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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 06.12.1904
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-12-06
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19041206016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904120601
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904120601
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-12
- Tag1904-12-06
- Monat1904-12
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Anzeigen-Preis die 6gespaltene Petitzeile 25 Reklame» unter dem RrdaktionSstrich (L gespalten) 78 uach d« Familienaach- richten <6gespalt«) 60 — Tabellarisch« uud Zifsernsatz werden entsprechend Hüber be rechnet. — Gebühren für Nachweisungen uud Osjertruannahme 2b «nnahmeschlutz für Anzetg«: Abend-AuSgabe: vormittag- 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: nachmittag- 4 Uhr. Anzeigen find stet» au die Expedition zu richten. Ertra-Betlageu (nur irrst d« Morgen- AuSgab«) »ach besonder« Vereinbarung. Die Expedition ist woch«tags ununterbrochen geöffnet vou früh 8 bi» abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Pol» in Leipzig (Inh. Oe. V„R. L W. Sltukhardtt 98. Jahrgang. Nr. 629. Dienstag den 6. Dezember 1904. Var Aicbligrte vom rage. * Eine außerordentliche deutsche Gesandtschaft wird Mitte Dezember nach Abessynien abgehen. (S. Dtsch. Reich.) * Auf dem deutschen Sparkassentag wurde gestern festgestellt, daß die Mehrheit der deutschen Spar kassen» erb an de und auch die Regie rung das Scher lsche Sparsystem endgültig ablehnt. (S. Dtsch. Reich.) * Der ZentrumSabgeordneie Tr imborn hat im Reichs tage eine Interpellation über Einführung einer zehn stündigen Marimalarbeitszeit für Arbeiterinnen und jugendliche Arbeiter unter 1k Jahren angebracht. (S. Bericht.) * Die Abstimmung beider Häuser des amerikanischen Kongresses ist der Tarifrevision ungünstig gewesen. (S. Ausland.) * Da die Russen die unterseeische» Minen am Hafrneingang von Port Arthur Wegräumen, wird ein neuer Ausfall der russischen Flotte erwartet. (S. russ.- jap. Krieg.) Moralircbrr aus Oldenburg. Herrn Ruhstrat, dessen Namen die entrüstete öffentliche Moral des deutschen Reiches in diesen Tagen auf den Lippen trägt, wird vielleicht — in aller Heimlichkeit versteht sich — viel Sympathie entgegengebracht. Die Zunft der Socker, um im Jargon zu reden, ist weit verbreitet, und ein wenig sühlt sich jedes der Mitglieder in dem kompromittierten Oldenburger getroffen. Jedoch das sind pro äomo empfundene Gefühle und volle Unbefangenheit kann ihren Trägern nicht zugestandcn werden. Aber noch ein anderes Moment wird wenig be achtet. ES ist die Fragwürdigkeit der Berechtigung, dem Betroffenen aus seiner Ministereigeuschaft einen er schwerenden Umstand zu konstruieren. Ein Historiker großen Stils fände hier eine dankbare Aufgabe: den Nachweis, wie das Bevormundungssystem die freie Entwicklung der Volksseele gehemmt uud sie verknöchert hat, und wie an den Trägern d«S Systems die Schuld gerochen ward. Allzu lauge hat man von der höheren Weisheit der Re gierung zu den Untertanen geredet, als daß diese nun nicht Vergeltung hätten walten lassen sollen, indem sie die Regierend« d«S Menschentums entkleideten. Und es erstand die ungerechte Lehre vom Minister ohne Schuld und Fehle. Wa» nützt uns der gräßlichste Tugendbold, der von seinem Handwerk nichts versteht? Ist Lessings Minna von Barn helm darum weniger wert, weil ihr Autor ein nolorischer Spieler uud dem Sekt nicht abhold war? War MirabeauS Tod für Frankreich ein kleinere« Unglück, weil dieser gewaltige Mann seine überschießende Kraft in Abenteuern verbrauchte? Es ist kleinlich und ungerecht, den Großen der Erde, zu denen auch die Minister sich zählen, aus der Unmöglich keit sich zu ätherisieren, einen Vorwurf zu machen und Taten al« Verbrechen anzurechnen, die Hinz und Kunz zu üben widerspruchslos als ihr freies Bürgerrecht beanspruchen. Es ist Spießermoral, nach dem Kegeln ohne Skrupel ein wenig zu mauscheln, zu pokern oder Lotterie zu spielen und gleich wohl den Minister wegen der Kartenlust zu verdammen. ES ist subjektive Ungerechtigkeit, freilich objektiv ist es Ge rechtigkeit, denn die Lehre vom Uebermenschentum in ge wissen Rangabstufungen wird jetzt nur auf ihre Prediger angewandt. DaS sieht aus, als sollte hier eine Ruhstrat - Rettung organisiert werden. Weit gefehlt. Aber daran ist in erster Linie Herr Ruhstrat selbst schuld, das hat er sich verscherzt. Dazu fehlt ihm der große Zug, sich rückhaltlos zu seinen Sünden zu bekennen und nicht in der Manier der kleinen Geister die Ethik auf Gesetzesparagraphen und Definitionen von Hazartspielarten zu normieren. DaS Mauscheln wird um keinen Deut ethischer, ob das Aß „springt" oder nicht, und über das Pokern sind sich die Fachgelehrten jedenfalls in dem Punkte einig, daß dazu weniger Intellekt als psychologische Feinfühligkeit und event. Dreistigkeit gehört — das Bluffen ist die Hauptsache. Also auf die Weise rettet man sich nicht und wird nicht gerettet. Dazu konipliziert sich nun noch der Fall Ruhstrat für den Minister in böser Weise durch die Refforts, die Herr Ruhstrat ver tritt. Die innerliche Einheitlichkeit geht in die Brüche und die Unaufrichtigkeit wird gewissermaßen legalisiert, wenn öffentlich Wasser gepredigt und heimlich Wein getrunken wird, wenn ein Oberstaatsanwalt heimlich jeut und als Amts funktionär ertappte Spieler verdonnern muß. Diese Gegensätzlichkeit, diese Zwitterhastigkeit macht die Sache so peinlich. Die SpezialressorlS des Kultus und der Justiz in ihrer landläufigen Bedeutung vertragen nun mal solche Dinge nicht, oder sie müßten sich selbst der Hohl heit bezichtigen. Auch Herr Andrö mußte gehen, al» er ge- ohrfeigt worden war — denn er war Kriegsminister. Um al« Kultusminister sich solche Vergangenheit erlauben zu dürfen, muß man au» anderem Holze sein. E» ist nichts davon bekannt geworden, daß Herr Ruhstrat den Beginn einer neuen GeisteSrichtung in Oldenburg in die Wege geleitet, daß er gegen Orthodoxie und Muckertum zu Felde gezogen, daß er Vorurteile bekämpft und ein freiere» Menschentum gepredigt habe. Im Gegen teil. Wir wissen aus seinen Prozessen, wie er in sittlicher Entrüstung zu erglimmen versteht, wie er seine Gegner „Lumpen" schilt und wie er nicht hazardiert haben will, weil er in der letzten Zeit von der lustigen Sieben zum ergötz lichen Poker übergegangen und ein Gerichtshof diese ameri kanische Kulturblüte nicht zu den reinen Glücksspielen ge rechnet hat. Also Herrn Ruhstrat brauchen wir nicht zu verteidigen, und wir freuen uns dessen. Denn der Verlauf des Prozesses hätte die Aufgabe den» doch gar zu schwer gemacht. Da war vor allem die titzliche Frage von der Verteidigung auf geworfen worden: Sind die Untergebenen eines Ministers geeignet, über eine ihrem Chef zugefügte Beleidigung zu Gericht zu sitzen? Und der Gerichtshof bejahte sie, erklärte sich für unbefangen und verurteilte den Angeklagten Schweynert vom „Residenzboten" zu einem Jahre Gefängnis. Dann wurde der eine Verteidiger Schweynerts als Zeuge gebraucht. Weil nun aber ein Zeuge nicht bei den vorhergehenden Zeugenvernehmungen anwesend sein darf, so mußte der Verteidiger für die ganze Zeit das Lokal ver lassen, denn er wurde als letzter vernommen. Dagegen fand man es statthaft, daß der als Nebenkläger fungierende Minister als Zeuge aufrrat und unbehelligt im Saale blieb; auch der Staatsanwalt durfte zeitweise seine amtliche Tätigkeit unterbrechen, um (eine Zeugenaussagen zu machen, und der Gerichtshof fand darin nichts, was den Angeklagten benachteiligen könnte. Beide Verteidiger legen ihre Aemter nieder und der Prozeß geht ohne Plaidoyer für den Angeklagten zu Ende. Ein Kellner namens Meyer, besten beschworene Aussage den Minister schwer be lastet, wird wegen Verdachts des Meineides in Hast ge nommen und die Zahl der Ruhstratprozesse, von denen so wie so noch ein paar anstelle», ist wieder um einen vermehrt. Ein bischen viel auf einmal. Vielleicht sogar zu viel. Und wenn auch die ausschlag gebende Person, im Großherzogtum Oldenburg bisher auf dem Standpunkte gestanden haben mag: Nun gerade nicht! — auf die Dauer läßt sich der nicht festhalten. Gewiß ist der olbenburgische „Residenzbote" kein hochstehendes Organ und allzu geläutert werden die Motive für die Angriffe auf den Minister nicht gewesen sein, aber mit der Bolkserregung muß gerechnet werden, auch wenn sie z. T. aus gründlich falscher und engherziger Auffassung der Situation hervorgeht. Und schließlich ist das notwendige Resultat nicht einmal beklagenswert. Denn wenn es richtig ist, daß auch bedeutende Menschen sündigen, so sind darum noch nicht alle Sünder bedeutende Menschen. Herr Ruhstrat wird ersetzt werden können. 8. ver HuMand in büdmrtafrißa. Verlustliste. Nach amtlicher Meldung ist an T y p h u s ge- st o r b c n: Reiter Wilhelm Martini, geboren am 2. November 1882 in Orlishausen, früher Infanterie- Regiment Nr. 87, am 2. Dezember im Lazarett Okahandja. Gesallcnbei Warmbad am 28. Novem ber sind: Leutnant Alfred Schmidt, geboren am 30. März 1874 zu Meppen, früher Infanterie-Regiment Nr. 78, Leutnant EwaldTessenv. Heydebreck, geboren am 17. Juni 1879 zu Guben, früher 2. Garde- Regiment zu Fuß, Unteroffizier Karl Gerber, ge boren am 10. Februar 1877 zu Büttstedt, früher Kgl. bayerisches 1. Ulanen-Regiment, Gefreiter Ernst Wilke, geboren am 17. September 1879 zu Seehausen, früher Husaren-Regiment Nr. 10, Reiter Otto Moser, geboren am 22. Mai 1880 zu Murzig, frülwr 2. Garde- Ulanen-Regiment, Gefreiter Karl Hübner, geboren am 2. Dezember 1879 zu Fischbach, früher Husaren-Re giment Nr. 14, Reiter Karl Marckwardt, geboren am 18. September 1883 zu Schutschur, früher Husaren- Regiment Nr. 15, und Reiter Reinhold Backhaus, geboren am. 4. August 1879 zu Memleben, früher In fanterie-Regiment Nr. 61, Reiter Johann Ostkamp, geboren am 16. Januar 1884 zu Gronau, früher Kürassier-Regiment Nr. 4; Reiter Walter Riese, ge boren am 25. November 1877 zu Berlin, früher Feld artillerie-Regiment Nr. 39. Schwer verwundet im Gefecht bei Warmbad am 28. November: Unter offizier Michael Wannenmacher, geboren am 11. September 1880 zu Schaffhausen, früher Feld- artillerie-Regiment Nr. 23, Reiter Hermann Heinz, geboren am 10. April 1884 zu Schirnrod, früher In fanterie-Regiment Nr. 95, Reiter Gerhard Ossen dorf, geboren am 6. Jnli 1881 zu Wessum, früher In- fanteric-Rcgunent Nr. 144, Reiter Einil Kulke, ge boren am 14. März 1882 zu Prachenau, früher Dra goner-Regiment Nr. 23. Leicht verwundet: Reiter Peter Lang, geboren am 2. Mai 1883 zu Kelter- bach, früher Infanterie-Reqiment Nr. 173. Vermißt wird Unteroffizier Ernst Hammel, geboren am 28. Dezember 1880 zu Tarnebeck, früher Husarcn-Negi- ment Nr. 10. ver ruttirch-iapankche Weg. Japanische Beschwerden über Frankreich. Den „Times" wird nach einem Londoner Telegramm der -Voss. Ztg." aus, Tokio vom 4. Dezember gemeldet: Es sind Anzeichen zunehmender Entrüstung Japan« vorhanden über den Beistand, den Europa der baltischen Flotte auf der Fahrt nach dem fernen Osten geleistet hat. Die Haltung Frankreich« erreg« besondere Aufmerksamkeit. Wenn dieses seine gegenwärtige lockere Auslegung der Pflichten einer neu tralen Macht fortsetze, so werden die russischen Schiffe be queme Stützpunkte in Saigon und Kwangtschau finden. — Noch vor wenigen Wochen war die deutsche Neutralität das Angriffsziel; nun spielen die „Times" dasselbe Spiel mit Frankreichs Bündniöstellung. Die Mperationerr in der Mantschurei. Einer Tokioer Drahtung der „Daily Mail" zufolge meldet der Korrespondent der „Asahi" in Niutschwang aus angeblich zuverlässiger Ouelle, daß, wie schon gemeldet wurde, 50 000 Mann russische Verstärkungen in Kirin angelangt seien. Demnächst werde der Marsch nach Süden an getreten werden. Die Russen janbten 15 schwere Geschütze von Tieling nach dem Schaho, 20 000 auserlesene Truppen haben sich vom Chuhiufluffc in Bewegung gesetzt. Port Arthur. Ein Tokioer Telegramm des „Standard" meldet, daß die Russen größere Tätigkeit bei der Beseitigung der unter seeischen Minen bei der Hafeneinsahrt von Port Arthur entwickeln. Es gelte daher als wahrscheinlich, daß der Rest der russischen Flotte einen neuen Ausfall versuchen werde. In Langer. Nach einer Meldung der „Köln. Ztg." aus Tanger sind dort die russischen Kreuzer „Oleg", „Jzumrud" und das Transportschiff „Ozcan" eingetroffen. Angeblich haben die zwei Torpedobootszerstörer, die den Hülfskreuzer „Rion begleiteten, Kohlen in englischen Gewässern bei Dover übernommen, ohne daß Protest dagegen eingelegt wäre. Der russische Kreuzer „Rion" mit zwei Torpedo bootszerstörern ist abgefahren, angeblich nach derSudabai. Die Desertionen rn russischen Grenzbezirken. Wie sehr die russischen Grenzbezirke durch die Massen flucht der Militärpflichtigen von brauchbaren Leuten entblößt sind, zeigte, wie der „Voss. Ztg." aus Thorn ge meldet wird, eine kürzlich erfolgte Rekrutenaushebung. Von 80 Kantonisten im Bezirk Schilgaklen, welche sich laut Ordre nach Wladistowowo zu begeben hatten, um nach Suwalki befördert zu werden, meldeten sich nur 13 Krüppel zur Stelle. Der „prsnzitelny". Nack einem Telegramm aus Brest zwang ein schweres Unwetter den russischen Torpedobootszerstörer „Pronzi- telny" bei Cannarct wieder zu ankern. Er konnte bis gestern früh 10 Uhr wegen der hohen See den Ankerplatz nicht verlassen Neuisrhes Reich. Leipzig, 5. Dezember. * Ter Rücktritt HentigS. Der Rücktritt des golhaischen Staalsministers Dr. Heutig ist, wie die „D. TageSzlg." erfährt, als endgültig anzusehen. Es sind betreffs jeines Nachfolgers bereits Entschlüsse gefaßt worden, die sich aber der öffentlichen Meinung entziehen. Bei einem Festessen, das in Koburg zu Ehren des Ministers Heutig gegeben wurde, sagte der Regent u. a.: Es ist ein schmerzlicher Anlaß, der uns heute hier zusammen führt, schmerzlich für unser Land, schmerzlich vor allem für mich selbst. Wir sind zusammengekommen, um einem Manne einen Abschiedsgruß zuzurufen, der vier Jahre hier im Lande an der Spitze der Geschäfte gestanden hat, der es möglich ge macht hat, in diesen vier Jahren in einem an Mitteln nicht "llzu reichen Lande mit der modernen Entwickelung Schritt zu .en und damit die Tugend zu verbinden, dem Historischgemordenen in pietätvoller Weise Rechnung zu tragen. Ick muß den treuen Be rater ziehen lassen, dessen Ratschläge befolgt zu haben ich nicht ein einziges Mal zu bereuen hatte. Ich kann heute erkläre», daß, wie die Dinge liegen, wir berechtigt sind, zuver sichtlich einer in nicht zu langer Zeit zu erwartenden, in allen Teilen befriedigenden Lösung der jetzt schwebenden Frage entgegenzusehen. Die Bevölkerung hat sich mit ihrer Haltung selbst daS beste Zeugnis ausgestellt, hat aber zu gleicher Zeit der Regierung und dem scheidenden Minister die schönste Bertrauenskundgebung bereitet, die überhaupt denkbar ist. Ich halte dafür, daß eine rück haltlose Anerkennung der Verdienste der beste Dank ist, besser als alle gesprochenen Worte, und daß ein jahrelanges festes Vertrauen das Gefühl des Dankes von selbst in sich schließt. - Staatsminister Hentig erwiderte nach der „Voss. Ztg." mit bewegten Worten in einer halbstündigen Rede, die mit einem Hoch auf den Regenten, den Herzog und die anwesenden fürstlichen Damen schloß. -- Dir MandatSntcdcrlegnng in Hof hält dort noch immer die Gemüter in Aufregung, was insofern begreiflich ist, als der Beleidigungsprozeß Münch-Ferbers gegen Schmid, dessen Ausgang den Anlaß zur Mandatsniederlegung gab, ein wesent liches parteipolitisches Interesse bot. So wird entgegen den sicher eingefädelten Jntriguen von gegnerischer politischer Seite nochmals darauf hingewiesen, daß die persönlichen Momente in dem unerquicklichen Streit als ausschlaggebend anzusehen seien. Z. B. sagt der „Hof. Anz.", es handle sich um alte Familicnerbgeschichtcn, die nur einseitig beleuchtet und nicht mehr völlig hätten aufgeklärt werden können, und lediglich aus einem unrichtigen, Wohl nur unbedachten Ver halten in der Tantiöinenfrage sei Münch-Ferber ein Fallstrick gedreht worden. Und das Eine ist als sicher auzusehen und uns wiederholt von ausgezeichnet informierter Seite erklärt worden, daß gegen Herrn Münch-Ferbers öffentliche Wirk samkeit nicht das Geringste einzuwenden gewesen ist und daß seine Ausschaltung als ein direkter Verlust bezeichnet werden muß. * -nvalidenversichernnq. In den letzten Tagen sind im Königreich Sachsen 85K Vertreter für die unteren Verwal tungsbehörden zur Mitwirkung an den Reichs-Jnvalidenver- sicherunaSgeschäften gewählt worden. Die Hälfte besteht au« Unternehmern, die andere Hälfte au« Versickerten. Die von den Gewcrkschastskartellen oder gemeinsamen Konferenzen aufgestellten Kandidaten wurden fast allcntkalben gewählt. Die Vertreter werden noch im Laufe diese« Monat« zur Wahl des Ausschüsse« der Versicherungsanstalt zusammen berufen. Berlin, 5. Dezember. * Ter Kaiser traf am Montag Mittag um 12 Uhr in Dessau ein und wurde am Bahnhof von dem Herzog und den Prinzen Eduard und Aribert empfangen. Nach dem Abschreiten der Front der Ehrenkompagnie und einem Parade marsch erfolgte die Fahrt durch die festlich geschmückten Straßen der Stadt unter begeisterten Huldigungen des nach Tausenden zählenden Publikums zunächst nach dem Ralhause, vor dem der Oberbürgermeister Ebeling den Kaiser in Dessaus Mauern herzlich willkommen dieß. — Der Kaiser dankte, indem er auf die Verdienste des an baltischen Fürstenhauses um die Kultivierung der Mark Brandenburg und um die preußische Armee Bezug nahm, sowie erwähnte, daß er vor fast genau 15 Jahren Dessau ebenfalls schon besucht habe. Der Kaiser wünschte schließlich der Stadt Dessau weiteres Blühen. Im herzoglichen Residcnzschloß wurde der Kaiser durch die Herzogin begrüßt, worauf der Kaiser sich in seine Gemächer begab. Um 1 Uhr fand Frühstückstasel im Weißen Saale des Schlaffes statt, während für das Gefolge in der Gipskamer Nkarychalltafel slaktfand. * Teutsch-russischc lriscnbahnverträge. Nach der „Nordd. Allg. Ztg." sind am 4. Dezember in Berlin die folgenden russischen Kommissare zur Verhandlung über zwei Eisenbahn anschlußverträge zwischen dem Reiche und Rußland ein getroffen: Die Wirklichen Staatsräte Schabounevitsch und Lipine, Kollegienrat Prang, die Generalstabsobcrsten Dernow und Nottdeck und Staatsrat Miller. Die Verhandlungen, an denen von Seiten Rußlands auch das Mitglied der jetzigen russischen Botschaft Kronepenski teilnimmt, betreffen die Schaffung neuer deutsch-russischer Eisenbahnverbindungen zwischen Skalmierzyce und Kalisch (Warschau-Kalischer Eisenbahn), sowie zwischen der preußischen Staalübahnstrecke Lublinitz-Herby bei Herby und der Herby-Czentichauer Eisenbahn. Beide Verbindungen werden schon seit längerer Zeit von den beteiligten Inter essenten gewünscht und würden zur wirtschaftlichen Fort entwickelung der beiderseitigen Gebietsteile wesentlich bei tragen. Em günstiges Ergebnis steht in Aussicht. Wir be willkommnen es als einen neuen Zuwachs an den Verbindungs mitteln für den wirtfchaftlichen Verkehr beider Reiche. — Deutscherseits wurden folgende Herren zu den Verhandlungen designiert : Ministerialdirektor Kirchhoff, die Geheimräte Krönig, Jöden, Hoffmann, Nitfchmann, Otten dorfs, Kindcrmann und Legationsrat Götfch. * Deutscher Lparkasfcntag. Im Sitzungssaale des Tel tower Kreishauses trat heute vormittag unter zahlreicher Beteiligung von Vertretern aller deutschen Sparkaffenverbände der deutsche Spar kaffen tag zu seiner diesjährigen Generalversammlung zusammen, deren wichtigster Ver- handlungsgegenstand das Scherl sche Sparsystem bildet. Der Geschäftsführer Direktor Drape - Hannover erklärte in seiner Rede: Nach den gepflogenen Be ratungen in den Unterverbänden steht zweifellos fest, daß die Mehrzahl sich gegen das Seherische Sparsystem in seiner heutigen Fassung erklären. (Bravorufe.) Nur eine Minder heit lieht dem System freundlich gegenüber und wünscht die Anstellung weiterer Erhebungen, während einige Unter verbände sich noch nicht schlüssig geworden sind. Wir haben also noch zur endgültigen Entscheidung zusammenzutreten. Vom Ministerium ist eine Mitteilung eingegangen, der Minister des Innern denke nicht daran, daS Scherlsche Spar system in Erwägung zu ziehen. * Tcutfche IKcsandtschaft nach Abcsfynicn. Eine außer ordentliche deutsche Gesandtschaft, an deren Spitze einige höhere Offiziere aus der unmittelbaren Umgebung des Kaisers stehen, geht Mitte Dezember nach Abesfynien ab, um in der Hauptstadt Addis-Abasa mit dem Negus Menclik Handels verträge abzuschließen und Geschenke des Kaisers zu über bringen. Eine aus den Garderegimentern auserlesene Mann schaft wird nach dem „B. T." die Gesandtschaft begleiten, teils zum Schutz, teils zur Repräsentation am Hose deS Negus. * Private Arbcitcrversichcrnng DaS „ReichsarbeitS- blatt" fährt in der Veröffentlichung feiner mehrfach er wähnten Uebersichten über das Versicherungswesen der deutschen Arbeiterverbände fort. DaSNovember- heft bringt Tabellen und graphische Darstellungen, welche die Unterstützungsleistungen bei Arbeitslosigkeit am Ort und auf der Reise veranschaulichen. Arbeitslosenunterstützungen am Orte werden meist nur bei unverschuldeter Arbeitslosigkeit gewährt. Die viel erörterte Verschuldungsfrage tritt also auch an die Kassenverwaltungen dieser Organisationen heran. DaS „Reichsarbeitsblatt" führt eine Reibe von Gründen an, welche nach den Statuten zur Niederlegung der Arbeit berechtigen. Solche sind Lohnabzug, Ehr- oder Körper verletzung durch den Arbeitgeber, Beschränkung der freien Willensäußerung. Die Gewerkschastsstatuten bieten also ein beachtenswertes Material, das bei der Einrichtung einer öffentlichen ArbeitSloscnkaffe Wohl zu prüfen wäre. Im Gegensatz zu dem Standpunkt, den eine solche Kasse einnehmen müßte, gewähren aber die Gewerk schaften kein klagbares Recht auf Unterstützung. Aus dem reichen Material über Leistungen der OrtSunter- stützung greifen wir einige interessante Tatsachen heraus. Faßt man die Maximalunterstützungssumme ins Auge, so stehen bei weitem an erster Stelle die Buchdrucker, deren Verband bis zu 420 .c im Jahre zahlt. Damit kann sich kein anderes Gewerbe messe». Am nächsten kommen die Maschinenbau- und Metallarbeiter. Hier sind fünf Verbände aufgesührt, unter denen die freie Gewerkschaft der Metall arbeiter mit 19K --c im Höchstfall den Hirsch-Dunckerschen Maschinenbauerverein mit einer Maximalleistung von 105 «ik jährlich schlägt. Bei mancher Organisation ist die Leistung recht kümmerlich; der Gewerkverein der Konditoren zahlt z. B. höchstens 30 und hat im Jahre 1893 nur 171 für Arbeitslosenunterstützung auSgegeben. Den höchsten Tagsatz, nämlich 2 .<e, zahlen die Graveure und Ziseleure, am längsten gewährt der Gutenbergbund Unterstützung, nämlich 140 Tage. Die Reise Unterstützungen werken von den Verbanden nach verschiedenen Gesichtspunkten bemessen. Die einen, darunter alle Gewerkvrreine, stufen Höhe und Dauer der Unter stützung nach der Anzahl der Kilometer ab; hier geht am wr,testen die Gewerkschaft der Kupferschmied«, die bi» zu 4500 Kilometer vier Pfennig Kilometergeld, also bis zu 180 Mk.
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