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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 05.12.1904
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-12-05
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19041205021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904120502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904120502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-12
- Tag1904-12-05
- Monat1904-12
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' Anzeigen-Prei- die 6gespaltene Petitzeile 25 Reklamen uut« dem R»daktion»slrich (4 gespalten) 75 »4, nach den Famlltennach» nchtra (tigtsvalten) ÜO — Tabellarischer und Ziffern?atz werden entsprechend Häher br» rechnet. — Gebühren für Nachweisungen und Offrrtrnannahme 2b Annahnefchlutz für Anteile«: Abeuh-Au-gab«: vormittags 10 Uhr. Morgen-Au-gabe: nachmittags 4 Uhr. Anzeigen sind stet- au die Expedition zu richten. Ertra-Veilagrn (nur mit d« Morae«» Ausgabe) nach besonder« Vereinbarung. Ti« Expedition ist wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis abend» 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig (Znh. vr. R. L. W. Klinkhardt). Nr. 619. Montag den 5. Dezember 1904. 98. Jahrgang. Var Aichtigrle vom läge. * Nach einer weitläufigen Debatte über die Bedürfnisse und Leistungen der Hoftheater, an welcher sich auch Finanz minister Dr. Rüger beteiligte, »ahm die Zweite Säch sische Kammer heute einstimmig die Regierungs vorlage betr. die Festsetzung der Zivilliste und der Apanagen an. Die Abstimmung über die Zivilliste war namentlich. * Die Mitglieder beider Stände la mmern werden am Mittwoch, 7. Dezember, mittag- 12 Uhr vom König in Audienz empfangen werden. * Im Neuroder Kohlenrevier ist ein Berg- arbeilerau-stand auSgebrochev, der sofort beginnt. In Pest kam cS zu Gewalttätigkeiten zwischen sozialdemokratischen und christlich-sozialen Arbeitern. (S. Ausland). Der Zar hat, wie au« Petersburg gemeldet wird, die Instandsetzung von 3 Küstenkreuzern, 2 älteren Ge schwaderpanzern, 3 Panzerkreuzern und 15 Torpedo booten und -Zerstörer» befohlen. (S. rufs.-jap. Krieg). vievenstrcdntt über Züäwerlakrika. Der Reichskanzler hat soeben dem Reichstage die er wartete Denkschrift über Siidwestafrika vorgelegt. Sie beginnt zweckmäßigerweise mit der Zerstörung der Legende, daß vor dem Eintritt der deutschen Herrschaft die Eingeborenen sich idyllischer Zustände erfreut hätten: die im 18. Jahrhundert eingewanderten Herero und Hottentotten haben die Bergdamara und Buschleute unterjocht und zu Sklaven gemacht, sie selbst aber find seit Len ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts fast unablässig in blutige Kämpfe mit und unter einander verwickelt gewesen. Erst das Eingreifen der deutschen Verwaltung machte diesen unheilvollen Fehden ein Ende (1894). Seitdem aber fangen die Eingeborenen an, nach den Zeiten des fröhlichen Raubens, de« un gebundenen Kriegslebens und der woblzefüllten Branntweinfässer sich zuriickzusehnen. Bei der Streit» und Raublust der Schwarzen konnte es der deutschen Verwaltung nicht entgehen, wie wichtig die Waffen» und M unittonSfrage im Rahmen der Eingeborenenpolitik ist. Die Verwaltung stellte von Anfang an das Vorhandensein einer stattlichen Menge Feuerwaffen fest und bemühte sich, gleichfalls von Anfang an, das Anwachsen dieser Menge zu be schränken. Verhandlungen mit der britischen Regie rung, Einführung gebührenpflichtiger Lizenzscheine für den Waffenhandel, Beschränkungen der Einfuhr dienten dem genannten Zweck. Aber die Hauptquelle der un- erlaubten Waffenzufuhr, di« über die Landgrenzen, blieb roegens nicht autkreichenden KontvollpersrnalS geraume Zeit unvrrstopft. Unter solchen Umständen hatte nur die völlige Entwaffnung der Eingeborenen zum Ziele geführt. Sie unterblieb, weil alle Landeskenner davon eine Erhebung der gesamten Ein geborenen befürchteten. Statt dessen sollte die friedliche Entwaffung dadurch vorbereitet werden, daß seit dem 29. März 1897 der Handel mit Waffen und Munition -em Gouvernement allein Vor behalten blieb. Unter der Herrschaft des RegierungsmonopclS sind 1898—1902 im Hererolande verkauft worden: 141 Gewehre, 8505 Patronen, 54 Kilogramm Pulver. In derselben Zeit wurden 1901 Gewehre amtlich gestempelt, die sich im Besitz von Herero befanden. In den Jahren 1890/91 sind von einzelnen Händlern 1790 Gewehre ein geführt worden, ferner 267 490 Patronen, 23 683 Pfund Pulver. Neben der Feuerwaffen- hat die Feuerwasser frage die Verwaltung im Rahmen der Eingeborenen politik von frühester Zeit an beschäftigt. Es bedurfte nicht langer Studien, um zu erkennen, daß die Ein geborenen das letzte Stück Vieh, die letzte Landparzelle dem Branntwein opfern: nur durch Erschiveruuz des Schnapsverkaufes konnte der erschreckenden Verarmung gesteuert werden. Ter enorme Einfuhrzoll von 2 bezw. 3 prc Liter (die Brüsseler Akt sieht 15 Frcs. pro Hektoliter vorl) hat die jährliche Durchfchnittseinfuhr 1897—1903 auf 97 279 Liter beschränkt, d. i. nicht ganz Liter jährlich pro Kopf der 200 000 Eingeborenen. Der Verschleuderung des Landbesitzes durch Bildung von Reservaten entgegenzuwirken, hat die Verwal tung zwar nicht ganz unterlassen, aber nicht in dem Um fange versucht, wie die Missiones wünschte. Für die Witboi- Hottentotten besteht seit 1897, für die Herero von Otjimbingwe feit 1903 ein Reser vat: die generelle Regelung der Reservatfrage für das ganze Hererogebiet lehnte die Regierung ab, weil sie aus politischen und wirtschaftlichen Gründen eine gewisse Zurückhaltung für nötig hielt und der Meinung war, daß die Voraussetzung für die Bildung von Reservaten, näm lich die Gefährdung der Stammeseristenz durch Landver- käufe der Kapitäne, nicht gegeben war. Dagegen wur den durch Verfügung des Gouverneurs vom 30. Septem ber 1903 die vorläufigen Grenzen für Reservate in: Okahandja- und Gobabis-Gebiet unter Zuziehung der Eingeborenen mit der Maßgabe festgestellt, daß hier kein Landverkauf mehr erfolgen dürfe. Dabei „scheinen aller- dings auf Seiten der Eingeborenen Mißverständ nisse untergelaufen zu sein, deren Beseitigung der Aus bruch deS Aufstandes verhinderte". Händlertumund Kreditwesen werden im letzten Abschnitt der Denkschrift erörtert. Er schildert die Entwickelung des Handelsbetriebes und die „rapid fort schreitende" Verschuldung der Eingeborenen, die energisch zu bekämpfen „geradezu eine Lebensfrage für das Schutz- gebiet geworden war", und legt die Entstehung der V e r- fügungvomLL. Juli 1803 (Verbindlichkeiten Ein geborener erlöschen innerhalb eines Jahres nach Abschluß der Rechtsgeschäfte mit Nichteingeborenen, es sei denn, daß vor Ablauf dieser Frist dec Gläubiger Klage er- hebt usw.) als eines Kompromisses zwischen der Regie rung und der Kolonialrats-Kommission dar. Unglück licherweise brach gleich nach dem Inkrafttreten dieser Ver fügung der Aufstand der Bondelzwarts aus, der die Ver waltung stark in Anspruch nahm, das Hererogebiet in der kritischen Uebergangszeit von Truppen und Beamten ent blößte, die ohnehin schwierige Kontrolle der Händler beim Eintreiben der Schulden noch mehr erschwerte, so daß Uebergriffe der letzteren vorkamen. Trotzdem wäre der Hereroaufstand, so heißt es in der Denkschrift wörtlich, auch ausgebrochen, wenn esnieeinenweißenHändlerdortgegeben hätte: „Der Uebergang von Stammesland in weiße Hände, die Verarmung der mittleren und kleinen Vieh besitzer, die . . . Verschuldung der einzelnen Stämme und die Uebergriffe mancher Händler haben selbst redend das Empfinden der Eingeborenen gegenüber der deutschen Herrschaft nicht verbessert. ...Unmit telbare Ursachen der Empörung sind aber alle diese Erscheinungen nicht ge wesen. Diese Annahme dürfte um so berechtigter sein, wenn man erwägt, daß die Mehrzahl der vom Aufstand betroffenen Personen mit dem Händlertum gar keinen oder nur einen sehr losen Zusammenhang hatten. ...DieGrundursachedesAufstan- des ist in der doppelten Tatsache enthalten, daß die Herero als ein von altersher freiheitslieben des, eroberndes und maßlos stolzes Volk auf der einen Seite dieAusbreitungderdeut» fchen Herrschaft und ihre eigene Herab- Lrückung von Jahr zu Jahr lästiger em- pfänden, auf der anderen Seite aber — und das ist Las Entscheidende — vondieserdeutschen Herr schaft Len Eindruck hatten, daß sie ihr gegenüber im letzten Grunde der stär kere Teil seien." Weslxrlb diese Beobachtungen nicht so rechtzeitig gemacht wurden, daß sie die U e b e r r a s ch u n g des Gouvernements Lurch den Aufstand Hütten verhin dern können, darüber sagt die Denkschrift nichts. ver rurrftch-sapsnftLe Weg. Die Abfindung ds» bekannt«» dritten Geschwader» stebt, wie au« Peter«bürg gemeldet wird, fest) es soll au« Schiffen der baltischen Flotte zusammengestellt werden, und zwar aus 7 Panzerichiffen, 4 gepanzerten Kreuzern und etwa 40 Minenbooten. Bon der Schwarz-Meerflottt verlautet, baß der Großfürst Alexander Michaüowitsch, der Schwager dr« Zaren und rin sehr geschätzter Marineoffizier, bereit« vor Monaten dem Zaren gegenüber die Notwendigkeit aussprach, daß man einen L^ril dieser Flotte, mit dem zweiten Geschwader vereinigt, nach dem Osten absende. Dieser Ansicht trat der Minister de- Aeußeren Graf Lamb« dorff entgegen, welcher Komplikationen mit der Türkei befürchtete, worauf der Plan aufgegeben wurde, sodaß von der Entsendung einer Schwarz-Mcerflolle keine Rede mehr sein sollte. Vorher war nämlich das Gegen teil verbreitet worden. So schrieb die „Nowoje Wremia", die russische Gesellschaft hoffe noch in diesen Tagen die Nachricht zu erhalten, daß die Linienschiffe „Nikolaus!.", „Alexander !!.", „Generaladmiral Apraxin", „Admiral Uschakow" und „Admiral Senjawin" nebst, einigen Kreuzern au- Libau ausgelaufen seien. Während dieses Geschwader Europa umfahre, müsse die Meer engenfrage entschieden werden, damit ein Teil der Schwarz- Meerflotte gleichzeitig mit jenen fünf Linienschiffen den Suezkanal durchfahren könne. Nach einer anderen Mel dung aus Petersburg gab der Zar nach einem Vortrag des Großfürsten Alexander Befehl zur sofortigen Instandsetzung von drei mit 25 cw-Kanonen armierten Küstenkreuzern, zwei älteren Geschwaberpanzern, drei Panzerkreuzern und 15 Tor pedobooten und Torpedobootzerstörern. Der Panzer „Slava" könnte nicht vor April abgehen. Im Marineamt such< man nach Mitteln, um dem empfindlichen Mangel an Offizieren und Soldaten für diese- neuzubilbende Geschwader abzuhelfen, dessen Bestimmung von Roschdest wenskys Berichten abhängen wird. Englifeh-rnffifch«» Kiltnng»krlig «en -t« Darbanikin. In ihren Artikeln erklärt, wie der „N. Fr. Pr." gemeldet wirb, die „Nowoje Wremja" ferner, der Pariser Traktat verpflichte Rußland sowie fünf andere Mächte nur der Pforte gegenüber, ihre Kriegsschiffe nicht die Meerengen passieren zu lassen. Rußland brauche daher nur die Erlaubnis der Pforte. Bekanntlich besäße Rußland in Konstantinopel talentvolle Diplomaten, welche die Plvrte überzeugen könnten, daß sie Japan gegen über zur Beobachtung de« Pariser Traktats nickt verpflichtet sei. Auck entstehe die Frage, ob Rußland Bestimmungen ein halten muffe, die für den Gegner nicht verbindlich sind. Der „Swjel" ist gegen die Absendung der Sckwarz Meer-Schiffe, weil sie eine allzu wichtige Missior hätten. Selbst die Interessen des Kriege- mit Iapa- würden die Schwächung der Schwarz-Meer-Flotte »ich rechtfertigen. Londoner Blätter beschäftigen sich mi diefer Preßfehde. Beinahe alle Organe erklären sich geger die Wünsche Rußlands. „Morning Leader" und „Standard" betonen die herausfordernde Haltung der russischen Blätte' gegen England; sie erklären, die ruisiscke Preßkampagne se das Ergebnis der schwächlichen Haltung England anläßlich des Hüller Zwischenfalls. va» engttfchi Handil»Virb»t. Aus London wird abermals darauf hingewiesen, daß da* Auswärtige Amt englischen Schiffen verboten hat, für die kriegführenden Mächte Kohlen an Bord zu nehmen. Der Dampfer „Kegillen Mensel!", der bereit- mit Kohlen befrachtet war, wird seine Ladung wieder löschen, während er noch letzthin der baltischen Flotte auf hoher See Frachten lieferte. Direkte Ladungen nach russischen oder japanischen Häfen werden von dem Verbot nicht betroffen. Lin amirrkanlfcher Arlrgsschiffmaklir. Der „Standard" meldet au- Petersburg: Der amerika niscke KriegSsckiffmakler Charles Flint ist am letzten Dienstag in Moskau rin^etroffen, von wo er am Mittwoch über Warschau und Sofia nach Konstantinopel weiter reist Es verlautet, daß er einen Check von 7 Millionen Pfund auf Rothschild mit sich führe; dies« Summe stelle den Wer» Feuilleton. Dir heilige Caeriiie. 4s?s Roman von Marie Bernhard. Aackidrui verboten. Das Anschlägen der Flurglockk hatte sie überhört. Als sich jetzt leise die Zimmertür öffnete» schrak sie zu sammen und fuhr mit verstörten Mienen empor, gleich einer ertappten Verbrecherin. Es war nur Paulin», das Dienstmädchen. Sie trug zwei große graublaue Briefumschläge mit Firmen stempeln in der Hand. „Ach!" Unwillkürlich seufzte Annemarie. Solche Briefe kannte sie, die kamen jetzt häufig, und sie wußte genau, was sie enthielten. „Für Herrn Kapellmeister. Aber der Austräger sagte, als ich antwortete, der Herr sei nicht zuhause, ich möchte di, Briefe nur der gnädigen Frau abliesern, es aber ja nicht vergessens" „Geben Sie her, Pauline! WaS ich sagen wollt«,.,.. ich Hobe soeben daS Läuten Nicht beachtet. Wenn der Herr kommt, dann melden Sie «S mir gleich, — ich möchte nicht, daß er mich hier findet!" „Sehr wohl, gnädige Frau!" Oswald liebte es in der Tat nicht, seine junge Frau in seinem Arbeitszimmer anzutressen! Nur ihm nicht in seinen Beruf hineinreden, ihm nicht auf die Finger sehen! Annemarie hatte sich umsonst darauf gefreut, recht viel von ihm zn lernen, ihm „ein bißchen arbeiten zu helfen", von allen seinen musikalische^ Unter nehmungen zu wissen. Er wünschte nicht, daß sie in seine Orchesterproben kam, er sah sie nickt einmal gern im Sckerwitz-Theater sitzen, was er ihr freilick nickt gut ver bieten konnte, da sie dort ein- für allemal ihren Freiplatz hatte. Es war, als ob er ihr musikalisches Urteil scheute. Ganz im Anfang ihrer Ehe hatte er ihr ein paarmal Rede gestanden, — etwas widerstrebend zwar, aber es war ihm damals unmöglich gewesen, ihr ernstlich etwas abzuscklagen. Beide hatten in jener Zett eine über raschende Entdeckung gemacht: Annemarie hatte staunend bemerkt, daß ihr MnUn keineswegs eine besonders tief gehende musikalische Bildung besaß, kr war ein rich tiger Blender, schwamm geschickt im Strom der modernen Bewegung und der großen Worte, und hatte von klassischer, gelehrter Tonkunst das Wenige, was er früher gewußt, als lästigen Ballast ohne weiteres über Bord geworfen. Viel lernen hätte Annemarie unmöglich von ihm können, er war ganz einseitig gebildet und päda- gogtsch überdies stiefmütterlich veranlagt, leicht un geduldig und aus Erklärungen „nicht zugsschnikten", wie er gern betonte. Er dagegen hatte gefunden, daß Annemarie nicht nur entzückend sang, was er ja wußte, sondern auch, baß sie erstaunlich gut bennlagt für Kompositionslehre, für Kontrapunkt und Harmonie war und hierin bereits recht beachtenswerte Kenntnisse besaß. Sie hatte ihm dies zwar Während ihrer Brautzeit mit dem kindlichen Selbstgefühl, das ihr so reizend zu Gesicht stand, mit- geteilt, allein er hatte dies nicht ernst genommen, — und nun er sehen wußte, daß es in der Tat ernst genommen zu werden verdiente, war es ihm unbeguem. Was Teufel, -- eine Fran, die wirklich etwas von seinem Beruf wußte! Das hatte er gar nicht gewollt I Ebenso- wenig, büß sie ihren Gesang weiter ausbildet«, um damit in die veffentlichkeit zu treten I Für i h n sollte sie da sein, für ihn fingen, --- und ihm war ihre Technik durchgsbildet genug, -- sie würde fein empfindliche* Ohr niemals durch mangelhaft, Tostbildung beleidigen. Er fand ftir gut, ihre brennende Lernbegier zu ignorieren, er sucht« ihr klar »U Machen, daß das nur weiblich» Eitelkeit bei ibr sei, — sie wolle vor einem großen Publikum glänzen, und daraus würde ein- für allemal nichts! — Ganz un recht hatte er mit dieser Annahme nicht, — die kleine Frau war nicht ohne Eitelkeit; die vielen Lobes- erhebnngen, die sie angehört, auch ihr eigenes Urteil, das ihr -en Vergleich mit andern Stimmen gestattete, ließen sie darauf begierig fein, ihr Können in der Oeffent- lichkeit zu produzieren: sie fürchtete das Heraustreten aus dem Privatleben, das Publikum Und die Kritik nicht, — im Gegenteil, sie sehnte alles das herbei! — Es war eine schwere Enttäuschung für sie gewesen, als Oswald ihr so entschieden ein weiteres Studium untersagte, — selbst ihr Hinweis darauf, daß seine ganze Familie es wünsche, daß sie, Annemarie, instand gesetzt fein würde, ihm Gel verdienen zu Helsen, fruchtete nichts! Er fuhr heftig auf: seine Verwandten ginge der etwaige Berus seiner Frau gar nichts an, sie sei fortan nicht mehr der Schützling der Familie, sondern Frau Kapellmeister Mentzel, — sodann fragte er sie, ob sie bereits an seiner Seite gedarbt hätte oder sich über Mangel an Generosität bei ihm beklagen könne! Auf ihre Versicherung des Gegenteils: er ver wöhne sie viel zu sehr, sie brauche all' den Luxus nicht, und sei oft bange, daß sie ihn zu allzu großen Ausgaben verleite, hatte er sie in seine Arme genommen und halb- tot geküßt: das möge sie getrost seine Sorge sein lassen! Es sei seine höchste Freude und Wonne, sie nach seinem eigensten Geschmack zu kleiden, ein „Stimmungsbild" nach dem andern in ihr zu sehen, — alle sollten sie be wundern, alle ihn beneiden, — sie aber dürfe nur ihm allein gehören! — Es lag etwa» ganz Ausschließliches in seiner Liebe, und stürmisch, ja, gebieterisch verlangte er eine ebenso ausschließliche Gegenliebe, die er al» sein gutes Recht ansah, --- Bold noch der Hochzeit hatte Oswald eine Gadotte komponiert, .... ein zierliches, ziemlich triviale* Ding, von dem er selbst außerordentlich eingenommen war und das au» im Publikum beifällige Aufnahme fand. Diese Gavotte nun hatte Annemarie als einziges Opus, so lange sie verheiratet war, entstehen gehört, und sie hatte fick nicht gescheut, ihren Mann aus gewisse banale Wen dungen, auf ungraziose Uebergänge, auf Anklänge an vielgehörte moderne Machwerke aufmerksam zu machen. Das verdroß ihn aber sehr, — verdroß ihn um so tiefer, als er einsehen mußte, daß sie im Recht war, wenn er es ihr auch augenblicklich niemals zugab. Kurz, diese erste sogenannte „gemeinsame Arbeit" blieb auch die ein zige, — Oswald erklärte perewtorisch, er sei es gewöhnt, seine Arbeiten allein zu besorgen, — er ließ den Flügel aus dem Salon, der neutrales Gebiet gewesen, in sein Zimmer bringen, das gar nicht groß genug dafür war, und verbannte Annemarie mit sehr vielen Liebkosungen und Zärtlichkeitsnamen, aber mit ebenso großer Be stimmtheit für immer vom Schonplatz seiner Tätigkeit! — Er war zuweilen ein paar Stunden dort allein. Arbeitete — komponierte er? Doch wohl! Verlorene Töne drangen zuweilen zu der jungen Frau herüber — vergebens aber fragte sie, fragten die Verwandten ihn, was er denn schaffe, er möge ihnen nur die Form, den Stoff nennen, .... er blieb unerbittlich, hüllte sich, lachend oder auch ernsthaft, in sein Geheimnis und wieder holte: „Du wirst schon sehen! Ihr werdet schon sehen, — vielmehr hören!" — Annemarie batte der Familie gegenüber keinen leichten Stand. Mein Gott, die junge Frau war bettelarm, sic kostete den Mann ein großes Stück Geld, der Hausstand wurde auf flottem Fuße geführt, und Oswald selbst ver sagt« sich natürlich nicht«, — sollt«, — durfte sieh auch nichts versagen! Warum tot denn die Frau, deren Aus bildung doch schon ein namhaftes Stück Geld gekostet hatte, nichts? Warum half st« Oswald nicht verdienen, anstatt in teuren Gewändern einherzuwandeln und die Hände in den Schoß zu legen? — Annemarie hatte gut sagen, ihr Mann bestehe auf diesem Toilettenluxus, und er wünsche ihr weiters* Ge sangsstudium nicht, — man glaubte ihr einfach nickt! Selbst Margots Verteidigungsreden nützten nicht viel.
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