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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 15.12.1904
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-12-15
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19041215022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904121502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904121502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-12
- Tag1904-12-15
- Monat1904-12
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Leipziger LagettlUt. Sette S. «r. «38. »8. Jahr«. das Arsenal und das Tcrpedolager auf der Ttgcrjchwanz-Halbinsel, 'cwie die in der Nähe liegenden Schiffe und Boote richtete. Das Torpedolagor üanü eine Stunde lang in Flam in e n. Drei Schiffe wurden zerstört und eins sank: auch wurden Ge bäude schwer beschädigt. Die indirekte Beschießung der fick außerhalb des Hafens auflxrltenden „Sewastopol" wurde eingestellt, da das schlechte Wetter es unmöglich machte, das Schiff zu beobachten. — Der Admiral Togo meldet, daß die javanischen Torpedo- dootSfletillen Zweimal in der Nacht vom 12. und dreimal in der Nacht vom 13. Dezember ange griffen haben, das Ergebnis aber ungewiß ist. Die Torpedoboote begegneten jedesmal luftigem Heuer des Feindes, ein Torpedoboot wurde kampfunfähig, aber zurückgeschleppt, während drei andere je einen Schuß er hielten. Der ganze Verlust der Japaner hierbei be trägt nur drei Verwundete. Dee Vizeadmiral Besobrasow umrde. wie aus Petersburg gemeldet wird, für die Dauer der Abwesenheit Roschdjestwenskys mit den Obliegenheiten des Chefs des Obermarinestabes betraut und mit dem Rechte der Teilnahme an den Sitzungen der höchsten Staatsinstitutionen für den Fall, daß der Verweser des Marineministeriums daran nicht teilnehmen kann. ?olitirche rsgerrcbau. Leipzig, 15. Dezember. Da» Militärpensionsgeseh im Reichstage. Die Stellungnahme der Regierung und der ein zelnen Parteien zum neuen Militärpensionsgejetzent- wurf geht aus den gestrigen Reichstagsreden so klar hervor, daß es sich erübrigt, darüber noch viele Worte zu machen. Die Regierung bat mit Rücksicht auf die Finanzlage geglaubt, den Wünschen der Offiziere und der mititärsreundljchen bürgerlichen Parteien nicht voll entsprechen zu dürfen und deshalb besonders in der viel erörterten Frage der Rückwirkung ihren ablehnenden Standpunkt beibehalten. Immerhin bedeutet auch sc der Entwurf einen Fortschritt, und es wird wohl etwas Greifbares für unsere invaliden Soldaten dabei heraus kommen. Im Einzelnen muß aber doch noch manches heroorgehoben werden. Graf Oriola, der traditionelle Vertreter der National!iberalen bei den Militär- fürsorgedebarten, hat aber einen wunden Punkt der kriegsmunsteriellen Ausführungen richtig hervor gehoben, den Hinweis des Ministers v. Einem auf den Gnadenweg. Die peinliche Empfindung, alten Sol daten die ihnen von Staatswegen zustehendc Hülfe auf diese Weise zutommen zu lassen, wird durch alle noch so entgegenkommende Handhabung nicht aus der Welt ge- sclmft, und hier muß auf Abbülfc gesonnen werden. Auch in Bezug auf das Thema vom Luxus waren die Ansichten des Ministers nicht recht schlüssig. Er be hauptete in einem Atem, der Luxus sei vom Bürgertum in die Armee eingedrungen, und vor 30 Jahren habe man in der Armee nicht sc einfach gelebt wie jetzt. Diese Erfahrungssätze widersprechen einander stracks. Es wäre auch nicht vom Uebel gewesen, wenn in diesem Punkte bindende Zusagen gemacht worden wären. Wenn jedoch schließlich Herr v. Einem meinte, der König von Preußen könne sich in sein Recht, die kommandierenden Generale zu ernennen, nicht hineinreden lassen, am wenigsten von den Sozialdemokraten, so batte er damit sicher Recht, sogar in dem Maße, daß es eigentlich sonder bar anmutet, wenn so etwas überhaupt noch ausge sprochen werden muß. Zur Reform der Militärstrafen. Der General der Infanterie z. D. Frhr. v. Moer- fcheidt-Hüllessem hat vor kurzem den dritten Teil seines Werkes „Ausbildung der Infanterie" herausgogeben. In einem Abschnitt über das Militärstrafgesetzbuch geht der General auf die Bestrebungen zur Milderung der militärischen Strafen ein. Er lehnt nun zwar eine Aenderung der bestehenden Vorschriften ab, macht aber einen bemerkenswerten Vorschlag, durch den etwaige Härten ausgeglichen werden könnten. Dem Bestraften soll nach dem Strafantritt die Aussicht eröffnet werden, daß er sich bei tadelloser Führung während einer be stimmten Frist ein Aussetzen der Strafvollstreckung er wirken kann. Die Strafaussetzung soll ganz nach der Natur des einzelnen Falles verfügt werden. Der General bemerkt durchaus zutreffend: "Tie Aussicht, bei tadelloser Führung in angemessener Zeit die Aussetzung der Strafe zu erlangen, wird auch auf den Sträfling einen wohltätigen Einfluß auSüben und dieser Ein fluß wird sich auch auf die weitere Dienstzeit des Mannes er» 'Necken, wenn er damit eine schließliche Begnadigung erreichen kann." Wir halten -en Gedanken des Generals für gesund und fruchtbar, möchten aber trotzdem auf der Forderung einer Herabsetzung der Mindeststrafenbe- stehen. Mit Recht bemerkt Sie „Voss. Ztg." zu dieser Frage: „Die Sorge, daß durch die Herabsetzung der Mindest, strafen die Disziplin gelockerr werden könnte, würde sich in der Praxi» ebenso scimcll als unbegründet erweisen, wie seinerzeit die gleichen Befürchtungen, die gegen die Abschaffung des Spießrutenlaufens oder der Latten oder ähnlicher Strafen Vorgebracht wurden." - , Londoner Chronik. (Bericht unseres —u. -Korrespondenten.) Loudon, am 14. Dezember. Dor Verlag der „Pall Mall Gazette" hat Cham- bcrlain gebeten, ihm seine Ansichten über die vom Imperialen Verteidigungsausschuß erhobenen Forde rungen zu schreiben, worüber der Premierminister Balfour neulich sich auslietz. Der ehemalige »olo- nialsekrctär hat geantwortet: „Ich heiße die von Balfour für die Kolonialtonferenz gemachten Vorschläge will- kommen. Absolut freie Erörterung jeder Frage, die Gcgcnjeitigkeitsinteresse t>at." In Birmingham pflog der Imperiale Tarifausschutz, Chamberlains getreueste Vereinigung, in seiner Gegenwart dreistündige geheime Beratungen. Sein Sohn, Austcn Chamberlain, der Schatzkanzler, hat eine Wahlkreisfahrt durch Osl- Worcestershirc begonnen. In Sparkhill rechnete er sehr geschickt mit der großen Rede ab, die der Führer der Unterhausopposition in Schottland gelralten hat. Um dessen Parole: „Friede, Einschränkung und Reform" zu widerlegen, wurde das von Lansdowne mit der fran- zösiscl^en Republik getroffene Abkommen benutzt, das die Quellen jahrelanger Mißverständnisse gereinigt habe. Der Sohn des großen Mannes nimmt für sich persönlich in Anspruch, daß er die Finanzen des Landes während der kurzen Frist seiner Verantwortlichkeit weise ver- waltet l>abe. Besondere Liebe wandte Austen Chamber lain natürlich den, Imperialismus zu, und wie sein Vater sprach er seine Freude über die Antwort des Premierministers aus. Jetzt sei zu hoffen, daß nian eine große Konferenz aller Vertreter der britischen Rasse durch die ganze Welt zustande bringe, um gemeinsam die Mittel zu betrachten, wodurch die Reichsunion gefördert werden könnte. Auch Brodrick und Asquith haben geredet. Der Staatssekretär für Indien erklärte, die Notwendigkeit des Besitzes einer vermehrten Flotte sei von allen Parteien anerkannt. — Mr. Spencer Charrington, konservatives Mitglied des Parla ments, Abgeordneter des östlichen Londoner Stadt teils Mile-end-Division, draußen in Tower-Hamlets, erster Teilhaber einer großen Brauerei, ist gestorben. Im Jahre 1885 hatte ihn die Gegend zuin ersten Male gewählt. Konservativer Kandidat für dieErsatzwahl ist wieder ein Geschäftsmann, Herr Eduard Mann, der liberale Kandidat Herr B. S. Straus. Roosevelt als Wirtschaftsreformer. Der Präsident Roosevelt hat sich, obwohl er in seiner Botschaft lieber stumm war, durch den Eifer, womit er die Tarisrevision außerhalb dieser Bolschast vertrat, die wuch tigste Opposition großkapitalistischer Senatoren aus der re publikanischen Partei auf den Hals geladen. Herr Hale, Senator von Maine, der gern die Rolle des toten republi kanischen „Boß" Marc Hanna weiterspielen würde, hat als Fazit deS umfangreichen Wahlsiegs hinzesteüt, daß der Tarif ohne Aenderungen beibehalten werde. Der gegen wärtige Senatspräsident Frye und der parlamentarisch ein flußreiche Sprecher Cannon sind Hales Bundesgenossen, und man kann Wohl verstehen, daß gegenüber dieser Clique Herr Roosevelt der achtundfünfzigsten Session ihre wenigen Wochen noch gönnt, daß er eö vorzieht, mit dem neununvfünfzigsten Kongresse, seinem willfährigen Instrument, zu hantieren. Herr Roosevelt hat sich für eine Herabsetzung des Tarifs „im geeigneten Augenblick" schon durch fein Annahme schreiben begeistert. Er braucht Versprechen ja nicht zu halten, aber, da zum Beispiel in Massachusetts der demolratische Gouverneur DouglaS mit dem Vorschlag» für diesen Staat ein spezielles Tarif revisions - Komitee cinzusehen, Erfolg hatte, wird dem Präsidenten seine Klugheit sagen, daß die Zeit ge kommen ist. Man erwartet, daß im März eine Exlrasession des Kongresses berufen wirb. Hinzuzufügen ist, daß der Korrespondent der „Köln. Ztg." ein Obsiegen der Tendenz in Aussicht stellt, den Gordischen Knoten der Handels verträge durch Einführung von Maximal- und Minimal zöllen zu zerschneiden, wobei der Präsident Vollmacht erhielte, jeden fremden Staat nach Verdienst und Gegenleistung zu behandeln; so könne es wohl geschehen, daß, statt einer Durchsicht des ZollgesetzeS, durch einen Horizontal schnitt ein doppelter Taris mit 10—20 Proz. Unterschied in seinen Maximal- und Minimalzöllen geschaffen wird. Für die Anwandlungen der Mehrheit ist bezeichnend, daß gestern auf der Iustizkommission eine Resolution auf den Tisch d«S Repräsentantenhauses gelegt wurde, die eine Untersuchung gegen den Stahltrust verlangt. Dieser Trust war es, den schon unnüttrlbar nach dessen Bildung im Februar iSOl der Republikaner Babcock au» W'Sconsm durch einen Antrag auf zollfreie Einfuhr gewisser Eisen- und Stahlwaren nieder halten wollte. veuircder Keiev. Leipzig, 15. Dkzember. * MittclVetttsche vergarbctterkonfcrenz. Eine unter dem Vorsitz de« Präsidenten des deutschen Bergarbeiterverbands, ReichstagSabgeordneten Hus, in Halle a. S. tagende, von 15 Delegierten besuchte mitteldeutsche Berg- arbeiterkonferen; beschloß eine Resolution, in welcher eine auch die Arbelterverhältnisfe treffende reichsgesetzliche Regelung des Bergwesens als unumgänglich bezeichnet wird. Das Berggesetz soll vornehmlich festsetzen: 1) Achtstündige Schicht mit Ein- und Ausfahrt für alle Arbeiter, sowohl unter, wie über Tage; Sechsstundenschicht bet einer Temperatur von 28 Grad. 2) Verbot deS unterirdischen An fahrens von Arbeitern unter 18 Jahren. Gänzliches Verbot der Frauenarbeit. 3) Teilnahme der Belegschaften an den Werks kontrollen durch die von der Arbeiterschaft gewählten Hilfsinspck- toren, die vom Staate besoldet werden müssen. 4) Genügende sanitäre Einrichtungen; Waschanstalten; Bedürfnisorte, Ber- lchlenfürsorge auf dem Werke rc. 5) Einheitliches KnappschaslS- weien auf der Grundlage ausschlaggebender Teilnalnne der Arbeiter an der Kassenverwattunq, damit die Versicherten selbst Einfluß haben auf die Ausgestaltvng ibrer Versickerung. 6) Re gulierung der Gedingfestsetzunq, nm einer Uebervorteilung der Arbeiter vorzubeugen. Die Resolution soll ungesäumt der Regierung unterbreitet und auch im Reichstage zur Sprache gebracht werden. Die Delegierten schilderten namentlich di« sanitären Verhält nisse aus den Gruben in schwärzestem Lichte und bezeichneten die Löhne der Bergleute als kläglich. Bergrat Schröcker von den Riebeckschen Montanwerken entgegnete u. a., daß nach dem übereinstimmenden Urteil der Aerzte von Wurm krankheiten in den mittelbeulschen Revieren keine Rede sein könne. Ingenieur Haus suchte nachzuweiseu, daß in der Oberlausitz der DurchschnittSlohn nicht, wie behauptet werde, 98l, sondern 1200 --2 betrage; .viele Arbeiter kämen sogar aus monatlich 140 -6; 36 Proz. wohnten in Arbeiterwohn- bäusern, die die Werksverwaltungen auf ihre Kosten gebaut batten; sehr viele Bergleute seien ansässig und sogar kleine Bauern. * Unbewußter Revisionismusf In dem vom Deutschen Metallarbeiterverbande heraltsgegebenen Nvtizkalender für 1905 heißt es unter der Rubrik „Kleines Lexikon des gewerbliche» Rechts": Wegblciben von der Arbeit am i.Mai ist Kontrakt bruch und berechtigt den Arbeitgeber ru Schadenersatzansprüchen <tz 121 b der Gew.-O. — G. G. Berlin K. 5. 9. 6. 1902). „Es k.rnn gar keinem Bedenken unterliegen, daß das Ausbleiben von der Arbeit ge rade am 1. Mai ohne die Genehmigung des Arbeitgebers, als ein unbefugtes Verlassen der Arbeit im Sinne der Gewerbeordnung auszufassen ist." <G. G. Berlin K. 3. 1. 6. 1899.) — Die „Leipziger Volkszeitung" ist ganz entsetzt darüber, daß der Arbeiter-Notizkalender des Deutschen MetallarbeiterverbandeS diese Feststellungen einfach wiedergiebt, ohne ein Wort des Tadels oder der Widerlegung. „Man ist, schreibt das Scharsmachrrblatt Mehring-, wirklich sehr im Zweifel, obdas(nämlich „das Wcableibenvon der Arbeit am 1.MaiistKontraktbruch)nicht auch die MeinungderLeitung des Deutschen MetallarbeiterverbandeS ist. Man wird bald die Attacke verstehen lernen, die auf dem Bremer Partei tage von verschiedenen Seiten auf die Maifeier des deutschen Proletariats gemacht wird." An der Spitze ihrer Auslassung sagt die „Leipz. VolkSz."; „Unbewußter Revisionismus?" Die neue Richtung, Vie sie überall wittert und unterzukriegen sucht, muß ihr doch stark auf die Nerven gefallen sein! * Ueber die Geschäftslage der Apotheken im laufen- den Jahre veröffentlicht die „Apothekerztg." eine Uebcr- sicht, aus der l-ervorzuheben ist: Die Rezeptur qeht zu rück und wird, infolge der mehr und mehr vereinfachten Verschreibweise der Aerzte immer weniger gewinn- bringend. Weiter erklärt die „Apothekcrztg.", daß die Verlegung des Verkehrs mit Süßstoff in die Apotheken diesen einen nennenswerten Umsatz nicht gebracht, deren Betrieb aber sehr erschwert hat, und daß weiter den Apo- theken aus -em Warenzeichengesetze zumal in Preußen Schwierigkeiten erwachsen sind. G verlin, l5. Dezember. ' Der Kaiser wird aus der M i tt e l m e e r r c i s e von der Kaiserin begleitet werden. Am Mittwoch Donnerstag, IS. Dezerrröer 1V04. morgen sprach der Kaiser beim Reichskanzler vor, cm- pfing im Königlichen Schlosse den Maler Professor Friese, der Sckizzen vvrlegte, uüd hörte den Vortrag des Chefs des Zivilkabinetbs, Wirkl. Geh. Rats Dr. von LucanuS. Hierauf empfing der Kaiser den Direkter der Königlichen Porzellanmanufaktur, Geh. RcgierungS- rat Dr. Heineke, und den Vizepräsidenten des Herren- Hauses, Frhrn. v. Manteuffel, Exzellenz, und hörte den Vortrag des Hausministers v. Wedel. Zur Frühstücks- täfel war Major v. Cranach, Kommandant der Wart burg, geladen. Nachmittags gedachte der Kaiser bei Prof. Lessing Modelle für das Königliche Schauspielhaus zu besichtigen. * BetlcivStclegramm de» Kaiser» an Pie Familie Hammacher. Der „Nationalztq." zufolge telegraphierte der Kaiser an den Sohn Friedrich Hammacher», Polizeipräsidenten Hammacher: „Empfangen Sie mein herzlichstes Beileid zu dem schweren Verlust, der Sie und Ihre Familie durch da» Htnschciden Ihres Vaters betroffen hat. Die Verdienste, welche der Verewigte sich um die Entwickelung unseres öffentlichen Lebens, insbesondere auf kommerziellem unb industriellem Gebiete erworben hat, sichern ihm alle Zeit ein ehrenvolles Gedenken. Wilhelm R." * Ter Hauptvorstand des Allgemeinen Deutschen Schulverein» zur Erhaltung des Deutschtums im Aus land hielt unter der Leitung seines ersten Vorsitzenden, -cs Kaiser!. Gesandten z. D. v. Braunschweig, seine letzte diesjährige Sitzung ab, eine sehr arbeits- reict« Sitzung. Vor allem wurde von den Vertrauens, männern für die verschiedenen Arbeitsgebiete des Schul- Vereins, von den Herren Dr. Vernarb-Potsdam, Pfarrer (jstnnper-Dresden, Prcf. Höniger, Geheimrat von der Leyen, Schriftsteller Pröll, Privatdozent Dr. Spies, Professor Steig und Professor Tangl Bericht erstattet über die eingegangenen Gejuckte. Je nach den Ergeb nissen sorgfältig eingezogener Erkundigungen und so weit es mit den leider ncch viel zu spärlichen Mitteln dos Schulvcrcins möglich lvar, ward allen bittenden und be drängten Landsleuten und deutschen Gemeinden des Auslandes Hülfe und Unterstützung, ob sie in Süd brasilien als Pioniere neuer deutscknw Kultur stehen, ob sic in Böhmen oder Ungarn den Derteidigunqskampf für alten deutsckien Besitzstand kämpfen. Geldbeträge an Gemeinden für Schnlgründung und Schulerhaltung, Lehrmittel, Büchereien, Stipendien, diese üblichsten Formen der Unterstützung naticnaler Kulturarbeit wurden zamreich gewährt, wenn auch meist durchaus nicht im wünschenswerten Umfang. Zu den vom Schul- verein zu lösenden Aufgaben steht eben die ihm zu teil werdende Mitarbeit reichsdeutscher Kreise immer noch in keinem Verhältnis. Gott besscrs! — Dem Vorstand ein- stimmig zugewählt wurden die Herren Professor G. Lenz- Darmstadt und Geheimrat Dietrich Schäfer-Steglitz; als neues Vorstandsmitglied zum ersten Mal anwesend lvar der Neichstagsabgeordnete Held. Die nächste, eine hcsondors wichtige Sitzung, findet ani 7. Januar statt. Vertreter aus allen deutschen Gauen werden zu ihr er- scheinen. * Von einer friedlichen Entwaffnung der Ci«, geborenen eines Schutzgebietes wird in der dem Reichs- tage soeben unterbreiteten Uebersicht der Einnahmen und Ausgaben der Schutzgebiete für das Jahr 1902 be richtet. Danach ist die Mehrausgabe über den Etat hin aus für Entwaffnung der Samoaner entstanden. Nach der Uebcrnabme der Schutzherrschaft stellte es sich her- aus, daß bei der seinerzeit noch von den Vertragsmächten veranlaßten Entwaffnung der Eingeborenen diese den Besitz zahlreicher Gewehre verheimlicht hatten, deren Auslieferung gegen Entschädigung sie selbst anboten, nachdem Vertrauen zu der deutschen Herrschaft bei ihnen eingekehrt war. Im politischen Interesse war es an gezeigt, auf diesem friedlichen Wege die Entwaffnung durckzuführen. Kosten sind dadurch in Höhe von 28 400 Mark entstanden. " Für die Reichstagsersatzwahl in Kalbe-Aschers leben hat der Bund der Handwerker den Obermeister der Berliner Tischlerinnung, Rahardt, als Kandidaten auf gestellt. Rahardt aber trat, nach der „Staatsbürger, zeitung", wegen geschäftlicher Ueberbürdung die An nahme einer Kandidatur abgelehnt. — Ter Ausschuß des Bundesrats für Justizwesen, der Aus schuß für Zoll- und Steuerwesen, die vereinigten Ausschüsse für Zoll- nnd Steuerwcsen und für Justizwesen, sowie die vereinigten Ausschüsse für Handel und Verkehr und für Zoll- und Steuerwesen hielten am Mittwoch Sitzungen. — Zur Landtagswahl im Kreise Leobschütz-Kofel teilt mau der „Kattowitzer Ztg." mit, daß im Polenlager die Absicht be stehe, wegen der gänstichen Aussichtslosigkeit eines polnischen Wahl sieges von der Aufstellung eines polnischen Kandidaten gänz lich abzusehen. — Tie Differenz zwischen dem Berliner Stadtver- ordnetenvorsteher Dr. Langerhans und der Stadtver ordnetenversammlung ist jetzt beigelegt. Langerhans hatte, wie berichte», der Verhandlung eines sozialdemokratischen südlich herüberkcmmen, — und ich glaube, auf uns alle zusammen freut sie sich nicht halb so sehr, wie auf das Karlemännchen." „Das ist nun wohl Uebertreibung, Lombardi! Aber natürlich, sie würde sehr unglücklich sein, ihren Liebling nicht zu finden. Sie weiß wenigstens, daß er krank ist" — „Versteht sich! Jeden Tag habe ich geschrieben und hat sie geschrieben, und auf die Seele bat sie mir's ge bunden, ihr zu depeschieren, sowie, — sowie" — „ES wird nicht nötig semi Ruhig, ruhig, Nachbari Sie kaffen es ja an nichts fehlen, — der Arzt ist zur Stelle, das Kind hat die beste Pflege, — die Lina wankt und weicht nicht vom Bettchcn, und Ihre Trude ist die Gewissenhaftigkeit selbst. Die schlägt der Annemi nach, — bloß nicht so sonnig und so lieblich ist siei" „Wenn ich bloß — wenn ich bloß" Lombardi steckte sehr umständlich sein Baumwolltuch weg, legte die flachen Hände auf die Knie und rieb sie darauf hin und her, als wolle er das abgeschabte schwarze Tuch noch blanker polieren — „toenn ich bloß mehr Vertrauen zu diesem Doktor hätte! Er — er sagt einem gar nichts! Kommt, — sieht sich das Kind an, — mißt die Tem- veratur, — brummelt was in seinen Bart, was kein Mensch versteht, und schreibt irgend etwas auf, was .'ein Jota Hilst! Und wie ich ihn heute früh direkt frage, wie es denn steht und ob er hofft, das Kind durchzu- bringen, da sagt er bloß: Ich komme nachmittags wieder! Nun sagen Sie, Nachbarin, was sollich damit? Davon wird mir mein Herzblatt, mein Karlemännchen nicht gesund! Ob er auch ein guter Kinderarzt ist, dieser Doktor?" „Nun, hoffentlich doch! Ich weiß eS nicht, aber ich meine" — „Wann kommt Ihr Sohn, liebe Frau Kühne, — mann kommt er?" Ein Heller Freudenschein flog über das gute, runde Gesicht der behäbigen Frau. „Morgen in der Frühe, um acht. — Aber, Nachbar, mein Hans, der ist nun gar kein Kinderarzt! Sehen Sie, der hat sich dis kranken Nerven auf's Korn genommen und kuriert daran herum, — das ist seine Spezialität, — meine Asta sagt, um andere Krankheiten kümmert er sich nicht!" „Ach Gott, — wenn auch! So rasch berühmt ge worden, wie er ist und so klug" — „Ja, klug i st mein Hans" — „Und so gut, wie er immer war" — „Seelengut, — ja! Besser, wie mein Junge, kann nun schon wirklich keiner sein!" „Und hat immer so viel Anhänglichkeit gegen uns gezeigt" — „Das hat er! In jedem Brief hat er nach Ihnen gefragt!" „Ein Zutrauen hab' ich zu Ihrem Sohn, — ein Zu trauen, — hundertmal mehr, wie zu diesem Doktor hier! Was meinen Sie ob er wohl kommt und sich mein armes Jungchen ansieht, wenn ich ihn so recht Herz- lich bitte?" „Mein HanS? Aber natürlich, Nachbar! Von Stolz und Ueberhebung weiß der nichts, — dazu ist der viel zu klug! T-er kommt, — darauf können Sie sich ver- lassen!" „Tank Ihnen vielmals! Und bis dahin würden Sic vielleicht — vielleicht jetzt — es — es wär' mir eine solche Beruhigung" — „Wieder nach den« Karlemännchen sehen? Gewiß, Lombardi, — von Herzen gern! Ich kann mir zwar nicht denken, daß in den paar Stunden irgend welche Veränderung,.... aber wenn Sie eS sich wünschen, natürlich'" Frau Kühne strich sich den Klößenteig von den Händen, deckle die Schüssel zu und stellte sie auf den Küchentisch. Dann ließ sie sich einen gehörigen Strahl kalten Wassers aus der Leitung über die Hand« laufen und trat auS den Pantoffeln heraus in ein Paar derbe, bequeme Leder schuhe, die ein- für allemal ihren Platz neben einem niedrigen Schemel hatten. „So, Nachbar, jetzt kann die Reise vor sich gehen!" Sie klopfte dem jetzt wieder ganz trübsinnig in sich zusammengesunkenen Kopisten aufmunternd mit der flachen Hand auf den Rücken. Draußen lag alles im hellsten Sonnenschein. Dee- Mai hatte diesmal Wort gehalten, war bisher ein Kuß gewesen, „den der Himmel gab der Erde"; jetzt schon, um die Mitte des Wonnemonats, blühten die Obstbäume in voller Pracht, von warmer Lust umfächelt. Aus dem kurzen Weg, den Nachbar und Nachbarin miteinander gingen, durch des Färbers Garten hindurch, lag alles drunten weiß überschriest von Blütenblättchcn, und doch standen Kirsch- und Birnenbäume wie riesige Helle Bouquets da, ab nnd zu von einer rosig schimmernden Wolke unterbrechen, — die knorrigen, alten Apfelbäume waren es, die sich ihr entzückend duftiges Blütengewand übergeworsen hatten. Lombardis müder, verschwommener Blick ging rund um. Nachbar Kühnes Garten! Der Wohltäter seiner Kinder, deren eigenes Gärtchen nur so klein nnd dürftig lvar! Hier hatte Hans Kühne als Schüler für Asta und Annemarie eine Schaukel gezimmert, — sic stielt noch jetzt vcr und wurde häufig von den Zwillingen benutzt! Dort, seitwärts auf dem Rasenplatz, pflegte Annemarie ihre Wäsche zu bleichen und zu trocknen, — — da standsn die Himbeer- nnd Stachelbeerbüsche, an denen des Kopisten Kinder sich laben durften, — in der kleinen Bohnenlanbe hatten die Nachbarsleutc manch' gemüt liches Feicrabcndstiindchen im Dämmerlicht gehalten. Ueber den etwas schiefgeneigten Zaun hingen die schweren blaßlila und weißen Fliedertrauben, — die hatte Anne- marie so leidenschaftlich geliebt. Der Vater sah sie im Geist dort stehen, das schmächtige Figürchen auf Fuß spitzen emporgereckt, mit beiden Armen die blühende Last zu sich niederziehend, das kleine Gesicht ganz in den Dolden vergraben, nm den süßen Frühlingsduft zu trinken. — Auch jetzt war die Luft schwer von diesem weichen Trift, goldenes Licht flutete in breiten Wellen drüber her, hundert zarte SchmetterlingSslügclchen wirbelten nnd tanzten nm die Fliedcrhecke. Leben über all, und Erwachen und Auferstehen .... konnte cs wirk- lich sein, daß der Tod durch diese lachende JrllhlingSland- schäft geschritten kam nnd sich die lieblichste Knospe holte, die hier blühte? Vor wenigen Tagen noch war das Karlemännchen hier lustig hcrnmgesprungcn und hatte entzückt die dicken Händchen zusammengeschlagen, als es die weißbliikrendsn Bäume und den Flieder sah. Wie berauscht von Lcnzcs- wonne war das Bübchen gewesen, hatte gejubelt und sich auf dem Grasplatz gekugelt, daß ihm die abgestreuten Blütcnblättcr in den krausen Härchen sitzen geblieben nxrreu! Denselben Abend noch hatte das Kind heiße Händchen bekommen und einen glühenden Kopf, hatte ge fiebert und mit mattem Kopfschütteln seine Milch zu trinken verweigert, — und der Arzt, den man vor Ein- bruch der Nacht noch hcrbcikwltc, hatte ein böses Wort gesprochen: Gehirnentzündung! — Ltill, still lag das kleine Haus des Kopisten im Mai- sounenschein: kein Kinderlachcu driunen, kein rascher Schritt, keine hastig zngeworfcne Tür. Heinz und Trude waren noch m der Schule, in der schmalen Küche brodelte das Mittage'seu auf dein Herde. Im Vorübergehen lvarf Mutter Kühne einen sachverständigen Blick darauf, — cs war alles in Ordnung. — Gerade kamen die Zwillinge mit ihren Schiefertafeln und Heften nach Hause, sie wurden von Lina Grunwaldt, die eben lautlos die Zimmertür öffnete, herangewinkt: „Euer Frühstücks- brot liegt in der Küche auf dem Fenster, — nehmt eS, und eßt es im Garten auf, und dann spielt ganz still draußen mit der schönen Berliner Puppe von Annemi,... hört Ihr? Ganz still!" - - (Fortsetzung folgt.)
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