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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 07.06.1904
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-06-07
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040607026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904060702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904060702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-06
- Tag1904-06-07
- Monat1904-06
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Reklamen uni« dem Redaktion«strich («gespalten) 7S nach den Familiennach- richten (6 gespalten) 60 -H. Tabellarischer und Zifsernsatz entsprechend höh«. — Gebühren für Nachweisungen und Lfsertenannahme 25 Ertra-Vetlagea (gefalzt), nur mit der Morgen «Ausgabe, ohne Postbefördrrung 60.—, mit Postbrfürderung X 70.—. ' «nnahmeschlng ft»r «uzetgr»: Abend-Ausgabe: vormtttag« 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: nachmittag- 4 Uhr. Anzeigen sind stet« au dir Expedition zu richten. Die Expedition ist wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis abend- 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Pal, in Leipzig (Inh. vr. B.,R. L W. Kliuthardt). Nr. 288. Dienstag den 7. Juni 1904. 98. Jahrgang. Var Wchtigrtr vom rage. * König Georg hat die letzte Nacht ohne jede Störungverbracht und fühlte sich heute vormittag völlig schmerzfrei und weniger ermattet. (S. Sachsen.) * Geh. Justizrat vr. Fel 8, Rechtsanwalt am Reichs gericht, ist infolge Herzschlags gestorben. * Mit dem Norddeutschen Lloyd-Dampfer „Schles wig" geht heute abend wieder ein Verstärkungs transport nachSüdwestafrika von Hamburg aus in See. * Die Haupt st eile deutscher Arbeit- geberverbände hat sich gestern in Berlin konsti - tuiert. (S. Dtsch. Reich.) * Im Prozeß Hoensbroech gegen Das- bach wurde Hoensbroech mit seiner Klage auf Aus- zahlung von 2000 Gulden abgewiesen, weil nur eine unklagbare Wette, keine öffentliche Aus lobung stattgefunden habe! (S. Letzte Nachr.) * Die i.n ter nationale Eisen bahn Kon ferenz hat in Kopenhagen begonnen. (S. Dänemark.) * Das Comits zur Verstärkung der russischen Kriegsflotte hat bis jetzt acht Millionen Rubel aufgebracht. (S. russisch-japanischer Krieg.) veutrcbe Loyalität gegen Japan. Die in Tokio erscheinende, sehr angesehene Zeitung „Nichi Nichi" veröffentlichte kürzlich, wie uns von dort geschrieben wird, über Deutschlands Stellung zur ost asiatischen Frage einen Artikel, der zwar das Verhältnis Deutschlands zu Rußland ganz schief beurteilt, besonders indem er davon fabelt, daß Deutschlands militärische Rüstungen gegen Rußland gerichtet seien, der aber doch hochbedeutsam ist wegen der offenen Anerkennung der strengen Loyalität der deutschen Regierung — woran man die Japaner zu erinnern vielleicht noch Anlaß und Gelegenheit haben wird. Der Artikel lautet in seinem wesentlichsten Teile: Nach den: Abschluß der chinesisch-japanischen Friedens- Verhandlungen hat sich Deutschland mit Rußland und Frankreich zu gemeinsamer Tätigkeit verbunden und ein steigendes Interesse an den ostasiatischen Angelegenheiten bekundet. Daher hat sich die allgemeine Aufmerksamkeit der Haltung Deutschlands zugewendet. Weitausschauende Leute kamen zu dem Schluß, daß die deutschen Politiker die Hebel zur endgültigen Entscheidung in der Hand halten, denn Frankreich und England haben im russisch- javanischen Streite ihre Bündnispflichten. Welche Stellung wird Deutschland dabei schließlich einnehinen? Zunächst ist festzustellcn, daß Deutschland eine uns be Feuilleton. Tamms Garten. 19j Roman von Wilhelm Jensen. Nachdruck verboten. Tief dankbar empfand Dieter darin das Zart gefühl des Freundes, der nicht auch anderen die Be rechtigung geben gewollt, sie Amella zu benennen; nach einigem Zögern brachte er gleichfalls den ihr bei gelegten Rufnamen vom Mund. Ohne eine Mienen regung hörte sie ebenso von ihm darauf und vollzog seine Bestellung. Er mutzte rasch nach dem Glase greifen, durch Trinken einen Lachreiz zu bekämpfen, mit dem die Ahnungslosigkeit der Umhersitzenden ihn anfahte. Etwas ganz Neues, Köstliches lag darin; ihm war's, als seien sie in Tamms Garten, doch durch ein Zaubergebot ihnen beiden der Mund verschlossen und untersagt, sich anzu blicken. Die dursten ihr Beisammensein nur hin und her empfinden; das steigerte sich in ihm zu einem An schwellen, wie noch kaum je, wenn sie miteinander allein gewesen; an dem ungestümen Schlage seines Herzens fühlte er, wie das ihrige im Geheimen klopfte. Doch bowahrte er das Sehvermögen, sich daran zu weiden, wie die Blicke aller sich bewundernd auf ihre lieblich« Anmut richteten und welch' achtungsvolles Benehmen jeder ihr entgcgcnbrachte. Die bediente wohl die Gäste, aber sie nahm keine dienende Stellung ein, sondern er schien, wie's Petzold mit treffendem Worte gesagt, als eine KorpSschwester. Oder noch mehr wie eine, von un sichtbaren Flügeln getragen, hin und wieder schwebende Hebe; der Vergleich traf am vollsten zu. Mit Be glückung sah Dieter, daß sie ihre Uhr an dem feinen Golbkettchen trug, und er suchte sich -en blauen Stein an ihrem Finger vorzustellen. Daß er ihre Hand noch nicht damit geschmückt sah, tat ihm fast körperlich weh, er konnte den Augenblick kaum erwarten, an dem er ihr sein Geschenk überreichen dürfe. Aber es dauerte noch ziemlich lange, bis Petzold ihn einmal aufforderte, wieder mit in den Borraum hinaus zutreten und dort sagte: „Geh' durch die andere Tür auf den Korridor; ich werde etwas bei ihr bestellen, das sie von unten heraufholen mutz. Dann kannst du sie beim Vorbeigehen begrüßen, ihr -einen Ring zu geben. freundete Macht ist und daß sich seine Politik mit der unseren bezüglich der ostasiatischen Angelegenheiten bis her stets im Einklang befunden hat. Japans Volk und Regierung hegen gegen Deutschland eine aufrichtige Freundschaft. Daher liegt kein Grund zu gegenseitigem Mißtrauen vor. Unter den europäischen Diplomaten wird vielfach die Ansicht vertreten, Deutschland erachte ein Anwachsen der japanischen Macht im fernen Lsten als seinen Interessen hinderlich und wünsche deshalb das Weiterbestehen der russischen Stellung m Liaotung, könne auch nicht ruhig zusehen, daß den Japanern die etwaige Siegesbeute deS jetzigen Krieges unbestritten belassen werde. Man wird sich aber sagen müssen, daß sich Deutschland durch ein Uebermächtigwerden Rußlands in Europa mehr bedroht fühlen muß, als durch ein An wachsen der japanischen Macht im Lsten, und daß Deutsch lands Rüstungen doch kaum einen anderen Zweck haben können als den, sich gegen Rußland zu wehren. Wir haben öffentlich erklärt, daß der Zweck des jetzigen Krieges die Erhaltung der Gebietsintegrität Koreas und Chinas, sowie die Erschließung der Mantschurei ist. Dies ist unsere unwandelbare Politik. Deutschland, so meinen wir, wäre uns in manchen Punkten zu Dank verpflichtet und hätte nicht das geringste von uns zu fürchten. Wir können uns nicht denken, daß die deutschen Staatsmänner den großen Fehler begehen sollten, in dieser Beziehung falsche Ansichten zu haben. Deutschland hat hier draußen tatsächlich nur ein Interesse: seine Unternehmungen in der Provinz Shan- tung. Alle Welt weiß, daß mit diesen, lediglich handels politischen und gewerblichen Zwecken dienenden Unter nehmungen keine zweifelhaften Nebenabsichten verbunden sind. Der Handel der Kolonie Kiautschau hat sich, nach den Erläuterungen zum Haushalt dieser Besitzung, in den drei Jahren von 1900 bis 1902 von 900 000 aus 1 700 000 Pfund Sterling gehoben. Zur weiteren Hebung von Handel und Gewerbe dieser Kolonie hält Deutschland eine Unterstützung von 600 000 Pfund Ster ling für nötig. Ter Reichstag hat den Entwurf zuni Haushalt bereits genehmigt. Zieht man hieraus die Folgerungen, so ergibt sich, daß bei den deutschen Unter nehmungen in Ostasien die deutsche Regierung sich durch aus auf Japan verläßt. Wegen Einrichtung einer regel- mäßigen Schiffahrtsverbindung zwischen Japan und Tsingtau ist ein Vertrag mit einer japanischen Gesellschaft abgeschlossen worden. Für die Bedürfnisse der Kolonie werden aus Japan erhebliche Mengen von Bauholz, jungen Bäumen und ähnlichen: bezogen. Solange diese deutschen Unternehmungen noch in den Anfängen stecken, ist man — das erkennen die Staatsmänner Deutsch lands sehr wohl — vielfach auf Japan angewiesen. An fangs rechnete Deutschland in seinen Unternehmungen offenbar auf russische Unterstützung, sah aber seine Er wartungen nicht erfüllt, da Rußland seine eigenen Inter essen in der Mantschurei förderte und durch die Politik Doch sei genügsam, hörst du, und halte sie nicht länger als höchstens eine Minute auf, damit ihr Ausbleiben nicht auffäüt." Er kehrte in die Stube zurück, und der Angewiesene wandte sich nach dem schmalen Seitenflur, stand dort in fiebernder Erregung, horchend und harrend, im licht losen Dunkel. Indes brauchte er nicht lange zu warten, bald ging die Tür und Amelias Stimme fragte lxrlblaut vor ihm: „Bist du hier?" Petzold mußte sich die Mög lichkeit geboten haben, ihr unvermerkt davon Mitteilung zu machen und auch von dem, was ihrer draußen harre, denn sie setzte hinzu: „Dein Freund sagte, Lu willst mir etwas —Nun streifte Dieter ihr eilig den bereit ge haltenen Ring über einen Finger und flüsterte: „Ich wollte ihn dir heut' in den Garten miibringen — es ist der Ring, von dem dir neulich geträumt hat, ich hätte ihn dir im Mondlicht ans Bett gebracht." Ihr flog vom Munde: „Oh — der mit dem blauen Stein? — Wie konntest du nur auf den Einfall kommen? Wenn wir allein in dem Garten wären, wollt' ich dir anderes dafür danken!" Einen Arm um seinen Hals schlingend, küßte sie ihn hastig, doch sprach, rasch ablassend: ,„Ich darf mich nicht lang' aufhaltcn — denkst du auch immer da drinnen nur an mich? Ich habe keinen anderen Ge- danken, schon ohne den Ring, und nun erst! Wie glück lich macht's mich, daß ich hierher gekommen bin, dafür können wir deinem Freunde nicht dankbar genug sein. Wenn die Frau Köpken mich nur behält, sie meinte, mein Kleid wäre nicht recht schicklich genug für die vornehmen Gäste, und ich habe auch gehört, daß ein paar von ihnen sagten, ich sähe etwas wie ein Bauernmädchen drin aus. Das hat mir Angst gemacht — ich muß hinunter — komm' morgen nachmittag, dann ist niemand in der Wirt schaft. In den Garten kann ich jetzt ja nicht mehr, ich glaube, der Regen wird auch andauern, und es ist auch bester für uns, daß wir dort nicht mehr miteinander allein sind. Hier können wir doch immer nicht sicher sein, daß jemand in die Tür kommt. Das fühlst du auch, glaub' ich, ist fiir uns nötig. Also morgen!" Amella war davongehuscht, allein gelassen, stand Dieter von einer beißen Vorstellung durchstrümt, ihre Rückkunft zu erwarten, um nochmal» mit ihr zusammen zu sein. Doch au» ihren letzten Aeußerungcn hatte ihn eine Furcht überkommen, diesem brennenden Verlangen nachzuaebcn, sie hier wieder im Finstern mit den Armen zu umfassen und zu küssen, was ihn mit Schreck davor erfülle, konnte er sich nicht sagen — aber ihm kam - au» der Abschließung sich Deutschland in jeder Weise hinder lich zeigte. Von allem Anfang an sind die Russen Gegner der Politik der offenen Tiir gewesen. Sofort nach dem Ausbruche des jetzigen Krieges hat Deutschland öffentlich eine Neutralitätserklärung abgegeben und seitdem die Pflichten eines neutralen Staates auf das strikteste er füllt. Es hat weder uns, noch Rußland begünstigt. Znr Zeit läßt sich noch nicht absehen, welches die grundlegenden Bedingungen für den Friedensabfchluß zwischen Japan und Rußland sein werden. So viel aber läßt sich sagen, die deutschen Politiker werden, auch wenn deutsche Interessen dabei in Mitleidenschaft gezogen werden sollten, nicht wieder die früher begangenen Fehler begehen. Vor dein japanisch-chinesischen Kriege kannte man in Europa die tatsächlichen Verhältnisse im fernen Lsten nur ungenügend und man unterschätzte Japans Stärke. In den letzten zehn Jahren aber hat inan in Europa der Frage des fernen Ostens die gebührende Auf- mcrksamkeit zugewendet, wobei sich besonders zwischen Deutschland und Japan viele intime Berührungspunkte ergaben. Dem englisch deutschen Abkommen sind wir nut den Rechten einer Signatarmacht beigetretcn, anläßlich der nord-chinesischen Wirren find wir in diplomatischer und militärischer Hinsicht nut Deutschland Hand in Hand gegangen. 1901 hat unsere Regierung mit Deutschland Verhandlungen über unsere Unterueknnungcn in Korea angeknüpft. Deutschland bat damals uns gegenüber eine aufrichtige Politik der Neutralität beobachtet und hat uns versprochen, unseren koreanischen Unternehmungen keine Schwierigkeiten zu bereiten. Unter solchen Umständen ist der Schluß zulässig, daß zwischen uns und Deutschland ein aufrichtiges Freundschaftsverhältnis besteht. Daher sind wir der festen Ueberzeugung, daß Deutschland auch in Zukunft nichts gegen uns im Schilde führt. vrr rmsstcb-japsnstede Fnrg. Nachrichten aur -ein russischen kager. * Liaujang, 6.Juni. (Reutermeldung.) Mehreren frem den Offizieren und Militärattaches, darunter dem eng lischen Oberst Waters und Major H u m e , ist gestattet worden, sich südwärts zu begeben. Einige dieser Offkzwre hoffen, sich den Kosaken anschließen zu können, welche nördlich von Kintschou mit den Vorposten der Japaner in Fühlung sind. — An der Ostküste der Halbinsel Liau - tung landet noch eine japanische Armee, um dem russi schen Vormarsch von Taschitschiao gegen die Nachhut des Generals Oku entgegenzutreten. Die Japaner haben den Plan eines Angriffs aufLiaujang, falls er über haupt gehegt worden ist, offenbar aufgegeben. Die in 2—3 Wochen anhebende Regenzeit würde den Vormarsch unmöglich machen. Inzwischen halten die Kosaken Füh lung mit den japanischen Vorposten, während eine andere Abteilung den rechten Flügel des Generals Kuroki nördlich vom Jalu im Auge behält. — Der Gesund- heitszustand derTruppen ist überall bemer kenswert gut; es kommen keine Fälle von ansteckenden Worten, die sie gesprochen — es mußte die Besorgnis sein, eine Tür könne aufgehen, Lichtschein heraussallcn und jemand sie beide in der zu lang andauernden Um armung gewahren. So raffte er alle Willenskraft zu sammen, den Korridor zu verlassen, ging schwanken Fußes zurück, doch nicht ins Kneipzimmer, sondern nur in den Vorraum, wo er ein Fenster öffnete und davor stehen blieb, um in der hereinslrömenden Nachtluft seinen glühenden Kopf zu kühlen. Als er dann zu den andern eintrat, befand sich Amella längst wieder dort, stand mit einer Aufwartung beschäftigt am Tisch, und von weitem fiel ihm als erstes das Geleucht eines blauen Steines an ihrer weißen Hand in die Augen. Wie er sich auf einen leeren Platz neben Detlev Petzold setzte, drehte dieser ihm kurz das Gesicht zu und sagte raunend: „Teufel, Leibfuchs, du hast keinen üblen Geschmack, aber der Saphir muß ein gehöriges Loch in deinen Beutel gerissen haben. Ein nachgcmachter hätt's auch getan, es tut einem fast leid drum, du hätt'st dich deines Uebcrflusscs in die Korpskaffe entledigen können. Ich werde Ellcndsheim untcr'n Fnß geben, daß er deine Steuer höher heranf- rückt. Na, war's schön draußen? Prosit!" * * * Der sommerlich verbliebene Herbst hatte in der Tat sein Ende jetzt erreicht und kehrte nicht wieder; graues Wolkengetriebe ward Tag nm Tag gleichmäßig vom Wind herübergejagt und beließ nur selten eine regenlose Stunde. So wären die Zusammenkünfte in Tamms Garten doch nicht mehr möglich gewesen, sondern auch nach dieser Richtung erwies sich die Anstellung Amelias in der „Fortuna" als ein Glück, denn hier konnte Dieter sie allnachmittäglich zu der Zeit aufsuchen, wenn sich niemand von seinen Korpsgenoffcn in der Wirtschaft aus hielt. Nur mußte man daraus bereitet sein, daß doch einmal unerwartet ein fremder Gast oder die Frau Köpken durch die Tür hcreintrete, so daß ein vertrau liche» Nebencinandersitzcn der beiden nicht mehr statt finden durfte. Amella begrüßte ihn bei seiner ersten An kunft nur schnell mit einem flüchtigen Kuß, danach ver- hielt er sich am Tisch wie ein zufällig zur Einnahme des vor ihm stehenden Getränkes vorgekehrtcr Gast, und in ihrer unbewußt richtigen Einsicht meinte sie, es sei gut, daß die Unsicherheit der Schenkstube ihnen diesen Zwang deS nicht zu nahen Beisammensein» auferlege. Tie Zwiesprache au» einiger Entfernung ward dagegen durch nicht» behindert, und e» gab mancherlei Wichtige» Krankheiten und nur wenige Fälle von Darmstörung vor. * Petersburg, 6. Juni. Nach einem Telegramm Kuropatkins wurden am 3. Juni Kosaken- abteilungen vom Feuer japanischer Infanterie em- pfangen, die auf den Höhen von Chodsrapudja eine befestigte Stellung innchatte. — Tas Gefecht dauerte von 1 Uhr nachmittags bis 6 Uhr abends. Es nahmen daran 6 japanische Kompagnien teil. Tas Feuer der russischen Geschütze trug wesentlich zum glücklichen Ausgang des Gefechtes bei. Auf russischer Seite wurden ein Offizier getötet, zwei Offiziere leicht verwundet und 13 Kosaken verwundet. Die Verluste der Japaner sind be deutender. * Linojang, 5. Juni. kReuter.) Hier sind an haltend Gerüchte in Umlauf, wonach die Russen einen erfolgreichen Ausfall zur See aus Port Arthur gemacht baben sollen. Vsm russischen Flsttenverein. * Petersburg, 7. Juni. Tas Eomite zur Ver stärkung der Kriegsflotte unter dem Vorsitz des Groß fürsten - Thronfolgers verausgabte von den bisher ein gegangenen Spenden im Betrage von 8 Millionen Rubeln gegen 2 Millionen zur möglichst schnellen Ver stärkung der Flotte ausschließlich durch Schlachtschiffe. Zum Ankauf von Handelsdampsern sind die einge- gangencn Spenden nicht benutzt worden. Untergang einer japanischen Kriegrschisfer. Aus Tfchifu läßt sich der „B. L.-A." tele graphiereu: „Das bei Talicntvan durch Ausstößen auf eine Mine umergegangene japanische Kriegsschiff soll das Linienschiff „'Shikishi ni a" gewesen sein; cs soll binnen kürzester Frist gesunken sein und fast die gesamte Besatzung mit in die Tiefe gerissen haben. Die Japaner sind entsetzt über diese wiederhol tcu Schisfsunfällc, zumal die Möglichkeit des Eingreifens des Baltischen Geschwaders immer näher rückt." Tas 1898 vom Stapel gelaufene japanische Linien schiff „Shikishima" hat ein Deplacement von 15 100 Tonnen, rangiert also der Größe nach unter den japa nifchen Linienschiffen an fünfter Stelle. Seine Fahr gcfchwindigkcit beträgt 18,6 Seemeilen, würde also nur von zwei der anderen Linienschiffe übertroffen. Armiert ist „Shikishima" mit vier schweren Geschützen von 30,5 Centimeter Kaliber und mit einer mittleren Artillerie von 14,15 Ccntimeter-Schnellfeuergeschützen. Tie Stärke der Besatzung beträgt 741 Köpfe. PMircbe Lagettchail. * Leipzig, 7. Juni. Alleweg gut deutsch! Ter Reichskanzler hat an den Dichter Detlev von Liliencron zu dessen sechzigstem Geburtstag ein Tele gramm gerichtet, in welchem er dem Poeten für die vielen Gaben seiner „schneidigen Muse" dankt. Das klingt, als hätte Graf Bülow Liliencron mit dem Leutnant von Versewitz verwechselt, dem beliebten Mitarbeiter der „Münchener Jugend". Es war dem preußischen Minister präsidenten Vorbehalten, dieses große Wort zu finden, denn eine „schneidige Muse" hat die Welt noch nie gesehen. zu beraten. Er hatte gleich am nächsten Morgen Schritte getan, daß sic ein besser für ihre neue Stellung ge eignetes Kleid angefcrtigt erhalte; das stellte sich aller dings auch als ein dringliches Notwendigkeitsgebot heraus, da dies von der Inhaberin der Wirtschaft noch am Abend zur Bedingung ihres Verbleibens in der „Fortuna" gemacht worden. Das vornehme Korps er fordere durchaus eine entsprechende Repräsentation durch die Scrvante, auch ein schicklicher Wintermantel und Hut seien für Besorgungen, die sie in der Stadt auszurichten haben werde, unerläßlich. Vergeblich hatte sic erwidert, daß es ihr an Mitteln zu solchen Anschaffungen fehle, Frau Köpken war nicht zu bewegen gewiesen, sie anders bei sich im Dienst zu belassen. Amella drängte sich bei der Mitteilung eine Träne an die Wimper; sic stand rat- und hülflos, denn um nichts wollte sie, daß Dieter solche Ausgaben für sic mache. Aber ihr blieb nichts übrig, als in die Hoffnung" zurückzukchren oder sonst eine Stelle zn suchen, wo sie voraussichtlich nie mehr unter vier Augen mit ihm zusammen sein könne. Sicht bar war's hanptfächlich diese Vorstellung, aus der ihre Bekümmernis entsprang, nnd ihre Augen blickten ihn so schmerzlich dabei an, daß er besinnungslos vom Sitz ansflvg, sie umschlang »nd ihr die Tränen fortküstend sagte: „Du Liebste, Einzige, glawbst di: denn, daß ich cs ertragen könnte, dich nicht mehr allein zu sehen — um mir Geld zu sparen?" Der Gedanke enthielt so När risches, daß er unwillkürlich hinterdrein lachen mußte, doch unr angenblickkurz, dcnu sie stieß erschreckt aus: „Ich glaube, e» kommt jemand!" machte sich hastig von ihm los nnd eilte dem Bnsfet zu. Er hörte nichts und sagte, cs fei Täuschung gewesen, aber sie antwortete ängstlich rasch: „Doch, doch — von unten herauf — Frau Köpken ist's. Die ist so streng — wenn sie uns so bei sammen sähe, wär' alles vorbei für mich, denn sie würde denken, daß wir — ich weiß nicht, ivaS sic denken würde — geh' schnell durch die andere Tür weg!" Mechanisch gehorchte er, drehte nur auf der Schwelle noch einmal halbirr den Blick nach ihr zurück. Sie täuschte sich in dem Glauben, die jetzige Art ihres Zusammenkommens sei gut für ihn; er fühlte vielmehr, daß er eine heißer verzehrende Sehnsucht in sich aus der „Fortuna" fort trug, als wenn er in TammS Garten neben ihr gesessen hätte. Etwa» Absonderliche» aber begab sich in demselben Raum am Abend dieses Tages. Detlev Petzold und Wichard EllendS-eim hatten sich schon frühzeitig drin
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