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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 19.12.1904
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-12-19
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19041219016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904121901
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904121901
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-12
- Tag1904-12-19
- Monat1904-12
- Jahr1904
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BezugS-PreiS 1» d« Hauptexpedtttm, »d« da« Lns-ab»« stell« abgeholt: vierteljährlich L.—, bei zwetmaltg« täglich« Avtzellvvg tu» tzaa« ^SS.7L Durch die Post bezog« für D«1sch- land u. Oesterreich vierteljährlich LchO. für die übrig« Land« laut ZeituugSpreiSltste. Dtefe Nu«»« tostet ML auf all« Bahuhöfeu uud III ^I( I bet d« ZeüuugS-Berkäuseru l * AeZakttoa uu» vr-edittoru Ib3 Faufprecha W3 Johau^Sgaff, 8. Hanpr-Ftltale DreSH«: Martenstrab« 84 (Fernsprecher Amt I Nr. 1718). Hau-t-AUtale Berlin: LarlDuucker, Herzal-BayrHofbuchhanvIgv Lüyowstraß» 10 G«rnj»»cha Amt VI Nr. 4L0SL Morgen-Ausgabe. WpMtrTllMM Anzeiger. Ämtsktatt des Königlichen Land- und des Königlich« Amtsgerichtes Leipzig, des Aales und -es Volizeiamtcs der Stadt Leipzig. Anzeigen-Preis die 6 gespaltene Petirzeile 2V Netto ««» »ml« dem Redakttou-strtch («grspalt«) 75 aach dea Famtlieonach. richten <8gespalten) bO -H. — Tabellarischer uud Ziffernsatz iverdeu «utsprech«d hbber be- rechnet. — Gebühren für Nachweisung« und Ofsertenaunahme Lb xL- Annahmeschlutz für Anzeigen. s Abend-Ausgabe vormittag« 10 Uhr. l Morgeu-AuSgabe: uachmtttagS 4 Uhr. I Auzetg« find stet« a» dioSrpMttou zu richt«. Errru-BeUog« luur «st da Morgen- Ausgabe) nach besonder« Beretubaruug. Die Expedition ist woch«tagS anuuterbrocheu grösfuet vou früh 8 bi« ab«d< 7 ILHr. Druck und Verlag von P. Polo tu Leipzig tJuh. vr. B, R. L W. «ltukh-rdtl Nr. 614. Montag den 19. Dezember 1904. 98. Jahrgang. Var Mckiigrte vom Lage. * In Braunschweig wurde gestern die neu erbaute Garnisonkirche eingeweiht. (Siehe Letzte Dep.) * Oberst Marchand hat das Mandat zur Deputiertenkammer für den 2. Pariser Wahl bezirk abgelehnt. (S. Letzte Tep.) * In Moskau fanden gestern Studenten- unruhcn statt. Polizei und Kosaken mutzten mit blanker Waffe einschreiten. (S. Letzte Dep.) vor Sri»««! (irr Zcdlveigramlreit. Eine Eingabe der Berliner Aeltesten der Kaufmann schaft behairdelt die wichtige Frage, zu welchem Zeitpunkt die neuen Handelsverträge in Kraft treten sollen. Es erscheint im Interesse von Handel und Industrie durch aus geboten, datz seitens der verbündeten Regierungen so bald als möglich eine bestimmte Erklärung abgegeben werde. Niemand wird dieses Verlangen unbillig finden können, allein andrerseits dürfte die Regierung zurzeit kaum in der Lage sein, ihm zu willfahren, aus dem höchst einfachen Grunde, weil sie sich selbst wohl noch nicht klar darüber ist. Bereits am 25. März d. I. hat der Deutsche Handelstag als notwendig bezeichnet, datz der Zeitraum zwischen der Entscheidung und dem Eintritt des neuen, Zustandes, entsprechend der in den geltenden Handels verträgen enthaltenen Kündigungsfrist auf ein Jahr be messen werde. Zwar hatte die Regierung sich zu dieser Frage nicht geäußert, indessen wurde allgemein ange nommen, datz als Termin für den Beginn der neuen Aera der 1. Januar 1906 vereinbart worden sei. So- Wohl die Frist von einem Jahre wie der Termin des In krafttretens sind nun in Frage gestellt worden,' denn die Unterhandlungen mit Oesterreich-Ungarn sollen wieder ausgenommen werden und man hegt die Absicht, dem Reichstage doch noch das ganze Bouquet auf einmal vor zulegen. Dieser Wunsch ist begreiflich, schon uni der Inszenie rung willen, aber cs ist doch sehr fraglich, ob er in Er füllung gehen wird. Man mag noch so oft erklären, datz die inneren Verhältnisse Oesterreich-Ungarns den Ver tragsabschluß nicht berühren, so bleibt doch bestehen, datz die augenblickliche Lage in der Monarchie nicht geeignet 'st, den Gang der Unterhandlungen zu fördern. Wenn wir überhaupt voraussctzen wollen, daß die beiden Par lamente wieder arbeitsfähig werden, so kann Graf Tisza besonders dem ungarischen Reichstage nur einen solchen Vertrag vorlcgen, der sich der von Tag zu Tag ansvruchs- volleren Nation gegenüber verteidigen läßt. Ob das an gesichts der deutschen Forderungen noch möglich ist, mutz stark bezweifelt werden. Uebcrhaupt ist die ganze Situa tion äußerst unklar, denn man kann sich nicht verhehlen, datz der augenblickliche Kampf in Ungarn nur scheinbar um die neue Geschäftsordnung, tatsächlich ober um die Loslösung Ungarns von den im Reichsrate vertretenen Königreichen und Ländern geführt wird. Ein Vertrags- obschluß fetzt aber das Fortbestehen des bisherigen Ver hältnisses voraus und deshalb ist eine Ratifizierung durch das ungarische Parlament gewiß nicht leicht zu erreichen, wenn auch in Oesterreich der 8 14 wieder seine wohltätig alisolutiskische Macht ausüben sollte. Kurz, wohin man auch blickt, nirgends zeigen sich feste Umrisse und alles ist in Nebel gehüllt. Dazu kommt, datz jetzt in Berlin Gerüchte kursieren, als wenn Deutschland trotz aller geharnischten Erklä rungen doch bereit sei, auf dem Gebiete der Veterinär konvention Konzessionen zu machen. Die Verträge dürf ten zunächst in eine Kommission wandern, in welcher ein langwieriges Frage- und Antwortspicl beginnen wird. Auch das iss charakteristisch, datz im „Tag" ein Mitglied des Reichstages die wichtige Frage erörtert, ob es bei den Handelsverträgen nur ein Ja oder Nein gebe oder ob auch eine Acnderung der Verträge durch den Reichstag vgrgenommen werden könne. Auf Seiten der ersteren Auffassung stehen, wenn wir auf politische Analoga zu- rückblickcn, der Altreichskanzler und Graf Bülow, auf Seiten der zweiten Auffassung die Autorität Delbrücks und des Fürsten Herbert Bismarck. Staatsrcchtslehrer wie Zorn, Laband u. a. haben die Möglichkeit zur Acndc- rung von Staatsverträgen durch den Reichstag aner kannt. Wir können uns sehr wohl eine parlamentarische Konstellation denken, die dahin führt, datz der Reichstag gewisse Vorbehalte zu den Verträgen aussprecl)en möchte. Eins ist jedenfalls klar, daß eine solcl)e Reihe von Mög lichkeiten vorhanden ist, datz sie sich zurzeit kaum übersehen lassen, so datz es nicht als böser Wille der Regierung auf- gefaßt werden darf, wenn sie sich nicht entschließen kann, ihr Schweigen zu brcchcn. Hier liegt der merkwürdige Fall vor, daß die Regierung zu einem früheren Zeil punkte leichter dazu imstande gewesen wäre als jetzt. Sie Hot für ihre heutige Schweigsamkeit lvahrsckeinlich den überaus triftigen Grund, datz sic nichts zu sagen weiß. Kolonialer. * Das amtliche „D. Kol.-Bl." lätzt sich in seiner soeben veröffentlichten Nummer 25 über die Burenansied- lung in Deutschs st afrika wie folgt aus: Tas in Prätoria erscheinende Organ der Buren partei, „Volksstem", veröffentlicht in den Ausgaben vom 15. und 19. Oktober d. I. zwei Briefe von Ver trauensmännern der Buren, in welchen diese über ihre Erfahrungen und Beobachtungen auf ihrer Reise in Tcutschostafrika berichten. Der eine Brief ist gezeichnet von I. P. Botha, der andere von I. H. Viljoen, P. L. Potgieter und C. N. Buckile. Die Verfasser beider Briefe haben im wesentlichen denselben Weg gemacht; sie landeten um die Mitte dieses Jahres in Tanga, be- gaben sich mit der Bahn nach Korogwc und zogen von da weiter, zuerst in westlicher, dann in nördlicher Richtung bis zum Kilimandscharo. Die Rückkehr be werkstelligten sie mit der Ugandabahn. Beide Reise gesellschaften hatten aus dem Marsche von Korogwe nach Westen heftig unter dem Fieber zu leiden. Dagegen sind beide Berichte voll Lobes über das Land am Kilimandscharo; dieses wird für durchaus gesund und für Ackerbau und Viehzucht sehr geeignet erklärt. Wäh rend der Bericht Viljoens und seiner beiden Genossen an dem Lande nur das auszusetzcu hat, daß es gerade in seinen besten Teilen Eingeborenen gehört, und aus diesem Grunde von der Auswanderung dorthin abrät, schließt Botha seinen Brief mit Sen Worten: „Ich habe nur den eiuen Wunsch, datz ich alle unsere Leuhe, die jetzt vor Armut infolge des Krieges beinahe um kommen, aufheben und in Deutsch-Ostafrika nieder setzen könnte. Könnte ich das tun, ich würde damit nicht bis morgen warten." Nach Bothas Bericht, der kurz nach der Rückkehr von der Reise am 10. Oktober dieses Jahres geschrieben ist, befanden sich zu der Zeit, als er Deutsch-Ostafrika verließ, 14 Burensamilicn mit zusammen 80 Köpfen daselbst. Bemerkenswert ist bei beiden Briefen die dankbare Anerkennung des freundlichen Entgegenkommens, das den Buren von feiten der beamteten und nichtbeamteten Deutschen im Schutzgebiete^'zÄteil' wurde. Bei dieser Gelegenheit mag darauf hiugewlt-ien werden, daß die Zeitungs nachrichten. welche von der geplanten Gründung eines besonderen „B u r e n sta a te s" in De u t s ch -O st a f r i k a zu berichten wußten, jeder tatsächlichem Unterlage entbehren. Die nach Deutsch-Ostafcika einwandernden Buren wer den sich selbstverständlich der dort geltenden deut schen Gesetzgebung und Verwaltung unterwerfen und haben auch ihrerseits davon abweichende Wünsche gar nicht vorgebracht. Der nmircd-iapanirck>e Krieg. Aapitän Klads al» Held -er Lage». Kapitän Klado, der mit 15 Tagen Arrest bestrafte, aber daraus bereits entlassene Befürworter der sofortigen Verstärkung der Flotte des Admirals Roschdest wensky durch ein drittes Gcsckivader, verficht seine Ansicht in der Presse w c i t e r. Am 14. erschien im „Russj" folgende Mahnung aus seiner Feder: „Hinsichtlich der Abfahrtszeit vergeßt das Eine nicht und erinnert Euch später meiner Worte: Aus- reise im Mai bedeutet so viel wie Ausreise im August oder September. Im Sommer weht der Musson (so nennen die Russen den Monfum) mit furchtbarer Gewalt in, Jndisckcn Ozean, und es ist undenkbar, daß die Panzer der Küstenverteidigung oder diie Torpedo boote oder Boote wie der „Chrabrü" vor Beginn des Winters dort fahren könnten. Vom dritten Geschwa der wird, wenn cs überhaupt ankommt, nur ein Teil zur Unterstützung des Admirals No'chdestwensky zu recht kommen. Nämlich der, welcher iin stände ist. gegen den Musson anzukämpfen, und dieser Teil wird nicht stärker sein als der, der die Ausreise auf der Stelle antretcn kann. Ist also die sofortige Absendung dieses Teiles nickt das Beste? Wenn er fick auch verspätet, dann trifft er doch nicht um vieles später ein als das zweite Geschwader und die Japaner werden keine Zeit haben, ihre beschädigten Schiffe auszubcssern. Fährt aber dieser kleine Teil des dritten Geschwaders erst sieben Monate nach dem zweiten ab, dann mutz er den Kamps mit der wiederhergestelltcn japanischen Flotte ausuehmen. Sofort, schickt sofort, soviel Ihr schicken könnt! Verliert keine Minute, oder das „Zu spät" wird cintreten, versteht Ihr wohl ..Zu spät!" Be greift dock die Furchtbarkeit dieses Wortes, begreift, wie viel Unglück es verkündet!" Wie im „B. T." abermals fcstgcstellt wird, nahm die durch den Thcaterskandal mit der Valetta bereits ohnehin gegen den Großfürsten Alexis in Petersburg stark erregte öffentliche Meinung in einer so scharfen Wei'e für Klado Partei, datz der Zar fick ihrem Drucke wohl nicht Entziehen konnte und eine nochmalige Prüfung der Angelegenheit anordnete, die dann zu der überraschenden Aushebung der Strafe führte. Diese macht allerdings vom Standpunkte der Flottendisziplin einen sehr merkwürdigen Eindruck, der namentlich im See- offizicrkorps ein gewaltiger sein mutz. In jedem ande ren Staate würde sie zur Amtsniederlegung des Flottenchefs führen. In der Redaktion der „Nowoje Wrenija" stellte sich eine grotze Anzahl Personen ein mit der Bitte, eine Geldsammlnng zu eröffnen, damit dem .tdapitän Klado: dein Verfasser des in der „Nowoje Wremja" erschienenen Artikels „Nach Abzug des zweiten Geickivaders". ein Ehrensäbel dargebracht wer den könne. Andere bringen Beiträge, die sie als Fonds zum Bau eines Torpedobootes bestimmen, das den Namen „Priboi" (Brandung) tragen soll. „Priboi" ist nämlich das Pseudonym, unter dem Kapitän Klado obigen Artikel erscheinen ließ. Die russischen Lknppeaa in» Nokdoften v»n Aorea bereiten, wie der „Köln. Ztg." aus Soeul geschrieben wird, sich auf den Winter vor; fast täglich langen angeb lich 4- bis 500 Dschunken von Wladiwostok init Lebens rnitteln beladen in Songtschin an, von wo ihre Ladung rn Ochsenkarren und auf Lastpferden nach Pucktschong, wo das Gros der Russen liegen soll, und den übrigen Etappen geschafft wird. Kürzlich soll auch ein neuer Kommandeur aus Rußland dort eingetroffen sein. Natür lich läuft in diesem Teil Koreas nur russisches Geld um, die japanischen Aens sind verboten. Aber auch die Japaner versuchen ihren Einfluß im Norden geltend zu machen und die Bevölkerung für sich zu ge winnen; der Gouverneur von Hamhöng hat der Zentral regierung telegraphisch gemeldet, datz die Japaner dort folgende Kundmachung verbreiten: „Japan wünscht für die Zukunft den Frieden im fernen Osten zu sichern und besonders Korea und China zu schützen, daher hat es den Krieg gegen Rußland begonnen. Die japanischen Militärbehörden werden die Bewohner schützen. Sorgfältige Erhebungen haben den Shanern gezeigt, datz die Koreaner von den Provinzial behörden bedrückt und ansgesogen werden; dies wird in Zukunft abgeändert werden. Um es zu erreichen, er warten die Japaner jegliche Unter st ützung von dem koreanischen Volk, vor allem Ikchrungsmittcl uud Arbeitskräfte." General Hasegawa hat sich nach Wönsan begeben. Die japanischen Truppen hatten schon einige Tage vorher nachts Soeul verlassen. . > - Deutsches Keich. * Leipzig, 18. Dezember. * Herr A. Bebel im „vorwärt»" gegen die , .Leipziger Bolttzeituug". Der ReichStaaSabgeordnete Bebel greift in der SonntagSnummer des „Vorwärts" abermals in die Auseinandersetzung der sozialdemokratischen Fraktion r<t der Redaktion der .Leipziger Volkszeitung" ein. Er hält e« für .dringend geboten", den Wortlaut seiner Rede vom 10. Dezember abzudrucken und erklärt außerdem für sich persönlich: . . Ich will hierbei konstatieren, daß der Fraktion der Wortlaut der von mir gemachten Aeußerungen vorher nicht vorgelegen hat, daß also die Fraktion für dieselben nicht verantwortlich gemacht werden kann, sondern die betreffenden Angriffe sich allein gegen mich zu richten haben. Dies gebt an die Adresse deS Herrn Mehring, der mithin dazu gebracht werden soll einzuraumen, paß er mit seinem Schimpfwort vom „parlamentarischen Kretinismus" zu weit gegangen sei. Bebel mahnt auch weiterhin den Mann inner halb Ilions schüchtern zur Geduld : Zugegeben, daß der Satz: „Ich erkläre.weiter, daß wir (!) den Inhalt (!) dieses Artikels nicht verantworten können", mit dem der Zeitungsbericht über jene Sitzung unsere Ausführungen abbrach, zu Mißverständnissen Veranlassung geben konnte, so wissen so- wohl die Redakteure der „Leipziger Volkszeitung", wie die Redakteure der anderen Parteizeitungen, die sich kritiklos auf die Seite der Redaktion der „Leipziger Volkszeitung" stellten, daß die Sitzungs berichte der Zeitungen sich nie mit dem wirklichen Inhalt der Reden decken und nichts decken können, weil der wörtliche Abdruck der Reden räumlich unmöglich ist. Meine Ausführungen im Zusammenhang gelesen, lassen aber gar keine Zweifel, wie sie gemeint waren und nur gemeint sei» konnten. Man hätte also von einer loyalen Redaktion, wenn sie noch einigermaßen ihrer Nerven Herr ist, erwart« können, daß sie zwar auf Grund jenes Berichts Verwah rung einlegte, daß sie aber hinzufügte, sie behalte sich ihr End urteil vor, bis der stenographische Bericht vorliege. Nachdem aber auch durch die gemeinsame Sitzung des Partei- orstandes mit Mitgliedern der Redaktion der „Leipziger Volkszeitung" und der Leipziger Parteileitung am Mittwoch, den 14. Dezember frstgestellt wurde, welchen Menschlichkeiten der Zoll-Artikel der „Leipz. Volksztg." vom 2. Dezember seinen Ursprung verdankt, hätte die Redaktion der „Leipz. Volkszeitung" allen Grund, sich etwas weniger stark in die Brust zu werfen und blindlings die Verteidigung jenes Artikels mit den beleidigenden Unterstellungen gegen die Fraktion aufrecht zu erhalten, wie das wieder in ihrer Nummer vom 16. Dezember geschieht. Bebel beruft sich darauf, daß er selbst am 2. Dezember den Abgeordneten Balser mann deS Bruchs der Geschäfts ordnung und der Verfassung beschuldigt hat; er bittet die Herren, ihre „Denkerstirne" in den Bericht über diese Sitzung zu versenken: Es ist doch ein sehr starkes Stück, einem Redner der Partei zuzutrauen, das, was er am Montag einer Woche vor der ganzen Welt anklagte, er am Sonnabend derselben Woche preiSgeben werde. Ter Vorgang zeigt mir nur, wie wenig dazu gehört, daß ein Teil unserer Parteirevakteure auch das Unmöglichste für möglich halten, wenn dabei vorgefaßte Meinungen in Betracht komme». Ich erwarte von der Loyalität der betreffend« Parteiblätter, daß sie wenigstens den Wortlaut unserer Ausführungen in der Sitzung vom 10. Dezember für ihre Leser wöitlich zum Abdruck bringen, wenn die Scham über ihre Leichtherzigkeit sie verhindern sollte, auch meine übrigen Ausführungen wörtlich zum Abdruck zu bring«. Allerdings hat Bebel selbst einmal die mündliche Lossage vom „Inhalt" — mit dem Majestätsplural oder wirklichen Plural „wir" — und das zweite Mal die schriftliche LoSsage von der Form — unter Billigung der Tendenz verursacht: „worüber der Wortlaut der von dem Ge nossen Bebel gemachten Ausführungen im stenographischen Bericht des RelchStages gar keinen Zweifel läßt." Höchsten» die Mitteilung Bebels, daß am 14. Dezember über die I „Menschlichkeiten" deS „Sauherden"-Artikels mit der iLeipziaer Parteileitung getagt worden ist, kommt in diesem Streit um die .Sinnlosigkeit" al» neu in Betracht. M Berlin, 18. Dezember * Zur Wiederaufnahme der deutsch-österreichischen Konferenzen. Die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlungen mit Oesterreich-Ungarn soll, wie wir gestern meldeten, in der Form geschehen, datz die ö st e r- reichischen Vertreter im Anfang der laufenden Woche nachBerlin reisen. In der „N. Fr. Pr." wird unter dem Datum des 17. Dezembers die freundwillige Ge neigtheit noch etwas verklausuliert. Es heißt, die Ain wort werde erst auf Grund üer Ergebnisse einer Kon ferenz erteilt werden, die am gestrigen Sonntag in Pest abgehalten werde. Daran würden jedenfalls die öfter rcichischen und ungarischen Referenten, wahrscheinlich aber auch der Handelsminister Baron Call, Ackerbau Minister Äouquoy, sowie die ungarischen Ressortminister teilnehmen. Definitiv sei jedoch „im Augenblick die Ab reise der beiden österreichischen Minister noch nicht." Wenn, wie man annehme, im Sinne der Einleitung mündlicher Konferenzen entschieden werden sollte, werde man einen Beschluß darüber fassen, welche Form oer mündlichen Verhandlungen der deutschen Regierung vor zuschlagen sei. Deutschland hat angeregt, Tetailfragen, insbesondere jene der Veterinärkonvention, die sich zur diplomatischen Verhandlung oder zur Be ratung durch sämtliche Unterhändler nicht eignen, in einem engeren Komitee zu erörtern und erst, wenn in diesem eine Einigung erfolgt ist, Konferenzen sämtlicher Delegierter abzuhalten. * Der Ausfall Ser Ersatzwahl in Jerichow gibt der frei sinnigen Berliner Presse der verschiedenen Schattierungen zu den bekannten Diskussionen über den Liberalismus reichlich Gelegenheit. DaS „Berk. Tagebl." sieht in der Wahl des Lehrer« Merten „eine Lehre für die liberalen Parteien, eine Lehre, die selbstverständlich eine Mahnung in sich schließt": Wir haben schon vor der Wahl darauf hingewies«, daß diese Wahl ein Schulbeispiel für den Liberalismus bedeote: Hier könne der GesamtliberalismuS paradigmatisch zeigen, daß er, in geschloffenen Reihen fechtend, auch an solchen Wahlkreisen den Sieg über Reaktion und Sozialdemokratie davontrag« könne, die bisher als Domäne einer dieser Parteien galten. Erfreulicherweise ist unsere Mahnung insofern berücksichtigt worden, als die Nationalliberalen, wenn sie auch nicht mit den Bolks- parteilern von vornherein zusammengingen, doch auf das unnatür liche Bündnis mit den Konservativen verzichteten, das bisher der numerisch schwächsten Partei, nämlich eben den Konser vativen, den Stichwablsieg in diesem Kreise sicherte. Bon einem „Block der Linken" ist die freisinuig-volks- parteilicke „Voss. Ztg." nicht entzückt. Sie ruft auS: „Gott Lob, daß sie wieder eine neue Phrase haben'." Es stellt sich heraus, daß sie vor allem die Sozialdemo kratie aus der „Bewegung ohne parteibildende Kraft" ausschließen will, weswegen sie, gerade im .Hinblick auf Jerichow sagt: „Hier zu Lande heißt die Empfehlung des „Blocks der Linken", der die Sozialdemokratie einschließt, nichts anderes als da« Aufgehen der bürgerlichen Linken in die Sozialdemokratie." In diesem Sinn ginge also die „Boss. Ztg." mit den gegenwärtigen Tendenzen des „Berl. Tagebl." überein. Die „Freisinnige Zeitung" indes möchte den ganzen Diskussionen den Faden ab- schneideu. Der Artikel der „Boss. Ztg." wird abgedruckt und im häuslichen Artikel nur bemerkt, „daß durch eine besondere nationalliberale Kandidatur einige hundert Stimmen aus Fabrikanten- und Beamtenkreisen, die im Borjahre dem freisinnigen Kandidaten zugefallen waren, ihm diesmal entzogen wurden". Den Schluß der un wirschen Abrechnung, in der auch über die wirtschaftlich liberalen Reden des Herrn vom Rath gestaunt wird, stellt der übliche Appell an die volksparteüichen Vertrauens männer dar. * Eine Kundgebu na gegen die Schiffahrtsabgaben. In der städtischen Tonhalle in Düsseldorf hat am Sonnabend eine Einspruchsversammlung gegen die Einführung von RheinschiffahrtSabgaben getagt, die von Vertretern der Rheinstädte, Handelskammern und wirtschaftlichen Vereine besucht war. Nach eingehenden Berichten, die vom Reichs und Landtagsabgeordneten Dr. Beumer-Düsseldorf sowie dem Handelskammersyndikus Dr. Stein-DuiSburg und Dr. Brandt-Düsseldorf erstattet wurden, brachte der Ausschuß einen Schlußantrag ein, der einstimmig genehmigt wurde und worin es beißt: „Die heute den 17. Dezember 1904 in Düsseldorf tagende Versammlung von Handelskammern, Städten und wirtschaft lichen Vereinen des deutschen Rheinstromgebiets sieht sich ver anlaßt, mit Rücksicht auf die in der Kanalkommiision de« preußischen Abgeordnetenhauses wegen Einführung von Schiff sahrtsabgaben geführten Verhandlungen zu der Frage der Rheinschlffahrtsavgaben erneut Stellung zu nehmen. Sie er klärt einmütig und aufs nachdrücklichste, daß nicht die geringste Veranlassung vorliegt, von dem in der Versammlung vom 9. April 1904 eingenommenen Standpunkt abzugehen, daß sie vielmehr die damals ausgestellten Grundsätze auch heute al- die allein richtigen, dem bestehenden Recht, der Billigkeit und einer ge funden Volkswirtschaft entsprechend« anerkennt und unbedingt an ihnen festhält. Der Vorstand des Verein« der Industriellen des Regierungsbezirks Köln hat im Einklang mit der Handels kammer zu Köln die Beschickung der Versammlung ab gelehnt, weil er die Beschlüsse vvrauSsah. Nach Preß- Mitteilungen betrachtet er zwar ebenfalls die Schiffahrts abgaben als rin unerfreuliches Hemnis des Verkehrs und begt den dringenden Wunsch, daß sie den natürlichen Wasserstraßen erspart werde«; da aber nach dem Be schluß der Kanalkommission des preußischen Landtags zu befürchten ist, daß die Abgaben gesetzlich eingefuhrt werden, hält eS 'der Vorstand für seine Hauptaufgabe, in dieser Angelegenheit nicht an voraussichtlich unfruchtbaren Bestrebungen gegen die Abgaben teilznnehmen, sondern mit aller Kraft dahm zu wirken, daß au« den Abgaben eine
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