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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 01.11.1895
- Erscheinungsdatum
- 1895-11-01
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-189511016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18951101
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18951101
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-11
- Tag1895-11-01
- Monat1895-11
- Jahr1895
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 01.11.1895
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forkattstischen Blätter begrüßen das Cablnet Bourgeois freudig; die gemüßigten fürchten, daß die Resormentwürse Verwirrung im Lande herbeisiihren. Die man archistifchrn Blätter sagen voraus, daS Eabinet werde von kurzer Dauer sein. Diese letzteren Stimmen dürfte» Recht behalten. Wie aus Tientsin gemeldet wurde, sind dir Verhandlungen wegen der Erwerbung einer sogenannten Kronconcession durch Teutschland dort am 30. October durch Unter zeichnung de« Vertrags abgeschlossen worden. Tientsin ist, seit der Vicrkönig von Tschili bier seine Residenz ausgeschlagen, die Pforte, durch die europäischer Handel und Einfluß in das Reich der Mitte vordringk. Von bier führt die Landstraße und der Flußweg des Peiho nach dem etwa 130 km ent fernten Peking, bis hierher gehen Seeschiffe den vielfach ge wundenen Peiho aufwärts und hier ist auch der Endpunct der Eisenbahnlinien nach Taku und Schanhaikwan. Die europäische Niederlassung in Tientsin bildet eine stromab wärts von der geräuschvollen Ehineseustadt gelegene und in sich abgesonderte Gemeinde, in der das aufstrebende Deutsck- tkum nächst den Engländern unbestritten die erste Stelle einnimmt. Durch das schnelle Anwachsen des deutschen Wettbewerbes fühlten sich die englischen Ansiedler in ihrem Besitzstände bedroht und sie haben hier wie in Hankau ihrer Mißgunst wiederholt in allerlei Treibereien und Agitationen gegen die Deutschen Luft gemacht. DaS ist auch hier der hauptsächlichste Grund, der die Erwerbung des eigenen HeimS für Deutschland wünschenöwcrlh machte. Der Jahresumsatz deö in Tientsin sich sammelnden Handels beläuft sich auf etwa 50 Millionen Tacls und der deutsche Antheil daran wächst stetig. Während 1882 nur zwei deutsche Häuser in Tientsin angesessen waren, sind jetzt bereits 16 Firmen in daS Handelsregister eingetragen, darunter vier, die daS ertragreiche NegieruugSgeschäft be treiben. Die übrigen befassen sich meist mit der Ausfuhr einheimischer Erzeugnisse, wie Strohgeflechte, Kameel und Schafwolle, Felle aller Art, Borsten und dergleichen. Die Zahl der in Tientsin wohnenden Deutschen männlichen Gc schlecht- ist seit 1882 von 20 auf 50 gestiegen, die in der Provinz Schantung lebenden katholischen Missionare ein gerechnet, sind iuSgesammt 130 Deutsche (Männer, Frauen und Kinder) in die Matrikel eingetragen. Auch die dort lebenden militairischen Instructeure und die Beamten der Deutsch-Asiatischen Bank, die in Tientsin eine Zweigstelle hat, tragen zur Förderung des Deurschthums erheblich bei. Deutsche- Reich. ^Berlin, 31. October. Dieser Tage ist eine Statistik derGewerbegerichte veröffentlicht worden,die einen sehr er freulichen Ausschluß über die rasche Verbreitung dieser bis 1890 dem größten Theile Deutschlands unbekannt gebliebenen Ein richtung giebt. Leiter zeigt sich bei der Besetzung der Gewerbe gerichte die Erscheinung, daß an Len meisten von ihnen auch die Arbeitgeber durch Socialdemokraten vertreten sind. ES ist über dieses Zeichen bürgerlicher Indolenz schon viel geklagt worden, ohne daß eine merkliche Besserung eingetretc» wäre. Leider hat eS den Anschein, als ob diese Gleichgiltigkeit nicht nur bei den Wahlen zu den Gewerbegerichten sich offenbare, sondern auch dem Gesetze gegenüber, das von diesen Gerichten gehand habt wird, der Gewerbeordnung. Auf einer Besprechung von GewerbegerichtS-Beisitzern, die vor einiger Zeit in Leipzig statt gesunden hat, lag eine Petition aus Berlin vor, welche die Ein führung der Berufung gegen die gewerbegerichtlicheu Urtheile an die Amtsgerichte fordert. ES erhob sich für dieses Verlangen keine Stimme, dagegen wnrde(von dem Bürgermeister einer großen preußischen Stadt) erklärt, „daß die Arbeitgeber viel weniger al« die Arbeitnehmer mit den Bestimmungen der Gewerbe ordnung bekannt seien und vielfach Urtheile zum Gegenstand de» Angriffs machten, die nach den klaren Bestimmungen der Gewerbeordnung nicht anders ergehen könnten." Es ist gewiß, daß durch solche Feststellungen die socialdemokratische Berühmung mit einer die bürgerliche übertreffende» geistigen Regsamkeit der „Genossen" einen Schein von Begründung erhalt, und schon deshalb sollte man hoffen dürfen, daß Vergleichen dieser Art von dem bürgerlichen Elemente der Boden werde entzogen werden. * Berlin, 31. Oktober. Der Kaiser wohnte gestern ebenso wie Prinz Friedrich August von Sachsen der ErinnerungSseier an den ruhmreichen Tag von Le Bourget bei dem Gardeschützcn-Bataillon in Groß-Lichterfelde bei. Nach einer Ansprache deö BataillonScommandeurS OberstlieutcnantS v. Pawlowski, die mit dem Gelübde unver brüchlicher Treue schloß, nahm der Kaiser das Wort und »sprach Folgendes: „Mit herzlichem Danke vernehme ich daS Gelübde, das der Eommandeur des Gardeschiitzen-Bataillons im Namen des Osficiercorps, der active» und inactiven Angehörigen des Bataillons ausgesprochen hat. Wenn ich heute hier das Wort ergreife, so geschieht es unter Umständen, dir mich besonders bewegten Herzens sprechen lassen. Denn erst vor wenigen Wochen bin ich den ganzen Weg, den das Garde-Schützen-Bataillon unter furchtbaren Verlusten im feindlichen Feuer zurückgelegt hat, durchritten, um mir zu vergegenwärtigen, welche Ausgabe das Bataillon zu lösen hatte. Ich kann nur wiederholen, daß die Ge fühle, die mich und die mich begleitenden Officiere beschlichen haben, dahin gehen, daß man im Stillen den Hut ziehen kann vor solchen Leistungen. Aber, wie der Eomurandeur schon betonte, gehen wir zurück auf die Quellen der Leistungen, den von meinem Herrn Grotzvatrr eingepslanzten Geist, stetiges Ehrgefühl, blinden, unbedingten Gehorsam, absolute, olles überwindende Tapferkeit. So lauge wir dos haben, können wir jeder Situation ins Auge sehen. Wie danials mein Herr Großvater und der Prinz Friedrich Karl erklärten, daß ohne den 16. August der 18. nicht möglich, so war ohne diesen der 2. September nicht möglich. Diese Zahlen wollen wir uns im Geiste vorführe» und uns daran erinnern, daß wir durch festes Zusammenhalten daS aufrecht erhalten, was unsere Vor- fahren angebahnt haben. Daß das Garde-Schützcnbataillon sein Bestrebe» einsetze, um im Frieden und Kriege den alte» Ruhm zu erhallen und neue Lorbeeren zu pflücken, wenn es daraus ankoinmt, darauf leere ich mein GlaS. Das Garde-Schntzenbataillon Hurrah! Hurrahl Hurrah!" — Der Kaiser, der gestern Abend um 9 Uhr 40 Mi», von Groß-Lichterfelde nach Berlin fuhr, traf hier gegen 10 Uhr Abends ein und übernachtete im hiesigen Schlosse, nachdem er im NeichSkauzlerpalais den Vortrag des Fürsten Hohenlohe entgegen genommen hatte. Heute früh begab er sich um 8 Uhr 5 Mi», »ach dem Schießplätze CumiuerS- dorf, nahm das Frühstück im dortigen Casino rin und gedachte Nachmittags gegen 5 Uhr im Neuen Palais wieder einzutreffen. Die Kaiserin empfing Mittag den Besuch des Prinzen Friedrich August von Sachsen, welcher zur Frühstückstafel im Neuen Palais verblieb. — Der Kaiser hat, der „Deutschen militairärztlichen Zeitschrift" zufolge, Gnad en beweise für SanitätS- Officiere durch eine EabinetSordre eintreten lassen und dabei ausgesprochen, „in wie hohem Grade die Leistungen des SanitätScorpS in dem glorreichen Feldzüge 1870/71 be friedigt haben". — Der BundcSrath hat in seiner heutigen Sitzung den Entwürfen eines amtlichen Waarcnvcrzeichnisses zum Zolltarif, eines statistischen WaarenverzeichnisseS und eincö MasscngüterverzeichuisseS mit der Maß gabe die Zustimmung ertheilt, daß dieselben vom 1. Januar künftigen Jahres ab in Geltung zu treten haben. Die darauf bezüglichen Eingaben wurden durch die Beschlußfassung für erledigt erklärt. Der Beschluß des Reichstags zu Petitionen von Gemeinden, betr. die Heranziehung des ReichSfiScuS zu den Gemeindelasten, wurde dem Reichskanzler über wiesen, und ein Antrag, betr. die Feststellung des Ruhe gehalts von Reichsbeamten, angenommen. Außerdem wurde über eine Reihe von Eingaben Beschluß gefaßt. — Der Colonialrath nahm in seiner heutigen Sitzung einen Antrag deö früheren StaatSsecretairS Herzog an, durch welchen die Negierung ersucht wird, die Bestrebungen deö „Institut International" in Brüssel auch fernerhin zu unterstützen. Bezüglich der Berichterstattung der Zeitungen wieS der Director der Colonialabtheilnng deö Auswärtigen Amtes, Wirklicher Geh. Lcgalionörath I)r. Kayser, nach, daß er in einer öffentlichen Erörterung nur über die Bedeutung der Pfuntaction in England, nicht aber dieses Institut für Deutschland empfohlen hatte.' Ferner faßte der Colonialrath wichtige Beschlüsse in Bezug aus die Regelung der Landfrage; diese Beschlüsse bezwecken einerseits den Schutz der E>n- aeborcncn gegen Uebervorlheilung, und andererseits die Mög lichkeit der Erschließung des Landes durch vom Colonialrathe zu gewährende Erleichterungen. Director vr. Kayser thcilte mit, daß dem Colonialrathe daS AuSwandernngsgesetz werde vorgelegl werden; der Colonialrath beschloß, dasselbe im Plenum zu erörtern. Hierauf wurde die Sitzung aus un bestimmte Zeit vertagt. — Wie die „N. Pr. Ztg." auS bester Quelle erfährt, wird der Reichstag am 3. December einberufen werden. — Die verbündeten Negierungen haben von einer reiche- gesetzlichen Regelung des GeheimmittelwesenS ab gesehen, da die Materie in den Apothekcnverorduunge» der Einzelstaaten hinrcigend geregelt sei. Dagegen soll in den Bundesstaaten'eine öffentliche Ankündigung erlassen werden, wonach die öffentliche Ankündigung von Gcheimmitteln, welche dazu bestimmt sind, zur Verhütung oder Heilung menschlicher Krankheiten zu dienen, verboten ist. (In Sachsen ist diese Ankündigung, wie erinnerlich, vor einiger Zeit schon erfolgt. Red.) — In der Post Verwaltung sollen laut den „M. N. N." 1896/97 gegen 1900 neue Stellen für Assistenten, 3000 Stelle» für Unterbcamte im inneren Dienste der Post- und Telegraphen-Aemter, 800 Stellen für Landbriefträger, endlich 250 neue Postagentnren geschaffen werden. Für das ost- asrikanische und das Togo-Schutzgebiet sollen neue Tele- grapben-Assistentenstellen geschaffen werden. Der Telegraphen- und Telephondienst soll eine Erweiterung erfahren. — Wie die „M. Z" hört, sind auch die Etats für das Heer und die Marine jetzt fertiggestellt. — Der Ausschuß des Bundes der Landwirthe tritt zur Berathschlagung über Maßnahmen zur Gesundung des Getreidehandels und zur Hebung der Getreidepreise am 4. November in Berlin zusammen. — Die Agitation für die Einführung deö Befähigungs nachweises hat in den Kreisen der Handwerker trotz der Beschlüsse der Zuli-Conserenz nicht nachgelassen. Jetzt sind die Berliner Innung-meister entschlossen, der Regierung die Petition zu unterbreiten, einen Termin festzusetzen, an dem sie bereit sei, den Befähigungsnachweis gesetzlich einzuführen. Zu diesem Zweck soll, laut der „Post", für den 14. No vember «ine Versammlung aller Berliner Handwerksmeister eiuberufen werden. — Der Oberhofmeister Frhr. von Mirbach hat in der Verhandlung gegen Dierl und Genossen daS „Volk" ein „sehr bösartiges Blatt" genannt und ihm „gehässige Aus beutung" harmloser Vorgänge vorgeworfen. DaS „Volk" ist das Blatt des Herrn Stöcker. Ob man daraus schließen darf, welcher Wind heule in einflußreichen Kreisen gegen den früheren Hofprediger weht? — Wie nach den „B. P. N." verlautet, wird im nächste» Etatsjahre die Station in den südamerikanischen Gewässern, welche in den IndienststellungSplänen des letzten EtatSjahreS anfgesührt war, nicht mehr beschickt werden. Es dürste sich diese Maßregel ans dem Mangel au vorhandenen Kreuzern erklären. — Die „Correspondenz für CentrumSblätter" ist der Ansicht, daß, wie die Dinge im Reiche jetzt liegen, Herr Möller unter Umständen noch mehr „Unheil" »»richten könne, als Herr Lütgenau. Beide Parteien sollten bei der Stichwahl sich selbst überlassen werden. — Die Polen Berlins beabsichtigen, wie der „Pos. Ztg." gemeldet wird, am 3. November eine große Versamm lung zu veranstalten, „um gemeinsam der traurigen Momente zu gedenken, welche die Polnische Nation der politischen Frei heit beraubt haben, und nm zu constatiren, daß die Polen als Nation nicht aufgebört haben zu existiren, sondern bereit sind, wie in den verflossenen 100 Jahren, ihre nationalen Rechte zn vertheidigen". — Mit zwei Anklagen wegen Majestätsbeleidigung beschäftigte sich gestern die zweite Strafkammer am Land gericht I. Die eine Anklage richtete sich gegen den Porzellan maler Carl Beetz, die andere gegen den Droschkenkutscher Bracht. Der Gerichtshof schloß, wie die „Post" berichtet, die Ocsfentlichkeit während der Verhandlung auS und er kannte auf 4 bezw. 6 Monate Gefängniß. — Wegen Berruföerklärung hat das Schöffengericht, Abtheilung 135, den Vertrauensmann der Metallarbeiter Näther zu einer Woche, die Mechaniker Gabriel und Neumann zu je drei Tagen Gefängniß vernrtheilt. Die Angeklagten hatten, wie wir der „Post" entnehmen, in einer am 19. Juni d. I. abgebaltenen Versammlung der bei der Taxametergcsellschast streikenden Arbeiter einen College», der Gegner des Streikes war nnd behauptet hatte, die Löhne bei der genannten Gesellschaft seien auskömmliche, ja hohe, hart angegriffen, und besonders der Vorsitzende der Ver sammlung Näther war bestrebt gewesen, ihn in der Achtung der College» herabzusetzen. — Die erste Strafkammer deö Landgerichts II sprach heute Len NeichötagötagSabgeordnetcn jSchultzc-KouigSberg (SocialLemokrat) von der Anklage frei, in einer öffentlichen Volksversammlung in Cöpenick zn Gewaltthätigkeiten auf gereizt zu haben. Der Staatsanwalt hatte ein Jahr Ge fängnis) beantragt. — Die „Nordd. Allg. Ztg." bestätigt, daß der Börsen- gesctzenlwurf dem Reichstage sofort nach der Eröffnung der Tagung zngehen wird. — Bei der Gerichtsverhandlung gegen Dierl und Ge nossen war, dem „Vorwärts" zufolge, der kaiserliche Flügel- Adjutant Oberstlientenant Graf v. Keller (den die Rangliste nicht kennt. D. Red.) anwesend, der Notizen machte. Wie dasselbe Blatt berichtet, wurden gestern die Genossen Dierl, Pfund und Rautmann, nachdem für jeden von ihnen 5000 -4! Caulion gestellt waren, ans der Haft entlassen. — Die Kronprinzessin von Schweden wird nach der „V. Z." den Winter aus Korfu zubringen. — Zvm Ehrendienste beim König von Portugal sind bestimmt der General v. Keßler, Juspeeteur der Kriegsschulen, und der Capitain zur See Frhr. v. Bödeuhausen, der ehemalige Com- maudant Sr. M. Jacht „Hohenzolleru". — Admiral Knorr ist nach Ablauf seines Urlaubs heute hier wieder eingetrossen. — Der deutsche Gesandte in Stockholm, Graf v. Bray- Steinburg, der kürzlich von dort hier eingetroffen war, hos sich »ach Bayern begeben. — Der niederländische Gesandte van Tets van Goudriaan ist vom Urlaub zurückgckehrt. — Der Ober-Präsidial-Nath Davidson ist dem Ober-Präsi denten der Provinz Sachsen zugetheilt morde». — Geheimrath Gamp, der am 1. November d. I. aus dem Staatsdienst scheidet, ist zum Wirkt. Geh. Lberregieruugsrath mit dem Range eines Ralhes I. Classe ernannt worden. * Kiel, 31. October. Prinz und Prinzessin Heinrich veröffentlichen eine Kundgebung, in welcher sie allen denen Dank sagen, welche durch opferwillige Unter stützung zur Errichtung des SeemannShauseS beigetragen haben. Die Kundgebung schließt mit den Worten: „Möge das SeemannShanS eine gern besuchte und liebe Heimstätte für unsere Seeleute werden! Möge eS in reichem Maße ihrer sittlichen Wohlfahrt dienen und dazu beitragen, daß Deutschlands Seeleuten zea: Anerkennung, Achtung und moralische Hochstellung erbauen bleibe, welche sie sich überall in der Welt in hervortretendrr Weise zu erwerben gewußt haben." * Detmold, 31. Oktober. Zur Unterstützung der An sprache der Grasen zur Lippe-Biesterfeld in der lippischen Tbronfolgefrage führt die „Lipp. LandeSztg." folgenden Ausspruch deS Fürsten Bismarck an: „Nach meiner staatsrechtlichen Ueberzeugung halte ich die Erb- ansprüche Sr. Erlaucht des Grafen Ernst zur Lipvr-Birstrrfeld für wohlbrgründrt und würde auch aus politischen, nicht nur aus rechtlichen Gründen für dieselbe eintreten, ivenn ich noch in» Amte wäre!" Die „Lipp. LandeSztg." betont, daß diese Worte des Fürsten Biömarck verbürgt und jeder Zeit zu beweisen seien. * Gotha, 31. Oktober. Die „Nat.-Lib. Corr, für Thür, nnd Kurh." schreibt: Die Nr. 7 der „Landwirtbschaftlichen Beilage der Dorszeitung" (verantwortlicher Redakteur: W. Vissering) enthält einen politischen Leitartikel, der uni deswillen nicht unwidersprochen bleiben darf, weil er durch die „Dorfzeitung" verbreitet und inS Land hinauSgetragen ist. Wie die „Dorfzeirnng" die in jenem Artikel enthaltene, venAntisemiten brav abgclauschteIudenhetze,dieEmpfchlung des Antrages Kanitz, brr Doppelwährung und des obligatorischen Befähigungsnachweises mit ihrer eigenen abweichenden Stellung zu diesen Fragen in Einklang bringen will, bleibt ein Räthsel, eS sei denn, das Blatt be absichtigt, dem „Kladderadatsch" weiteren Stoff zur Er heiterung zu liefern. Unsere Pflicht aber ist eS, erneut auf das Bedenkliche dieser in unserem politischen Leben neuen Erscheinung hinznweisen, die das Ansehen der „Dorfzeitung" um so weniger fördern wird, als transspirirt, daß die „Land- wirthschaftliche Beilage" ohne Vorwissen des derzeitigen ver antwortlichen Redacteurö der „Dorfzeitung" ins Leben ge rufen und dieser gegen seinen Willen beigefügt ist." * Breslau, 31. October. Für die Landtags-Ersatz wahl in Neustadt-Falkenberg (Oberschlesien) hat das Wahl- kreiöcomitö der CentrumSpartei als Candidaten den bis herigen Abg. Frhrn. v. Huene wieder aufgestellt. * Coburg, 30. October. Nach einer im Landtage abge gebenen Erklärung wird der Minister von Strenge in Stellvertretung des Herzogs, um jeden Zweifel an der Giltigkeit der in Vollmacht des Herzogs vollzogenen Ncaierungsacte auözuschließen, zukünftig nur auf speciellen Befehl desselben von der ihm ertheiltea Vollmacht Gebrauch machen. — Der Landtag hat da« Kali-Monopol- Gesetz einstimmig angenommen. * Mainz, 31. October. Der praktische Arzt Sch ach - leitner ist wegen fahrlässigen EideS zu 14 Tagen Gefängniß vernrtheilt worden, Weiler einen Recruten unter seinem Eide fälschlich als schwindsüchtig bezeichnet hatte. (Wir haben Uber die Angelegenheit jüngst ausführlich be richtet. Red. d. „L. T") * Karlsruhe, 31. October. Die „Karlsruher Zeitung" meldet, daß der badische Landtag auf den 12. November eiuberufen wird. — In Eberbach-Buchen siegte der national liberale Candidat, Oekonomierath Schmidt, mit 68 Stim men über den LandgerichtSdirector Zehnter, auf den 59 Stim men entfielen. Dieser Bezirk ging dem Centrum verloren. Die Zusammensetzung der Kammer ist folgende: 31 National liberale, 21 Centrumömitglieder, S Volksparteiler, 2 Social demokraten, 2 Conservative, 1 Antisemit, 1 Wilder (Steg müller-Lörrach). * Eichstädt, 31. October. In ihrer gestrigen Sitzung vernrtheilte die hiesige Strafkammer die Arbeiter Engelhardt, Groß und Geuter, die bei dem auf der Weißenburger BiSmarck-Feier auögebrachteu Hoch auf den Kaiser gepfiffen hatte», wegen Majestätsbeleidigung zu zwei Monaten Gefängniß. (B. L.-A.) * Straßburg, 31. October. Prinz Albert von Sachsen, welcher zum Besuch« hier weilt, besichtigte gestern Nachmittag daS Kaiser-Friedrich-Denkmal bei Wörth, sowie das dortige Schlachtfeld. AbeudS folgte der Prinz einer Ein ladung zu einem ihm zu Ehren gegebenen Mahle des Officier- corpS deS 105. sächsischen Infanterie-Regiment», zu welchem auch der Statthalter Fürst zu Hohenlohe-Langenburg erschienen war. — Der protestlerische Vertreter für den elsaß-lotbrin- aischen Wahlkreis Bolchen-Dieben Hofen im Reichstage, Pfarrer Neumann, ist gestorben. Bei der Wahl von 1893 wurde Neumann mit 15 083 Stimmen gegen 3979 freiconservative und 50t socialdemokratische Stimmen gewählt. * München, 31. October. Der Prinzregent hat den jenigen Fahnen und Standarten, die bei der Armee be sonders während deS Feldzuges von 1870/71 in Schlachten und Gefechten, beziehungsweise bei Belagerungen, geführt worden sind, das Band der für diesen Krieg gestifteten Denkmünzen verliehen und verfügt, daß auf diesem Bande die Namen der in Betracht kommenden kriegerischen Vorfälle angebracht werden. Oesterreich-Ungar«. * Wien, 31. October. Der Kaiser empfing heute die Huldigungsdeputation der Generalsynode deS AugS- ihre Lebensführung in einer kleine» Provinzstadt aber einseitig geworden. Es ging knapp zu, denn die Erziehung deS einzigen SohneS kostete dem Obersten viel, uuverhältuißmäßig viel Geld. Dieser Sohn, begabt, brav, hübsch, war deS VaterS ganzes Erdenglück, seitdem die sanfte, liebevolle Gattin dieses Dasein verlassen hatte. Der Oberst dachte nicht daran, wieder zu beirathen. Er lebte mit vollem Herzen seiner Arbeit und seinen Kindern. Unter den gegebenen Verhältnissen war eS in dem Falle schwer, für die Heranwachsende Tochter eine gute, standes gemäße Partie zu finden. Weniger auS Vorurtheil der Be theiligten, als auS Mangel an Gelegenheit. Vor vornehmen „Schönheiten" hatte einmal der Bürgers mann — auch nickt mit Unrecht — einen Heidenrespekt. Und die Officiere deS Regiments kamen anch nicht in Frage. Die Hauptleute waren entweder verheirathet oder sie waren über die Krisis hinaus und batten das „Schlimmste" hinter sich; und wenn ein älterer Ofsicier soweit einmal ist, giebt eS kaum einen gefeierten Hagestolz. Die auderen Herren konnten fast sämmtlich daS Kommißvermögen nicht aufbringen und in den Grenzen ihrer Zukunftsbilder stand ein zehn- oder jedenfalls langjähriger Brautstand mit dem „schönen Gretchen" nicht. DaS arme Ding von OfficierStochter rechnete nicht unter den heirathbaren Mädchen! Die Tochter de« Herrn Obersten, Freifräulein von Andor- Weyhern, wurde pflichtmäßig und sogar mit Vergnügen Winter und Sommer, Jahr um Jahr herumgeschwenkt auf den Ka sinobällen im „Weißen Roß" und bei den Landpartien im Schützenwäldchen. Ihre Tanzkarte war immer voll, ihr Ge burtstagstisch mit mehr oder minder zierlichen Blumengaben überschüttet — da» konnte man allenfalls leisten. Zu innigerem Getändel oder gar Liebeleien mit dem „Nerv de« Regiment»" waren selbst die Unvorsichtigen nicht unvor sichtig genug; und wenn sich ein junges Blut einmal bei heiterer Festlichkeit im holden Monat Mai hatte hinreißen lassen zu kühnem Blick und Wort, so wurde das schleunigst durch strengste Zurückhaltung, durch steifste Höflichkeit bei den nächsten Gelegenheiten wieder in Vergessenheit zu bringen gesucht. „Ein Einziger ausgenommen!" «brr eS durfte nicht sein. Trotz aller Versuche, aller Hin- und Herschreiberrien, aller indirekten und direkten An- leihevrrsuche — „Betteleien!" sagte der Oberst erbittert — tsi Verwandten und „besten Freunden" — eS ging nicdt. Eia Jahr — zwei Jahr« — drei Jahre — keine Aussicht, kein Ende. Man schlich auseinander — fast lantloS — fast thränenlvS — znm Sterben ermüdet — weiter nichts. Ein lciseS, banges: „Lebewohl — eS sollte nicht sein." Keine Scenen, kein Aufschrei, kein tragischer Schluß. Dazu sehen Ossicierstöchter alltäglich zu viel edle- Beispiel, zu viel Märtyrerthum, zu viel heiteres Heldenthum aller Art um sich uud neben sich. Dann kam eine neue Aera. Die alten Stämme mußten zum großen Theil fallen — sie konnten sich doch nicht mehr lange halten und versperrten nur dem jungen, kräftigen Holz Licht und Luft zum Wachsen und Gedeihen. Auch dem Obersten — ein militärisches Licht war der ja auch nickt — wurde sanft der Säbel ans der Hand genommen und dafür rin Orden, eine Anerkennung des dankbaren Vater landes hinrinzelegt. Uud er war wirklich ein eckter Soldat. Immer gefaßt und sogar befriedigt, wo er eS als richtig erkannte, daß der Einzelne dem Ganzen fallen sollte — selbst wenn der mensch liche Egoismus mit Schreck und Sorge an die eigene Zukunft dachte. Er war dann mit Maria-Margarethe nach Berlin gezogen. Bekannte batten ihm gesagt, daß sich in der Millionenstadt, wo der Einzelne ohne Pein verschwinden kann, viel besser und billiger leben lasse, als anderswo für Leute seines Standes und NamenS, nnd daß namentlich anch Berlin ein möglichst günstiger Platz für den Arbeitsmarkt, für jeden Arbeit juchenden sei. Zunächst war die Sache schwierig für den an eine einzige, strengbegrenzte Art von Tbätigkeit Gewöhnten, der hier keinen Weg und Steg kannte, keinen Faden sab, an den er anknüpfen konnte, kaum recht wußte, welche Art von Arbeit er suchen müsse. Außerdem gewisse unumstößliche, angeborene, «»erzogene Ansichten von Anständigkeit, Schicklichkeit und standesgemäßen Möglichkeiten, die ihm bei seinem Suchen manche» Bein stellten. Doch war e» ganz unumgänglich nöthig, daß er abeitete für seine Kinder, mit seinen Kindern, er, ein rüstiger Man» in geistiger Gesundheit! Znm Faulenzen war er doch wahr- haslig noch zu gut. Daß man di« Kosten de» Leben» in der Großstadt nach allen Seiten bin bedeutend unterschätzte, gewöhnt an die Ver hältnisse des kleinen und billigen LandstädtchenS, versteht sich von selbst, nnd Maria-Margaretbe, nervös gemacht von dem Wogen und Hasten deS neuen Leben» mit seinen ihr vielfach unverständlichen Forderungen, brach in heiß« Thränrn au» beim Abschluß ihrer ersten MonatSrechnnng, die fast daS Doppelte betrug, als früher in deS Vaters Garnison. Freilich war auch ihr Bruder Helmuth ein bäufiger und nicht gerade anspruchsloser Gast an ihrem Tisch gewesen. ES war vorgekommen, daß er fünf — füge und schreibe fünf Flaschen thcnreS Bier an einem Abend getrunken hatte und eine Schüssel Heringssalat ganz allein nebst sechs oder sieben Brödchen genossen hatte. Und das mußte auch so bleiben. Helmuth mußte und sollte sich immer im Vaterhaus« glücklich, reich, behaglich fühlen, hatte der Vater verlangt; Helmuth durfte nicht ten beschei denen Tisch bei ihnen meiden, um anderswo in Locale» her umzukneipen, was schließlich ja auch auS deS VaterS Tasche ging. Dem Obersten warS Sonnenschein, Jugend, Hoffnung und maßloser Stolz, daß er sich so gut, so bedingungslos mit seinem Sohne stand und verstand. Er kannte Fälle — ob, leider Gottes nicht wenige! — wo dies natürliche Berhältniß kein gutes geblieben war, mindestens kein inniges, weil der alte und der junge Mann, die Vergangenheit und die Zu kunft, sich nicht recht begriffen und die Klugheit des Allen, die Liebe des Jungen nicht groß genug waren, das natürliche Mißoerhältniß auSzngleichen. Und Helmuth hatte eine Car riöre vor sich, eine stolze, glänzende Zukunft, die aber der gefährlichen Klippen, der Sandbänke, der Untiefen genug in ihrem Schooße barg. Noch konnte der alte Vater, der erprobte, erfahrene alte Ofsicier, dem geliebten, hoffnungsreichen Erben all' seiner eignen glänzenden Iugendwünsche wohl eine Weile Steuer- mannSdienste leisten. Ob in Rogasen und Samter, oder in der Kaistrstadt selbst — daS Fahrwasser kannte der alte Edelmann und Diener seines Königs und Vaterlandes, da» war überall derselbe schnurgrade KnrS — Ehre und Pflicht! Allmählich hatte sich daS Fremdsein der Andor'- in Berlin etwas gegeben. Der Zufall hatte dem Obersten einen und den anderen alten Freund, je und je auch eine neue Bekannt schaft zuzrsührt. Es hatte sich sogar ein kleiner Spielabend zusammengefunden uud auch seiner «roßen Sehnsucht nach einer geeigneten, recht einträglichen Beschäftigung war er näher gekommen. Herr von Braunfels, ein neuerer Bekannter und Theitnebmer de» Lbombre-Club-, hatte ihm einen Theil jeiner anstrengenden Beschäftigung übertragen nnd selbstver ständlich auch einen Theil seiner Einnahme, die der Oberst sreimüthig annahm. Braunfels sprach dabei den Glauben au», daß er selbst wohl überhaupt seiner zunehmenden Kränk lichkeit wegen nicht mehr lange seine Stellung werde behalten können. Auch Marie-Margarethe hatte ein förmliches ArbeitSsieber bekommet. Sie betrieb die Sache aber nicht sehr gewandt. Sie sprach nämlich jeden möglichen Menschen darum an, in ihrer etwas weinerlichen Weise, die nicht geeignet ist, die Leute so im Allgemeinen anzuregen. Um sie los zu werden, die arme, blasse Kleine, versprach man ihr Alles und vergaß sie dann sehr oft ganz und gar. Sie aber holte sich Rath von Hinz nnd Kunz und Paul und Peter, und dann ging sie dock hin und that auf ganz eigne Faust gerade da» Gegentheil. Wer daS erfuhr, der wendete ihr achselzuckend den Rücken, und sie saß wieder trübe und verdrossen in ihrer kleinen Küche und seufzte über Gott und die Welt. Vor einigen Tagen nun hatte sie in der Zeitung eine Anzeige gelesen, die wie geschaffen für sie zu sein schien: „Damen finden lohnende Beschäftigung in dem Weißwaaren- nnd Stickerei-Geschäft von C. W. Knarre, ... straße Nr... Probearbeit vorzuzeigen." Ein Wink des Himmel-! Buntsticken auf Seide und Sammet war immer ihre Passion geweseq, und sie war sich bewußt, eine recht hübsch« Kunstfertigkeit darin erlangt zu haben. Ihren Namen durste der Geschäftsmann natürlich nicht erfahren. Mit Hast und Eifer ging sie an den Einkauf von Mustern für Sophakissen, Seiden und allen den andern kleinen Zuthaten. Sie erkundigte sich auch vorsichtig in einem ähnlichen großen Laden nach dem Preise solch eines Kissen-, wie e» fertig ge arbeitet im Schaufenster lag. Mit großer Zuvorkommenheit stürzte der Jnhaher de» Ladens auf die vornehme Dame zu und beeilte sich Len Preis des Kissens zu nennen: „Zwanzig Mark!" Gar nicht theuer, meine Gnädigste — bitte zu prüfen — Alle» Handarbeit. Zwanzig Mark ist gar kein Preis dafür, Gnädigste, kostet un» beinahe selbst so viel." Ganz selig, mit einem flüchtigen „Danke sehr!" ließ sie dann den verblüfften Herrn, der ihr gern den alten Laden hüter von Schausensterstück aufgeschwindrlt hätte, stehen und enteilte. Zwanzig Mark! so viel hatte eS den Leuten beinah« selbst gekostet. Also konnte man dreist annehmen, daß sie der Arbeiterin wohl fünfzehn Mark hatten geben müssen. l Fortsetzung folgt.)
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