Ralf Krüger Die Gleichschaltung der Dresdner Presse nach 1933 Einer der angesehensten Journalisten der Weimarer Republik, der langjährige Chefredakteur und Mitverleger der »Dresdner Neuesten Nachrichten«, Julius Ferdinand Wollf, beging am 27. Februar 1942 gemeinsam mit seiner Frau Johanna Selbstmord. Wollf, der die DNN in den 20er Jahren zur auflagenstarksten Zeitung in Dresden gemacht hatte, entzog sich mit dem Freitod den uner träglichen Repressalien gegen jüdische Bürger. Er, der sich in besonderer Weise um Kunst, Kultur und Wissenschaft in Dresden verdient gemacht hatte, bezahlte mit seinem Leben dafür, daß er die Nationalsozialisten in ihrer Gefährlichkeit unterschätzt hatte. Die Existenz dieses Ausnahme journalisten wurde vernichtet, als sich in den noch erscheinenden Dresdner Tageszeitungen die Todesanzeigen gefallener Soldaten mehrten. Selbst diejenigen Verleger und Journalisten, die ihren Beruf bis zu diesem Zeitpunkt durch Anpassung oder aktive Beteiligung an der nationalsoziali stischen »Bewegung« gerettet hatten, gerieten in den Strudel der Zerstörung. Mit der systematischen Gleichschaltung der Dresdner Zeitungen wurde eine in Deutschland einmalige Presselandschaft zerstört. Denn die in der Zeit der Weimarer Republik in ganz Deutsch land aufblühende Zeitungslandschaft führte in Dresden zu einer nie mehr erreichten Zeitungs vielfalt. Um die Rolle der Dresdner Presse bei der Entwicklung und Etablierung des nationalsozia listischen Machtapparates zu charakterisieren, muß die Situation vor 1933 betrachtet werden. Nur vor diesem Hintergrund ist auch die - eher zaghafte - Reaktion der Dresdner Zeitungen auf die Aus stellung »Entartete Kunst« am 23. September 1933 im Lichthof des Rathauses zu bewerten, die hin sichtlich ihrer Medienwirkung keineswegs mit jener Ausstellung verglichen werden kann, die 1937 in München auf unrühmliche Weise für Furore sorgte. Die Auflagenentwicklung der politischen Dresdner Tageszeitungen verlief in der Weimarer Republik nahezu parallel zu den Wahlergebnissen der sächsischen Landeshauptstadt, »deren Be völkerung sich lange Zeit weder eindeutig nach der rechts- oder linksradikalen Seite entschied und sich im Großteil zur bürgerlichen Mitte bekannte«. 1 Sowohl die sozialdemokratischen als auch die kommunistischen Blätter waren offen als Parteipresse deklariert. Die sozialdemokratische Presse war unter der Dachgesellschaft »Konzentration AG, Sozialdemokratische Druckerei- und Ver lagsbetriebe« zusammengefaßt, die kommunistischen Blätter gehörten zu einer Dachgesellschaft unter der Leitung von Willi Münzenberg. Die »Dresdner Volkszeitung« als Organ der seit 1918 in Sachsen regierenden Sozialdemokraten verzeichnete in der ersten Hälfte der 20er Jahre einen erheblichen Leserzuwachs, später gingen die Abonnentenzahlen wieder zurück. Das lag in erster Linie an der Abspaltung der sogenannten Alten Sozialdemokraten, die sich mit der seit 1926