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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.06.1904
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-06-09
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040609018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904060901
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904060901
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-06
- Tag1904-06-09
- Monat1904-06
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Reklamen unter dem Redaktionsstrich (4gespalten) 75 nach den Familtenuach- richten sv gespalten) 50 Tabellarischer und Jiffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisung« und Ossertenannahme 25 Ertra-Vrilage« (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbefvrderung ^tl 60.—, mit Postbrfördrnlug ^l 7V.—. Anuatzmefchluß für Anzeige«: Abeud-AuSgab«: vormittag« 10 Uhr. Morge»-Au«gabe: nachmittag« 4 Uhr. Anzeigen sind stet« an dir Expedition zo richten. Die Expedition ist Wochentag« ununterbrochen geöffnet »oa früh 8 bi- abend« 7 Uhr. Druck und Verlag von G. Polz in Leipzig (Inh. vr. B, R. iü W. «ltakhardtX Sir. 289. Donnerstag den 9. Juni 1904. 98. Jahrgang. Var lvicdtigrte vom Lage. * Der Reichstag nahm gestern den Kommissionsantrag auf NeuauSprägung von Dreimarkstücken trotz deS Widerspruches der Regierungsvertreter in zweiter Lesung an, ebenso die ganze Novelle zum Münzgesetz. * DaS preußische Abgeordnetenhaus überwies gestern die Vorlage betr. Kontraktbruch ländlicher Arbeiter einer Kommission von l4 Mitgliedern. * Der Landesdirektor der Provinz Brandenburg, v. Man teuffel, ioll sür den Herbst zum Nachfolger des preu ßischen Minister« de« Innern in Aussicht genommen sein. * Gestern vormittag fand in Kopenhagen die Eröff nungssitzung der europäischen Fahrplankonferenz unter Teilnahme von etwa 200 Delegierten statt. Tie nächste Konferenz tagt am 6. und 7. Dezember d. I. in München. ver berliner frauenkongre;;. In den nächsten Tagen wird Berlin unter dem Zeichen der F rauenbewe g u n g stehen. Schon neu- lich — so schreibt uns unser Berliner Vertreter — sah ich im Palasthotel über ein Dutzend augenscheinlich ameri kanischer Damen, die sämtlich den höheren Semestern an gehörten, zum Frühstück versammelt, bei dem sie klares Wasser in Fülle zu sich nahmen, um die Kehlen für die bevorstehenden heißen Redeschlachten zu schmeidigen. Die älteste der Vorkämpferinnen wurde von einer der jünge ren Damen mit einem Handkuß und einer Verbeugung begrüßt, die fast einem Knicfalle glich und die ich nur zu einer Zeit, da ich noch nicht als „verfehlte Existenz" den journalistischen Beruf ausübte, an kleinen Höfen gesehen habe, an denen bekanntlich die Etiguette die groteskesten Formen annimmt. So erfreulich Ehrerbietung gegen das Alter in jeder Beziehung ist, so mutete mich doch dieser Knir, m dem sich für die Begrüßende sichtlich dir weltgeschichtliche Wucht des Momentes zufammcnfaßtc, nicht gerade sehr verheißungsvoll an. Also auch in dem Staate der Zukunft, den das Frauenstimmrecht uns be scheren will, werden diese chinesischen Formen sich weiter erben. Ich hatte geglaubt, daß an ihre Stelle die be kannte amerikanische Nüchternheit treten würde. Aber vielleicht geht es auch mit diesem Staate so, wie mit vielen anderen: im Grunde genommen wechseln nur die Neußer- lichkeiten und sichtlich bleibt es beim Alten. Diese Vermutung, die vielleicht unbegründet ist, kommt mir, offen gestanden, sehr zu passe, denn der moderne Mensch ist kongrcßsatt. Es ist einfach unerträg- lich, daß die lieben Leutchen, wenn Pfingsten gekommen ist, alle in Zungen reden und vor der breitesten Öffent lichkeit konstatieren müssen ,daß der heilige Geist sich auch über sie ergossen habe. Ich beantrage, daß seitens der Regierung oder, wenn das demokratischen Gemütern miß fällt, seitens deS Parlamentes eine Verteilung sämtlicher Kongresse über das ganze Jahr festgesetzt werde. Aus jeden Tag wird dann etwa ein Kongreß fallen, und das dürfte auch dem wütendsten Vereinsmeier vollauf ge nügen. Soviel aber steht fest: die Aufnahmefähigkeit des Großstädters entspricht den Anforderungen nicht mehr, die an sie gestellt werden. Trotzdem gebe ich zu, daß die Frauenfrage eine ernste Sache ist, über die man, so lange es irgend geht, ernst reden soll. Es geht nur nicht immer lange. Denn mit dem Augenblick, wodiepolitischen Forderungen der Frauen anftauchen, be ginnen wir Männer, wie wir nun einmal sind, zu lächeln, und die Ungalantcn unter uns entblöden sich sogar nicht, laut zu lachen. Denn allen politischen Rechten müssen auch gewisse Pflichten entsprechen, und dem passiven Wahlrecht der Frauen müßte unbedingt die militärische Dienstpflicht an die Seite gestellt werden. In den poli tischen Forderungen der Frauen erblicken wir eine törichte Gleichmacherei, die dis Anlagen der Geschlechter hoch- mütig ignoriert oder geflissentlich verkennt. Daß Mann und Frau nun einmal verschiedene Funktionen ausüben, ist eine triviale, aber noch niemals widerlegte Wahrheit, eine der wenigen „ewigen" Wahrheiten, die erst dann in die Rumpelkammer geworfen werden könnte, wenn ent weder das männliche Geschlecht die Geburt der Nach kommenschaft in Zukunft zu übernehmen fähig und ge neigt wäre oder wenn sich Kinder nach den Rezepten de« Freiherr« von Münchhausen rctortenmäßig Herstellen ließen. Unsere Politik trägt übrigens unleugbar schon beute einen femininen Zug und wir möchten einmal sehen, welchen Zickzackkurs der Staat erst nehmen würde, wenn an Stelle des Grafen Bülow eine Gräfin Bülow stände, womit wir natürlich nicht etwa auf die Frau deS Reichskanzlers anspiclen wollen, der irgend welche poli tische Velleitäten nicht nachgesagt werden können. Töricht aber wäre es, um dieser Exzesse willen das Kind mit dem Bade auszuschütten. Es ist nicht zu leugnen, daß eine große Zahl von Frauen genötigt ist, ledig zu bleiben, und daß dies« Frauen sich ihren Lebens unterhalt selbständig verdienen müssen. Für wohl meinende Männer kann es dieser Entwicklung gegenüber nur einen Standpunkt geben: den, die Bemühung dieser Vereinsamten ritterlich zu unterstützen. Aber das ist nicht der einzige Gesichtspunkt. Ter zweite, nicht mate rielle, ist der, daß in der Tat die Frau bisher zu sehr als verborgenes Veilchen im Hausgarten geblüht hat. Es ist natürlich und berechtigt, daß sic danach strebt, ihre Fähigkeiten möglichst zu entfalten, und nach unserer Ansicht stehl dieses Streben, wenigstens in den höheren Ständen, nicht in einem unlöslichen Widerspruche zu ihren Auf gaben als Gattin, Mutter und Hausfrau. Die moderne Entwicklung hat ja dahin geführt, daß der Hausfrau viele kleinliche Tätigkeiten abgenommcn worden sind, von denen unsere Großmütter nicht gelassen hätten, die sie als ihre heiligsten Privilegien betrachteten. Die Ant wort, die einst Napoleon der eitlen Frau von Staöl auf ihre Frage, welche Frau er am meisten schätze, erteilte: „Diejenige, die die meisten Kinder habe!", diese Antwort erscheint uns rüde und fast unsittlich. Es liegt in ihr das Verdammen zn animalischem Leben, das niemand billigen kann, der an eine Vervollkommnung des Menschen geschlechts glaubt. Tie volle Entwicklung der Frau kann vielmehr auch im kleinsten Familienkreise nur segens reich wirken. Sie wird ihrem Manne und ihren Kindern weit mehr sein können, als dies unseren Müttern und Großmüttern — von Ausnahmcfällen abgesehen — mög lich war. Selbstverständlich werden diese Hoffnungen sich nur dann erfüllen, wenn das Weib weiblich bleibt, wenn seine Entfaltung nicht künstlich in eine falsche Bahn ge- leitet wird, und wenn der Versuch unterlassen wird, das Weib zu vermännlichen. Indessen können wir doch sagen, daß die hervor- ragendsten Frauen diese Klippen rechtzeitig gesehen und klug umschifft haben, und daß die Bewegung immer mehr jenes Gefühl für das Maßhalten zeigt, das das beste Zeichen der Kraft ist. Eine Erscheinung wie Frau Lili Braun nehmen wir aus. Sie überträgt einfach die so zialdemokratische Taktik auf die Frauenbewegung und sagt: „Laßt uns erst die politische Macht erringen, und dann werden wir durch dieses Mittel die völlige Befreiung der Frau erreichen." Diese Art von Reform trägt die Züge des Phrascntums und des Doktrinismus, die nun einmal der Sozialdemokratie eigen sind. Wir vertrauen auf den gesunden Sinn der deutschen Frau, der diese De klamation durchschauen und in Bahnen beharren wird, die insofern wirklich „politische" genannt werden dürfen, als sie dahin führen, daß das Notwendige getan und das Mögliche erreicht wird. ver Mktana «er Herero. Vie inttitärifche Lage. Die Linie Outjo-Omaruru erscheint neuerdings als erheblich bedroht. An mehreren Stellen sind neue Herero- banden aufgetaucht. In Gefahr befinden sich vor allem die Heliograpbenstationcn Etaneno und Okowaknatjiwi. Bei der ersteren hat >chon vor Monaten der Führer der ehe maligen vierten Kompagnie in Outjo, Hanptmann Kliesvth, den Feind geschlagen und ist dabei selbst verwundet worden. Okowaknatjiwi ist bereits zu Anfang der vorigen Woche einmal angegriffen worden. Die Herero wurden mit einem Verlust von 6 Toten zurückgeworfen. Die Wasserstellen bei beiden Stationen sind nunmehr verschanzt, die Besatzungen durch die zum neuformierten ersten Fetdregiment gehörige Kompagnie deS Hauptmanns Frhrn. v. Welck von Ontjo aus verstärkt worden. Es erscheint der „Nat.-Ztg." nicht ausgeschlossen, daß auch Hauptmann Francke, der zur Zeit den Bezirk von Omaruru säubert, zur Unterstützung der gesährdeten deutschen Stationen einen Vorstoß gegen Norden unternimmt. Be dauerlich ist, daß so erhebliche deutsche Streitkräfte, die sonst ebenfalls zum konzentrischen Vormarsch gegen den Water berg im Nordosten verfügbar wären, durch die neuen Ereignisse an der Linie Omaruru-Outjo festgebalten werden. Man wird allerdings kaum annehmen können, daß die Horden von Etaneno und Okowakuatjiwi in zielbewußtem Einverständnis mit der Hauptbande Samuels am Waterberg handeln. Völlig ausgeschlossen ist es nach früheren Erfahrungen nicht. Die Nordostkolonne v. Estorffs hat ihr altes Lager bei Okamatangara, wo sie mehrere Wochen stand, verlassen und ist nach Nordwesten gegen den Omuramba ausgebrochcn. Schon am 1. Juni stand sie nur noch fünfundzwanzig Kilo meter südöstlich vom Ufer dieses Strome« entfernt. Der Oberhäuptling Samuel Maharero soll augenblicklich mit gesammelter Macht bei Okahitua am Omuramba selbst sitzen. Okahitua ist in einem halben Tagemarsch von der Stellung ans, die Estorfs am 1. Juni inne hatte, zu erreichen. Die Nordostabteilung muß also bereits Fühlung mit der Haupt macht der Herero haben. Estorfs wird allerdings kaum zum Angriff schreiten, ehe nicht die am 5. Juni in Onosasu gesammelte Hauptkolonne unter Leutwein eben falls für einen Hauptschlag gegen Samuel verfügbar zur Stelle ist. Wenn die Zentralabteilung nun endlich einmal wirklich gegen den Omuramba und den Water berg ausbricht, dann erscheint die Hoffnung auf eine baldige Einschließung und Vernichtung Samuel« und seiner Banden am mittleren Omuramba als nicht unberechtigt. In nicht allzu großer Entfernung Omuramba abwärt« steht der Distrittschef von Grootfontein, Oberleutnant Bolkmann mit I seinem Detachement, die Nordkolonn« unter Zülow, die Volk- manu Verstärkung bringen soll, stand am 25. Mai bei i Naidau«, 70 Kilometer nordöstlich von Outjo, genau halbwegs auf der Straße Outjo - Otoni. Zülow konnte demnach heute bereit« in der Nähe BolkmannS und des Omuramba angelangt sein. Samuel, der fein altes Lager bei Osire wegen Wassermangels verlassen mußte, würde also in seiner neuen Stellung bei Okahita von der Einschließung durch drei starke deutsche Truppenkörper bedrobt sein: der Siidosten durch die Nordostkolonne v. Estorff, von Südwesten durch die Hauptkolonne deö Gouverneurs und von Nortosten durch die mit dem Detachement Volkmann vereinigte Nvrdkolonne Zülow. Eö muß jetzt vor allem verhindert werden, daß Samuel, der unter keinen Umständen in seinem Lager am Umuramba vorzeitig beunruhigt werden sollte, den Omuramba abwärts nach Nordosten durchbricht, ebenso aber auch, daß er in die Felsen des Waterbcrgs flüchtet. Durch die letztere, an sich nicht leicht zn hindernde Eventualität würde die Arbeit der deutschen Truppen ungeheuer erschwert. Bleibt Samuel in Okahitua, bis der Ring sich schließen kann, dann ist er nach menschlicher Berechnung verloren. Jedenfalls bat die neueste Meldung des Gouverneurs aufs neue die alte Annahme bestätigt, daß die Hauptentscheidung des ganzen Herero- FeldzugS in der Gegend des Waterbergs fallen wird. Man kann nur hoffen, daß sie bald fallen möge. ver rursizek-iapanirebe strieg. Vie Lage auf -er Awantung-Halbinsel. * Tokio, 7. Juni. Außer der zweiten Armee unter General Oku (l., 3. und 4. Division) sind sicher noch die 5. und ll. japanische Division auf der Kwantung-Halbinscl. Sic werden hier meist als dritte Armee bezeichnet. Daß der russische General Fock, wenn auch unter größeren Opfern al« russischerseits zugegeben, mit der vierten russiichen Division nach Port Arthur zurück gelangt ist, verdankt er dem Umstande, daß seine Umfassung coch n-cht soweit gelungen war, als hier angenommen wurde. Jetzt stehen die 5. und 1l. Division nordöstlich von Port Adams als Deckung der Bewegung Okus auf Port Arthur. Letzterer ist jederzeit in der Lage, die auf der Kwantung- Halbinscl befindlichen japanischen fünf Divisionen gegen die von Kuropatkin zu einem Entsätze Port Arthurs heranzusührenden Kralle zu vereinigen und doch die Belagerung von Port Arthur aufrecht zu erhalten, da weitere Belagerungstruppen mit starker, schwerer Belagerungsartillerie schon bei Dalny gelandet sind und nun zunächst wohlverschanzt vor Port Arthur in Stellung gebracht werden, so daß sie jeden Anübruch des russischen Verteidigers verhindern können. Vor Port Arthur. Tokio, 8. Juni. (Reuter.) Bier Kanonenboote unternahmen um Mitternacht am Montag bei Port Arthur eine sehr genaue Untersuchung der Einfahrt. Sie waren einer scharfen Belchicßung ausgesetzt, wobei das Kanonenboot Nr. 4 acht mal getroffen wurde und einige Havarie erlitt. Ein Matrose wurde getötet und zwei verwundet. weitere Meldungen. Paris, 8. Juni. Bon einem Vertreter des „Petit Parisien" befragt, erklärte der französische Botschafter in Petersburg: Man würdige dort Frankreichs Haltung und sei für seine Sympathien dankbar. Rußland werde den Krieg bis ans Ende führen und alle Peters burger Kreise verkünden diese unwiderrufliche Absicht. London, 8. Juni. Der Petersburger Berichterstatter der „Daily News" will angeblich aus zuverlässiger Quelle wissen, daß der Versuch Alexejews und der Flottenpartei, den Zaren zu veranlassen, dem General Kuropatkin den Marsch zum Entsätze von Port Arthur anzubesehlen, gänzlich ge scheitert sei. Trotz der Gegenvorstellungen der Partei Alexejews kündigte der Zar die Absicht an, Kuropatkin freie Hand zu lassen. Deutsches Keich. * Berlin, 8. Juni. * Der Stand der deutsch-russischen Sandelsvertragsver- handlungen wird nach Mitteilung einer Korrespondenz gänz lich geheim gehalten und es ist fernstehenden Kreisen ganz unmöglich, nähere Nachrichten hierüber zu erhalten, da die Delegierten beider interessierten Staaten sich gegenseitig ver pflichtet haben, über die Verhandlungen nichts in die Oeffent- lichkeit zu bringen. Die Verhandlungen sind nicht ab gebrochen, wie vielfach behauptet wird, sondern werden auf schriftlichem Wege weitergeführt. Das in den persönlichen Verhandlungen in Berlin und Petersburg durchgearbeitete Material wird jetzt nur zusammengestellt und vervollständigt. Der gegenwärtige Handelsvertrag wird noch einige Zeit — ob ein Jahr? — in Kraft bleiben, nachdem Rußland oder Deutschland ihn gekündigt haben wird. Demnach ist — ab gesehen von dem Drängen der Agrarier — gar kein Grund zu einer besonderen Eile vorhanden. Wir sind in der Lage, bestimmt erklären zu können, daß man in offiziellen russischen Kreisen von irgend welchen definitiven Abmachungen durchaus nicht« weiß. * Die Aussichten der Kanalvorlage. Dieser Tage fand inM agdeburadieHauptversammlung des Bundes der Landwirte statt. Wie man sich auch zu den sachlichen Forderungen der Agrarier stellen möge, eins mutz man den Biedermännern in Stulvsticfcln ohne Einschränkungen zugestehen: sie nehmen kein Blatt vor den Mund und wenn sic gesprochen haben, so weih man, was sie wollen. Wir möchten dies in unserer Zeit allzu schwächlicher Kompromisklügelcicn allen Ernstes als einen Vorzug bezeichnen, wenn auch die Formen, in denen die Herren Landwirte sich bewegen, etwas jenen „Stallgeruch der Männlichkeit" an sich tragen, von dem einmal der geistreiche Ludwig Speidel sprach. Der pro- vinziale Häuptling des Bundes, Herr Schiomer - Neu- Haus gab sich zwar anfangs geradezu litterarisch. Er zitierte unsere Klassiker mit dem Worte: „Wir wollen endlich Taten sehen!" und hinsichtlich einer freundlichen Acutzcrung der städtischen Kreise in Magdeburg fand er das zweite Zitat: „Die Botschaft hört' ich wobl, allein mir fehlt der Glaube!" Dann aber schleuderte er den Blitzstrahl gegen die Regierung und erklärte kurz und bündig: „Für den Kanal sind wir nicht zu haben!" Nach ihm sprach der Abgeordnete Graf Reventlow- Wulfshagcn mit dem derb agitatorischen Witze, der diesen Redner auszcicbnet. Er griff die Regierung heftig an, allein zwischen seinen Worten erklang es ganz deutlich, daß eben dieser Graf Rcventlow für die Regierung fana tisch klopffcchten würde, wenn sie nur in Bezug auf die Handelspolitik durch das kaudinische Joch gehen wollte. „Es wird am Ende wieder heißen: „Friß, Vogel, oder stirb!" Wir wollen aber nicht fressen und selbst auf die Gefahr hin, daß die Regierung bei her eventuellen Ablehnung der Verträge den bestehenden Zustand mit seinen für uns nach teiligen Folgen bcibehält, die Verträge, wenn sie so aussehcn sollten, wie wir fürchten müßen, glatt ablehnen." Da nian weiß, wie eng die Konservativen mit dem Bunde der Landwirte verkniipft sind, so kann man aus den Acutzerungcn der Herren ungefähr entnehmen, welche Chancen die.Kanalvorlage hat. Wir dürften sie in einem der nächsten Jahre nach der üblichen Pause und mit einigen passenden Veränderungen Wiedersehen. Sie ist sür die Politik das geworden, was für die Presse ver gangener Jahre in der Hundstagszeit die grotze See schlange war. Welchen Eindruck die Ausführungen des Grafen Rcventlow auf den Reichskanzler machen werden und wie sich die Handelspolitik der nächsten Jahre ge stalten wird, wissen wir nicht. Eins glauben wir indessen mit Sicherheit annehmen zu können, daß eine Aera ex tremer Schutzzölle nicht zu befürchten ist. Nicht etwa, weil es der Regierung an Geneigtheit fehlen sollte, hoch mögenden Einflüssen, die hinter den Coulissen spielen, nachzugebcn, sondern deshalb, weil auch der politische Widersinn eine Grenze hat, die nicht ohne augenblickliches Eintreten schwerster Folgen überschritten werden kann. Graf Bülow besitzt gesunden Menschenverstand genug, um das einzuschen. * Ter Zweck heiligt die Mittel! In dem Zivilprozeß des Grafen HoenSbroech gegen den Kaplan Das bach ist, wie gemeldet, die Klage kostenfällig abgewiesen. In der Begründung heißt eS: Der Verklagte hat in einer öffentlichen Versammlung erklärt, er zahle dem 2000 Gulden, der nachweise, daß der Grundsatz „Der Zweck heiligt die Mittel" sich in jesuitischen Schriften finde. Der Kläger hat den Verklagten beim Wort genommen, er behauptet, er habe den geforderten Nachweis erbracht, er hat dann Klage auf Auszahlung der 2000 Gulden erhoben, indem er davon ausgeht, daß eine Auslobung auf Grund des 8 657 des B. G.-B. vorliege. Der Verklagte hat bestritten, daß die Klage schlüssig sei, er be hauptet, es liege hier eine Unterart der Auslobung vor, die Preis bewerbung, bei der er den Preisträger zu bestimmen habe. Bei Prüfung der Sache ist das Gericht zu der Ueberzeugung gelangt, daß eine Preisbewerbung nicht vorliegt, hierbei ist Voraus- setzung, daß ein Wettbewerb stattfindet; davon kann hier keine Rede sein. Andere Einwendungen hat der Verklagte nicht gemacht. Trotzdem hatte das Gericht das Recht und die Pflicht, zu prüfen, ob die Klage rechtlich begründet sei Der 8 657 setzt voraus, daß jemand durch öffentliche Bekannt machung für die Vornahme einer Handlung, insbesondere für die Herbeiführung eines Erfolges, eine Belohnung aussetzt. AuS der religiösen und politischen Stellung des Verklagten ergibt sich nuu unbestreitbar, da er den Nachweis, der erwähnte Grundsatz finde sich in jesuitischen Schriften, gar nicht wünscht, ja daß er der Ansicht ist, dieser Grundsatz finde sich überhaupt nicht dort. Offenbar hat er also weder die Handlung noch den Erfolg gewollt. Was er wollte, ist offenbar nur die Erklärung gewesen: wenn jemand behauptet, daß sich der Grundsatz in jesuitischen Schriften finde, so wird dieser Nachweis ihm nicht gelingen, und dagegen wolle er (Dasbach) einen Einsatz von 2000 Gulden wagen. Das sind aber die rechtlichen Momente der Wette, einer besonderen Art von Wette, die der Oeffentlichkeit gegenüber, also einseitig gemacht ist. Dec Wette ist aber die Klagbarkeit im 8 762 B. G.-B. versagt. Die Klage war also abzuweijen, ohne aus die Prüfung der Sache selbst einzugehen. Dies Urteil, daS übrigens noch nicht endgültig sein wird, bildet eine schätzbare Bereicherung des Kapitels: Der Zweck heiligt die Mittel. O * Kotha, 8. Juni. Die gestern vollzogenen Wahl männerwahlen zum Gothaischen Landtag hatten daS Ergebnis, daß voraussichtlich der neue Landtag sich zu sammensetzt aus 6 Sozialdemokraten und 12 bürgerlichen Abgeordneten. In einem Wahlkreis (Friedrichroda- findet Stichwahl mit günstiger Aussicht für den bürgerlichen Kan didaten statt. Die Sozialdemokraten verlieren drei Mandate. * Darmstadt, 7. Juni. Der Wahlrechtsausschuß der Zweiten Kammer hielt heute vormittag und nach mittag Sitzungen ab. Aba. v. Brentano (Zentr.) verlas den Bericht über die Wahlrechtsvorlage. Der Ausschuß trat ein stimmig der von ihm auf Grundlage des Gutfleischschen Kompromißantrags beschlossenen Fassung deS Regierungsent wurfs bei. Selbst der bauernbündlernche Abg. Köhler gab seinen bisherigen Widerstand gegen die Vorlage auf, nachdem er durch eine kleine Konzession bei der WahlkreiSeintcilung beschwichtigt worden war. * Alzey, 7. Juni. Bei Gelegenheit de« Streite« zwischen der hiesigen Ortskrankenkasse und den Aerzten hatte sicb Ur. Reymann in Plonhcim den OrtSkranken gegen über verpflichtet, die Stelle eine« Kassenarztes zu übernehme». Als der Tag der Uebernahme kam, lehnte vr. Reymaun die Kafsenarztstklle ab. Die Ortskrankenkasse strengt nunmehr gegen vr. Reymann eine Schadenersatzklage an. Da« Gericht hat auf den BermögenSbestand deS vr. Reyman« »bereits eine vorläufige Arrestanlage in Höhe von 15000 verfügt.
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