5 2 Norbert Haase Bücherverbrennung und »Säuberung« Dresdner Bibliotheken Die gewaltsame Durchsetzung der nationalsozialistischen Diktatur im Frühjahr 1933 war beglei tet von Terror gegen politische Gegner, von Unterdrückung eines als »undeutsch«, »jüdisch« und »zersetzend-liberalistisch« gebrandmarkten Gedankenguts und einer verheerenden Vernichtungs und Zensurpolitik gegen ebenso qualifizierte Literatur. Die Bücherverbrennung gilt als Kulmi nationspunkt radikaler Kultur- und Menschenfeindlichkeit des NS-Regimes. War es bereits im März 1933 im Zuge des Terrors der SA gegen die Arbeiterparteien und Gewerkschaften zu spon tanen Bücherverbrennungen gekommen, wurde am Abend des 10. Mai 1933 in fast allen deut schen Universitätsstädten »undeutsches Schrifttum« verbrannt. Die zentral gesteuerte Kampagne »Wider den undeutschen Geist« war vom »Hauptamt für Presse und Propaganda« der Deutschen Studentenschaft akribisch vorbereitet worden. Meist waren die Bücher zuvor in Bibliotheken und Buchhandlungen beschlagnahmt worden. Der reichsweit einheitliche Zeitplan und die identische Choreografie sahen vor, die Bücherverbrennungen am 10. Mai um 23 Uhr durchzuführen, mit öffentlichen Reden und einem Fackelzug sowie der Beteiligung der Massenmedien. So geschah es in mehr als 20 Städten. Zuvor von Bibliothekaren aufgestellte »Schwarze Listen« dienten der Säuberung öffentlicher und privater Bibliotheken von »zersetzendem Schrifttum« und wurden vom »Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda« unter Joseph Goeb bels an die Studentenschaften der Hochschulen verteilt. Die Tagespresse veröffentlichte die Namen »nicht tragbarer« Autoren und die vorgesehenen Brandstätten. Werke von später meist verbotenen und emigrierten Philosophen, Wissenschaftlern, literarischen wie politischen Schriftstellern wur den unter Beteiligung von Rektoren und Professoren auf großen Scheiterhaufen verbrannt - ein »Tiefpunkt deutscher Universitätsgeschichte«. 1 Die zentral vorbereiteten, schwülstigen und infa men, oft antisemitischen »Feuersprüche« richteten sich gegen jegliche demokratische Öffentlich keit, moderne Wissenschaftler ebenso wie kritische Schriftsteller und beschworen Volksgemein schaft, nationalen Aufbau und die Wehrhaftigkeit. Die Slogans endeten stets mit »Ich übergebe der Flamme die Schriften von . ,.« 2 Deutschland nahm es scheinbar mit Gleichgültigkeit auf. In einigen Städten tat es die Hitlerjugend den Studenten nach dem 10. Mai gleich. Die SA machte Jagd auf unerwünschtes Schrifttum und sorgte für den Abtransport indizierter Literatur. Eine Liste der Reichsschrifttumskammer untersagte die Verbreitung aller »Bücher und Schriften, die das nationalsozialistische Kulturwollen gefährden«. 3 Was geschah damals in Dresden? - Wie so oft für die NS-Zeit ist lokalgeschichtlich noch wenig erforscht, und der Versuch einer Rekonstruktion des Ereignisses muß angesichts der lokalen Quel-