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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 08.06.1904
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-06-08
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040608028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904060802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904060802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-06
- Tag1904-06-08
- Monat1904-06
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Anzeigen-PreiS die 6 gespaltene Petitzeile 28 Reklamen unter dem Redaktionsstrich (4 gespalten) 75 -H, nach den Familiennach richten (6 gespalten) 50 Tabellarischer und Jissernjatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen uni Lsscrtenannahme 25 Extra-Beilagen «gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung 60.—, mit Postbefördrrung ./t 70.—. Annahmeschlutz s«r «uzetgrn: Abend-Ausgabe: vormittag- 10 Uhr. Morgen.Ausgabe: nachmittags 4 Uhr. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Tie Expedition ist wochenrags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis abends 7 Uhr. Truck und Verlag von E. Polt in Leipzig (Inh. vr. V.,R. L W. Klinkhardt). 88. Jahrgang. Var WGiigrte vom rage. * Der König hat die letzte Nacht schmerzfrei verbracht, muß aber noch das B e t t h ü t e n. (S. Sachsen). * Die Meldung von der in Aussicht stehenden Wieder einführung der Berufung in Strafsachen wird offiziös dementiert. * Der deutsche Dampfer „Silvia" mit der ab gelöst en Besatzung vonKiautschau an Bord, traf gestern mittag in Algier ein und fuhr nachmittags nach Wilhelmshaven weiter, nachdem ein erkrankter Soldat in daS Militär lazarett gebracht worden war. * Die Prinzen Georg und Konrad von Bayern treten nächster Tage eine längere Auslandsreise an und werden auch die Ausstellung in St. Louis be suchen. * Auf einer in Christin nia abgehaltenen Versammlung hervorragender Kaufleute Schwedens, Norwegens und Däne marks wurde die GründungeinesNordischen Handels vereins beschlossen. (S. Schweden und Norwegen.) * Rumänien wird am 24. Juni der internationalen Eisenbahnkonvention, betreff, den Güterverkehr, beitreten. Unwabrdaltigkeit uns Hochmut. Wenn die „Kreuzztg." an dem wegen des Schul antrages ausgebrochenen Streite innerhalb der liberalen Parteien ihr Vergnügen findet, so kann man das ihr als einer Todfeindin des Liberalismus nicht übel nehmen, wohl aber kann man es ihr verübeln, wenn sie bei dieser Gelegenheit mit dem Mittel der U n w a h r Hastig keit— wir wollen diesen milden Ausdruck brauchen — arbeitet und wenn sie sich in einem unberechtigten und des halb unerträglichen Hochmute gefällt. Sie schreibt nämlich: „Im Hinblick aus die klägliche Schlappe, die der gesamte Liberalismus im vorigen Jahre amTagcderHauptwahlenzumRcichstage erlitten hat, haben wir damals unsere Bereitwilligkeit be tont, an seiner N c u b c l e b u n g, soweit sic sich ohne Gefährdung konservativer Interessen ermöglichen lasse, mitzuarbeiten und in diesem Sinne die Parole für die engeren Wahlen auszugeben." Dieser Satz der „Kreuzztg." veranlaßt uns, zwei Fragen zu stellen: 1) Haben die liberalen Parteien am 16. Juni 1903 eine „klägliche Schlappe" erlitten? 2) Hat gerade das führende Organ der konservativen Partei das Recht, von einer solchen Schlappe zu reden? Von einer Schlappe politischer Parteien bei Wahlen kann doch nur dann gesprochen werden, wenn diese Parteien einen R ü ck- gang gegenüber den vorangegangenen Wahlen erlitten haben. Nun hat der „gesamte Liberalismus", von dem die „Kreuzztg." spricht (die Nationalliberalen, die beiden freisinnigen Parteien und die süddeutsche Volkspartei), bei den Wahlen von 1898 1 830 000 Stimmen erhalten, bei den letzten allgemeinen Wahlen hingegen 2 190 000 Stimmen. Mithin haben die liberalen Parteien zu- sammen um weit über Million an Stimmen zugenom- men: der Löwenanteil dieser Zunahme entfällt beiläufig auf die nationalliberale Partei. Da aber die Wahlbeteili- gung im Jahre 1903 eine wesentlich stärkere war als fünf Jahre vorher, so haben die liberalen Parteien aller dings zwar absolut eine Zunahme, relativ jedoch einen kleinen Rückgang zu verzeichnen gehabt. Während die für die liberalen Parteien abgegebenen Stimmen, näni- lich im Jahre 1898 etwa 23'/-» Prozent aller abgegebenen Stimmen ausmachten, betrugen sie bei den letzten allge meinen Wahlen nur noch ungefähr 23 Prozent aller Stimmen. Diesen Rückgang um '14 Prozent aber wird niemand eine klägliche Schlappe nennen wollen, besonders dann nickt, wenn man damit den Ausgang der Wahlen vom 16. Juni 1903 fürdiekouservativenPar- teien vergleicht. Und damit kommen wir zu der zweiten Frage: ob nämlich gerade die „Kreuzztg." Veranlassung und Berech tigung hat, auf die letzten Reichstagswahlen Bezug zu nehmen. Die konservativen Parteien (deutsch-konservative Partei, deutsche Reichspartei, Bund der Landwirte, Bauernbund und Antisemiten) erhielten bei den Wahlen von 1898 rund 1 740 000 Stimmen, bei den letzten allge meinen Wahlen rund 1 760 000 Stimmen. Ihre absolute Stimmenzunahme beträgt also im ganzen 20 000: demgemäß ist selbstverständlich ihr relativer Rückgang viel stärker als derjenige der liberalen Gruppen. Während sie im Jahre 1898 mehr als 22 Pro zent aller Stimmen erhielten und damit nur um 114 Prozent hinter den Liberalen zurückblieben, kamen sie 1903 nur auf 1814 Prozent, blieben also 414 Prozent hinter den liberalen Parteien zurück, so daß sich die Diffe renz zu Ungunsten der Konservativen verdreifacht hat. Tas Stimmenverhältnis straft also die „Kreuzztg." gründlich Lügen. Bezieht sie sich aber auf die bei den Hauptwahlen erlangten Mandate, so hat sie auch keine Berechtigung zu ihrer hochmütigen Auslassung. Allerdings haben die liberalen Gruppen im ersten Wahl gange weniger Mandate errungen, als die Konservativen; dies beruht aber einmal darauf, daß die konservativen Wahlkreise zum großen Teil eine erheblich geringere Be- völkcrungsziffcr haben, zum zweiten aber darauf, daß die Konservativen in ihren ostclbischen Wahlkreisen weit weniger Gegner zu bekämpfen haben, als die Liberalen in ihren Wahlkreisen. Beispielsweise haben in 6 von den 7 durchweg ländlichen und kleinen Wahlkreisen des Regie rungsbezirks Gumbinnen die Konservativen nirgends ernsthafte Gegner zu bekämpfen gehabt, während die Nationalliberalen in fast allen ihren hannoverschen Wahl- kreisen nach drei Fronten zu kämpfen hatten, nämlich gegen die Welfen, die Sozialdemokraten und die Konser vativen bezw. Bündler. Je mehr Gegner vorhanden sind, desto geringer ist selbstverständlich die Aussicht eines Sieges im ersten Wahlgange. Deshalb kann und darf mau nicht aus der Zahl der in der Hauptwahl errungenen Mandate auf den Rückhalt einer Partei bei der Wähler schaft schließen, sondern man muß die Stimmenziffer zu grunde legen. Und da hat unseres Erachtens die „Kreuz zeitung" nicht die geringste Veranlassung zu dem von ihr betätigten Hochmut. ver Ruktanil der Herero. Die Zusaniinensetzung unserer Streitkräfte. Die genaue Zusammensetzung unserer sübweftafrikanischen Streitkräfte ist nunmehr bekannt, da die Kommandierungen beendet sind. Das Kommando der Schutztruppe setzt sich wie folgt zusammen: Kommandeur Generalleutnant v. Trotha, Chef deS Stabes Oberstleutnant Chales de Beaulieu. Generalstab: Major Ouade, Hauptmann Salzer und Beyer. Adjutantur: Haupt mann v. Lettow-Vorbeck. Kommandant deS Hauptquartiers: Oberleutnant v. Trotha. Signalabteilung: Führer: Leutnant Rückforth, fünf Offiziere. Feldintendantnr: Vorsteher: Jntendanturrat Nach tigall, Intendantur-Assessor vr. Müller. Verwalter der KrieZSkasse: Zahlmeister JeSke. Sanitätsamt: Oberstabsarzt vr. Schiau. Feld-Justizbeamter: Ober-Kriegsgerichtsrat Valley. — Stabsveterinär Moll. ä In suite der Schutzlruppe: Oberst Leutwein.' Erstes Feldregiment (beritten): Oberstleutnant Müller, Kommandeur. Drei Bataillonskommandeure: Major v. Mühlcnfels, v. Estorfs, von der Heydc; zwölf Hauptleute, fünfundzwanzig Oberleutnants, dreiunvdreißig Leutnants, fünfnnddreißig Aerzte, ein Zahlmeister, fünf Ober Veterinäre. Zweites Feldregiment (beritten): Kommandeur Oberst Deimlüig: drei Bataillonskommandeure: Majore v. Lengerke, v. Wahlen Jürgaß und Meister; acht Haupt leute, zehn Oberleutnants, vierunddreißig Leutnants, sechs Aerzte, drei Zahlmeister, acht Ober-Veterinäre. Maschinengewehr-Abteilung: Ein Hauptmann, drei Leutnants. Erste Feldartillerie-Abteilnng (reitende): Kom mandeur: Major Osterhans; vier Hauptleute, fünf Ober leutnants, sechzehn Leutnants nebst Aerzten, Zahlmeister usw. Zweite Feldartillerie-Abteilung (reitende-: Kom mandeur: Major Freiherr v. Rcitzenstein; zwei Hauptleute, sechs Oberleutnants, drei Leutnants, Aerzte usw. Technische Truppen: Eisenbahn-Detachement; vier Offiziere; Funkentelegraphen-Detachement: vier Offiziere. Etap pen-Kommando: Kommandeur Major v. Redern. Dessen Generalstab: Major Lequis, Adjutant Oberleutnant Starck, Hauptmann Witt, Feldintendanturrat v. Lagiewski, ein Zahlmeister und ein Veterinär. Pferdedepot: Oberleutnant Graf KönigSmarck, weiter ein Offizier, ein Arzt und ein Veterinär. Kolonnen-Abteilung: Kommandeur: Major Nord- sieck, zwei Offiziere, ein Zahlmeister. Artilleriedepot: Ein Zeugleutnant, zwei Feuerwerks leutnants. Lazarett: Chefarzt vr. Plagge, ferner dreizehn Aerzte. Proviantamt mit Bäckerei: Ein Proviantmeister. Verftärkung»tran»p»rt. Von Hamburg aus erfolgte gestern abend 9 Uhr mit dem Dampfer „Schleswig" und „Lucie Woermann" die Abfahrt von Truppen und einem Pferdetransport für Deutsch-Süd- wcstafrika. An Bord der „Schleswig" waren außer den zum Stabe des Generalleutnants v. Trotha gehörenden Offizieren und Oberstleutnant Mueller, Major Osterhaus und ein Adjutant, >7 andere Offiziere, 34 l Mann und 494 Pferde; ans der „Lucie Woermann" waren 24 Offiziere und 489 Mann cingeschifft. Die Verabschiedung der Truppen geschah auf Befehl des kommandierenden Generals v. Bock unk Po lach durch den Kommandeur des 76. Regiments, Oberst v. Dassel. Line prsbeschlacht. Eine „Probeschlacht" mit „Herero" haben die Truppen, die gestern nach Südwestafrika abgingen, auf dem Truppen übungsplätze Munster in der Lüneburger Haide auSgefochten. In einem Solvateubriefe heißt eS darüber: „Es war am 28. Mai. Schon am frühen Morgen erdröhnte die Haide von einem höllischen Gewehrfeuer. Das Jnfanteriebataillo» zu Pferde, welches für den Dienst im Hererolande ausgebildet wurde, sollte einmal so üben, wie es im Ernstfälle gemacht werden must. Die 38. Jnfanteriebrigade stellte die Herero vor; sie hatte sich deshalb an verschiedenen Stellen, im Gebüsch und sonstwo, ver steckt. Von dec „deutschen" Infanterie kam nun erst der Vortrupp, dann das Gros, und zwei Kilometer rückwärts folgte unter Be deckung die Bagage und eine Viehherde; letztere bestand jedoch nur aus einer Kuh, da sonst die Sache zu teuer geworden wäre. Bald begann der Kampf; nach dem zweiten Gefecht zogen sich die Herero zurück. Tie Deutschen verfolgten sie, machten aber bald Halt, um sich durch ein kräftiges Mittagsmahl zu stärken; die Kuh wurde geschlachtet und das Fleisch verteilt; jeder nahm Reis, welcher in den Packtaschen am Pferde mitgeführt wird. Es wurde gekocht, und — nnn sollte der Schmaus beginnen. Ta auf einmal brachen die Herero hervor — ein Ueberfall! Schleunigst wurde Alarm geblasen, alles eilte zu den Pferden. Aber diese konnten das Schießen und Blasen nicht vertragen: sie liefen, obwohl sie an den Beinen gefesselt waren, im Galopp davon. Nun waren die Pferde weg, und die Mannschaften machten große Augen. Auf Kommando eilte alles an die Gewehre, wie der Blitz ging das, und das Gefecht begann. Was das für ein Spaß war, als die Pferde wie wild umherlicfeu, ist gar nicht zu beschreiben; erst am nächsten Tage hatte man die letzten Pferde wieder, fast alle mit durch- geschcnertcn Fesseln." »er r«z§i§ch-iapani5che Flieg. Olle ehrliche Makler. Aus London schreibt man uns: Zwei englischen Schiffs maklerfirmen ist es gelungen, die interessante Frage zu lösen, wie man gleichzeitig Japan und Rußland mit Schiffen für Kriegszwecke nnd mit Kriegskontrebande versehen, die Neu tralität und sogar den Schein unparteiischster Billigkeit und Gerechtigkeit wahren und daraus sür sich selbst den denkbar größten Gewinn erzielen könne. Das Geheimnis verrät uns die Londoner „Weckly DeSpatch". Es ist einfach, wie alle wirklich großen Gedanken. Beide Firmen chartern eine Feuilleton. Tamms Garten. 20s Roman von Wilhelm Jensen. Nachdruck verboten. Dieter Lindcnholz verbrachte die Tage in einem körper lichen und seelischen Zustande, von dem er empfand, daß es ein krankhafter sei. Er suchte, ihn zu bekämpfen, jedes Hülfsmittel dagegen anzuwendcn, seine Kollegien, die Ar beit, gewaltsam eifrige Betätigung seiner Korpspflichten. Aber bei allem verließ ihn kaum eine Sekunde lang der Gedanke an Amclla; selbstverständlich befand sic sich wie leibhaft neben ihm, wenn er da und dort in Kanflädcn die für ihr Verbleiben in der „Fortuna" von Frau Köpke» zur Bedingung gemachten entsprechenden Kleidungsstücke beschaffte, denn in jedem stand ihn, ihre anmntvollc Ge stalt mit dem Antlitz drüber vor Augen. So indes mischte sie sich auch in alles sonstige Tun ein, nach dem er zur Verdrängung ihres Phantasicbildcs griff; was cr unter nahm, blieb erfolglos, sein Denken verweilte nur bei ihr, hielt sich unablässig auf die Nachmittagsstirndc vorgcrichtct, in der die Wirklichkeit ihn zu ihr bringen werde. Von dieser Zusammenkunft erhoffte er täglich eine günstige, ge sundende Wirkung ans seine Sinnvcrlorenheit, doch jedes mal gleich vergeblich. Vielmehr hatte danach sein Zu stand sich immer noch verschlimmert; er wußte nicht, wo durch, denn der Aufenthalt in der Schcnkstubc gestattete ihnen ja kein Nebcneinandcrsitzen, wie früher in Tamms Garten, kanm anderes, als ein hin und her Austauschen von Blicken und Worten. Dabei gab Amella vor allem stets der Dankbarkeit sür sein sorgliches Vedachtsein auf ihre leider unerläßlichen Bcdürinissc Ausdruck und teilte ihm auf seine Fragen mit, was für die Andauer ihrer Stellung noch weiter von ihr gefordert werde. So trug sich in der Stnbe nichts zu, wovon eine schädliche Ein wirkung anSgeyen konnte, zumal da sic selbst ja mit ver ständiger Einsicht jeder Anlaßmöglichkeit z» einer solchen vorbengte. Aber nach seinem Fortgang fühlte er allemal, ihr müsse doch einmal ohne Wissen ein Blick aus den Augen nnd ein unbedachtes Wort über die Lippen geraten sein, durch das die verhaltene Erregung in ihm, statt ge dämpft, noch stärker angeschürt worden, und der Abend in der Kneipe diente dafür nicht zu einer beschwichtigenden Herabminderung. Vielmehr ward's ihm unertragbar, sie stundenlang zu sehen, zuweilen beim Borübergchen von ihrem Kleid gestreift zu werden, ohne daß er sie anblickcn, mit ihr sprechen durfte, und er mutzte häufiger nach seinem Glase greifen, um sich zur schweigsamen Erduldung dieses qualvollen Zwanges zu betäuben. Die Obotritia sollte nunmehr mit der übrigen Stu dentenschaft öffentlich in Berührung treten, und ihr Se nior tat in einer Plenarversammlung vor dem Kncip- abcndbeginn die zu dem Behuf getroffene Abrede kund. Vorher machte er von einem freudigen Ereignis Mit teilung, daß eine liebenswürdige Freundin des Korps, die großes Interesse an dem Aufblühen desselben nehme, doch nicht genannt sein wolle, einen erheblichen Beitrag zur bedürftigen Korpskassc gestiftet habe; er werde nach her einen Salamander auf die hochherzige Wohltäterin reiben lassen. Zuvörderst aber kündigte Petzold etwas schon länger Erwartetes, als am nächsten Abend Bevorstehen des an, eine Vereinbarung zum Zusammenkommen mit einigen der angesehensten studentischen „Gruppen" in einem großgcränmigen Wirtschastssaal, und er sprach seine Zuversicht aus, daß jeder dabei den rot-weißen Farben ge bührlich Ehre machen und Respekt verschaffen werde. Klar Verständliches lag darin, es handle sich nicht um eine be absichtigte gesellige Befreundung, sondern um einen „Diftelabend", der zn „Eontrahagcn" führen und der Obotritia Gelegenheit geben solle, sich zum erstenmal glänzend ans Mensuren „heranszubeißcn". Als dann vom Senior der Dankbarkeits-Salamander kommandiert wor den, griff cr nach seinem wieder gefüllten Glase, stieß da mit gegen das Ellendsheims und sagte lachend: „Prosit, Wichard! Einen Ganzen auf dein Spezielles. Du hast das Verdienst, denn es geht deine Kasse an. Vivat stipa 8oq,wn8!" Ebenso lachend erwiderte der Kassenwart: „Ehre, dem Ehre gebührt, ich hätte die Wünschelrute nicht ausfindig gemacht und komme einen Ganzen aus dein Spezielles mit." Und beide tranken kommentmäßig ihre Gläser bis auf die Nagelprobe leer. Dieter tat am andern Tage etwas, das nicht in seiner Absicht gelegen, woran er wenige Augenblicke vorher nicht gedacht hatte. Doch als sein Heimweg aus dem Kolleg ihn an der „Fortuna" vorbeibrachtc, war er unfähig, einem jälwn Antriebe Widerstand zn leisten. Das alte gelbe Ge bäude mit den beiden jetzt völlig entblätterten Ahorn bäumen zu den Seiten des Eingangs lag in der vor mittägigen Stunde ebenso reglos unbcsucht vor ihm, wie damals, als er zum ersten Male in die Tür cingctretcn, und eh' er sich seines Duns recht bewußt geworden, war er die Treppe hinangestiegen; zu unbezwinglich hatte ihn das Verlangen überwältigt, wenigstens für ein paar Minuten mit Amella allein zusammen zu sein, sic anredcn zu dürfen. Er stand in dem Vorraum mit den Stuck verzierungen an den Wänden, den verblaßten Snrportc- Gemälden und den wenigen, aus alter Zeit drin übrig gebliebenen Rokokomöbcln; wie an jenem Tage war's, nnr erfüllte heut' kein Sonncngcwogc den leeren Raum, son dern auf allem lag ein von Regenwolken verhängtes, grau frostiges Licht, nnd nichts Geisterhaftes rührte mehr den Eingctretenen mit einem unheimlichen Gefühl von den verstaubten Ueberbleibsein an. Aber dann befiel's ihn doch, als ob er nnr davon träume, nm diese Stunde hier zu sein; durch die Türwandung der Schenkstube wurden von drinnen her Laute hörbar, ein undeutlicher Stimmen klang, dann ein lachender Ton und ein Fußtritt, wie da mals, und nm einen Augenblick später trat auch wieder, gerade ebenso, Detlev Petzold mit glanzflimmerndcn Augen durch die ausgehende Tür. Ei» wenig nutzend, sah er seinen Lcibinchs an und stieß unwirsch ans: „Was machst dn denn jetzt hier'? Tu sollst doch im Kolleg sein. Fa so. Hast du Ellendsycim gesehen ? Fch hatte verabredet, hier wegen heilt' abend mit ilnn zu sprechen. Willst dn einen Schnaps zu dir nehmen ? Wohl bckomm's!" Seine Stimme hatte mehr und mehr, wohl Zeugnis von einem reichlichen Vormittagstrnnl des Sprechers ablegend, sehr lautlönig geklungen; nun wandte cr sich der zur Treppe führenden Tür zu, sein Schritt verhallte, und Dieter ging weiter, in das Schcnkzimmer hinein Doch in diesem befand sich niemand, auch Amella nicht; jein nmsuchender Blick traf nur ans eine Hinterlassenschast zweier hier gewesener Gäste, denn am Lbcrendc des breiten Kanapees mit den eingestickten verblichenen Märchenvögeln standen auf einem Tischchen eine geleerte Ehampagnerilasche nnd ein paar Hobe Spitzglüser. Ihm kam ins Gedächtnis, auch die habe er an jenem Morgen gleicherweise aus dem näm lichen Platz stehn gesehen, und zugleich entsann er sich, daß Petzold von einer Verabredung mit Ellcndshcim ge sprochen. Offenbar l-atten die beiden hier den Flaschen Inhalt geteilt und der letztere die Stube schon früher oder vielleicht nach der anderen Richtung, durch die Tür znm Korridor verlassen, vielmehr zweifellos, denn ein Stiminenschall nnd Lachen war noch in den Borraum lnnausgedrimgcn. Mit klopfendem Herzen stand der gegenwärtige Besucher des einsamen Gastzimmers, aus das Kommen Amcllas wartend, der jedenfalls gerade eine wirtschaftliche Besorgung obgelegen. Aber cr harrte ge. raume Zeitlang umsonst; sie wußte nichts von seiner An Wesenheit nm diese Stunde, und ihm fiel jetzt ein, wahr scheinlich sei sic mit der Mittagsbedicnung der Baronesse beschäftigt, von deren Anteilnahme an ihr sie ihm erzählt hatte. So konnte sich's noch länger bis zu ihrer Rück klinst hinzieben, und ihn faßte eine Furcht an, Frau Köp- kcn oder sonst wer könne plötzlich hcrcintrcten nnd fragen, was cr hier »volle. Bei diesem Gedanken kam er sich wie ein aus verbotenem Wege Betroffener vor, cr werde nicht imstande sein, eine Antwort hervorzubringen, mit blntüberaosscnem Gesicht dastch'n. Ein Zittern befiel ihm in dem lautlosen Raum die Glieder und er bewegte sich eilig ans den Fußspitzen zur Treppe zurück, nm er» am Nachmittag wiedcrzntehrcn. Ein Gefühl durchdrang ihn. dann, um die gewohnte Zeit, sei's ihm erlaubt, jept da gegen habe er sich wie ein Verbrecher hier cingcschlickien gehabt. Verhaltenen Atems wankte er die Stufen hinunter, vor der Haustür übcrkam's ihn mit einer Oh» machtsanwnndlnng; er mußte den ölops an de» Pfosten lebnen und einigemal tief nach Lust ringen. Etwas seitab von der „Fortuna" gingen, zufällig sich begegnend, Detlev Petzold nnd Wickiard Ellendskcim miteinander und tauschten Absichten über den bevorstehenden „Distel abend" «ins, denn der innge Senior äußerte: „Der Bursche wird mir lästig, und ich werde dafür sorgen, daß er «ine Zeitlang in, Korb zu liegen kommt." Dann, wurden studentisch die Folgen einer starken „Abfuhr" ans der Mensur bezeichnet, die Nötigung zu andanernocm im Bett Liegen, und Pctzvld hatte es offenbar ans eine ihm unliebsame Persönlichkeit ans einer der Studenten gruppen abgesehen. Als der Abend gekommen, traf, der Vereinbarung gemäß, die „Obotritia" vollzählig in dem geräumigen WirtschaitSiaale mit den erwarteten anderen studentischen Gästen zusammen; beide Teile begrüßten sich mit ausge suchter Höflichkeit, und es regte anfänglich den Eindruck, als ob nur eine gesellige Annäherung zwischen ihnen beabsichtigt sei und zu diesen, Behuf eine Durcheinander- Mischung stattnndc. Dock, in, Weitervcrlans der Unter haltung trat allmählich der wirkliche Zweck zu Tage; da und dort begannen zwei Vcifammensitzende mit mehr
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