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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 04.12.1904
- Erscheinungsdatum
- 1904-12-04
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-190412043
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-19041204
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-19041204
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-12
- Tag1904-12-04
- Monat1904-12
- Jahr1904
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 04.12.1904
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Auzetgen-PretS die 6 gespaltene Petitzeile 2V Reklamen unter dem Redaktionsstrich (4grfpalten) 75 nach den Familiennach- richten (6 gespalten) 50 — Tabellarischer und Zifsernsatz werden entsprechend höher be rechnet. — Gebühren für Nachweisungen und Ofsertenannahme 2b >4- Änuahmeschlntz für Aa-etgen: Abend-Ausgabe: vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgab« nachmittag» 4 Uhr. Anzeige» sind stet» an die Expedition zu richten. Extra-Beilage» (nur mit der Morgen- Ausgabe) nach besonderer Vereinbarung. Die Expedition ist wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi» abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig (Inh. Or. B„ R. L W. Slinkhardt). Nr. 817. Sonntag den 4. Dezember 1904. W. Jahrgang. Var Mchtigrte vom Lage. * Von autoritativer Seite erfahren wir zum Abbruch der Handelsvertragsverhandlungen mit Oesterreich- Ungarn, daß tatsächlich außer den Agrarfragen auch die industriellen Zolle große Schwierigkeiten gemacht habe«. (S. Dsch. Reich.) Im Reichstage erklärte gestern Schatzsekretär Freiherr v. Stengel, im Reichsschatzamt rechne man mit einer Unterbilanz von 280 Millionen Mark beim Reichs« iuvalidevfondS. * Im Reichstagswahlkreise Schwerin-WiSmar er« scheint die Wahl des Nationalliberalen Büsing gesichert. (S. letzte Depsch.) * Parteioffiziös wird bestätigt, daß der Reichstags wahlkreis Hof-Münchberg von den Nationalliberalen freiwillig den Freisinnigen überlassen werden soll. (Siehe Dtsch. Reich.) * Der Staatsvertrag zwischen Preußen und Mecklenburg detr. die Lotteriegemeinschaft ist dem mecklenburgische« Landtag vorgelegt wordeu. * Die Konferenzen Franz Josefs in Gödöllö betrafen die von den Finanzmiuistern noch nicht beschaffte erst« Rate von 450 Millionen Kronen für Geschütz- und Aus rüstungslieferungen. (S. Ausland.) * In Prag sind gelegentlich der Einweihung der deutschen Lese- und Redehalle deutsche Studenten mißhan delt wordeu. (S. Ausland.) * Im Haag wird demnächst eine internationale Konferenz über die völkerrechtliche Stellung der Lazarett schiffe eröffnet werden. (S. rufs.-jap. Krieg.) * Auf dem Terrain der Weltausstellung von St. Louis, in der Schaustraße „Pike", brach Feuer aus, eine Person kam um, eine Person wurde wegen Brand stiftung verhaftet. (S. Neuigk.) * Vor Port Arthur hat gestern ein sechsstündiger Waffenstillstand zur Beerdigung der Toten statt gefunden. (S. rufs.-jap. Krieg.) politische lllochenrchau. Die Handelsvertragsverhandlungen, mit Oesterreich sind gescheitert. So etwas kommt vor. auch unter den besten Freunden. Nur machen die begleitenden Umstände den Fall diesmal besonders un erfreulich. Er hatte Krieg und Frieden, Drohungen und Versprechungen, in seiner Toga. Aber die Zugeständnisse genügten -en Ministern Oesterreich-Ungarns nicht, und die Drohungen schreckten sie nicht. Man verhandelte um die Dinge herum, damit der nicht zu überbrückende Zwie spalt möglichst lange verborgen bliebe. Dann endlich, als man nicht länger dem Drängen des Grafen Bülow ausweichen konnte, kam man auf den wichtigsten Punkt, die Agrarzölle, zu sprechen. Und hier trat sofort zu Tage, wie schwer eine Einigung ist. Dor Grund liegt nahe genug; zwei harte Steine können sich zerreiben, aber sie können nicht mahlen. Und diesseits wie jenseits der schwarzgelben Pfähle steht die Regierung unter agra rischem Einfluß. Nun erzählen uns unsere Agrarier allerdings gern, wenn sie von der amerikanischen Gefahr sprechen, von den Vorzügen eines mitteleuropäischen Wirtschaftsbundes. Aber das ist nichts als Phantasie; in Wirklichkeit stehen auch die Agrarier der einzelnen europäischen Länder wie Hund und Katze zueinander. Das hat sich auch bei den Wiener Verhandlungen wieder gezeigt — leider. Die ungarischen Minister reisten nach dem gemeinsamen Ministerrate, dem auch Graf Posa- dowskh beiwohnte, demonstrativ ab; so blieb auch dem deutschen Unterhändler nichts anderes übrig, als seine Koffer zu packen und der schönen Kaiserstadt an der blauen Donau Valet zu geben. Das ist ein Wcrmuthstropfen im Freudenkelch der Bülowschen Handclsvertragsverhandlungen, der recht bitter schmeckt. Geschickt hat es der deutsche Reichskanzler bisher verstanden, bei den Verhandlungen mit den übrigen Staaten die Achillesferse des neuen Zolltarifs zu verbergen; das Glück war ihm dabei hold. Nun im letzten Augenblicke, schon fast im Hafen, läuft das Ver tragsschiff auf einer gefährlichen Klippe fest. Natürlich bemüht man sich auf beiden Seiten lebhaft, doch noch ein Resultat zu erzielen. Man spricht von einer Wiederaufnahme der Besprechungen, man ver weist darauf, daß der Vertrag, selbst wenn er am 31. De zember dieses Jahres gekündigt werden sollte, noch ein Jahr weiter läuft, und man deutet an, daß sich bis dahin schon noch ein Weg zur Verständigung finden werde. TaS glauben wir auch, da eS ein deutscher Staatsmann so wenig wie feine österreichisck)en und ungarischen Kollegen verantworten könnte, einen Zollkrieg zwischen zwei Staaten zu entfesseln, die sich politisch so nahe stehen und in allen möglichen Zukunftseventnalitäten so eng auseinander angewiesen sind. Nur wird dadurch die gegenwärtige Situation nicht besser; und besonders Graf Bülow selbst befindet sich in einer höchst prekären Lage- Er hatte bestimmt damit gerechnet, dem Reichstage bei seinem Zusammentreten das Handelsvertragswerk io toto vorlegen zu können; jetzt muß er sich mit einem Torso begnügen, dem der Kopf fehlt. Es liegt auf der .Hand, daß die antiagrnrische Opposition im wieder ver sammelten Reichstage diese Blöße gehörig ausnützen wird. Andererseits ist nicht recht abzusehen, wie der Aus weg aus diesem Dilemma gefunden werden soll, wenn Deutschland nicht einige Pflöcke zu-rücksteckt. Damit aber würde Graf Bülow es wieder mit den Agrariern gründ lich verschütten. Zum Glück für unsere Staatsmänner sind auch ihre Widersacher im verbündeten Nachbarstaate nicht stark genug, um einen offenen Konflikt mit Deutschland riskieren zu können. Graf Tisza sieht sich mit jedem Tage in neue Schwierigkeiten verstrickt. Die dem unga rischen Abgeordnetenhause aufgezwungene schärfere Hausordnung erweist sich, je länger je mehr, als eine Waffe, deren Schärfe sich gegen ihren Urheber richtet. Schon hat Tisza in Raab erklärt, daß er diese Haus ordnung nur als eine vorläufige betrachte, an deren Stelle er eine endgültige mildere Ordnung setzen wolle. Das bedeutet schon eine halbe Zurücknahme dieser mir so viel Erbitterung aufgenommenen Maßregel. Aber möglicherweise kommt Tisza überhaupt nicht mehr in die Verlegenheit, sich noch lange als Ministerpräsident zu betätigen. Die Volksstrmmung wenigstens, die in Un garn was zu sagen hat, ist aufs äußerste gegen ihn er bittert, wie die tumultuösen Vorgänge in Raab bewiesen haben. Und noch bedenklicher ist es, daß sich die dissen- tierendcn Liberalen mit den Anhängern Kossuths und dem Grafen Apponhi zusammengeschlossen haben, um Tisza zu stürzen. Bei Liesen häuslichen Sorgen wird es sich Graf Tisza zweimal überlegen, ehe er auch noch mit dem Deutschen Reiche anbindet. Nicht viel besser, vielleicht noch schlimmer, ist Herr v. Koerber daran, der sich noch immer vergebens be müht, das österreichische Abgeordnetenhaus aktionsfähig zu machen. Wie er den Obmännern der Parteien an: letzten Mittwoch auseinandersetzte, will er eine große Partei der Ordnung schaffen. Die Miquelschen Ideen haben es ihm offenbar angetan. Aber das Kartell ist schon in Deutschland in die Brüche gegangen; wie sollte es da auf dem von Nationalitätenkämpfen zerrissenen Boden Oesterreichs Gestalt gewinnen. Man wird sich ein paar Wochen an diesem schönen Traume der Sammlungs politik berauschen, um dann nur zu bald wieder sich in die Haare zu geraten. Herr v. Koerber aber wird mit Seufzen eingestehen müssen, daß es für ihn nach wie vor keine andere Politik als die des Fortwurstelns gibt, im Innern wie nach außen. In Italien haben die Kammerwahlen zunächst eine gewiße Klarheit geschaffen. Herr Giolitti sucht die Pracht, die ihm die Wahlen gebracht haben, zu allerlei Reformen auszunützen. Die Thronrede, mit der König Viktor Emanuel das Parlament eröffnete, ist nicht bloß im Jnlande, sondern auch bei uns beifällig aus genommen worden. Friede und soziale Gerechtigkeit sind Worte, die immer bei den Völkern ein lebhaftes Echo finden. Wie weit es allerdings gelingen wird, die so zialen Versprechungen in Taten umzusetzen, das steht noch sehr dahin. Der Grundsatz, daß eine friedliche Lösung der Jnteressenkämpfe zwischen Kapital und Ar- beit angebahnt werden müsse, ist unübertrefflich schön; auch ein Schiedsspruch zwischen Kapital und Arbeit, der der Gerechtigkeit und Billigkeit Len Sieg sichert, kann auf den allgemeinen Beifall rechnen. Die Durchführung dieser edlen Grundsätze scheint uns aber etwas schwierig zu sein, und wir warten deshalb ab, welches neue Rezept der Herbeiführung des sozialen Friedens Herr Giolitti dem Lande verschreiben wird. In Frankreich weiß sich Herr Combes noch immer zu behaupten. Auch der neueste Anschlag der Klerikalen ist mißglückt. Diesmal hatten diese unermüdlichen Gegner die Gestalt der seligen Jeanne d'Arc, die einst als Ketzerin verbrannt worden war, heraufbeschworen, um dem Ministerium Combes ein Bein zu stellen. Ein Lehrer namens Thalamas hatte es gewagt, sich vor seinen Schülern zum Atheisnms zu bekennen und von der Jungfrau unehrerbietig zu sprechen. Darüber geriet die fromme Jugend, die woU von den noch frömmeren Erwachsenen aufgestachelt worden war, aus Rand und Band. Das wäre nun nicht schlimm gewesen, da die französische Republik von einigen Gymnasiasten noch nicht umgestürzt wird. Aber der Unterrichtsminister Chaumiö beging die Unvorsichtigkeit, Herrn Thalamas in eine andere Stellung zu versetzen und brachte damit nicht nur sich, sondern das ganze Ministerium zwischen zwei Feuer. Die Kannner lehnte denn auch die von Herrn Chaumi6 verlangte einfache Tagesordnung ab und erteilte ihm damit ein Mißtrauensvotum. — Nachher renkte man allerdings die Sache wieder ein, indem mau Herrn Chaumi6 ein Vertrauensvotum gab. Herr Lhaumis hatte so beides, Vertrauen und Miß trauen. Gr entschied sich als kluger Mann für dar Ver trauen und behielt seinen Platz. Aber man sieht auch in diesem Falle wieder, wie wenig sich Herr Combes in seiner antiklerikalen Politik nur auf seine nächsten Mit- arbeiter verlassen kann. Ein preußischer Minister hat es besser. Er mag tun, was er will, der Verzeihung des Abgeordnetenhauses ist er sicher. In dieser Wcche saßen gleich Mei Minister auf dem Armsünderstühlchen, um beide hocherhcbenen Hauptes davongehen zu können. Zuerst kam Herr Möller mit seiner Hiberniavorlage an die Reihe. Was man auch gegen oder für die Idee einer Verstaat lichung des Kohlenbergbaues sagen mag — darüber kann kein Zweifel fein, daß Herr Möller die Verstaat- lichung in denkbar unglücklicher Form eingeleitet hat. Man wusch ihm auch ganz gehörig den Kopf, doch nur, um zuletzt seine mehr als dürftigen Rechtfertigungs- verbuche mit Wohlgefallen und Beifall entgegenzu nehmen. Man kann schon jetzt darauf rechnen, daß der Staat die nötigen Millionen flüssig machen wird, um die kleinere Hälfte der Hiberniaaktien zu kaufen. Und nicht anders ging es Herrn Studt bei der Inter pellation über den Berliner Schulstreit. Was er zur Begründung seines Standpunktes anführte, war mehr als schwach; es waren Keulensch-läge, mit denen der ehr- würdige Hcbrecht das ministerielle Vorgehen abtat. Das alles hielt aber die Mehrheit des Abgeordneten- Hauses nicht davon zurück, dem Minister ihr Vertrauen zu bezeugen. Es bleibt alles beim alten, und Herr Studt bleibt auch. Ueber dem Kriegsschauplatz in Ostasien hängen noch immer Wvere Wolken, ohne sich in mehr als gelegentlichen Blitzen zu entladen. Nur vor Port Arthur hat die japanische Belagerungsarmee durch die Besetzung des 203 Meterhügels einen Fortschritt gemacht. Ob er genügen wird, den hartnäckigen Widerstand General Stößels zu brechen, ist aber nach wie vor fraglich. Huicksro. Sei Atikrtana in 5üa«ertaMlra. Nochmal« -le Lypharfrag«. Noch immer hört man nichts darüber, ob man sich nun eigentlich amtlich entschlossen hat, mit der Typhus- Immunisierung bei unserer Truppe vorzugehen. Es sind nach der „Köln. Ztg." allerdings 10 000 Jmmuni- sierungsdosen im Institut für Infektionskrankheiten in Berlin für die Militärverwaltung fertiggestellt worden, aber es verlautet nichts darüber, in welcher Weise sie ver wendet werden sollen, und ob man nun endlich angesichts der erschreckend zahlreichen Todesfälle Lurch Typhus be reit ist, den Kampf gegen den Typhus durch Impfung aufzunehmen. Gerade wegen der schlimmen Art und Weise, in der jetzt der Typhus unter unfern tapferen südwcstafrikanischcn Käm pfern haust, sollte kein Mittel unversucht gelaßen werden, von dem man ein Eindämmen der Typhusgcfahr erhoffen kann. Gewiß kann man sagen, daß die Typhusimpfung wissenschaft lich noch nicht ganz klargestellt, und daß ihre Methode noch der Verbesserung fähig ist, aber das kann angesichts der bei eng lischen Truppen gemachten Erfahrungen niemand behaupten, daß sich diese Impfung als ein gefährliches und unwirksames Mittel erwiesen h^:. Auch in England tobt jetzt der Kampf in der amtlichen Welt um die Anwendung oder Nichtanwen dung der Typhusimpfung, und über den Stand dieses Kampfes gibt ein Artikel der „Times" vom 27. Oktober Auskunft. Mit Mißvergnügen wird am Schluffe dieses Artikels, der nicht ver melden kann, daß man sich in England schon auf eine energische, von wissenschaftlichen Grundsätzen geleitete An- Wendung der Typhusimpfung geeinigt hat, mitgeteilt, daß bei den deutschen Verstärkungen für Deutsch-Südwestafrika — worüber wir leider noch nichts erfahren haben — die Impfung angewcndet werde, und cs wird die Vermutung ausgesprochen, daß die Japaner im jetzigen Kriege sich durch Impfung den Typhus vom Leibe halten. Diese letzte Vermutung hat sehr viel Wahrscheinlichkeit für sich. Wenn wir in den Zeitungen lesen, daß die japanische Armee von Krankheiten heimqesucht wird, ist vom Typhus nicht die Rede, obwohl dieser eine Krankheit ist, die erfahrungsgemäß im modernen großen Kriege den Armeen folgt, wie der Geier dem AaS. Die Japaner find Wohl, wie der jetzige Krieg in seinem Verlaufe gezeigt hat, das Volk, das die Modernität der Kriegführung auf die Spitze getrieben hat. Warum sollten sie nicht auch die Bak teriologie in den Dienst des Krieges gestellt haben? Vorzüg liche Bakteriologen, gelehrige Schüler und frühere Assistenten unseres berühmten Landsmanns Robert Koch, zählen sie schon seit Jahren zu den Ihrigen. Ist es der Fall, so sollten wir ihrem Beispiele folgen und den Kleinkrieg in Südwcstafrika benutzen, um die ungefährliche Prüfung der Anwendbarkeit der Typhus impfung auf große Kriege vorzunehmcn. Jeder wird sich erinnern, wie schrecklich 1870/71 der Typhus in den Reihen unserer Krieger gehaust hat, und wer sich überhaupt mit solchen Din gen beschäftigt, der weiß, daß, obwohl unser Kaiser persönlich ein außerordentliches Interesse dafür zeigt, unsere westlichen Grenzgebiete Elsaß-Lothringen und die Rhcinlande durch die systematische Bekämpfung des Typhus unter der Leitung Ro bert Kochs typhuSfrci zu machen, wir noch weit davon entfernt sind, diese deutschen Gebiete vom Typhus befreit zu haben. Die Impfung gegen TyphuS kann, ganz abgesehen davon, daß ihr die höchste GcbrauchSfähigkeit zunächst für FriedenSzciten zuzuschrciben ist, wenn sie in den Händen tüchtiger Acrztc er probt und zu ihrer Vollendung herangebildet ist, eine Kriegs- Waffe ersten Ranges werden. Auch ein kleinkalibriges wo- dcrnes Kriegsgelvehr bedarf, ehe es zur vollendeten KriegS- lvaffe wird, der Erprobung in jeder Richtung. UnS bot sich und bietet sich noch in Deutsch^Südwestafrika di« Gele-rnheit, die Typhusimpfung auf ihre Brauchbarkeit zu prüfen. Wir hätten von vornherein an diese Prüfung ruhigen Mute? Her antreten können, weil «S sich nicht etwa um etwas Neues, son- dern um ein von dem englischen Gelehrten Wright vor einigen Jahren entdecktes, in Aegypten, Indien und Südafrika mit gutem Erfolge angewandtes Mittel handelt. Darüber enthält der vorerwähnte Aufsatz der „Times" folgendes: „Professor Wright und sein damaliger Assistent Major (Militärarzt) Leischmann haben für den Gebrauch in der Armee 400 000 Dosen Schutzserum zubereiret und geliefert, mit dem Erfolge, daß, obschon 100 000 Mann geimpft wurden, nicht ein ein ziger Fall von septischer Störung durch die Anwendung des Verfahrens gemeldet worden ist." Die letzte wissenschaftliche Kommission, die in England die Typhusimpfung zu beurteilen harte, erklärt einstimmig, „die Impfung gegen Typhus habe eine wesentliche Verminderung der Erkrankungs- und Todes, fälle durch typhöses Fieber herbeigeführt, weshalb empfohlen wird, das von Professor Wright angewandte System in der Armee einzuführen." Für wie unbedenklich man an sich im Institut für Infektionskrankheiten die Impfung hält, geht dar aus hervor, daß sich eine ganze Reihe dort tätiger Bakterio. logen selbst mit Typhus geimpft haben, lediglich um Ver besserungen des Jmpfverfahrens auf kürzestem Wege an sich selbst anszuprobieren. Eine Anwendung der Typhusimpfung in Südwdstafrika würde aber, dafür bringen die Erfahrungen der Engländer im Burenkriege den vollen Beweis, sicher man chen unserer braven Krieger dort vor dem Typhustode bewahrt haben. Niemand konnte uns daher bei Anwendung der Im pfung den Vorwurf machen, daß unsere dort kämpfenden Sol- baten ihren Körper zu Versuchszwecken hergeben sollten. Aller dings aus dem vorauszusehenden Erfolg der Tyfchusimpfung, der in erster Linie als Selbstzweck unserer dortigen Truppe zugute gekommen wäre, hätten wir für die Zukunft manche Lehre ziehen können. Noch ist es Zeit, wenn der Typhus auch schon viel zu viele Opfer gefordert hat, wenigstens im weite ren Verlaufe der Operationen in Südwcstafrika den richtigen Weg einzuschlagen. Hoffentlich ist die Regierung bald in der Lage, durch entsprechende Mitteilungen in der Oeffenilichkeit keinen Zweifel mehr darüber zu lassen, daß man sich zur Be kämpfung des TyphuS durch systematische Impfung ent schlossen hat. Nach amtlicher Meldung sind an TyphuS gestorben: Unterveterinär Christian Rechel, geb. am 20. April 1876 zu Rodau, früher Feldartillerie - Regiment Nr. 15, am 13. November im Lazarett Owikokorero; Gefreiter Georg Schmiedmeier, geb. am. 30. August 1881 zu Edel hausen, früher königlich bayerisches 6. Feldartillerie-Regiment, am 29. November im Lazarett Otjimbiude; Reiter Paul Seipel, geb. am 19. August 1883 zu Offenbach a. M., früher Infanterie-Regiment Nr. 166, am 1l. November im Lazarett Epukiro. Am 22. November wurde im Gefecht bei Kub verwundet: Reiter Fritz Bandelt, geb. am 29. Januar 1882 zu Zabern, früher Füsilier-Regiment Nr. 86, schwer, Knochenschuß in den rechten Unterschenkel. ver rasrizch-japanische Weg. Die militärische Lage in -er rNantsch«rei. Die Londoner Blätter veröffentlichen, wie die „Voss. Ztg." meldet, ein Petersburger Telegramm des Inhalts, daß Kurv p a tkin in der Mantschurei eine Offensivbewegung ver suchen dürfte, um wieder in den Besitz der Bergwerke von Ientai zu gelangen, die der russischen Armee das Heizmaterial liefern müssen. Eine Umgehungsbewegung gegen die japanische rechte Flanke weit im Osten von Ientar scheine im Gange zu sei». Die Japaner versuchen, Ientai durch Ver schanzungen mit Belagerungskanonen fast unüberwindlich zu machen, aber das russische Mörserfeuer bereite ihnen dabei schwere Hindernisse. Nsmbar-em»«t. Nach einem Reutertelegramm auS Mulden begannen die Russen gestern mit Belagerungsgeschützen die Gegend an der Eisenbahn bei Suchiatun heftig zu beschießen- das Bombardement wurde den ganzen Nachmittag über' fortgesetzt. Port Arthur «n- die Autzenmelt. Ueber die Verbindung Port Arthurs mit der Außen welt schreibt ein Korrespondent dem „Militär-Wochenblatt" folgendes: „Zwischen Port Arthur und Tschifu bestand und Lestebt »och heute, Anfang Oktober, telegraphische Verbindung. Der russische Konsul in Tschifu hat auf dem Dache feines Hauses eine Funken-Telegraphenstation eingerichtet, durch die er mit Port Arthur korrespondiert; ich habe sie selbst gesehen und die erregten Be merkungen der Engländer, Amerikaner und Japaner darüber gehört. Selbst wenn die Japaner die russische Wellenlänge kennen, so muß es, bei Gebrauch entsprechend vereinbarter Zahlen, auf diesem Wege möglich sein, Nachrichten aus der Festung heraus und in diese hinein gelangen zu lassen. In dieser Weise hat General Stössel wiederholt die Verluste in einzelnen Gefechten gemeldet und Nach richten sowohl auS St. Petersburg wie von der Mantschurei-Armee erhalten." Außerdem wurden und werden aber noch Nachrichten und Depeschen durch kühne russische Offiziere, durch reich bestochene Chinesen und durch Dschunken vermittelt. Der Korrespondent des „Militär-Wochenblatt" war dreimal vor Port Arthur, ohne hinein gelangen zu können. „Aber trotz meiner persönlichen Erfahrungen," schließt er seinen Bericht, „konnte ich doch sehen, daß eine unbe dingte Blockade selbst bei so ausnahmsweise günstigen Umständen, wie sie hier für den Sinschließenden vorlagen, nahezu unmöglich ist." Daraus ergibt sich, daß auch General Stössel über die Vor gänge außerhalb der Festung und über den Zeitpunkt des Eintreffens der Entsntzflotte genau unterrichtet ist und bisher imstande war, mit seinen WiderstandSmitteln Haus zu halten. Der „Daily Telegraph" läßt sich auS Shanghai unterm 2. ds. drahten: Da die russischen Schiffe vor Port Arthur jetzt auf Japan« Gnade angewiesen stnd, ist «an d« Mein»ng, Verluftlift«.
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