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Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 07.02.1925
- Erscheinungsdatum
- 1925-02-07
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1666408611-192502079
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1666408611-19250207
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1666408611-19250207
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungRiesaer Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1925
- Monat1925-02
- Tag1925-02-07
- Monat1925-02
- Jahr1925
- Titel
- Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 07.02.1925
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Riesaer H Tageblatt rrud Anreiaer lLideblatt und Ämeigerj. «tzd Anzeiger «Elbeblatt und AuMgeü. »Ä LnunabknN, 7. Februar IN-'5, abends 78. Iahra Postscheckkonto: Dresden 153- Girokaffe Riesa Nr. 52. Drahtanschrift! Tageblatt Riesa. Fernruf Nr. 20. Da» Riesaer Tageblatt eathSlt die amtttchen Bekauutmachllugeu der «mtt-aadttmnmfchast Srosseahaiu. de» Amtsgerichts, der AmtSanwaltschaft beim tzmrsgertqre mrd des Rate» der Stadt Rieia, des Finanzamts Riela and des HauvtzollamtS Melken. Aiiikmleiie imb ROrenlMiWU. * B e r l i ii. Tas Nkichefinanzniinistetiuu« teilt mit: In einigen ausländischen Blättern wird die Ansicht ver» breitet, das; dft im Sachverständiaenautachten vornesebene Anleihe von 80tt Millionen (voldmark dem Reiche dazu acdirnt habe, die Ausgaben dcr Grokindiistrie während des Nuhrkainpfes zu decken. Ticie Ansicht beweist eine auf» sallcude lliikeiiiilnis des Sachverständigengutachtens und der im Ziiiainuiei bang damit sichenden Zahlungen. Be kanntlich dient die 800 Millionen Anleihe nach dein Gut achten einem doppelten Zweck: nämlich 1. der Sicherung der Währnngsstabilisierung, 2. der Finanzierung der Deutschland nach dem Gutachten obliegenden Sachliefe- rungcn. Ter eiilbezeichnete Zweck «st dem Sachverständigen» plan entsprechend dadurch erzielt worden, daß die Devisen, die die Anlcihezrichner cinzahlten, der ReichSbank zngefnhrt morden sind. Tie Neichöbank hat den Goidgeaenwcrt in Reichsmark aus ein besonderes Konto dcr Neichsregicruug einaezahlt, ans dem die im lnu'endcii Neparationsjahr ge- mäi; dem Gutachten sich ergebenden Beipflichtungen Teutsch- lauds abgcdeckr werden. Dieses Konto steht gemäß den Londoner Auleiheverhanülungen unter dcr Kontrolle des Generalagenten. Es ist allo seine Rede davon, daß die deutsche'Anleihe von 1924 zu anderen als den beckiminungs- inäßigen Zwecken gedient hat oder dienen könne. Aktie VeOW In »er Mi. WnWrlme. Berlin, 7. Februar. In der preußischen RegiernngS» frage ist durch lüe vom Zentrum beabsichtigte Aufstellung des früheren illeichskanzlers Tr. Marr alS Kandidat für die preußische Ministcrvräsideutschaft eine ganz neue Wendung einnetretcn. Man hält es in den preußischen parlamentarischen Kreisen für durchaus wahrscheinlich, daß Dr. Marx imstande sein würde, eine parlamentarische Mehrheit zu finden, selbst wenn er für eine ileberaangSzeit genötigt sein sollte, nur riue kleine Koalition aus Zentrum, Teinokraten und Wirtichnitspartei zu bilden. Eine Negie rung Marx in Preußen würde, wie wir von sehr unter» richtetet Seite erfahren, einen ernsthaften Bcrluch darstellen, zu einer Wiederherstellung dcr großen Koalition in Preußen bezw. zur Wiederannäherung der Teuticben Bolkspartri und des Zentrums zu gelangen. Tie berc ts von matz- arbrnder Zeutrumsieite ins 'Ange geiahte Kandidatur Tr. Marx für die Neichsvräsidentschaft bleibt, wie wir noch hierzu erfahren, nach wie vor bestehen. binettSsitzung hat, wie es im „Vorwärts" richtig heißt, der Minister der besetzten Gebiete bemängelt, daß er an einer vorhergegangenen Ressortbcsprechung nicht beteiligt gewe sen sei. Dagegen ist die Darstellung des „Vorwärts" über die Haltung der sozialdemokratischen Minister nicht richtig denn der Neichsininister des Innern Tollmann bat ledig lich, die Stellungnahme dcr sozialdemokratischen Minister des Kabinetts als Stimmenthaltung zu betrachten. Das Kabinett stimmte dann den weiteren Vorschlägen der Scch- serkommission zu, die jedoch lediglich eine Formulierung der Einzelheiten auf Grund der grundsätzlichen Stellung nahme des Kabinetts vom 20. Oktober bedeutete, die ein» mütig erfolgt war. Ar MnzwM M teil Mm. Berlin, 7. Februar. Wie verlautet, hält di« Reichs» regiernna daran fest, daß der FinanzauSaletlst zwischen Reich und Ländern bis spätestens zum 81. Mär» durch» geführt sein must. Anfang der kommenden Woche beginne» die Kommissionsberatungen, die wahrscheinlich zwei bis drei Wochen in Anspruch nehmen werden. Anfang März sollen die Finanzminister der Länder nochmals zu einer Besprechung mit dem Reichsfinanzminister zusammentreten, auf der das Ergebnis der Kommissionsberatnng geprüft und eine end- Sültig« Einigung hergestellt werden soll. Wie schon gemeldet wurde, wird das Reichskabinett noch besonders Beranlassnng nehmen, z« der Forderung der Länder auf Rückgabe der Finanzverwaltung Stellung zu nehmen. Der ablehnende Standpunkt der ReichSregierung wird damit begründet werde», daß di« RevarationSver» pflichtungen des Reiches di« Zentralisierung des gesamten Finanzwesens unbedingt erforderlich machen. Eine Rück gabe der Finanzboheit an die Länder würde auch dazu führen müssen, daß das Reich seiner elementarsten Unter lagen beraubt würde, denn die Vorbedingung für den Zn- iammenhalt des Reiches kann nur erfüllt werden, wenn das Reich nach wie vor in der Lage ist. den an es gestellten finanziellen Anforderungen gerecht zu werden. Die Reichs regierung plant daher, 'wie wir noch ersabren. «ine Ent- fchliehung zu veröffentlichen, in der di« Ablehnung der Rückgabe der Finanzhoheit an die Länder ausführlich begründet w rd. Ae WMemlrolie Md die Wrlrew. vdz. Berlin. Gegenüber der Erklärung der sozial demokratischen Partei über die Haltung ihrer Minister im Kabinett Strcscmann bei den Verhandlungen im Oktober 1023 über die Entschädigungen an die Ruhrindustriellen, erhalten wir von genau unterrichteter Seite eine Darstel lung über die Vorgänge, die mit dcr Erklärung dcr sozial demokratischen Minister im Widerspruch steht. Danach hat die Sechserkommission dcr Rnhrindnstrie am 20. Oktober 1923 dem damaligen Reichskanzler Tr. Strescmann einen Bries gesandt und darin um eine Stellungnahme zu dem Vorschlag gebeten, wodurch, dcr Sechserkommission die Mög lichkeit gegeben werden sollte, mit dcr Micum weiter zu verhandeln. TaS Reichskabinctt hat an demselben Tage mittags 12 Uhr unter Anwesenheit sämtlicher Reichs-Minister und des Preußischen Ministerpräsidenten Brann zu den Vorschlä gen der Sechscrkommission Stellung genommen. Nach dem Referat des Reichsministcrs des Auswärtigen wollten die Bergherren des besetzten Gebietes versuchen, durch Sonder verhandlungen mit den Etnbrnchsmächten die Wiederauf nahme der Arbeit zu ermöglichen, um die Reparations kohlen im Betrage von 16 bis 18 Prozent der Förderung zunächst auf Kosten der Privatindustrie weiter zu liefern. Die Mittel dafür wollte sich die Industrie durch ausländi sche Kredite beschaffen. Dafür sollte das Reich seine Ver pflichtung zur Ersatzleistung anerkennen und sich mit einer Anrechnung der Reichssteuern auf die Vorschüsse der In dustrie einverstanden erklären. Zu diesen Vorschlägen haben sich in der KabinettS- sttzung alle Minister geäußert und besonders dcr damalige Minister für die besetzten Gebiete Robert Schmidt hat sich mit de» Vorschlägen einverstanden erklärt. Ebenso stimm ten der Minister Sollmam» und der Preußische Minister präsident Braun dem Vorschlag dcr Bergherre» zu. Am Schluß der Sitzung stellte sodann der Reichskanz ler fest, Laß Einmütigkeit darüber bestehe, daß er ermäch tigt werde, mit de« Bergherreu anf der Basis ihrer vor, schlüge zu «erhandeln. Während der Sitzung lies auch der bekannte Bries des Bergarbeiterverbandcs ein, worin sich auch dieser Verband mangels eines besseren positive» Vor schlags mit demjenigen der Burgherren einverstanden er klärte. Auf Grund dieses einmütig gefaßten KabinettSbe- schlusses hat der Reichskanzler am 21. Oktober dem Vor sitzenden der Scchserkommission, Herrn Hugo Stinnes, brief lich mitgeteilt, daß die Reichsregierung in den Vorschlägen der Kommission eine Basis zu weiterer Verhandlung sehe und die Bcrpslichtung zur Ersatzleistung für etwaige von der Industrie übernommene Reparationslieferungen nach der Ordnung der Reichsfinanzen übernehme. Nach wette ren Verhandlungen zwischen der Sechscrkommission und der Micum berichtete die Scchserkommission am 25. Oktober er neut der Reichsregierung. Es zeigte sich daß diese BasiS tatsächlich die Möglichkeit gab, zu einem Abschluß zu kom men. Ueber diese Berichterstattung hat das RcichSkabtnett am 1. November 1923 wiederum beraten, und in dieser Ka- LSrmszene« t« Thüringer Landtag. XWeimar. In der gestrigen Sitzung des Thüringer Landtages kam es im Verlaus der Verhandlung des Schnl- antragS wieder zu Lärmszenen. Bereits bei den Reden des SlaatSininisterS Dr. Lrutheuffer und des Abg. Bauer war die Stimmung außerordentlich erregt. Hieraus ergriff der Adg. Dinier das Wort, um seine früheren Parteifreunde, die Nationalsozialisten, anzugreisrn. Er rief im Verlaus seiner Red« dem Abg. Hrnnicke iNat.-Soz.) zu. er solle sich von ihm «Dinier) als grohrseigt betrachten. Dirke Bemerkung löst« große» Lärm aus, und der Bizrpräsident Tr. Geyer schloß den Abg. Dinier von der Sitzung aus. Da e» dem Vizepräsidenten unmöglich war. di« Ruhe wiederherzuftellen. wurde gegen 1l'/, Uhr die Sitzung aufgetzod««. Di« er regten Auseinandersetzungen der beiden völkischen Abgeord neten Dinier und Heonick» o^ten sich im Vorraum Landtag» noch kort. Da» Aftfaer Tageblatt erfchrtxt fetze« To» abend» '/,» llhr mit vusnahm» der Sonn- und Festtage. veznaspre«», gegen Barauszahlung, für «inen Mona»'2 Mart 25 Pjennig durch Post oder durch Boten Für den Fall dr» Eintreten« von ProduktionSorrteuermigen. Erhöhungen der Löhne und Materialienpreife behacken wir un» da» Rech» der Preiserhöhung und Rachjordercmg vor. An;:izen >ür die /'«inner d-S Ausgabetage» stnd bi» 9 Ubr vormittag» auizuaeben und 'm >orau« zu bezahlen: eine Gewähr 'ür oas Erscheinen an bestimmten Lagen und Plätzen wird nichi übernommen. Grundpreis jur 8' n>m creite. < «uw iob» Erundschrist-Zeile «6 Silben 25 Vold-Psennig« di« 89 nm breit- Reklamezeil» GO Gold-Pfennige: zeitraubender und tabellarischer Zal; 50°/, Ausjchlag. Feste Tarife. tzewi»iigt.r Rabatt -rlifchr. wenn u«r Üetrag vrriällt, tvlrck Klag- «ingezoorn werden mug oder der Auftraggeber n Konkurs gerät. Zahlung»- und LrsüllungSort: Riesa. Achttägige llnterialtungsbeiiage .Erzähler -.n er Elbe" - Falle höherer Gewalt - «rleg oder fonstiaer irgendwelcher Störungen des Betriebe» der Druckerei, der Lieferanten oder der PesörderungSeinrichtungen — hat der Bepe'isr '«inen Anspruch aus Lieferung oder Nachlieserung der Zeitung oder aus Rückzahlung des Bezugspreises. Rotationsdruck und Verlag: Langer tz Winterlich, Riesa. Geschäfts stelle: G« et beitrage 59. Aerantwortlich für Redaktion: Heinrich UHIemann, Riesa; iür Anaeigenteil: Wilhelm Dittrich, Riesa. Diplomatische Vorverhandlnnaen. VPD. Berlin, 7. Februar. In den Berliner außen politischen Kreisen verfolgt man mit gespanntester Auf merksamkeit den Verlauf dcr gegenwärtig zwischen London nnd Paris im Gange befindliche« diplomatische« Unter handlungen. Dcr Besuch des englischen Botschafters Lord Eleve bei dem französischen Ministerpräsidenten Herriot wird hier als Beweis dafür angesehen, daß die englische Regierung jetzt einen Initiativschritt unternommen hat, um den Gang der Diskussion über die Räumnngsfrage zu beschleunigen. Aus diese Tatsache deutet auch der Umstand hin, daß der englische Botschafter vor der Presse offiziöse Erklärungen abgegeben hat. Allerdings ist man in Berlin eher geneigt, die Situation nicht allzu optimistisch zu be urteilen. da die in den letzten Tagen im Auswärtigen Amt cingetrvffcncn Mitteilungen der deutschen Botschaft in Lon don sehr zurückhaltend abgefaßt sind. Einigermaßen sicher ist nur soviel, das; die alliierten Negierungen zur Zeit im Begriff stehen, die Bedingungen zu formulieren, von deren Erfüllung sie die Räumung der nördlichen Nheinlandzvn? abhängig machen. Die Aussichten auf direkte Verhandlun gen zwischen der deutschen Negierung und den alliierten Mächten sind zwar wesentlich gebessert, aber es kann nicht damit gerechnet werden, daß diese Verhandlungen vor dcr endgültigen Mitteilung der Botschaftcrkonsercnz an die deutsche Negierung eröffnet werben. Einigermaßen beun ruhigend ist auch der Umstand, daß der vor einigen Tagen in Aussicht gestellte Empfang des deutschen Botschafters bei Herrivt immer noch nicht stattgcsundcn hat. Man wird sich daher deutscherseits wieder einmal mit der Tatsache ab finden müssen, daß die alliierten Negierungen unter sich bereits zu festen Vereinbarungen gelangt sind, ohne daß Deutschland ermöglicht wurde, anf den Gang dcr Dinge direkten Einfluß auszuübev. Dcr Londoner Korrespondent des Organs Dr. Strese- manns, der vvlksparteilichen »Zeit", ist in dcr Lage, sehr interessante Mitteilungen über die Haltukig der englischen Negierungslreise zu mache». Danach ist inan in London der Meinung, das; cS notwendig sein wird, mit der deut schen Regierung über einen Teil dcr an Deutschland zu stellenden Forderungen in der Entwaffnungssrage Ver handlungen cinznleitcn. Man hoffe, das; große Teile dcr alliierten Wünsche bei der deutschen Negierung auf Ver ständnis stoßen werden, denn die neue Reichsregierung sei offensichtlich gewillt, verständigen Forderungen dcr Alliierten entgegen zu kommen. In England erwartet man daß die Räumung der Nheinlandzone nicht durch besonders skrupellose Forderungen der Alliierten aufgehalten wird. Man darf aunehmen. daß der Korrespondent wirklich die Meinung dcr englischen Negierungslreise wiedergibt. Im übrigen ist es richtig, das; das Reichskabinctt auf jeden Fall geneigt ist, die Schwierigkeiten in der Entwaffmings- srage zu beseitigen, wenn die Gegenseite dabei anf die besondere Lage Deutschlands Rücksicht nimmt und — nicht demütigende Forderungen ausstellk. Man braucht nur dar an zu erinnern, das; Reichskanzler Dr. Luther in seinen Erklärungen gegenüber dcr Auslandspresse ausdrücklich be tont hat, Deutschland erwarte einen genauen Nachweis der ihm zur Last gelegten angeblichen Verfehlungen nnd sei bereit, tatsächlich nachgcwicsene Unstimmigkeiten zu besei tigen. Man kann schon jetzt einigermaßen voraussehen, auf welcher Linie sich die Vcrhandlungsmöglichkeiten bewegen werden. Immerhin wird die Reichsregierung bis zur end gültigen Ueberreichung der Mitteilung der Votschafterkvn- ferenz gezwungen sein, in ihrer abwartenden Haltung zu verharre«, da sich gezeigt hat, daß die alliierten Regierun gen unter sich noch nicht zu einer Uebereinstimmrrng über den zu schaffenden modus vivendi in der Rärrmungs- und SicherheitSfraae aelanat sind. Soziale Karriere. WW. Immer wieder kann man im praktischen Leden beobachten, das; radikale politische und soziale Geurmung gemildert wird, sobald ihr Träger zu Wohlstand und zu größerem Eiukoiumcu gelangt. An sich ist es allerdings das Bestreben sozialer Reiormaio: cn und llmstür-ler, gan- zen Klassen und Schichten und nicht etwa nur sich selbst emporzuhelfen. Für manchen erlischt aber das Interesse an diesem Emanzipationskamvi, wenn er selbst nicht mebr das Schicksal seiner früheren Kameraden oder Genossen teilt. Man kann daraus die Schlußfolgerung ziehen, daß eine allgemeine Hebung der materielien Wohlfahrt eines Volkes Len sozialen Kampfgeist abkühli Beobachtungen aus der Praxis scheinen dies Urteil zu bestätigen. Das reiche und immer noch stürmisch aussteigcnde Amerika kennt keine soziale Bewegung, die mir der in der alten Welt verglichen werden könnte. Unter den europäischen Völkern hat das reiche England die der Form und dem Inhalt nach gemäßigte soziale Bewegung. In de n wirt schaftlich rückständigsten Lande Europas, in Rußland da gegen haben die Vertreter des sozialen Umsturzes d'.e Macht an sich reißen können. Selbstverständlich gibt es in der sozialen Bewegung viele, denen cs mit ihren Streben b üig.r Ernst :ß Sir lehnen für sich selbst jede erheb!.che Velftrnng ibrer Lebenshaltung ab und suchen auch in der Lwenssnhrnng irn Rahmen der Klasse zu bleiben, für deren Inrrre-ien sic kämpfen. Sie blicken mit Mißtrauen aur d e ' .i '..rist cn unsicheren Elemente in ihren Reihen, die im Grundr doch nur aus die Gelegenheit lauern, sich materiell über ihre Klassengciiossen hinanszubcbcn und sich dann mindestens in dem sozialen Ringen zu neutralisieren. Für d'.Uc Idealisten der sozialen Bewegung war es eine ichwrre Ent täuschung, das; bei der Untersuchung der Sraatsanäre eine Reihe von Kampfgenossen als mebr oder minder oftcnc Teilhaber und Ruymeßer an zum Teil recht zweiseibaiien Geschäften entlarvt worden ist. Mit einem Vorkämpfer tum für die Besserung des Loses der Elenden verträgt es sich eben nicht, wenn jemand iür eine Person reichlich an den materiellen Freuden dieses Lebens teilnimmt. Für Geistesarbeiter wird immer ein überdurchschnittlicher Genuß an geistigen Gütern Vorbedingung der Lcistnns- fcihigfeit sein. Soweit also ein bescheidener Lebenskomfort Voraussetzung für d:e Entfaltung der rollen Arbeitskraft ist, wird man auch vom Slandpuntt der zu fördernden unteren Klassen nichts dagegen einwenden können. Um so gewissenhafter müssen solche Diener einer Bewegung jedoch in der Beanspruchung materiellen Lebensgenusses sein. In manchen Köpfen, die bisher von revolutionären Schlag worten erfüllt waren, beginnt es zu dämmern, daß nicht nur dcr dem Ausstieg der unteren Klassen zu bes serer Lebenshaltung nnd zu gesichertem Dasein dient, der immer wieder auis neue Haß und Reid anfstachclt. Viel mehr dienen die dem sozia'en Fortschritt ani besten, die an der Vermehrung der Verbrauchsgüter nnd an der Beseitigung von Gefahren für eine stetige und ruhige Wirtschaftsführung arbeiten. In jedem tüchtigen Menschen liegt das Bestreben, be ruflich vorwärlszukommen. Bei zahlreichen Menschen ,die aus bescheidenen Verhältnissen hcrvorgegangen sind, wae das Streben nach sozialer Karriere der stärkste Antrieb. Nicht jeder begnügt sich damit, unter seinen angeborenen Standes- und Kiassengenosscn ein anerkannter Führer zu sein. Hat dann der soziale Ausstieg das Solidaritätsgc- fühl gegenüber den früheren Genossen zerstört, so ist cs immerhin ehrlicher und würdiger, das offen einzugcsteben, als nach außenhin diese Solidarität weiter zur Schau zu tragen, aber im privaten Leben fortgesetzt gegen die Moral der unteren Klasse zu sündigen. — Dies ist eine der zahlreichen Lehren, welche die Berliner Skandalaffäre uns gibt.
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