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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 14.12.1904
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-12-14
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19041214021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904121402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904121402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-12
- Tag1904-12-14
- Monat1904-12
- Jahr1904
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BezugS-PreiS dl d« Hcmplexpedition oder deren Ausgabe» pellen ab geholt: vierteljährlich 3.—, bei zweimaliger täglicher Zustellung ins Hau» 3.75. Durch die Post bezogen für Deutsch, land u. Oesterreich vierteljährlich 4L0, für dir übrigen Länder laut ZeitungSpreiSliste. Diese Nummer lostet 4 M 7 aus allen Bahnhöfen und III I bei den ZritungS-Berkäufern I * Redaktion und Expedition: 153 Fernsprecher 222 Johannidgape 8. Haupt-Filiale Dresden: Marienstrahe 34 (Fernsprecher Amt I Nr. 1713). Haupt-Filiale Berlin. CarlDuncker, Herzgl.Bayr.tzofbuchbandlg, Lützowuraße 10 (Fernsprecher Amt VI Nr. 4603). Abend-Ausgabe. MpMcr.TllgMM Anzeiger. Amtsblatt des Lönigliche« Land- und -es Lönigkichen Amtsgerichtes Leipzig, des Rates un- -es Nolizeiamtes Ser LtaSt Leipzig. Anzeigen-PreiS die 6 gespaltene Petitzeile 25 Reklamen unter dem RrdaktionSslrich (4gespalten) 75 nach den Familiennach« richten <6gespalten) 50 -H. — Tabellarischer und Zifsernsas werden entsprechend höher b«. rechnet. — Gebühren für Nachweisungen und Ossertenannahme 25 Annahmeschluh für Anzeigen. Abend-Ausgabe: vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: nachmittags 4 Uhr. Anzeigen sind sletS au die Expedition zu richten. Extra-Beilagen (nur mit der Morgen- Ausgabe- nach besonderer Vereinbarung. Die Expedition ist wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig (Inh. Vr. R. L A>. Klinkhardt). Nr. 836. Mittwoch den 14. Dezember 1904. 98. Jahrgang. Vas Mehligste vom Lage. * Vor dem Reichsgericht begann heute der Lanüesverratsprozeß gegen den Spezerei- Händler Michel Hense aus Nancy. (S. Prozeßbericht.) * Ter nächstjährige preußische Etat wird noch in diesem Monat fertiggestellt werden. * Der Bremer Argo-Dampfer „Louisian a" ver ließ gestern Hamburg mit Munition und Proviant für unsere Truppen inSüdwestafrika. * Die ungarischeOpposition hat infolge der Absicht Tiszas, sich von Militär begleiten zu lassen, be- schlossen, heute bereits um 8 Uhr vollzählig im Parlament zu erscheinen und Gewalt mit Gewalt zu beantworten. (S. Ausland.) * In Moskau fanden ähnliche Studenten- unruhen wie in Petersburg statt. Die Polizei hatte umfassende Maßregeln getroffen. (S. Pol. Tagesschau.) * Die „Humanitä", das Blatt des Abgeordneten Jaurds, kündigt eine „sensationelle Verhaf tung" im Zusammenhang mit Sy Veto ns Tod an. (S. Ausland.) * Ter Fried ensvertragzwischenArgen- tinienundParaguayistan Bord eines argen tinischen Kriegsschiffes in Gegenwart des diplomatischen Korps unterzeichnet worden. vor sächsische Lanütag ui«l Sie Industrie. Die „Sächs. Natlib. Korrcsp." schreibt: Durch die konservative Presse Sachsens ging dieser Tage ein Artikel, der sich mit der angeblich von linksliberalcn und parteilosen Blättern betriebenen „planmäßigen Hetze" gegen Luc „industriefeindlichc" konservative Partei bc schäftigt und den Nachweis versucht, daß die Mehrheit der Zweite« Kammer der Industrie nicht nur nichts schuldig geblieben sei, sondern vielmehr das Haupt verdienst an ihrem Gedeihen beanspruchen könne. Dieser Nachweis wird in der Hauptsache geführt durch eine Aufzählung der zur Förderung der Industrie seit 1891. gebauten Eisenbahnen. Nicht tveniger als 75 Millionen Mark seien für industrielle Bahnbauten und nur 9 Millionen für Bahnen durch vorwiegend ländliche Gebietsteile ausgegebcu worden. — Wir verzichten auf eine nähere Prüfung dieser Beweisführung, glauben aber, daß die „Sächs. Pol. Nachr." sich ihre Aufgabe etwas zu bequem zurecht gelegt haben. Die aus indu striellen Kreisen geltend gemachten Anschauungen gehen bekanntlich von der unbestreitbaren Tatsache aus, daß die Zusammensetzung der Ersten Kammer wie der Zweiten heute auch nicht mehr annähernd der Gruppierung der beiden wichtigsten Erwerbsständc in der Bevölkerung entspricht. Nach den Berufszählungen beträgt der Anteil der landwirtschaftlichen Bevölkerung nur noch 13Prozent,der der industriellen aber 58Prozent; im Handel und Verkehr sind 14 Prozent tätig. In der Ersten Kammer befinden sich aber neben 27 Vertretern des platten Landes nur zwei Mitglieder, die als Ver treter der Industrie und des Handels anzusprechen sind. Die Zweite Kammer weist 45 Abgeordnete aus länd lichen Wahlkreisen auf, neben nur 37 aus städtischen Wahlkreisen. Wenn wir nun auch keineswegs das Ideal in einem nach Berufsständen gegliederten Parlament sehen, so ist es,doch wohl erlaubt, angesichts der jetzigen Zusammensetzung der Ersten wie der Zweiten Kammer von einem Mißverhältnis zu sprechen. Abg. Lang- hammsr, der in einem im Verband der sächsischen Industriellen gehaltenen Vortrage das Bedenkliche dieses Zustandes klar auseinanderlegte, kam mit Recht zu dem Schluß, daß die Forderung einer Reform, vor allem eine Neueinteilung der Wahlkreise unabweisbar ist. Wenn nun in der Presse diese Forderungen nach drücklich verfochten werden, so mag dies für die Partei kreise, die sich unter den jetzigen Verhältnissen wohl be finden, lästig sein. Das ist aber noch kein Grund, von einer „planmäßigen Hetze" zu reden. Die „Sächs. Pol. Nachr." glauben den Eindruck ihrer Beweisführung noch dadurch zu verstärken, daß sie die Behauptung von einer Benachteiligung der Industrie gegenüber den landwirtschaftlichen Interessen- einfach als „Verleumdun g" abtun. Auch hier schämt der Aerger über eine unliebsame Kritik das Gedächtnis des eifrigen Verteidigers stark zu trüben. War die Tat sache der Einführung einer sog. Ergänzungssteuer, die die Ertvcrbsstäude bedeutend belastete, das landwirt- schaftliche Kapital aber freiließ, etwas anderes als der Ausdruck einer einseitigen agrarkonscrvativen Richtung? Wenn die konservative Partei sich später herbestieß, die Aufheklüsig dieser Einseitigkeit zu beantragen, -so tat sie das notgedrungen auf einen Druck aus den eigenen Rechen heraus. Es g i-l t eine Abspaltung der konservativen Industriellen zu ver hüten. Man will nicht so bald wieder ein Mißver gnügen erleben wie bei der Abstimmung der Gememde- steuerreform, die, wie erinnerlich, mit einemmal 22 Herren von der Rechten an die Seite der National liberalen sicherte. Nun ist man jetzt allenthalben in den Wahlkreisen, die für die nächsten Landtagswahlen in Be tracht kommen, mit der Gewinnung von Kandidaten be schäftigt. Die konservative Parteileitung ist klug genug, um zu wissen, -daß hierbei in einer ganzen Reihe von Kreisen nur mit Männern aus der Industrie durchzu dringen ist. Diesen den Eintritt in die konservative Fraktion zu erleichtern und politische Gewissensbisse von ihnen abzuhalten, tut jetzt not. Vom konservativen Standplrnkt gewiß eist sehr löbliches Bemühen, zu dem aber die nationallibsrale Presse nicht schweigen kann. Sie Feuilleton. Die heilige Caecilie. svj Roman von Marie Bernhard. Nachdruck verboten. Einen bösen Auftritt hatte es in der Tat zwischen Oswald Mendel und seiner Mutter gegeben. Zum ersten Male, so lange er zurückdenken konnte, hatte sie nicht so beschönigend, vermittelnd eingegriffen. Seine Heirat war in ihren Augen ein halbes Verbrechen; die junge Frau, die ihn zu diesen sinnlosen Ausgaben ver leitete, war ihr stets ein Dorn im Auge gewesen, mühsam nur war eine gewisse Form zwischen Schwiegermutter und Schwiegertochter gewahrt worden, — eine hohle Aeußerlichkeit, die beim leisesten Anstoß zerfiel. Jetzt kam der Sohn und brauchte die mütterliche Hilfe, — Frau Mathilde vergaß, wollte vergessen, daß er diese Hilfe Jahr um Jahr in Anspruch genommen hatte, sie wälzte alles auf Annemaries Schultern, es war ihr eine Wohltat, dies zu tun. Aufgeregt, empört, wie sie war, wurde es ihr nicht einmal besonders schwer, dem ver- götterten Sohn mitzuteilen, daß sie ihm nicht mehr helfen könne, daß ihr Vermögen bis auf den letzten Rest erschöpft und immer nur einen Weg gegangen sei, den er, gerade er, gut genug kennen müsse! Sie hatte ihm dies schon, wenn auch in anderer Form, kurz nach seiner Hochzeit gesagt, da sie einen Posten drückender Schulden aus R. für ihn bezahlt, ihm bei seiner Einrichtung tatktäftig ge holfen hatte; dies war das letzte gewesen, was sic für ihn tun konnte! Oswald hatte es gehört, aber mit über- legenem Lächeln abgetan: ein Schreckschuß von Mama, um ihn zum Sparen und Knickern Annemarie gegenüber zu bewegen weiter nichts! — Mit einer Art tragt- schen Triumphs hatte die Mutter es ihm eben jetzt wieder und wieder ins Gesicht geschleudert: „Ich kann dir nicht helfen, — meine Mittel sind zu Ende — zu Ende! Sieh zu, wie du cs machst!" Ja — wie? Die Stelle verlieren, — keine neue in Aussicht, — Schulden über Schulden, .... was be ginnen? Unterricht erteilen? Was dabei herauskam! Kaum das nackte Leben, da sich Leute aus reichen und vornehmen Kreisen schwerlich um den abgesetzten Kapell meister der Scherwitz-Oper als Lehrmeister reißen wür den! Die neue Oper? Aber es stand noch nicht einmal der Entwurf dazu auf dem Papier! Es war viel einfacher und bequemer, große Worte und hochtönende Phrasen zu machen, als ein großes Werk zu komponieren, das Ruhm und Gold brachte! — Und jetzt dies noch — dies: Anne marie, dies junge Geschöpf, eine preisgekrönte Kom ponistin! Und nicht etwa künstlich dazu gestempelt durch hohe Protektion, durch einflußreiche Nachhilfe, — einfach sich selbst und ihrem Können mußte sie diesen Erfolg danken! Die Preisrichter waren tüchtige Musiker von Fach, die teilten ihre Prämien mit Vorbedacht aus! Dies alles ging rasch, Blitz und Schlag, durch Oswald hin, während er vor Annemarie stand und sie in sein ver störtes Gesicht sah. Es blieb zunächst still. Die junge Frau schluckte an ihrem Kummer, ihrer Enttäuschung, ihren aufquellenden Tränen. Ach, sie war so ganz für die Freude, für die Sonne geschaffen, die kleine Annemi, — in ihrem armen Vaterhause hatte sie sich Freude und Sonne zu verschaffen gewußt, hatte jeden Tag irgend ein unscheinbares Blümchen, das andere achtlos übersahen, auf ihrem Wege gefunden und sich daran gelabt, — und jetzt, heute, da es unvermutet wie ein ganzer Regen köstlich duftender Rosen auf sie herabgefallen war, entzückend und be- gkEkend weit über ihr Erwarten, — da mußte ihr die ganze Freude verdorben werden .... durch ihn, der ihr der nächste und liebste Mensch auf Erden sein sollte! Ach .... warer das? muß darauf aufmerksam machen, daß der Industrielle, der der konservativen Fraktion beitritt, mit dem innerhalb dieser Fraktion vorhandenen starken agrarischen Druck unbedingt zu rech nen hat,derihnbeier st erGelegenheitiu sehr ernste Konflikte mit seinen Wählern bringenkann. Es mag richtig sein, daß die konser- vative Partei in Sachsen sich dein Bunde der Landwirte gegenüber noch etwas Unabhängigkeit bewahrt hat, aber sie hat doch schon mehr als eines Geistes Hauch von ihm verspürt, und die „Deutsche Tageszeitung" redet auch in die sächsisch Politik der konservativen Partei sehr wacker drein. Tie konservative Partei in Preußen, die den großen Mittellandkanal glücklich zu einem Stückwerk verstümmelte, hat jedenfalls nach den Interessen der sächsischen Industrie, die von dem bis zur Elbe gehenden Mittellandkanal Gutes zu erwarten gehabt hätte, von dem Rumpfkanal aber das Gegenteil zu be fürchten hat, nichts gefragt. Diese Benachteiligung Sachsens, welche dieser Tage der Abg. P. Schulze in einer Versammlung des Nationalliberalen Vereins Dresdcn-Land-Radebeul schlagend nachwies, verdient ge bührend beachtet zu werden, zumal da nichts davon zu vernehmen war, daß die sächsische Schwesterpartei auch nur versucht hätte, irgend welchen Einfluß auf die preußischen Kanalfeinds auszuüben. Das ist um so merk würdiger, als in der sächsischen konservativen Partei In dustrielle sind, welche die Bedürfnisse unserer Industrie sehr wohl kennen, sich also wohl auch mit den Kanalwünschen Sachsens vertraut machten. Es ist ja hübsch, wenn sich die „Sächs. Pol. Nachr." bemühen, das Verdienst der konservativen Partei um die sächsische Industrie hcraus- zustreichen, liegt doch darin eine löbliche Anerkennung ihrer Bedeutung; aber die „Sächs. Pyl. Nachr." ver wenden zu jenem Zweck zu viel bengalisches' Licht. Das kann^ndere Leute nur veranlassen, nachzuprüfen, wie sich diese Verdienste im nüchternen Tageslichte ausnehmen. ver riirrircb tapanircve Weg. Die Affäre de» Rapitänlerrtnairt» Alad» hat in Petersburg das Interesse an den eigentlichen KriegSoorgängen abgeschwächt. Nach der „Nowoje Wremja", die der Angelegenheit einen zustimmenden Arnkel widmete, gingen Hunderte an Klado gerichtete Zustimmungs schreiben ein. Gegen tausend Personen besuchten die Haupt wache, um ihn zu sehen, sie wurden aber nicht zugelassen. Für ein Stipendium, das Klavos Namen tragen soll, sandte auch die Gattin des Admirals Roschdjestwensky einen Beitrag. Wie dem „Tag" geschrieben wird, ist der die Heerestätigkeit betreffendeTeil derAujsätze, wenn nicht von einem höheren Generalstabsoffizier selbst geschrieben — man nennt den jetzigen Generalquartiermeister iu Warschau General major Woronin als Verfasser — so doch sicherlich durch den Generalstab beeinflußt, in welchem man Kuropatkin nicht wohlgesinnt ist. Jedenfalls hat die Beweis führung „Ohne Sieg der Flotte schimpflicher Friede" den größten Eindruck gemacht und die allgemeine Er bitterung gegen die Flottenverwaltung wach gerufen. Diese sowie die Forderung der Entsendung einer zweiten.Baltischen und der Schwarzmeer-Flotte wird bald das ganze gebildete Rußland beherrschen. Die wahre Ursache aller dieser schimpflichen Mißstände darf, trotz der jetzigen Preßfreiheit, Klado nicht nennen, aber sie ist in aller Munde. Es ist das der Oberbefehlshaber der Flotte, Großfürst Alexei Alexandrowitsch, der zweite Bruder Alexanders HI., dessen Name jetzt mit Haß und Verachtung ausgesprochen wird und zu einem treffenden Vergleich führt. Es ist bekannt, daß vor etlichen Jahren der jüngste Bruder des verstorbenen Kaisers, Großfürst Paul Alexandrowitsch, Generaladjutant, Befehlshaber des Gardekorps, aller seiner vielen Aemter und Würden entsetzt und aus Rußland ver bannt wurde. Seine Kinder aus erster Ehe darf er nicht mehr sehen, sein Vermögen wird verwaltet. Er war ein liebens würdiger Mann, einer von den wenigen beliebten Groß fürsten; aber er hatte gegen die „Prawoslawie" (die Recht gläubigkeit) gesündigt, indem er eine seinetwegen geschiedene Frau im Auslande geheiratet, was ihm in Rußland nie mals gestattet worden wäre. Gegen diese Todsünde trat der einflußreiche Erferer Pobjedonogzew auf und verlangte erfolgreich im Namen res „ heiligen" Synods strengste Bestrafung, ohne jegliche Rücksicht auf die Persönlichkeit. Dieser Großfürst hatte doch nur ein Verbrechen begangen, unter dessen Folgen nur einige Personen litten. Sein Bruder — der, nebenbei gesagt, in seiner Jugend genau dasselbe gemacht hatte — Hal jedoch in den bald fünfundzwanzig Jabren, die er an der Spitze der Marine steht, diese in schmählichste Mißwirtschaft gebracht. In den Armen russischer und französischer Frauen zimmer verbringt er bis heute noch seine Zeit und bekümmert sich gar nicht um seine hohe Pflicht. Das Beispiel des höchsten Vorgesetzten wirkt nach und nach verderblich in hoben und niederen Kreisen, und nur durch so bodenlose Pflichtvergessenheit sind solche unglaublichen Zustände in der russischen Flotte möglich geworden. Alexejew. Aus Petersburg wird ferner gemeldet, daß Alexejew einen Mariuereformplan ausgearbeitet hat, von dessen Ab nahme durch den Zaren es abhänge, ob Alexejew Ebes ver Admiralität wird. In diesem Falle würde Großfürst Alexejew an Stelle des Großfürsten Michael Präsident des Staatsrats werden. Die österreichische Seere»leitung soll, nach einer ungewissen Wiener Meldung, ein Ersuchen der russischen Regierung um käufliche Ueberlassung von Kriegsvorräten unter Hinweis auf die Pflichten der Neutralität abgelehnt Haden. Die Sahl der Heiingekehrten. Wie neuerdings beziffert wird, sind bis jetzt IlO OOO Soldaten vom Kriegsschauplatz zurückgekehrt. Davon sind 54 000 verwundet, 56000 krank. Außerdem liegen noch viele Tausende in sibirischen Hospitälern. Der „Arkeld" in Shanghai. Die „Morning Post", die Vigilantendienste verrichtet, meldet aus Shanghai: Der russische Kreuzer „Askold" nimmt immer noch Kohlen ein; er hat bereits 1000 Tonnen Cardiff-Kohlen eingenommen. Man glaubt, daß die weggenommenen Maschinenteile durch neue Stücke ersetzt worden sind. Nur das nicht überdenken jetzt! Nur das jetzt nicht auch noch!! „Du. hast mich noch gar nicht — gar nicht — aufge- fordert, Oswald," — er klang ihr sehr förmlich, dieser Ausdruck, sie fand aber keinen andern — „möchtest du nicht soll ich nicht —" „Was möchte ich? Was sollst du?" „Dir meine — meine Kompositionen Vorsingen! Willst du sie nicht hören?" Sie sprach unsicher, sah eingeschüchtert zu ihm hinüber. „Meinetwegen! Ich kann mir schon denken, daß es dir ein besonderes Vergnügen macht, deinen funkelnagel neuen Künstlerruhm vor mir leuchten zu lassen!" Sie schluckt energisch die neue Kränkung herunter und geht zum Klavier; immer ist es noch hell genug dort. Wie sie die Notenblätter auf dem Pult ordnet, durchfährt es sie schmerzhaft wie ein Stich, für wen sie vor einer knappen Stunde dies hier noch gespielt und gesungen hqt! Heuteist das alles gewesen — und vpr so kurzer Zeit? Absichtlich dehnt sie das Vorspiel langsam hin; die Kehle ist ihr ja wie zugeschnürt. Anfangs kommt der Ton matt und klein heraus, — aber wieder rafft sie sich zu sammen! Ihr Werk schädigen durch schlechten Vor trag? Nein! Jetzt ist die goldige Klarheit, die bestrickende Süße der Stimme schon wieder da, — etwas wie Wehmut misch- sich in das liebliche Frühlings- und Liebeslied. Sie sieht sich nicht nach Oswald um, als sie geendet, fragt ihn nichts, ist ihm dankbar fast für sein Schweigen; nach einer Minute singt sie die Melodie des Krauenchors, — das wogende, sich wiegende: „Daß Gott -ich behüte! Fahr' wohl!" — Während des Singens kommt das Bewußtsein dessen, daß dies Lied nun vielleicht bald von fremden Stimmen vor fremden Ohren gesungen, als Preiskomposition ge sungen werden soll, mit aller Gewalt über sie. Wunder schön warm beseelt und innig singt sie das Lied zu Ende. Wider seinen Willen ist Oswald ergriffen. Nun ja, — ja, — das ist geschmackvoll und hübsch gemacht, er muß es zugeben, er hat genug Musik in-sich, um es anzuerkennen! Aber etwas schraubt und windet sich in seinem Innern, während er dasteht und zühört, den Blick ganz unbewußt auf das Bild der Heiligen Cäcilia über dem Klavier ge richtet: die Autorcn-Eitelkeit! Wer sie nicht kennt, diese Hydra, wem sie nicht am eigenen Herzen gefressen, der preise sich glücklich — ihm ist viel Qual und Leid erspart! Wäre cs ein anderes Gebiet, auf dem Annemarie hätte glänzen können, — Oswald Mentzel wäre seiner reizen den Frau eifrigster Bewunderer gewesen! So aber auf seinem Gebiet? Und ein Können, das sich nicht mit einem Achselzucken, einem Lächeln abtun.läßt ein Können, das sich durchsetzt, das anerkannt wird, — es läuft ein Zittern durch ihn hin. Wie hat er doch gesagt, -er anonyme Briefschreibec von neulich: „Bald wird feine Rolle in der musikalischen Welt ausgespiclt sein! Ter wahre Künstler von Ihnen beiden sind Sie!" — Langsam nimmt Annemarie die Hände von den Tasten, steht auf, geht zu Oswald hin. Im Borübcrgehen streift ihr Blick den zweiten, an ihren Mann gerichteten Brief, der noch unerbrochen auf der Tischplatte liegt. Sie nimmt ihn mechanisch auf, hält ihn Oswald hin — dabei kommt ihr irgend etwas Auffälliges an dem Brief zum Bewußtsein, — sie sucht nach dem Umschlag, den sie vor kurzen! so rasch, mit so bebenden Händen herunter gerissen hat, — da liegt er ja-noch: Format, — Hand- schrist, — Post- und Firmenstempel — alles genau ebenjo, wie auf jenem Brief! - k- (Fortsetzung folgt.)
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