißchen peinlich rührte es Dieter an, daß er am andern Vormittag seinen Vormund aussuchen mußte, um sich von diesem einen neuen Betrag aus der Hinter lassenschaft seines Vaters auszubittcn; recht begreiflich war's ihm selbst nicht, wohin die erste Summe, die ihm bei der Empfangnahme als unerschöpflich vvrgekommen, in so kurzer Zeit verschwunden sei. Anch der alte Justizrat machte ein etwas verwundertes Gesicht, wie er fragte: „Bist du mit deiner Barschaft schon zn Ende? Die hat rasche Beine gemacht — na, tun res n^itur, mich geht's ja nicht an." Der junge Student brachte einige Worte von Kollegieugcldern vor und Kosten für seinen Eintritt in ein neugebildetes Korps; ihn bedrückte dabei, daß er, wenngleich nicht Unwahres sprechend, doch mit der Wahr heit zurückhielt, und da er dies zum ersten Mal in seinem Leben tat, stieg ihm das Blnt hoch in die Schläfen hinauf. Der Advokat holte indessen ohne weitere Bemerkung eine Anzahl von Goldstücken aus der Schatulle, äußerte nur dazu: - „Reicht dir das aus? Von dem Depositum für dich ist jetzt nicht mehr viel, nur noch ein Rest übrig." Gleichmütig geschäftsmäßig klang's; der Sprecher hielt offenbar dafür, daß er bei der ersten Zu sammenkunft alles Erforderliche gesagt lmbc und ihm keine Verpflichtung obliege, durch eine Wiederholung seine Berufstätigkeit länger zu unterbrechen. Das war auch dem Hörer durchaus am liebsten, er dankte und be gab sich danach sogleich fort. Wiederum, diesmal jedoch mit dem zweifellos sicher begründeten Gefühl, sein neuer Börscninhalt werde für unabsehbare Zeit, jedenfalls Jahr und Tag ausreichend sein. Einen kleinen Teil davon mußte er freilich gleich aus dem Fechtboden an die Korpslasse entrichten, tat's aber, ohne einen Gedanken damit zu verbinden, denn sein ganzes Denken richtete sich auf den Nachmittag vorauf. Als er sich an diesem um die verabredete Stunde in der „Fortuna" einstellte, wartete Detlev Petzvld hier bereits, trug in der Miene etwas von Ungeduld und empfing ihn: „Du kommst spät, es wird schon früh dunkel jetzt, und ich möchte mir deinen Wunöergartcn doch noch bei deutlichem Licht an sehen. Nach dem, was du mir von ihm erzählt hast, glaub' ich, daß eine verwunschene Here drin Hausen muß, die auf das richtige ErlösungSwort hofft, um sich als eine Besitzerin von kostbaren Schätzen ausznweisen. Vermutlich wird sie sich zwar damit nicht auf den ersten Anhieb gleich besonders freigebig zeigen, das ist bei klugen Heren nicht der Brauch; aber zunächst handelt sich's ja nicht um ihre Entzauberung, sondern um deine Brant, den Anblick ihrer Figur, wie s in der Plani- mctric heißt, ob der lehrt, daß mir eine bessere Unter kunft für sie in den Kops gerät. Audi in der Trigono metrie, erinnere ich mich, kommt noch öfter der Satz vor: den Beweis liefert die Anschauung der Figur; ich will einmal all' meine mathematische Wissenschaft von Winkeln und Schenkeln zusammennchmcu, um die Rechnung zum gehörigen Fazit zn bringen. Weißt du, oder vielmehr weiß sie selbst denn gar nichts davon, durch wessen Ver mittelung sie auf die Welt gelaugt ist? Darin liegt eigentlich von vornherein für den wissensdurstigen Sinn etwas, was ihn zur Lösung einer schwierigen Auf gabe anspvrncn muß, und ich denke mir, das hat dich wohl mit zu dem ungewöhnlichen Tun veranlaßt, dir schon als Fuchs eine Füchsin zuzugesellen." Petzvld sprach's in seiner hin- und herspringenden Redeweise lustigen Tones auf dem Wege nach Tamms Garten, doch als sie, von der Rückseite her in diesen hineingelangt, mit Amella, die bereits anwesend war, zusammentrafcn, regte er den Eindruck, von ihrem Anblick und Wesen etwas enttäuscht zu sein. Durch sein äußeres Verhalten tat er allerdings nichts davon kund, benahm sich ihr gegenüber mit dem höflichsten Anstand, als ob sie eine junge Dame ans bester Familie sei, und sprach auch, daß cs ihn erfreue, die Bekanntschaft der Braut seines Freundes zu machen. Dieter kam indes zur Empfindung, eine gewiße Gleichgültigkeit könne sich darunter nicht ganz verbergen und die artigen Worte würden dem Sprecher weniger von eigener Anteil nahme an ihrer Persönlichkeit, als von einem Gebot der Freundschaft eingcgeven; mehr lieb sich ja auch nicht er warten, geschweige denn verlangen, da sie bei der ersten Begegnung nichts weiter als ihre leibliche Schönheit darbot und vvn ihrem inneren geistigen und seelischen Werte nichts zu Tage trat. Amella betrug sich mit einem ihrem Wesen innewohnenden natürlichen Anstande, doch begreiflicherweise dem vornehmen jungen Herrn gegen über etwas schüchtern-befangen, oder eigentlich ein wenig ablehnend steif, als wolle sic einer Annahme bei ihm Vorbeugen, sic habe ihren Bräutigam veranlaßt, ihn mit hierher zu bringen. So hielt sie ihre Augen beim Gespräch mit ihm niedergeschlagen, machte nnr einmal eine Ausnahme davon, als ihr der artige Einfall ge kommen, ob Dieter nicht für seinen Freund einige von den vortrefflichen Reineclauden pflücken wolle. Das tras mit dem Wnusäic des jungen Korpsseniors zu sammen, der, sich umblickend, mit einem hübschen Lachen äußerte, daß er wirklich süße Früchte zn schätzen wisse, und den Fuß vorletzte, um selbst nach ihnen an einem Zweige die Hand ansznstrccken. Doch kam sein Leibsuchs ihm mit der Bemerkung zuvor, er verstehe sich besser darauf, die reifsten ansznwählen; so lieb Petzvld von seinem Vorhaben ab, blieb neben Amella stehen und fragte, während Dieter ein wenig seitwärts nach den Pslanmen haschte: ,/Haben Sie denn wirklich Astern augen? Mir scheint, Sic hegen eine Abneigung, Leute, mit denen Sie in der Naße sprechen, anzusehen, und aus der Weite konnte ick, nicht erkennen, ob Ihr Ver lobter mit der Vergleichung Ihrer Augensarbe recht bat." Daraus klang ein leis tadelnder Vorhalt wenn nickt un höflichen, doch wenig freundlichen Benehmens ihrer be ständig halb »iedergcsenktcn Augen; sic erickral merklich darüber, daß sie sick bei dem besten Freunde ihres Bräutigams nicht gcziemlich betragen habe, und schlug zum ersten Mal, indes in wörtlichem Sinne nur sür eine» Augenblick lang oder richtiger kurz die Lider gegen sein Osi-sicht aus, dann ließen die Wimper» sick hastig wieder herunter. Lackend sagte er: „Ging s nicht länger? Das war ei» flüchtiges Schaustück, aber man muß mit dem zufrieden sein, was es sehen ließ, und sich das übrige hinzndcnken. — Das ist ja eine prächtige Sorte, Tilins, wahrhaftig, dein Tamms Garten gefällt mir, solche Reiueelaude kann einem auch au, Nachmittag Appetit macken. Am besten nämlich schmecken mir süße Früchte vormittags, so ungefähr eine Stunde vor'm
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