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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 30.12.1904
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-12-30
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19041230019
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904123001
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904123001
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-12
- Tag1904-12-30
- Monat1904-12
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Hur aller Mit., — Der Roman der Berlinerin. Aus New Aork wird berichtet: Auf Ellis Island befindet sich augenblicklich ein deutsches Mädchen, die fünfundzwanzig jährige Anna Gertrud Radeke, die Tochter einer in Berlin wohnenden Familie. Die Dame ist mit dem Dampfer „Kaiser Wilhelm der Große" hier eingetroffen, und zwar als Passagierin der zweiten Kajüte, muhte es sich aber trotzdem gefallen lassen, nach Ellis Island ge bracht zu werden, La über ihre Person erst weitere Er kundigungen eingezogen werden sollen. Bei der Re gistrierung an Bord des Dampfers hatte Frl. Radeke an- gegeben, sie stehe im Begriffe, zu ihrem Bräutigam, einem in Ohio lebenden Arzte, zu reisen. Vor der Unter- juchungsbehörde machte die Dame folgende Angaben: Vor etwa sechs Monaten kam der Arzt aus Ohio, um seine ärztlickien Kenntnisse zu vervollständigen, nach Berlin, wo er Frl. Radeke kennen lernte, und ztvar in dem Hause der Eltern der Dame. Nach wenigen Wochen fand in aller Form dis Verlobung statt. Dann kehrte der Arzt, ein etwa lloiähriger Mann, nach Amerika zurück, nachdem er Anna versprochen hatte, sic in kürzester Zeit nachkommen zu lassen und sie zu seinem Weibe zu machen. Vor einigen Wochen nun erhielt Anna nach vielen anderen Briefen, die voll Liebcsbeteuerungen waren, die Nachricht, daß ihr Bräutigam bereit sei, ihr ein Heim zu bereiten; seins Eltern würden sich nur zu glücklich schätzen, Anna als ihre Tochter zu begrüßen. Dem Briefe waren 400 bcigelegt; mit dieser Summe sollte Anna die Reisekosten nach New Aork bestreiten. Unmittelbar nach Empfang dieses Briefes und des bei gefügten Geldes trat Anna die Reise nach New Aork an. Ihr Erstaunen war nicht gering, als sie bei ihrer An kunft ihren Bräutigam nicht vorfand, dafür aber eine angebliche Tante des Arztes, und in deren Gesellschaft einen Mann, der sich als Rechtsanwalt vorstellte. Ter Rechtsanwalt soll erklärt haben, daß die Tante be reit sei, der jungen Berlinerin Geld zu geben, falls diese sich bereit erkläre, mit dein nächsten Dampfer wieder nach Deutschland zurückzureisen, da der Arzt nicht in dec Lage wäre, sein Heiratsversprechcn zu halten. Der Vater des Arztes habe vor einiger Zeit in seinem Testament be stimmt, daß sein Sohn nimmermehr gegen seinen Willen heiraten dürfe, bei Strafe der Enterbung. Der Arzt sei gern bereit, Anna irgend eine Abfindungssumme zu zahlen. Die Dame war zunächst wie vom Donner ge rührt, besann sich aber schnell und erklärte, unter keinen Umständen nach Deutschland zurückkehren zu wollen; nachdem die Sache eine derartige Wendung genommen habe. Am meisten grämte sich Anna darüber, daß ihr Bräutigam es vorgezogen hatte, sich bei ihrer Ankunft nicht blicken zu lassen. (Tie ganze Geschichte macht einen sehr verdächtigen Eindruck. Die „Tante" besonders und der angebliche Rechtsanwalt scheinen uns nicht sehr ver trauenswürdige Gestalten zu sein, und es sieht ganz so aus, als ob hier eine der bekannten Mädchen Ver schleppungen ins Werk gesetzt und erst im letzten Augenblicke aus irgend einem Grunde vereitelt worden wäre. D. Red.) — Die Helden der „Slvcum"-Katastrophc. Aus New Hort wird berichtet: An Hunderte von Personen, kräftige Polizisten und Feuerwehrleute, wie schwächlich gebaute Mädchen und Frauen, wurden dieser Tage in dem Zeughaus der zweiten Batterie Ehrenmedaillen und Ehrenzeugnisse verliehen. Es waren dies die Helden der „Slocum"-Kalastrophe, Leute, die an jenem schreck lichen 15. Juni mit Nichtachtung des eigenen Lebens darauf bedacht waren,'das Leben ihrer Mitmenschen zu retten, Frauen und Kindern beizuspringcn und sie, soweit sie den Flammen entronnen waren, den Wellen zu entreißen. Zur Verteilung kamen außer den Ehren zeichen goldene, silberne und Bronze- Medaillen. Röayor Mac Clellan, vom Coroner Berry nach dem Rednerpunlt geleitet, übernahm, ohne sich erst vorstellen zu lassen, den Vorsitz. Er führte aus, daß ein Akt, wie diese Medaillenverleihung, kein beifall klatschendes Publikum verlange; getreue Pflichterfüllung berge den Lohn zwar in sich selbst, cs sei aber trotzdem Pflicht der Gesellschaft, ihre Helden zu ehren. Auf die „Slocum"-Katastrophe selbst eingehend, erklärt der Mayor, daß die Leute, die hier ihr Leben eingesetzt, ebenso tapfer gehandelt hätten und die gleiche Auszeich nung verdienten, wie Krieger, die Heldentaten vor dem Feinde verrichten. Der Hauptredner des Abends war Kanzler Mac Cracken von der New Nork Universität. Er kani zuerst auf den Bericht der BunHeskommission über die „Slocum"-Katastrophe zu sprechen und zählte noch einmal alle die Sünden auf, deren sich die Eigentümer und die Offiziere und die Mannschaften des „Slocum" schuldig machten: wertlose Rettungsgürtel, unbrauch bare Löschapparate, undisziplinierte Mannschaft usw. Diesem Bericht ließ der Redner auch das Verdikt der Coroners-Jury folgen, das sich in vielen Punkten mit dem Bericht der Bundeskcmmission deckt. Dann schilderte er den ergreifenden Trauergottesdienst, den Pfarrer Haas, der Prediger der durch die „Slocum"-Katastrophe besonders hart betroffenen Kirchengemeinde, in seiner Kirche hielt, und wies auf die Worte hin, die der Geist liche bei jener Gelegenheit gesprochen hatte: „Krimi- nelle Nachlässigkeit und Geldgier sind für dieses schreckliche Unglück verant- wörtlich." Er schilderte die Trauerversammlung, unter der sich beinahe niemand befand, der nicht ein Familienmitglied verloren hatte. Nachdem der Redner so einen Hintergrund geschaffen, schilderte er in glühen- den Farben die Heldentaten, die dazumal vollbracht worden waren; ein Beispiel um das andere führte er an, während die Versammlung beinahe atemlos an seinen Lippen hing. Des tapferen Schiffers wurde ge dacht, der in seiner Nußschale von Nachen sich an das lichterloh brennende Wrack heranwagte, des Feuerwehr mannes, der Polizisten, die ihr Leben für die Unglück lichen einsetzten, der Krankenpflegerinnen und Aerzte, die Taten vollbrachten, welche beinahe einzig in ihrer Art dastehen. „Ich glaube nicht", fuhr der Rector «isxnikicus der Nsv Aork Universität fort, „daß gerade durch Medaillen der Heroismus gefördert wird. Ich glauöe nicht, daß Leute solche Taten vollbringen, um Medaillen zu erringen. Aber unsere Aufgabe ist es, die Jugend heranzubilden, sie immer wieder aufmerksam zu machen auf diese Heldentaten, die hier begangen wurden, damit das Heranwachsende Geschlecht unter ähn lichen Umständen ebenso handle." Nach dieser Rede be- gann die Medaillenverteilung. Zunächst wurden die Polizeibeamten, die sich ausgezeichnet haben, aufgerufen. Nach der Polizei kam die Feuerwehr an die Reihe, dann folgten die Aerzte und Krankenpflegerinnen und zuletzt das Publikum. Unter den Personen, denen Ehren anerkennung zuteil wurden, befanden sich auch zwei Farbige. Eine der hübschesten Episoden des Abends spielte sich, ab, als Kapitän Packinson vortrat, um seine Medaille in Empfang zu nehmen. Eine schwarz ge kleidete Dame ging auf ihn zu: es war eine Frau Lüde- mann, der der Kapitän seinerzeit das Leben gerettet hat. Mit einigen herzlichen Worten, die nur in nächster Nähe vernehmlich waren, händigte sie ihrem Retter eine von ihr selbst gestiftete goldene Medaille als Deichen ihrer Dankbarkeit ein. Es muß übrigens erwähnt werden, das viele Mitglieder der „Vereinigung von Hinter- bliebenen der „Slocum"-Katastrophe" (diese Vereinigung will den Vereinigte Staaten-Kongreß veranlassen, für die Hinterbliebenen eine bestimmte Summe zu be willigen) die Einladung zur Beteiligung an der Ver teilung der Lebensrettungsmedaillen nicht angenommen haben, weil viele, die eine Auszeichnung verdient hätten, unberücksichtigt geblieben seien, während andere, die ge ehrt wurden, auf die Ehrung keinen Anspruch gehabt hätten. Auf dem Massengrabe der bei der „Slocum"- Katastrophe ums Leben gekommenen Personen, deren Leichen nicht erkannt werden konnten, soll ein Denk- mal errichtet werden, das am Jahrestage der Kata strophe enthüllt werden wird. — Giftige Pelzsachen. Die Amerikanerinnen sind in großer Aufregung: ein gelehrtes Haus hat nämlich fest gestellt, daß alle Pelzsachen, die die schönen Ncmkedamen auf und an ihrem Körper tragen, mehr oder minder giftig sind, sc daß das Zurschaustellen eines neuen Pelzmantels oder eines schlangenförmigen Halspelzes mit Lebensgefahr verbunden ist. Der Gelehrte unter- suchte in seinem Laboratorium 42 verschiedene Pelzproben und kam zu dem traurigen Ergebnis, daß bei all diesem kostbaren Pclzwerk zu Gerbzwecken weit mehr Arsenik verbraucht worden war, als nach den strengen gesetzlichen Vorschriften gestattet ist. Das Gesetz erlaubt nur die Ver wendung von 6 Centigramm Arsenik pro Quadratmeter Pelz, die amerikanischen Gerber aber haben, um das Pelzwerk schöner zu gestalten, fünf bis sechs, ja sogar zehn Gramm (I) Arsenik pro Quadratmeter ver arbeitet. — Ueber das Sparsamkeitssystem des französischen Marineministers Pelletan macht sich ein Mitarbeiter des „Figaro" lustig, indem er folgende Satire veröffentlicht: „Herr Pelletan hat angeordnet, daß die Zahnbürsten nicht mehr zu der „Ausrüstung" der Reservisten der Flotte ge hören sollen." (Zeitungsmeldung.) — Pelletan, sehr aufgeräumt: „Ich sehe, daß ich endlich das Richtige getroffen habe, und daß diese Abschaffung der Zahnbürste der Reservisten im allgemeinen gebilligt wird." — Der Stabschef: „Ich glaube doch . . ." — Pelletan: „Ja ... ja ... ich sage Ihnen, daß die Verfügung einen vortrefflichen Eindruck macht; ich habe da ein Tele. gramm von meinem Komitee und mehrere anonyme Post karten, die keinen Zweifel aufkommen lassen. Und das ermutigt mich zu anderen Ersparnissen, die ich schon seit langer Zeit machen wollte. Was halten Sie z. Ä. vom Kamm, Admiral?" — Der Stabschef: „Ich kann seine Benutzung nur gutheißen . . ." — Pelletan: „Ich auch, vorausgesetzt, daß man in der Lage ist, ihn zu benutzen. Aber unsere Matrosen haben kurze Haare: in ihren Händen ist der Kamm also ein ganz überflüssiges Möbel. Und dasselbe behaupte ich von der Kopfbürste, aus demselben Grunde. Wir wollen das also abschaffen. Wie denken Sie über den Strumpf?" — Der Stabs chef: „Man hatte ihn bis jetzt für hygienisch wichtig ge halten und . . ." — P e ll e ta n: „Er ist ein die Eitel, keit fördernder Körperschmuck, und die Abschaffung ist durchaus notwendig; ebenso wie die des Taschen- tuches." — Der Stabschef, fast flehentlich: „Aber, Herr Minister!!" — Pelletan: „Ich kenne Ihre Be denken, und ich weiß, daß die Geste eines Mannes, der kein Taschentuch hat, nicht schön ist, aber rasch ist sie; und dann, angesichts der Unendlichkeit . . . (Er lacht.) Nun noch ein Ersparnisprojekt, das mir ganz besonders am Herzen liegt: was halten Sie von der Seife?" — Der Stabschef, einer Ohnmacht nahe: „Herr Minister!!!" — Pelletan: „Auch unnötig, nicht wahr? Ich schaffe sie ab. Leute, die das Meerwasser forttvährend abspült, brauchen keine Seife. Und dann löst sich die Seife ja nicht einmal im Meerwasscr aus! Es ist fast nicht zu glauben, daß, seitdem wir eine Marine haben, noch niemand darauf gekommen ist!" ----- Eisenbahnunglück in Italien. Auf der Linie Neapel- Rom stießen in der Nähe von Ceprano zwei Eisenbahn züge zusammen, wodurch mehrere Personen verletzt wurden. Die Regierung hat eine Kommission zur Unter suchung des Eisenbahnunglückes bei-Ceprano eingesetzt. — Außer zahlreichen Personen, die leichte Quetschungen erlitten, wurden bei dem Eisenbahnunglück io verletzt, darunter 6 schwer. Das Unglück scheint auf die Ver minderung der Fahrgeschwindigkeit des von Neapel kommenden Zuges, der schließlich wegen eines Defektes halten mußte, zurückzuführen zu sein. Der von Noccasecca kommende Zug, der ihm mit 14 Minuten Zeituuterschiev folgte, holte den Neapeler Zug ein und stieß mit großer Heftigkeit mit ihm zusammen. Obgleich das Personal des Neapeler Zuges daS Haltesignal gab, konnte der andere Zug nicht halten, da er sich gerade in einer Kurve befand. --- Massenvergiftung. In der Gasse Untere Schloß stiege in Prag sind kürzlich die Arbeiten ter neuen Kanalisation beendet worden. Infolge der bedeutenden Erdbewegung, die mit den Arbeiten verbunden ist, dürfte das angrenzende Erdreich gesunken sein, wodurch eine Gasrohrleitung beschädigt wurde. Das ausströmende Gas drang in der Nackt und am nächsten Vormittag in eine Reihe Häuser dieser Gasse und gefährdete das Leben der dort wohnenden Leute in hohem Maße. Bis jetzt wurden 32 Vergiftungsfälle, darunter zwei schwere, festgestelli. Polizeiorgane und Aerzte sind in voller Tätigkeit, um weiteren Unfällen vorzubeugen. * Neuigkeiten. Scheidung der Ehe des ungarischen Finanzministers. Die oberste Gcrichtsinstanz zu Pest sprach die Scheidung der Ehe des Finanzministers Ladislaus Lukacs von seiner Gattin aus. Lukacs wird sich demnächst mit der Witwe des verstorbenen reichen Direktors der Kohlen- industrie-Gejellschaft Sigmund Herz neuerdings vermählen. Aus Furcht vor der Ehe in den Tod gegangen ist in Braunschweig der Kernmacher Paul Knittel. Durch Einatmen von Kohlenoxydgas machte er in seiner Woh nung seinem Leben ein Ende. Knittel sollte am Neu jahrstag heiraten. In einem hinterlassenen Brief gibt er als Motiv die Furcht vor dem — Standes- a m t und den Abschied vom Junggesellenleben an. In den Fluß stürzten drei beim Brückenbau über oie Lenne bei Kabel beschäftigte Arbeiter. Einer ist er trunken, die beiden anderen sind schwer verletzt. Mordversuch und Selbstmord. Ein Soldat des in Rastatt liegenoen 111. Regiments hat in Mainz seine frühere Braut durch drei Schüsse schwer verletzt und dann s i ch s e l b st e r s ch o s s e n. Verhaftung unter Mordverdacht. Der Gutsbesitzers sohn Alfons Thiel aus Köchendorf ist verhaftet und in das Ohlauer Amtsgerichtsgefängnis eingeliefert worden. Vor einigen Tagen wurde die 21jährige Emma Solas, die auf dem Gute seines Vaters diente, ermordet auf. gefunden. Alfons Thiel, der mit dem Mädchen in in- timem Verkehr gestanden, ist dringend verdächtig, sie er mordet zu haben. Zur Affäre der früheren Kronprinzessin von Sachsen. Am Mittwoch sind am to-kanischen Hofe in Salzburg die ersten brieflichen Mitteilungen der Gräfin Montlgnoso aus Florenz eingetroffen. Als Ort der Zusammenkunft mit ihrer Mutter wurde Schloß Wartegg bei Rorschach am Bodensee bestimmt. LchissSunfäile. Der Segler „Hebron" ist auf der Fahrt von Drammen nach Kopenhagen, vermutlich mit der gesamten Mannschaft, untergegangen. — Der Schuner „Her kules", von Lübeck nach Lysekil untrewegs, ist auf Hatter- ewel gestrandet. Zum Kampf um den Kolportafleroman. Aus interessierten Kreisen wird uns das Folgende ge schrieben, dem wir Aufnahme gewähren, weil hier anscheinend falsche Angaben richtiggestellt werden: Die Anfeindungen, denen gerade in letzter Zeit der Kolportageroman ausgesetzt ist, legen die Frage nahe, ob man nicht wieder einmal dabei ist, das Kind mit dem Bade zu ver- schütten Selbstverständlich darf und soll nicht geleugnet wer den, daß, wie auf jedem literarischen Gebiete, so auch auf dem des Voltsromans, Ausschreitungen zu verzeichnen sind. Es wäre aber ungerechtfertigt, diese Ausschreitungen dem Volts- romane an sich zur Hast zu legen, Lxempln ciocenr: Gerade jene Romane. die in den letzten Jahren den größten Erfolg erzielten — „Tie Bettelgräfin", „Waldröschen", „Melanie" u. a. m. — enthalten nichts, was den erhobenen Vorwurf rechtfertigen könnte, der Voltsroman in seiner heutigen Form spekuliere auf die Lüsternheit oder sonstige niedrige Instinkte der menschlichen Narurl Es hieße auch, den gesunden Sinn gerade unterer unteren Volksschichten unrerschätzen, wenn man aunehmen wollte, daß durch solche Spekulationen irgend tvelche nennenswerten Erfolge erzielt werben könnten. Belohnung der Tugend, Bestrafung des Lasters, das ist das Grundmotiv, das sich wie ein roter Faden durch jeden Kolportageroman ziehrl Und gar den Kolportageroman, der vaterländisches Empfin, den verleugnet, oder sich gar in den Dienst sozialistischer Ten denzen stellt, den soll man uns erst zeigen! Wir fürchten beinahe, daß eher in gegenteiliger Beziehung des Guten allzu viel getan wird. — Es ist hier nicht der Platz die lite» rarisct>en Qualitäten des Äolportageromans in Diskussion zu ziehen, doch sei immerhin darauf hingewiesen, daß dieser wilde Schößling am „Baume der Literatur" keine Erscheinung von heute und gestern, sondern Jahrhunderte alt und aus den Be dürfnissen der Volksseele heraus geboren ist. Der Volks- seele! Zu der zu sprechen nicht den Dichtern des Berliner Tiergartenviertels, sondern nur dem Volksdichter verliehen ist! Es ist hier eine Kluft nicht nur des Empfindens, sondern auch der Ausdrucksweise, die durch kein noch so hohes Preisaus schreiben zu überbrücken ist! Verdienstlicher, als den Volks roman zu bekämpfen, wäre es dem Vorurteil entgegen zu treten, das ihm im Wege steht. Tatsache ist, daß unter hundert, die den Kolportagcroman bekämpfen, hundert sind, die — überhaupt noch keinen Kolportageroman gelesen haben, sondern sich thr Urteil nach dem Hörensagen, nach einer bekannten Parodie oder bestenfalls nach der Lektüre eines ersten Heftes, in dem naturgemäß mit stärkeren Farben aufgetragen ist, ge bildet hcchen. Aehnlich irreführend wie gewisse Worte von „Herabwürdigung der Justiz", „Kultivierung des Skandals" ustv.. mit denen Herr Tr. Fränkel, der „St. Georg" im Kampfe gegen den Drachen „Volksroman" zu Felde zieht, sind seine Behauptungen über das materielle Erträgnis des Volks- romans. — Der Kolportageverlag ist ein Geschäft wie jeder Verlag. Natürlich gibt es auch gewinnbringende Romane. Aber jedem solchen „Schlager" stehen 20—30 Nieren mit einem nicht unbedeutenden Verluste gegenüber. Herr Tr. Fränkel tveiß das freilich besser! Nach einer von ihm öffentlich aus gestellten Behauptung betrug die Zahl der Abnehmer des Ro mans „Eine Abenteuerin aus dem Königsthrone" 400 000! Wir haben an zuständiger Stelle Informationen eingeholt eingeholt und wissen, daß der Roman kaum — zwanzig tausend (!) Abonnenten hatte! Doch gleichviel! Hier handelt cS sich nicht darum, ob den Herren Volksroman-Verlegern eine Konkurrenz gemacht werden soll, oder nicht, sondern darum, ob die unteren Kreise des Volkes den Dichtungen des Herrn von Ompteda, dessen Name ja — ein Unikum j — trotz der Anonymität des Preisausschreibens von dem Komitee liereits bekannt gegeben worden , ist — oder dem Roman „Drcyfus" etc. den Vorzug geben wird. Om vivra, verraI Aurr dem (s)tschiif1sverkelir. f Was auch dagegen von mancher Seite eingewendet werden mag, der alte schöne Brauch, bei Beginn eines neuen Jahres Ver wandten, Freunden und Bekannten Glück zu wünschen, läßt sich nickt cinschränken, und unsere hochentwickelte Luxusvapierindustrie kommt diesem Bedürfnis entgegen, indem sie jedes Jahr nach Entwürfen erster Künstler schöne neue Muster schasst. Wir finden solche in großartiger Auswahl in der NeujahrSkartenausslellung von M. Apian-Bcnncwitz, Markt, Barthels Hof, Durchgang nach dem Barfußgäßcheu, der Kloster- und Kleinen Fleischergasse, wo nur in üeu Hofgewölben über 3000 Muster übersichtlich geordnet zur Schau gebracht werden, so daß jeder schnell und leicht leine Auswahl wessen kann. Von den einfachsten Schristkarten bis zu den seinsten Seiden- und Mechanikkarten sowie Wünschen in ledcr Form und Ausführung ist hier alles vertreten, ebenso in einem besonderen Zimmer Scherzkartcn, bei welchen alles Zweifel hafte ausgeschlossen ist. Selbstverständlich gibt es auch in Post karten, die wegen der Einfachheit und Billigkeit de-Z Versands immer gern gelaust werden, ein besonderes reichhaltiges Sortiment, dar unter auch die billige» sogenannten Saal-Postkarten. Ebenso ist das Geschäft besonders gut eingerichtet sür die Lieferung von Glückwunschkarten, zum Eindruck des Namens oder der Firma, zu welchem Zwecke dafür besonders geeignete Muster auf Lager ge ballen werden. Die Fertigstellung derselben erfolgt in kürzester Zeit. Zur Erhöhung der Sylvesterfrcude dienen die neuesten Muster von Knallbonbons, Papiermübe», Scherz-Pralinös, Wattefrüchte, Knackmandeln, Glücksnüsje und Figuren zum Bleigießen, Dclphm- Orakel,,Phantasie-Karlonnagcn, Tanztouren, Lampions zum Baum- abtanzcn. Altrapen, Blumengrüße, Verjandkarten für Blumen spenden, Wand- und Abreißkalender, Porkemonnaie-Kalenoer, Wirt schaftsbücher, Reliefsorden, Auszeichnungen, Girlanden, Sprüche aller Art, Wiyarlikel zu Bescherungen usw. Nach Neujahr be ginnt eine Ausstellung sür Kotillon- und Maskenartikcl. Wiederholte Depeschen lin Ser Postanflage noch nicht abgcornckt». Der Aufstand in Dentsch-Südwestafrika. * Berlin, 29. Dezember. Amtlich. Ein Telegramm aus Windhuk meldet: Im Gefecht bei Noris am 5. Dezember leicht verwundet: Vi.zefeldtvebel d. R. Richard R u n k, geboren am 29. April 1868 in Hermers berg, früher Leibgarderegiinent Nr. 115, Schuß in beide Schultern. Im Patrouillengefecht bei Swartwater am 2. Dezember gefallen: Vizcfeldwebel d. R. Ferdinand Boetel, geboren am 15. März 1876 in Bochum, früher Ulanenregiment Nr. 14. * Berlin, 29. Dezember. Der Kaiser empfing heute vormittag Hauptmann Franke von der südwe st afrikanischen Schutztruppe. Zur gestrigen Frühstückstafel bei den Majestäten war der Militärattache in Petersburg, Graf Lambsdorff, geladen, zur heutigen PrinzHeinrich XVIII. von Reußmit Gemahlin, Botschafter SpeckvonStern- burg und Legationsrat v. Bülow. Dritte Depeschen und Jer-nspreiHmeLdungen. Der Aufstand in Südsuestafrika. * Berlin, 29. Dezember. (Amtlich.) Ein Tele gramm aus Windhuk meldet: An Typhus ge storben: Reiter Wilhelm Rüdiger, geboren am 28. Mai 1884 zu Zedel, früher Feldartillerie-Regi-ment Nr. 5, auf dem Transport von Kcckkfontein nach Kub. Im Gefecht bei Warmbad am 28. November ver- wund et: Reiter Jakob Schäfer, geboren am 26. No vember 1882 zu Forbach, früher Infanterie-Regiment Nr. 55, leicht. Der Nachfolger Aoerber«. * Wien, 29. Dezember. AIS Nachfolger Koerbers wird in erfter Reihe genannt Graf Friedrich Schön born, der im Ministerium Taaffe Justizminister und später Statthalter von Mähren war. Schönborn ist streng feudal und Klerikal gesinnt. Eine evauaettsch« Nirche in Nom. * Berlin, 29. Dezember. (Eigene Meldung.) Der evangelische Oberkirchenrat beschloß, mit allen Mitteln den Bau einer evangelischen Kirche in Rom zu fördern. FeldaefchntzezurNeustoMasfuuug dorgesamten britische« Armee. * London, 29. Dezember. Die britische Regierung hat den Geschützfabriken von Vickiers L Son, Maxim und Armstrong Aufträge zur Lieferung von Feld geschützen in genügender Anzahl für die Neu bewaffnung der gesamten britischen Armee erteilt. (L.-A.) Der russisch-japanische Artog. Ein patriotischer Branntweinhändler. * Petersburg, 29. Dezember. Der Korrespondent der „Nowoje Wremja" telegraphiert aus Charbin, daß der Ehrenbürger Staroschenski auf Befehl Kuropatkins aus der Mantschurei ausge- wiesen worden ist. Er sollte den Transport der Meoikamcnte für die Lazarette des Roten Kreuzes im Süden von Charbin besorgen. Durch einen Zufall kam man dahinter, daß die von ihm transportierten Kisten nicht Medikamente, sondern Branntwein enthiel ten. Staroschenski soll üiese Art von Schmuggel seit langer Zeit betrieben und auf diese Weise große Reich- tümer erworben haben. Ein japanisches schiff in der Sundastraße. * London, 29. Dezember. Einem bei „LloydS" ein gegangenen Telegramm aus Batavia zufolge wurde heute nachmittag bei Anjer an der Sund ast raße ein Kriegsschiff gesichtet, das dis japanische Flagge führte. Die Neutralität der Niederlande. * Haag, 29. Dezember. In der Ersten Kammer er suchte van Nierop den Minister der Kolonien um Mit teilungen wegen der von dem „Times"-Korrespondenten in Tokio gebrachten Nachricht über die baltische Flotte und den Hafen von Saba ng und fügte hinzu, obwohl er die Nachricht für falsch halte und in den Zeitungen bereits ein, wahrscheinlich halbamtliches, Dementi gelesen habe, erscheine ihm doch eine amt liche Erklärung wünschenswert. Der Minister wird morgen die Antwort erteilen. * Hannover, 29. Dezember. Der Magistrat der Stadt Hannover beschloß heute in vertraulicher Sitzung, sich an dem Hochzeitsgeschenk der deutschen Städte für üen Kronprinzen mit einer Summe von ca. 10 000—12 500 -lik zu beteiligen. * Washington, 29. Dezember. Präsident Roose velt empfing heute im Weißen Hause den Kapitän Kämpf, den Führer des Schnelldampfers „Deutschland" der Hambnrg-Amerika-Linie, beglückwünschte ihn zur 150. Ozean-Rundreise und schenkte ihm sein Bild. lsanaelrrache». New Aorker Produktenbörse noch nicht eingetrosfen. Meteorologische Beobachtungen aus cker 8ternnarte in l,elprirr. Höbe: l 19 Uster über ävm Keere Karimum ävr I'emvorntur — -j- 2,6". Kiaimam — — 2,4". Höbe ckor IBsckerseblLge --- 0,2 mm. ') Legen. /eit <ler Nevbnelitun? iiuroiu coN. »ui -UMiw en«i-mo- cioix.-czi'. t>>uoN- >Vioä- riotttunjk a. »uüioNt. 28. Oer. nb. 8 0. 761,3 4- 0,3 93 81V 2 trübe 29. „ viii. 8- 760,2 -i- 1,1 86 8ZV 3 devvlllt am 2 - 756,4 -f- 2,8 85 88 Vk 3 trllde7 Z oi»u8saire Nir Sen ZE Vvrember 1904: ZVotter: diieäerseblng. Temperatur: Xormal. ZVmänrspruag: XZV. liurometer: Kittel. Tie vorliegende Nummer umfaßt 14 Seiten. Chefredakteur: Adolf Schiebt. Verantwortliche Redakteure: Für deutsche Politik Dr. Friedrich Purlitz, für auswärtige Politik Paul Wlegler, kür läcknijckie Anaeleaenheiren Rudolf SzallieS, für Feuilleton Paul Aschorlich, für Musik Heinrich Zoelluer, sür Sport Juliu» Haarfelo. Sämtlich in Leipzig. — Für den Inseratenteil verantwortlich Emil Abtgt, Gautzsch-Leipzig. Ns«-- i 2.20, 2.00,1.80, I vo «l. pro iS, lMMM WM r I.4V, >L0, U0, 1.00 dL pro 7- MmM im üWckmct. L. 6.1/kkmslln,
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