Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 27.12.1904
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-12-27
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19041227026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904122702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904122702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-12
- Tag1904-12-27
- Monat1904-12
- Jahr1904
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
BezugS-PreiS kn der Hanvtexprdition oder deren Ausgabe stellen abgeholt: vierteljährlich 3.—, bei zweimaliger täglicher Zustellung Ins Hau» 3.7Ü. Durch die Post bezogen für Deutsch ¬ land u. Oesterreich vierteljährlich 4.00, für die übrigen Länder laut Zeitunq-prriSliste. - Diese Nummer tostet 7 aus allen Vahnhvfen und III I bei den Zeitungs-Verkäufern * NedaMon «n- Grpe-tttem 1ÜL Fernsprecher LW JohanniSgasse 8. Haupt-Filiale Dresden: Marienstratze 34 (Fernsprecher Amt I Nr. 1713). Haupt-Filiale Berlin. CarlDunckrr, Herzgl.Bayr.Hofbuchbandlg, Lützowstraße 10 (Fernsprecher Amt VI Nr. 4603). Abend-Ausgabe. KipMer. TllMait Anzeiger. Amtsblatt des Königlichen Land- und des Königlichen Amtsgerichtes Leipzig, des Rates und des Nolizeiamtes der Htadt Leipzig. Anzeigen-Prei- die 6gespaltene Petitzeile 28 Reklamen unter dem RedaktionSsirlch (4g«spaltrn) 7Ü «ach den Famillennach- richten <8gespalten) LO -H. — Tabellarischer nnd Zissernsay werden entsprechend hdher ve- rechnet. — Gebühren für Nachweisungen und Osjertenannahme 2ü tlnn«hmeschlutz für Unreine«: Abend»Ausgabe: vormittags 10 Uhr. Morgen-Au-gade: nachmittag« 4 Uhr. Anzeigen sind frrt« an die Expedition zu richten. Extra-Beilage»« (nur mit der Morgen- Ausgabe- nach besonderer Vereinbarung. Die Expedition ist wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 biS abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Pelz in Leipzig Znh. vr. V., R. L W. Kltuthardt). Str. «58. Dienstag den 27. Dezember 1904. 88. Jahrgang. Var Aicktigrtr vom Lagt. * Der Zar hat an Pen Senat einen Ncformcrlatz, -en Entwurf z« einer „Berpollkommnung -er rus sischen Staatsordnung", gerichtet. (T. Leitartikel ) * Bei den neuen Mobilisierungen ist es in Ruß land wiederum zu Unruhen gekommen. (S. russ.-jap.Krieg.) * Da der russische Konsul in Shanghai die Aus lieferung eines Matrosen vom Kreuzer „Askold" nickt bewilligt hat, wandte sich der Taotai nach Peking an das Auswärtige Amt. (S. russ.-jap. Krieg.) Hurberrerungen aer rurrircdrn Ztaatrordinmg. Die Verhandlungen der Moskauer Tuma, die An sprache des Fürsten Lrubetzkoy, die von der Semstwc- Versammlunq angenommene Adresse haben ein letztes Mal darauf hingewiesen, daß in der inneren Politik Rußlands die große Entscheidung bevorstand. Es hat sich um die Frage gehandelt, ob eine Reihe von Krisen oder eine Reihe von Reformen das Schicksal des russi schen Volkes auf ein Jahrzehnt hinaus bestimmen sollten. Ein Reformedikt des Zaren hat, wiewohl es an dessen Namenstag ausblieb, nunmehr die dringendsten Forderungen der liberälistischen Intelligenz erfüllt. Noch heute früh hatte ein Pariser Telegramm gemeldet, der Vorschlag einer Berufung von Mitgliedern der Semstwos in den kaiserlichen Rat sei endgültig ab gelehnt worden. Dies bedeute für den Minister des Innern eine völlige Niederlage, sein Rücktritt erscheine unvermeidlich: er werde zum Militärgouverneur im Kaukasus ernannt werden, woher er stamme. Es ver laute auch, Witte werde wieder einen aktiven Minister posten erhalten, da er beim Zaren wieder in Gunst sei. Diese Kombinationen sind nun durch das Manifest, das wesentlich Teile der zum Namenstag des Monarchen er warteten Reformen ausführt, überholt. Indessen gibt die dem Edikt folgende, von Pobjedonoszeffs Geist inspirierte Bekanntmachung der Regierung gegen die Semstwos ernste Lehren. Nach dem heiligen Vermächtnis unserer gekrönten Vorfahren, unaufhörlich denkend an das Wohl der uns durch Gott anvertrauten Herrschaft, be trachten wir bei der unabänderlichen Wcwrung der Un erschütterlichkeit der Reichsgrundgesetze als Aufgabe der Regierung die unermüdliche Sorg. iür die Bedürfnisse des Landes, wobei wir alles den Interessen des russischen Volkes tatsächlich Ent sprechende unterscheiden von den nicht selten irrtümlichen und durch vorüber gehende Umstände beeinflußten Rich tungen. Wenn sich ein Bedürfnis dieser oder jener Aenderung als gereist erweist, werden wir es für notwendig halten, an ihre Durchführung heran zutreten, wenn auch die angeführte Umgestaltung die Einführung wesentlicher Neuerungen in die Gesetz gebung hervcrrufen würde. Wir zweifeln nicht, daß die Verwirklichung solcher Unteruehmen den Sympathien des wohlgesinnten Teiles unserer Unter tanen begegnen wird, welcher ein wirkliches Gedeihen des Vaterlandes sieht in der Unterstützung der staat- lichcn Ruhe und der ununterbrochenen Befriedigung der tätlichen Bedürfnisse des Volkes. Indem wir an die Spitze unserer Sorgen die Gedanken stellen über die allerbeste Ordnung des Daseins des die zahlreichsten Mitglieder aufweisenden Standes, des Bauernstandes, bemerken wir, daß gemäß unseren Amveisungen diese Angelegenheit bereits einer Be urteilung unterliegt. Gleichzeitig mit der detaillierten, an Ort und Stelle ausgeführten Durchsicht der anfäng lichen Absichten des Ministeriums des Innern finden jetzt Beratungen durch eine ausgewählte Anzahl der er fahrensten Personen der höchsten Verwaltung über die wichtigsten Fragen des Bauecnlebens, die auf Grund von Kenntnissen und Aeußerungen bei den Unter suchungen der allgemeinen Bedürfnisse des landwirt schaftlichen Gewerbes von den örtlichen Komitees gewonnen wurden. Wir befehlen, daß durch diese Arbeiten die Gesetze für den Bauernstand mit der allge meinen Reichsgefetzgebung in Einklang ge bracht werden, wodurch die Aufgabe der dauerrwen Sicherheit dieses Standes erleichtert und dessen An- gehörige durch die Verordnung des Zar-Be freiers als vollberechtigte, freie Land bürger anerkannt werden. Indem wir hiermit ein weites Gebiet und die fernsten Volksbedürfnisse über blicken, erkennen wir als unaufschiebbar zur regelrechten Festigung des Staates und des öffentlichen Lebens an: 1) Daß wirksame Maßnahmen zum Schutze der vollen Kraft des Gesetzes als der wichtigsten Stütze des Thrones und des autokratischen Reiches ergriffen werden, damit des Gesetzes unverletzliche, für alle gleiche Erfüllung, für alle uns untergebenen Obrig keiten und Orte als erste Pflicht angesehen wird, deren Nichterfüllung unvermeidlich die gesetzliche Verantwortung für jede willkürliche Hand lung nach sich ziehen und den durch solche Hand lungen geschädigten Personen die Mittel zur Er reichung eines Rechtsanspruchs erleichtern würde, 2) daß den örtlichen und städtischen Ein- richtungen eine möglichst weite Teilnahme in der Verwaltung verschiedener Seiten der örtlichen Wohlfahrt überlassen wird, wozu wir ihnen die notwendige Selbständigkeit in den gesetzlichen Grenzen verleihen werden, und daß unter gleichartigen Bedingungen zur Tätigkeit in diesen Einrichtungen Vertreter aller Teile der au den örtlichen Angelegenheiten interessierten Bevölkerung berufen werden. Zur möglichst erfolgreichen Be friedigung der Bedürfnisse dieser außer den bisher be- stehenden Gouvernements- und Kreis- Se m st woseinricht ungen sollen in engster Verbindung mit ihnen öffentliche Einrichtungen zur Verwaltung der lokalen Wohlfahrts angelegenheiten auf Grundstücken kleineren Umfanges gebildet werden, 3) daß behufs Wahrung der Gleichheit der Per- sonen aller Staude vor Gericht die notwendige Ein heit in der Ordnung des Gerichtswesens im Reiche eingefllhrt und den gerichtlichen Anordnungen die erforderliche Selbständigkeit gesichert werde, 4) daß zur weiteren Entwicklung der von uns ge faßten Maßnahmen zum Schutze des Lohnes der Ar beiterin den Fabriken und Werkstätten undder Arbeiter in den anderen Erwerbszweigen Sorge für Einführung ihrer staatlichen Versicherung zu tragen sei, 5) daß die zu einer Zeit des beispiellosesten Auf tretens der verbrecherischen Tätigkeit der Feinde der öffentlichen Ordnung erlassenen gesetzlichen Aus nahmebestimmungen, deren Anwendung mit einer bedeutenden Erweiterung des Gutdünkens der administrativen Obrigkeiten verbunden ist, durch ge sell e n sind, daß llierbei Sorge zu tragen ist, für eine möglichste Einschränkung der Gebiets grenzen, in welchen sie sich ausdehnen, sowie dafür, daß die durch diese Gesetze hervorgerufene Beschrän kung der Rechte von Privatpersonen zugelassen wird nur in Fällen, wo tatsächlich die staatliche Sicherheit bedroht wird, 6) oaß zur Festigung meines im Manifest vom 11. März 1903 ausgedrückten unbeugsamen Herzens- Wunsches nach dem Schutze der durch die Grundgesetze des Reiches geheiligten Duldsamkeit in Glaubenssachen einer Turclßicht zu unterwerfen sind die Gesetze über die Rechte der Sektierer, so wie über die Personen, die heterodoxen und nicht christlichen Bekenntnissen angehören, und daß unabhängig hiervon gegenwärtig auch im admini- strativen Verfahren die entsprechnoen Maßnahmen zur Beseitigung aller nicht direkt im Gesetz an gegebenen Beschränkungen ergriffen werden, 7) daß eine Durchsicht der bestehenden Verord nungen auszuführen ist, welche die Rechte der Aus länder und Eingeborenen besonderer Reichs gebiete beschränken, indem von der Zahl der Bestim mungen künftig diejenigen übrig bleiben, welche die gegenwärtigen Reichsinteressen und den Nutzendes russischen Volkes fördern, 8) daß aus den gegenwärtig bestehenden Verord nungen über die Presse überflüssige Ein schränkungen zu des eiligen, resp. die Ver ordnungen über gedruckte Worte in klare und be stimmte gesetzliche Grenzen zu bringen sind, und daß damit der heimischen Presse gemäß ihrer fort- geschrittenen Bildung und der ihr deshalb zukommen, den Bedeutung die Möglichkeit zu geben ist, ihren hohen Beruf würdig zu erfüllen und die wahre Verkün'derin vernünftiger Be strebungen zum Nutzen Rußlands zu sein. Indem wir auf diesen Grundlagen eine Reihe in nächster Zukunft bevor st ehender innerer großer Umgestaltungen anordnen, von denen ein Teil nach den früher von uns er lassenen Anweisungen bereits einer vorläufigen Unter suchung unterliegt, halten wir es bei der Verschiedenheit und Wichtigkeit dieser Umgestaltungen für gut, hiermit zu bestimmen: Tie Ordnung der Geschäfte zur Beurteilung der Mittel für die Möglichkeit ihrer schnellen voll- ständigen Verwirk! i chung in der Reihe unserer staatlichen Einrichtungen und die Aufgabe einer engsten Einigung verschiedener Teile der Verwaltung liegt dem M i n i st c r k o m i t e e ob. Infolgedessen ordnen wir an: Tas Ministerkomitee hat bezüglich jedes der oben angeführten Gegenstände die Frage zu prüfen, wie unsere Absichten in der besten Weise ins Leben ge rufen werden können, und hat uns in kürzester Frist ihre Beschlüsse zuaellen zu lallen. Ueber die fernere Tendenz der beabsichtigten Maßnahmen und über den weiteren Gang der Ausarbeitung der genannten An gelegenheiten hat das Ministerkomitee uns in der vor- geschriebenen Ordnung zu berichten. Nikolaus. Eine Bekanntmachung der Regierung besagt: Im Herbst fanden in Petersburg Versamm lungen von Abgesandten der S e m st w o s statt, die verschiedene Wünsche nach Reformen derinnerenVer Waltun g des Reiches äußerten. Tie Wünsche wurden in der Presse, in verschiedenen Ver sammlungen und auch dem Gesetz zuwider in den Sitzungen der Stadträte und der Semstwos besprochen. Unter dem Einflüsse der Personen', die den Staat umzu stürzen wünschten, und besonders die Erregung der Jugend sich zu nutze machen wollten, sanden in verschiedenen Städten stürmisch ver laufene Versammlungen statt, in denen die Notwendig keit erklärt wurde, an die Negierung Forderungen zu stellen, die angesichts unserer Grundsätze unzulässig sind. Diese gegen die bestehende Ordnung gerichtete Bewegung ist dem russischen Volke fremd, das den historischen Grundlagen der Staatsorganisation treu bleibt. Per sonen, oie an den Bewegungen teilnehmen, die schweren Verhältnisse, in denen sich das Reich augenblicklich be findet, vergessend, arbeiten unbewußt zum Besten nicht des Vaterlandes, sondern seiner Feinde. Ta es Pflicht der Negierung ist, die Staatsordnung und öffentliche Sicherheit zu beschützen gegen alle Versuche, den regelmäßigen Gang des inneren Lebens zu unter brechen. müssen und werden alle Versuche, die Ordnung umzukehren, und alle regierungsfeindlichen Ansamm lungen mit allen gesetzlichen Mitteln unterdrückt werden, während die Schuldigen, hauptsächlich die Be amten, gerichtlich belangt werden. Tie Semstwos und kommunalen Institutionen, sowie die In stitutionen von Gesellschaften anderer Art dürfen die ge setzten Grenzen nicht überschreiten. Tie Leiter öffent licher Versammlungen, die eine Besprechung der Fragen betr. die Organisation des Staates zulassen, verfallen der Verantwortlichkeit gegenüber den bestehenden Gesetzen. Ten Zeitungen kommt es zu. ihrerseits zur Beruhigung des öffentlichen Lebens beizutragen, das von dem regel mäßigen Laufe abgewichen ist. Rutttans in ZÜSmrtaktika. Oberst teutvein. Ter für den 30. Dezember in Hamburg angekündig ten Ankunft des bisherigen Gouverneurs von Teutsch- Südwestafrika Oberst Leut wein eilt eine Flut von Anklagen und schweren Beschuldigungen voraus. Daß diese an zuständiger Stelle sämtlich sorglich und rückhalt los geprüft werden, ist mit Sicherheit zu erwarten. Da- gegen ist es nach den ..Münch. N. Nachr." in hohem Grade zweifelhaft, ob daraus Material für die Erhebung einer Anklage gegen Leutwein wegen Verletzung seiner Tienstpflichtcn geschöpft werden kann. Eher möglich wäre der eigene Wunsch Leutweins auf Einleitung einer Untersuchung gegen sich. Die Ursachen -es wstbeiansstanbe». Ein aus Zack'sen stammender Farmer, der seit zehn Jahren ini südostafrikanischen Schutzgebiete lebt, als Soldat den Witboi-Feldzug 1894 mitgemacht hat und seit dem unter den Witbois in Gibeon gewohnt, die Entwick- lung der Tinge also von Anfang an miterlebt hat, schreibt dem „Vgtl. Anzeiger." in Plauen aus Gibeon, also mitten aus dem Aussiandsgebiete, unterm 29. Oktober: Wir Farmer und Kaufleute haben es nun seit fast einem Jahre einzeln und auch gemeinsam der- sucht, die Beamten von der Notwendigkeit einer star- ken militärischen Besatzung des Bezirks zu überzeugen. Aber leider waren unsere Bestrebungen vergebens. Tie, welche am nachdrücklichsten darauf bestanden, waren nicht immer gern gesehene Gäste unserer Regierungsvertreter. Ja, man spottete über sie nnd wollte ihnen — Frauenröcke machen lallen ... In dem dem Aufstand schon zum .Opfer gefallenen Bezirksamtmann v. Burgsdorff hatten die Witbois einen fast zu tüchtigen Vertreter ihrer Interessen. Man ging soweit, um Reibungen zu vermeiden, daß den Weisen amtlich ver boten wurde, größere Geldforderun gen geltend zu machen. Der wirkliche Grund zum Aufstand ist die allzusanfte Behandlung der Wit bois und der Umstand, daß ihnen immer wieder größere Mengen unserer Waffen und Muni tion in die Hände gedrückt wurden. Die Witbois haben diese Handlungsweise nicht als ein Zeichen des Vertrauens, sondern als eine Schwäche angesehen und das hat sie ermutigt, ihrer Mordsucht noch einmal nachzngeben. Der imrisch-japanirche Krieg. Russischs Anstrengungen in der Mantfchurei. Der Petersburger Korrespondent des „Echo de Paris" teilt mit, er habe nunmehr die Gewißheit ge wonnen, daß Rußland ungeheure Anstren gungen in der Mantfchurei mache. Ter Eisenbahn minister und der Minister für öffentliche Bauten beraten Mittel und Wege, Truppen und Provinant auf dem sibirischen Wasserwege in die Mantfchurei zu be fördern. Kuropattin wird 600 000 Mann erhalten, deren Basis zwischen Wladiwostok und Chardin Feuilleton. Um jeden Preis. Ij Roman von Sergei D . . Nachdruck verboten. I. Aechzend und pustend fuhr der Rom—Berlin-Expreß- zug im Anhalter Bahnhof ein. Ein reges Leben und Treiben entfaltete sich, ein wirres Durcheinander. Aus- steigende Passagiere riesen nach Dienstleuten, die gar nicht wußten, wohin sie sich zuerst wenden sollten; Gepäck- träger keuchten unter der Last schwerer Koffer, Schutzleute teilten Droschkenmarken aus. Fremde, in denen man auf hundert Schritt Entfernung die Engländer erkannte, eilten dem Ausgang zu und versuchten, Baedecker in der Hand, sich zu orientieren, während weniger selbständige Ausländer mit den Fremdenführern Verhandlungen an- knüpften und die Hotelportiers, denen es verboten ist, die Reisenden anzusprechen, den Fremden durch mili tärisch stramme Haltung zu imponieren oder durch Augenzwinkern und Grimassenschneiden von der Vor- züglichkeit ihres Hotels zu überzeugen suchten. Der Schwarm der Passagiere hatte sich zum größten Teil bereits verlaufen und ein Bahnangestellter war auf Befehl des Stationsvorstehers eben im Begriff, die übliche Durchsuchung der CoupFs vorzunehmen, als die Tür eines Abteils erster Klasse aufgestoßen wurde und «och m,ei Reisende ausstieqen, — eine Dame und ein Herr. Es war ein eigenartiges Paar, das überall Auf sehen erregt hätte. Selbst der Stationsvorsteher vergaß bei ihrem Anblick seine Würde soweit, dem Zugführer mit dem Ellbogen gelinde in die Rippen zu stoßen und zu flüstern: „Donnerwetter, Henschel, sehen Sie mal das l" Ter weite, sackartige Reifemantel, den die Dame nur lose über ihre Kleidung geworfen haben mochte, war beim Aussteigen zu Boden geglitten und enthüllte eine prächtige, schlanke Erscheinung, die auf die Schönheit des Gesichts schließen ließ, das dicht verschleiert war. Der Herr war ein brünetter Mann von etwa 35 Jahren, ein nach amerikanischer Art geklippter Schnurrbart zierte seine Oberlippe. Aus feinen Zügen sprach Energie und Willenskraft; seine Kinnbacken erinnerten an die einer Bulldogge. Schlank und sehnig, mit kurzgeschuittenem Haar und von der Sonne fast kupferrot gefärbt, hätte man ihn für einen professionellen Athleten halten können — ein Bild strotzender Kraft und Gesundheit. Nachdem die beiden die Barriere passiert hatten, blieb die verschleierte Schönheit einen Moment stehen und wendete sich an ihren Begleiter. „Was machen wir mit dem Gepäck?" fragte sie. „Laß nur, Camille," antwortete er, ruhig weiter schreitend, „das hat Zeit"» Sie folgte ihm. Draußen bestiegen sie eine Droschke. „Tiergartenstraßei" rief er dem Kutscher zu. Dann wandte er sich wieder an die Dame. „Welche Nummer doch, Camille?" Sie nannte die Nummer und die Droschke rollte davon. Eine ganze Weile sprach keiner ein Wort. Plötzlich ergriff der Mann die Hände des neben ihm sitzenden Weibes. Seine Stimme zitterte vor Erregung, als er sprach. „Also — Camille — wir verstehen uns gründlich — nicht wahr. Ich bin bereit, mein Leben zu opfern. Was in meinen Kräften liegt, wird geschehen, damit du dein Ziel erreichst. Aber — wenn es erreicht ist — Camille — dann wirst du dein Versprechen einlösen l Nicht wahr — das wirst du tun?" Ec preßte ihre Hände krampfhaft. „So wahr mir Gott helfe, Jack", erwiderte sie feier lich. Er ließ ihre Hände fahren. „Ich traue dir, Camille!" sagte er nur. Nach einer Weile hatte die Droschke den Weg durch den Tiergarten zurückgelegt und bog in die Tiergarten straße ein. „Wir werden gleich da sein. Wäre es nicht besser, du steigst jetzt aus?" fragte die Dame bedeutsam. „Also du bleibst dabei?" kam es halb bittend, halb wütend von ihrem Begleiter. „Ja, Jack. Glaube mir, es ist besser. Sei vernünftig. Alles für die Sache. Du kennst den Preis — „Na, wenn es sein muß!" Er seufzte. „Und wo sehen wir uns?" „Ich schreibe dir hauptpostlagernd, alte Chiffre." „Aber bald. Tu weiht — Kutscher, halten Siel Adieu, Camille!" Er riß das Weib an sich und drückte einen heißen Kuß auf ihre Hand und auf den Schleier, dort, wo er den Mund vermutete. Dann sprang er aus der Droschke. „Adieu — und — bedenke. Es wäre mein Tod!" Einige Minuten später hatte die Droschke ihr Ziel er reicht und hielt vor einer netten, kleinen Villa. * * . * . Mr. Broad saß in seinem Privatzimmer am Schreib tisch und addierte ganze Reihen von Zahlen. Er war ein typischer Engländer, hoch in den fünfziger Jahren, aber noch sehr rüstig und gut konserviert. Ein langer, hagerer Mensch mit spärlichem weißen Haupthaar, langem weißen Kotelettcnbart, eingefallenen Wangen und pergamentartiger Gesichtsfarbe, das Gesicht kreuz und quer mit Furchen und Krähenfüßen durchzogen. Doch das Charakteristische an ihm waren seine Augen. Sie erinnerten an kalten Stahl, — an einen Dolch, und un willkürlich wendete man sich ab, wenn diese kalten, be rechnenden, starren, grauen Augen einem bis auf den Grund der Seele zu dringen schienen. Mr. Broad hielt in seiner Arbeit inne, erhob sich und ging in ein Neben zimmer. Doch kaum hatte er seinen Rücken gewendet, als er ein Geräusch zu vernehmen glaubte. Er stutzte, dann eilte er in das Privatzimmer zurück. In dem Lehnsessel, den er vor einigen Augenblicken verlassen, ruhte jetzt eine weibliche Gestalt, und eine Helle, fugend- liche Stimme sagte: „Bei Ihnen ist's ja finster wie in einem Backofen, Broad. Erleuchten Sie mich doch ein wenig!" „Ah, da find Sie ja schon, Gräfin!" rief Broad er freut. „Jawohl, soeben angekommen. Sie haben mich doch erwartet?"
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite