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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 30.12.1904
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-12-30
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19041230028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904123002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904123002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-12
- Tag1904-12-30
- Monat1904-12
- Jahr1904
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W.) * Die Lösung der Ministerkrise in Oesterreich fol^ sich bis zur Rückkekr des Kaisers aus Pest, also 10 Tage, hinziehen. (S. den Leitartikel.) * Die „Wiener Zeitung" veröffentlicht die auf Grund de» Paragraphen 14 erlassenen Verordnungen, die das halbjährige Budgetprovisorium betreffen. * Der rumänische Ministerpräsident Sturdza bat die Demission des Kabinetts dem König überreicht. (S. Pol. Tagesschau.) krnzt von sioerber. Herr Tr. Ernst von Koerber, Ministerpräsident und Minister des Innern seit dem 18. Januar 1900, Justiz- Minister, als Speens-Bodens Nachfolger, seit dem 18. Oktober 1902, hat für' sein Rücktrittsgesuch die Ge nehmigung seines höchsten Herrn erhalten. Der Ritter von Schießl brachte ihm die schriftliche Antwort, der Wechsel ist definitiv, und sofort, nachdem er geschehen ist, tappen Oesterreichs Politiker in tiefstem Dunkel. Tie Exzellenzen laufen durcheinander, die Türhüter machen jedem distinguierten Herren ergriffene Komplimente, da jeder dieser Herren der Auserkorene der Vorsehung sein kann, und genau wird üurchgercchnet, wer mit geheim nisvollen Stirnfalten zu Koerbers Palais, mit Demut und Stolz zum kaiserlichen Audienzsaal gewandelt ist. Ter Baron Chlumecky, der Graf Bylandt-Nheidt, Statt halter von Oberösterreich, der Dr. Friedrich Gras von Schimborn begaben sich durch ein Spalier von Neu gierigen zu Franz Josef, der Freiherr von Call, der Sektionschef Rößler hatten mit Herrn von Koerber Zwiesprach, der selbst ungewiß ist und nur versichern soll, daß weder Gautsch noch Mittel an die Spitze treten wer den. Grat Buquoy scheint der aussichtsreichste Günstling der Stunde zu sein, doch beteuern die immerdar Einge weihten, die Lösung der Ministerkrisis werde sich wohl noch etwa zehn Tage hinziehen, bis der Kaiser aus Ofen pest zurückkehrt. Derweilen mag man des in den Ruhe stand gewiesenen Regierungschefs amtliche Laufbahn und amtliche Verdienste erörtern; die Lücke, die durch seine Entfernung verursacht wird, ist groß, niemand meldet sich, der für die individuellen Tugenden des Mannes mit der „leidenschaftslosen Beharrlichkeit" vollen Ersatz ge währen könnte. In der Serie österreichischer Ministerpräsidenten, unter denen ein Schmerling die Devise: „Wir können warten!", ein Taaffc das von allen Volkssängcrn als Paradigma austrischer Herrenhaus-Schlamperei erkannte Wort: „Es wird fortgewnrstelt!" sprach, hat Ernst von Koerber oft wie ein Neuling gewirkt. Er hat sich Achtung erworben, hat durch seine Energie und deren Gegenstände überrascht, er wurde sogar ein populärer Staatsmann, in demselben Amte, worin einst die Verschlagenheit des Grafen Beust den gegensätzlichsten Tvpus dargestellt hatte. Herr von Koerber war noch nicht fünfzig Jahre alt, als er die geistige Kapazität, welche in den eindringen- Len Augen seines die südslavischen Merkmale nicht vor- leugnenden Kopfes sich offenbart, für die undankbarsten aller Pflichten bereitwillig anbot. Er war weit mehr ein Gentleman, im Sinne der staatlich und gesellschaftlich arbeitenden britischen Gentrh, als die hochmütigen Alt- feudalen, die den Verkehrsreformer, den Umgestalter der Donau-Tampfschiffahrtsgescllschaft und den Eisenbahn politiker, wegen seines Dranges nach Beschäftigung zu erst über die Achsel ansahen. Zweimal, unter Gautsch und unter Clary, hatte er sich in Uebergangspositionen befunden. Jni Jahre 1902 war, trotz den Neidern, trotz dem Hasse der Parteien, die an diesen Arbeitsministcr sich nicht gewöhnen konnten, sein Ruf durch die wasser- wirtschaftlichen Gesetze und durch den Ausgleich mit! Ungarn befestigt. Als er im Jahre 1908, durch die un garischen Schwierigkeiten gereizt, von Franz Joses zu einer Demonstration und für alle Mitglieder die Ent lassung erbat, die ihm 1904 seriös und für ihn allein bewilligt wurde, schickte der Monarch nur den Minister ohne Portefeuille, Herrn Rezek, fort. Herrn von Koerber jedoch schrieb er am 7. Juli, daß er „angesichts der in der allernächsten Zeit der Regelung erheischenden hoch wichtigen Angelegenheiten, die bewährten Kräften an vertraut bleiben müßten, seiner überaus wertvollen Dienste auch fernerhin bedürfe." Dem Machtsaktor, dem die schwache Dynastie solcherart huldigte, haben auch un offiziell sehr hoch kultivierte Menschen öffentliches Lob gespendet. Maximilian Harden, der vor etlichen Wochen in Wien war, hat die Persönlichkeitsrcize in Koerber mit unübertrefflichen Schilderungen hcrvargeboben. Ter phantasiebcgabtc, kindlich gute und in leuchtender Be geisterung die Welt durchwandernde Tänendichter Holger Drachmann, der Barde von Skagen, hat die Begegnung nut dem Logrker der „lerdensckxrstslosen Beharrlichkeit" als 'einen Gliickssoll gepriesen, und als dritten Eidtzs- Helfer nennt der Wiener Journalist Herr I. I. David den Historiker Heinrich Friedjung, „der niemals Gunst suchte, immer ehrlich und still seinen Weg ging, der zu prüfen versteht und um keinen Preis feil wäre." Herr von Koerber ist dem dritten deutschen Reichskanzler darin wescnsverwandt. daß er von der Philosophie der Presse einen Hauch verspürt hat; er liest Bücher und Zeitungen, tritt, im Lande der Konfiskationspraxis, dafür ein, daß diese Gazetten nicht geniert werden, und Prägt mit SituationSwitz epigrammatische „Treffer". Nur, daß ihm gegenüber das peinliche Moment des oberflächlichen Dilcttierens wegsällt, nur, daß er sachlichen Notwendig keiten, Staatsmarimcn und wirtschaftlichen Erkennt nissen gehorsam war, daß er. zwischen Christlichsozialen und Sozialdemokraten, zwischen Korruptionswirtschaft und niederem Parlamentarismus, inmitten von Flegelei und von intellektueller Trägheit, meistens ein über- lcgener Charakter war, daß er durch Reserve, nicht durch Abstieg vom Niveau der Würde in zweifelhaften Debatten den Rednern oppositioneller Parteien ihre Masken ent- wand. Jetzt, seit dem Spätherbste des Jahres, hatte auch seine Regierunasepoche sich überlebt; er überlebte sich, so hart das klingen mag. nicht bloß infolge fremder Bemühungen, sondern auch durch eigene Schuld. Daß der Wachsame, objektive Fehler begangen hat, daß er viel- leicht gar in einem tragischen Irrtum sich verzettelte, daß er an chronisch falscher Direktion erkrankt war. wird um so wahrscheinlicher werden, je rascher die nationale Ge schichte des deutschen Oesterreichs uns Deutschen erlauben wird, ohne Zorn und ohne Schmerz die letzte Periode der Koerberschcn Ministerpräsidentscbast zu betrachten. Man hat für ihn, wenn man zusammenfaßt, sofort einige dem Reiche Büchmann und Bülow nicht ferne Bilder in Bereitschaft, die Bilder von Siiypbos und von den Tanaiden, die wie der Ministerpräsident des „arbeitsfähigen Parlaments" in Unseligkeit, in der Er- folglosigkeit, in der ewigen Verdammnis frobnden. Herr von Koerber hat am 5. Februar 1900 sich seiner Mission damit unterzogen, daß er auf der von ihm cinberufeneu Versländigungskonicrenz anstatt des die Konsolidierung ländernden nationalen Streites eine „Politik der Ein tracht und wirtschaftlichen Krastcntfaltung" umritz. Am s!. Juni 1900 richtete der von der tschechischen Obstruk tion und ron der Vcschlußunsamgkeit des Hauses ständ-g Bedrohte seinen ersten „Appell in letzter Stunde' an die Fraktionen. In der Nacht zum 8. Juni durfte er nur der Sessionsschlußordcr erscheinen, als Christlichsoziale und Tschechen sich um Blechtassen und Holzbesen prügel ten. Am 12. Februar 1901 sagte er: „Wir stehen als Männer ernster Arbeit vor Ihnen, die nichts wünschen, als die Wiederaufnahme der parlamentarischen Tätigkeit. Wir wollen dein hohen Hause nur den Weg freimachen, der aus einer traurigen Vergangenheit herausführt, und Hoffell, daß Sic uns folgen werden." Am 9. Dezember 1901 herrschte im Abgeordnetenhaus, bei der zwecken Lesung des Budgetprovisoriums, aufs neue die Stun- mung der Katastrophe, der „Gesundungsprozetz" wollte nicht gelingen, die Radikalkur drängte sich auf, und Herr von Koerber mußte sich dem Paragraphen 14, dem alten Requisit des österreichischen Absolutismus, überliefern Damals orakelte er von einer Regierung, die, wenn sie „im dringendsten Interesse der Staatsnotwendigkeit" in die Verfassung griffe, „sür alle Zeiten entlastet und vor der Verurteilung durch die Geschichte gesichert sein" müßte. Und-Herr von Koerber rat, als „Retter des Staates", den Ausspruch: „Wir sahen bereits einmal eine Verfassung Zusammenstürzen und möchten eine Wiederholung dessen vermeiden." Ain 20. Dezember äußerte er im Herrcnhause: „Ich kann nur hoffen, daß der Blick in den Abgrund, in dessen unmittelbare Nähe die Wirren der letzten Jahre den Staat gebracht haben, den Schritt aller, die sür die Verfassungsmäßigkeit ver antwortlich sind, dauernd zur Arbeit zurücklenken, und daß die Erstarrung zu Ende gehen werde, die sonst unser Verhängnis werden müßte." Bis zum Herbst des Jahres 1904 hat, ob auch unablässig, im Gezeter der tschechischen Obstruktion und dank der magyarischen Arroganz, dis Wirrnisse sich häuften, das Echo der pessimistischen Signale sich nicht verloren. Ohne jene Krisis, die das Vertrauen zerstörte und daran erinnerte, daß auch Herr von Koerber ein lxibsburgischer Funktionär war, hätte vielleicht auch in den letzten Stürmen das Einverneh men der deutschen Parteien mit dem Ministerpräsidenten gedauert. Hier rächten sich seine Tugenden. Hier zeigte er sich kalt, wo er bester hitzig gewesen wäre, er hatte nicht den Mut impulsiv zu sein, wo zwischen habsbur gischer Staatsraison und deutschem Volkstum zu Inns bruck die furchtbare Schlacht tobte. Hier, am Scheide wege, hatte er, mit dem Mute zur Inkonsequenz, den große Minister besessen haben, sich seiner deutschen Bezieh ungen zu entsinnen, aller Rechnungen mit dem Tschechen, zu deren Gunsten er im Oktober sein Kabinett umgebildet batte, sich ontschlagen. Als in Triest die Straßenrebellion niedergeworfcn war, hätte Herr von Koerber, wenngleich er die Zügel in der Hand hielt, bei der Rechtfertigung im Parlament fast sich ins Unrecht gesetzt, weil er die Tor heit beging, allzu fest sein zu wollen. Bei den Diskussio nen über Innsbruck hatte er, so sehr ihn die Erlebnisse mitgenommen hatten, nach außen hin kein Wort des Be dauerns um das vergossene Blut. Dieser Augenblick ist nicht mehr viel erwähnt worden; aber er war der Augen blick des Verhängnisses, damals zerrissen Sympathien, die freundschaftliche Haltung der Deutschen schlug in Femdscl>aft um. Nicht die Wut der enttäuschten Chrisi- lischsozialen.die kaum vergaßen, daß der Kaiser zu Luegers Geburtstag nicht gratuliert hatte, nicht die sozialdcmo kratischcn Demonstrationen in Wien haben Koerbers Basis erschüttert, sondern die unhöfliche Behandlung deS Abgeordneten von Erlcr und andere Bekundungen, zu denen Herr von Koerber sich fortreißen ließ, weil ihm der Unterrichtsminister Tr. von Härtel wichtiger war als Lie deutsche Fortschrittspartei und die deutsche Volks- Partei. Der Beschluß vom 9. November war nur das Siegel unter den neuen Patt, wodurch die Deutschen aus- drückten, daß ihnen das Ministerium, unter dem eine gegen sie gerichtete Majorität undenkbar war, wertlos geworden ist. Tie Erben des Herrn von Koerber werden schnell abwirtschaften. Oesterreich ist durch diesen Herbst und Winter zweier Männer beraubt worden, die nun die Jnakftvität gegen öffentliches Tun eintauschen; dem Beispiel des Tr. von Böhm-Bawerk, seines früheren Finanzministers, hat Herr von Koerber rascher nachgc- ahmi, als zu Ende Oktober noch zu befürchten war, zwei Intelligenzen sind ausgcschaltet. und die habsburgische Monarchie hat ihrer keine in Reserve. W. Uebcr die Situation schreibt unser Wiener O. - K o r r e s p o n d e n t: Wien, 29. Dezember. Tr. von Koerber hat als Chef des Beamtennnuistc- riums demissioniert, ein neues Beamtenkabinett tritt an die Ltellc des bisherigen. Was aber weiter? Das ist das Charakteristische der neuesten Krise, daß eigentlich keine Wandlung in Sicht kommt, daß kein Snstemwechsel erfolgt, daß kein politisches Programm auf die Tagesordnung gelangt. Man hat dem Kabinett Koerber nachgesagt, daß es ein Gegner der Arbeits fähigkeit, also eigentlich ein Gegner des Parlamentaris mus gewesen sei; wäre dieser Vorwurf ein vollkommen berechtigter, dann müßte jetzt ein parlamentarisches Ministerium das Erbe Koerbers antreten. Wo ist es? Einige mnnteln und raunen, es käme vielleicht doch eine Uebeiraschunq. Möglich. Hat aber diese Uebor- raschung, ein schüchterner Versuch eine>r Par te i e n - K o a l i t i o n , Aussicht auf Bestand? Schwer- lich. lind der Grund ist ein äußerlicher, durch Termine gegeben, und doch ein tiefgreifender. Das gegenwärtige Abgeordnetenhaus hat noch ein Jährchen zu leben; wer bat oen Mut, behaupten zu wollen, daß die „feindlichen Brüder" in Böhmen voi Neuwahlen im Stande wären, sich gegenseitige Konzefsionen zu machen? 'Der alte Jammer in der inneren Politik Oesterreichs hält aklo an. Zn einem politifckenRegierungsprogramm, ob liberal oder reaktionär, ob sreihändlcrisch oder schutzzöllnerisch, ob sozial oder antisosial, gleichviel, gelangt man nicht wegen der nationalen Frage. Dec nationalen Frage? Als wenn es nur eine nationale Frage gäbe. Die große deutsche Frage, man täusche sich darüber nicht, hat eine andere Pbnsiognomie in den Sudetenländern, wie in den Alpenlländern; ja sie trägt überdies noch andere Ge wandung in Böhmen, in Mähren und in Schlesien. Die möglichen Arrangements in national-technischer Be- ziebung für Böhmen sind unmöglich für Mähren. Und in Schlesien kommt noch das Verhältnis zu den Polen störend hinzu. Und die Angliederung an die Polen? Ein offenes Geheimnis ist es, daß dies eine Auslieferung der Feuilleton. ILm jeden Preis. 4s Roman von Sergei D . . . . Nachdruck verboten. Verschiedene, sorgfältig in Papier eingeschlagene Gegenstände kamen zum Vorschein, die aber so flach waren, daß sie nur Manuskripte oder Photographien ent halten konnten. Einen dieser Gegenstände suchte er heraus, nahm die Papierhülle ab und hielt jetzt eine Photographie in der Hand. Tann trat er schnell auf den Engländer zu. der den Minister nicht^mcn Moment aus den Augen gelassen halte, und hielt ihm, ohne ein Wort zu sagen, das Bild entgegen. Kaum hatte Broad einen Blick darauf geworfen, als er mit einem unterdrückten Fluch halb aus seinem Sessel emporfuhr, gleichzeitig mit seiner rechten Hand nach der Herzgegend greifend. Tann flog feine Hand in feine innere linke Rocktasche und zog eine Ledertasche hervor, der er eiligst eine Photographie entnahm. Nur einen flüchtigen Blick warf er darauf, um sie dann wieder in die Tasche zurücksinken zu lassen. „Geht denn das mit dem Teufel zu?!" fluchte er halblaut. Er war ordentlich blaß geworden, — der sonst so phlegmatische Mr. Broad. Lautlos, wie er cs ihm hingercicht, nahm der Minister dem Engländer das Bild wieder aus der Hand. Dann faßte er ihn scharf ins Auge: „Ich zahle Ihnen fünfhunderttausend Francs — eine halbe Million, Mr. Broad, — für den Namen des Verräters." Broads blasse Wangen röteten sich eine Spur beim Nennen dieser Summe. Seine Stirn mochte mit blitz artiger Geschwindigkeit arbeiten. Was wußten denn diese verdammten Japaner? Kannten sie wirklich den Verräter? — Warum offerierten sie ihm dann eine halbe Million? — Und wo um alles in der Welt hatten sie das Bild der Della Torre her? Grade von dieser Aufnahme, von der er das einzige Exemplar zu besitzen glaubte! — Er hatte doch selbst die Platte an sich ge nommen! Woher also stammte das andere? Doch er mußte antworten! Er nahm sich zusammen und ant wortete mit einer Gegenfrage. „Darf ich Eurer Exccllenz einen Vorschlag machen? Ich werde an meinen Vorgesetzten telegraphieren, und gibt er dazu die Einwilligung, so werde ich Ihnen die Motive meines Handelns klarlegen. Auch den Namen des Verräters sollen Sie dann erfahren, Excellenz. Ich stelle dabei nur eine Bedingung." „Die ist?" „Daß Sie mich — uns — dann in Ihren Dienst nehmen." .Ucberzeugen Sie mich von der Ehrlichkeit Ihrer Absichten und es soll geschehen", versicherte der Kriegs- Minister, der wieder Platz genommen hatte an seinem Schreibtisch. „Das wird nicht schwer fallen", meinte Broad zuver sichtlich, „und" — fügte er hinzu. — „bei den fünf- hunderttausend Francs bleibt's doch auch?" Der Minister nickte mit dem Kopfe. „Schön, dann will ich jetzt mein Telegramm auf setzen", sagte Broad und zog eine Füllfeder aus der Tasche. Aama-Kamai reichte ihm einen Block Papier und Broad schrieb, nachdem er ein Weilchen in einem Buche geblättert hatte, das er bei sich trug: „Lord Harry Burton, Trafalgar Square London. Tokio wohlbehalten angekommen. Schönes Wetter. Schönes Land. Wünsche, du könntest eS auch sehen. Gruß aus der Ferne. James." Lächelnd überreichte er dem Minister das Telegramm. „Sie würden ja doch nachforschen lassen, Exccllenz". meinte er, „also lesen Sie es lieber gleich." Der Marquis blickte auf das Blatt und versuchte so gut wie möglich seine Ueberraschung zu verbergen. „Lord" Harry Burton? Ein Peer von England, in diese Affäre verwickelt? Er reichte daS Blatt dem Chef der geheimen Division, der mit einem Bleistift einige japa nische Zeichen in sein Notizbuch machte. „Kopiert das Telegramm!" brummte Broad in sich hinein. „Na, meinethalben!" Eine Ordonnanz wurde gerufen und beauftragt, daS Telegramm sofort zu besorgen. „Indessen bleiben Sie mein Gefangener, bis die Ant wort auf Ihre Depesche eintrifft", wandte sich derMinister * jetzt an Broad. „Sie dürfen sich frei bewegen, wie Sie wollen. Nur muß ich Ihnen zwei Mann zur Bewachung mitgeben. In drei Stunden dürfte Antwort auf Ihr Telegramm hier sein. Stellen Sie sich, bitte, dann wieder ein. Sind Sie einverstanden?" Broad stand auf und verbeugte sich. „Vollkommen", erwiderte er. „Nur kann das Tele gramm frühestens in sechs Stunden beantwortet sein - wie die Dinge liegen. Ich werde mich indessen etwas restaurieren, und in sechs Stunden Euer Excellenz wieder meine Aufwartung machen." „Dann werde ich die nötigen Anweisungen geben", sagte der Minister. Und so geschah es. Fünfzehn Minuten später schlen derte Broad durch die Straßen Tokios, begleitet von zwei Japanern, anscheinend Freunden, die sich alle Mühe gaben, dem Fremden die Sehenswürdigkeiten ihrer Stadt im schönsten Lichte zu zeigen. Nur schade, daß die Leute nicht englisch sprechen konnten — oder nicht wollten und daß auch Broads Gedanken ganz wo anders weilten. „Spielt die Della Torre auch mit m i r ein Doppel spiel? Unmöglich! Wo stammt dann aber das Bild her?!" Sein Kopf schmerzte bereits, aber eine Antwort auf seine Fragen hatte er nicht gefunden. Kaum hatte Broad das Zimmer des Kriegsministers verlassen, als der Chef der geheimen Division aus seinem Sessel cmporsprang und ihn zum Schreibtisch des Ministers hiuüberzog. Daun machten sich beide Männer daran, die Hüllen von den anderen Gegenständen des Pakctchens zu entfernen. Bald hatten sie auch gefunden,
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