7° Hansjörg Schneider Die i. Reichs-Theaterfestwoche 1934 in Dresden Unter den repräsentativen Theaterveranstaltungen des »Dritten Reiches« nahm die alljährlich abgehaltene Reichs-Theaterfestwoche einen herausragenden Platz ein. Sie sollte - nach den Vor stellungen ihrer Urheber - »nicht nur das Ereignis eines Theaters, sondern eben das Ereignis des Reiches sein, und zwar eines Reiches, das sich zur Kunst bekennt als dem schönsten und erha bensten Ausdruck einer inneren Kraft und Lebendigkeit«. 1 So argumentierte Dr. Rainer Schlösser, Reichsdramaturg und Mitverantwortlicher fiir Durchführung und Gelingen dieser Schau, die die Leistungsfähigkeit der Bühnen unter der neuen Staatsführung bezeugen sollte. Das gesamte Vorhaben oblag dem Propagandaministerium und der Reichskulturkammer unter der Federführung von Joseph Goebbels. Er entschied, welche Theaterstadt die Festwoche auszu richten hatte und welche Sonderwünsche der Regierung zu berücksichtigen waren. Für Dresden, dieser »in Deutschland fast einzigartigen Stadt musischen Schaffens und künstlerischen Gestal tens«, wie Goebbels in seiner Eröffnungsrede betonte, 2 sprach die nationale wie internationale Reputation als Kunstmetropole. Und die Sächsischen Staatstheater boten mit ihrem anerkannt hohen künstlerischen Niveau die Gewähr für große, auch im Ausland beachtete Bühnenauffüh rungen. Gauleiter Martin Mutschmann wußte noch einen anderen Gesichtspunkt auszumachen, wenn er die Vergabe der Festwoche nicht nur als Auszeichnung der Dresdner Bühnen sah, sondern auch als »eine Anerkennung dafür, daß sich unter ihrem Personal Jahre vor der Revolution Natio nalsozialisten gefunden haben, die gegen die Trennung der Kunst vom Volke ankämpften. In Dres den entstand schon frühzeitig eine Theaterfachgruppe, die trotz größter Widerstände dem Gedan ken Raum schaffte, daß Kunst und Künstler in organischer Beziehung zum Volke stehen müssen.« 3 Diese Kräfte waren es auch gewesen, die am 7. März 1933 den SA-Putsch in den Staatstheatern organisiert hatten, dem Generalintendant Dr. Alfred Reucker und Operndirektor Fritz Busch zum Opfer fielen. Mit der Reichs-Theaterfestwoche konnte unter Beweis gestellt werden, daß die dama ligen Vorgänge weder künstlerisch noch personell dem Institut Schaden zugefugt hatten. Im Gegen teil, es ließ sich verdeutlichen, daß der Nationalsozialismus auch in Dresden der »äußerst bedroh lichen Zerrüttung des Bühnenwesens« erfolgreich Einhalt geboten hatte, wie der Reichsdramaturg die vorhitlersche Bühnensituation interpretierte. 4 Die Absprachen für das auch für die Stadt nicht unwichtige Vorhaben begannen bereits im Herbst 1933, um ein Vierteljahr später konkretisiert zu werden. Alexander Schum, seit 1931 Ober spielleiter und Dramaturg an der Sächsischen Staatsoper, berichtet in seinen Memoiren: »Im Dezember 1933 oder Anfang 1934 hatte ich an einer Besprechung mit Dr. Goebbels teilgenom-