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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 11.06.1904
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-06-11
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040611011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904061101
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904061101
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-06
- Tag1904-06-11
- Monat1904-06
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srr. 293. 98. Jayrg. Leipziger Tageblatt. Sonnabend, 11. Juni 1904. Saltane", um dessen Besitz seit Zähren zwischen Ortho- boxen, Kopten und Abessiniern streit gcsülirt wird, an die letzteren. Nach dem non Sultan M a h in u d , dem Großvater des jetzigen Sultans, hcrrübrcnden Stande der Dinge in Jerusalem, befindet sich das erwähnte Kloster im Eigentum der orthodoxen Kopten. Die Abessinier bestreiten aber die Besitzrcchte der Kopten, in dem sie bebaupten, das Kloster sei der abessinischen Ge- meindc in Jerusalem schon von der Königin Helena «gestorben im Jahre 327), Mutter Konstantins des Großen, geschenkt worden. Wenn es von den orthodoxen Kopten unterhalten worden sei. so rühre dies davon her, daß die Mitglieder des Episkopats weit öfter unter den Kopten, als aus der abnssinischcn Gemeinde gewählt wurden. Schritte, welche die erwähnte Gesandtschaft rvährcnd ihres Aufenthaltes in Kairo bcini Patriarchen der orthodoxen Kopten unternommen hatte, sind frucht- los geblieben. In den Beziehungen zwischen Kopten und Abessiniern ist durch diesen Klosterstreit eine Er- kaltung cingetreten, infolge deren die Abessinier eine Annäherung an das ökumenische Patriarchat suchten. Die Gesandtschaft hat sich denn auch sofort nach ihrer Ankunft in Konstantinopel aus das ökumenische Patriarchat be geben. wo ihre Mitglieder eine lange Unterredung mit Joachim HI. hatten. Was die Möglichkeit einer An- Näherung zwischen der äthiopischen und der ökumenischen Kirche aubelangt, so muß m Betracht gezogen werde««, daß die Abessinier M o n o p h y s i t c n, die Griechisch- Orthodoren dagegen Diophm'itcn sind, was wohl ein Hindernis für die Verwirklichung einer etwa geplanten Annäherung bildet. Afrika. * Ter «heilige Krieg" in Marokko. Der in Liverpool wohnende Scheil ul Jslani (d. h. Oderpricster) aller im britischen Königreiche wohnenden Muhamcdancr, Ab dullah Ouilliam Effcndi. teilt ein ihm von marokkani schen Freunden zugcgangcs Schreiben mit, welches unter anderem folgendes besagt: „Wir flehen Dich an, dafür zu sorgen, daß die Fremden nicht unnötiges Blutver gießen bcrbeifiihren; denn dann werden sämtliche Mau ren die Waffen ergreifen und alle in Marokko wohnen den Weißen und Juden töten. Raisuli hat 800 gut bewaffnete Krieger; er kann deren Zahl aber schnell auf 8000 bringen. Bu Hamara wartet auch nur auf den Augenblick, in dem er den Krieg gegen die Fremden beginnen kann. Wir dachten, daß der neue Vertrag zwischen England und Frankreich unscrm armen Lande Aube bringen würde; jetzt aber sehen wir. daß er uns erst recht ins Unglück bringen wird." * PaniSlamitisches. Bekanntlich werden alljährlich aus Befehl und Kosten des Sultans Kindern von aus ländischen Mohamedancrn in den Konstanti nopler Schulen und geistliche«« Seminaren (Medrcsse) kostenlose Jnternatplätze geboten und ihnen überdies die Reisen bezahlt. In allcrjünaster Zeit ist dies, wie man aus Konstantinopel meldet, zwölf moham medanischen Kinder«« aus Johannesburg in Südafrika bewilligt worden. Deutscher Reichstag. 95. Sitzung. O Berlin, 10. Juni. (Lclegra in in.) Die heutige Sitzung kani« man mit ihrem erste«« Teil leicht in Beziehungen zu dem gegenwärtig in Berlin tagenden Frauenkongreß bringen. Die erste Rede, die vom Abg. Träger (freis. Volksp.), bekanntlich einen« geschätzten Damcntoastausbringer, gehalten wurde, Hütte auf dem Internationale«« Kongreß sicher größeren En« druck gemacht, als dies beim Reichstag der Fall war, wie das denn auch die Abstimmung zeigte. Ter linksliberalc Redner trat mit großen« Schwünge und unter An wendung eines Shatcspearcfchcn Eitatcs für die Wähl barkeit der Frauei« bei den Wahlei« zu den Kaufmanns gerichten ein. Er polemisierte gegen den Zentrumsabge- orünetcn Trimborn und rief mit Bezug auf das Ein lenken der Mehrheit gegenüber den Wünschen der Re gierung empathisch aus, man werde jetzt nicht mehr sagen: „Schwachheit, dein Name ist Weib!, sondern Schwachheit, dein Naine ist Reichstag!" Abg. Trim b o r i« (Zentr.) erwiderte, und sang natürlich, wie das seiner Stellungnahme entspricht, ein hohes Lied zu Ehren des Kompromisses mit der Regierung, für den sogar die Sozialdemokraten stimmen müßten, wenn anders sic die Kaufinannsgerichtc ernstlich wollten. Graf Posadowsky gab eine Erklärung ab, die Hörner und Zähne hatte: Wen«« der Kompromiß abge- lebnt werde, so falle das ganze Gesetz. Abg. Lipinski «Soz.) trat mit Entschiedenheit für das aktive und pas sive Wahlrecht der Frauen ein. Nachdem noch mchrcre Redner kurz gesprochen hatten, u. a. Abg. Singer, der erklärte, bei der dritte«« Lesung werde Herr«« Trim born eine deutliche Antwort gegeben werden, fand die Abstimmung statt, die sehr kompliziert lvar und des öfteren für Außenstehende sehr zweifelhaft erschien. 88 9a und 12 wurden unter Ablehnung der Abände- rungsanträgc ii« der Fassung der Kommission angenom men. Den Frauei« bleibt also die Wählbarkeit versagt. Tas passive Wahlrecht hat die Vollendung des 25., das aktive die des 21. Lebensjahres zur Voraussetzung. Die Paragraphen 10, 11,13 und 14 werden ohne Debatte nach den Kommissionsbeschlüssen angenommen. Zu 8 15 beantragt Abg. Jt schert (Zentrum) Bestimmungen über die Zulassung von Reckstsanwälten und Prozeß agenten. Abg. M ü l I e r - Meiningen befürwortet die sen Antrag und bekämpft einen Abänderungsantrag Lipinski. In genau umgcdrchtem Sinne spricht sich Abg. Lattmann aus. Der Direktor des Reichsamt des Innern Caspar erklärt, daß die Zulassung der Rechts anwälte nach Einbeziehung der Konkurrenzklausel den Be dürfnissen entspreche. Nachdem noch einige Redner sich geäußert, wird das Amendement abgelehnt und der Para graph in der Kommissionsfassung angenommen. Der Rest des Gesetzes findet ebenfalls die Zustimmung des Hauses, desgleicher« die Resolution der Kommission betr. Reform des Civilprozeßvcrfahrens. Graf Balle st rem beraumt die nächste Sitzung auf Sonnabend 1 Uhr an und teilt mit, daß er beabsichtige, ain Montag keine Sitzung abhalten zu lassen. O Berlin, 10. Juni. (T e l c g r a m in.) An« Bundesratstische: Staatssekretär Graf v. Posa- dowskh. Tie zweite Lesung der Vorlage, betreffend die Kaufmannsgerichte, wird fortgesetzt. Die Diskussion über die Paragraphen 9a und 12 (Wahlrecht der Frauen und Wähleraltcr) wird wieder ausgenommen. Abg. Traeger (freis. Vp.) führt aus: Es hat dem Abg. Trimborn und dem Zentrum gefallen, mit der Re gierung einen Kompromiß abzuschließen. Die Entwick- lungsgeschichtc unserer Gesetzgebung und Parteien ist markiert durch eine Reihe von Kompromißknoten, die nicht zu den erfreulichste«« Errungenschafte«« des Parlamenta rismus zählen. Es bildete sich eine Art Gewohnheitsrecht heraus. Es ist anzunehmen, daß die Regierung der starke Teil sei und zu befehlen, der Reichstag als der schwächere zu gehorche«« habe. Weshalb nun aber gerade bei diesen Kaufmannsgerichten sich fügen und der Regierung die Verantwortung abnehmen? Tic Klage«« der Unzufrie denen und Enttäuschten werden sich dann nicht gegen die Negierung, sonder«« gegen den Reichstag wenden; es wird nicht I)cißen: „Schwachheit, dein Name ist Weib", sondern „Schwachheit, dein Name ist Reichstag". (Heiterkeit.) Richter, die hervorgegangen sind aus der Wahl der Inter essenten selbst, das ist der Hauptgrund für die Ein- führung solcher Sonder- oder Standesgerichte. Abg. Trimborn erwies sich stets als Führer auf dem Wege zu dieser Erkenntnis; er ist ja auch bisher für das aktive Wahlrecht der Frauen unter den kaufmännischen Ange- stellten cingetreten. Die weiblichen Angestellten habe«« aber unter den« Konkurrenzneide der männlichen Hand- lungsgchülfen zu leiden. Mit Versagung des Frauen- stimmrechts wird nur erreicht, daß ei«« Fünftel aller An gestellte«« den Urteilen, welche die Kaufmannsgerichtc fälle«« sollten, «nit größtem Mißtrauen gcgenübersteht. Höchstens läßt sich annehmen, die Regierung fürchte, die Frauen könnten auf Grund des ersten Entgegenkommens «nehr verlangen. Aber vielleicht fürchten die Regie- rungen auch, daß die Frauen aus der Konzcdierung des Wahlrechts zu dci« Kaufmannsgerichten auch beanspruche«« möchten, zu Staatssekrctärposten oder gar der Würde eines Kanzlers zugelassen zu werden. (Heiterkeit.) Wir stehe«« allerdings, wie die Frauenkongresse bezeugen, in- mitten einer nicht mehr zurückzustauenden Frauen bewegung. Ehe aber die Wünsche der weiblichen Ange stellten erfüllt werden, wird wohl der blondeste Scheitel der Verkäuferin längst ergraut sein. (Heiterkeit und Beifall.) Abg. Trimborn (Zentr.) erklärt: Ich habe die Rede des Abg. Traeger mit Freude angehört, nicht von Zeit zu Zeit höre ich den Alten gern, diesen Alte«« hör' ich iinmcr gern. Ueber das Materielle der vorliegenden Frage streiten wir gar nicht. Ich glaube die Gründe für die Koinmissionsvorschläge vielleicht noch besser vorge tragen zu haben, als der Gegner. Ich bedauere, daß die Regierungen darauf bestehen, daß wir die Altersgrenze für das passive Wahlrecht auf dreißig Jahre hinaufsetzen sollen. Der Punkt ist aber nicht schwerwiegend genug, daS ganze Gesetz zu Falle zu bringen. Tie Linke war in der Kommission der Vorlage gar nicht freundlich gesinnt. Ich erinnere an die Abgg. Müller-Meiningen und Tove. (Präsident Graf Balle st rem bittet den Redner, auf die intime«« Vorgänge in der Kommission nicht einzu geben.) Auch die Regierung machte Konzessionen. Wir sind nun einmal auf Kompromisse angewiesen. Mit stetem „Nein" ist nickt auszukommcn. Nur auf diesem Wege ist die soziale Gesetzgebung zustande gekommen. Hätte«« wir stets „Nein" gesagt, wäre die soziale Gesetz gebung nicht zustande gekommen. („Oho!" links.) Es ist auch hier, wie bei allen sozialen Gesetzen. Tie bürger- licken Parteien sind die eigentliche«« Träger der sozialen Gesetzgebung. Die Regierung gab zu erkennen, wenn diese Punkte nickt beseitigt würden, scheiterte das ganze Gesetz. Glauben Sic nicht, daß die Regierung nach ein paar Jahren wiederkommt, wen«« das Gesetz setzt nickt zustande kommt. Nehmen wir lieber den Sperling in der Hand, als die Taube auf dem Tacke. Gehe«« wir die Wege des Abg. Traeger, so bekommen die Frauen gar nichts. Wenn einmal die Gerichte segensreich fungieren werden, wird inan sagen, die Unentwegten waren die um Traeger und Dove, aber die Klügeren und Weiseren die um Trimborn. (Heiterkeit und Beifall.) Staatssekretär Graf v. Posadowsky führt aus: Ich kann die Angriffe gegen die Parteien, die den Kompro- mißantraq eingebracht haben, nicht verstehest. Wenn man sich die fettgedruckten Aenderungen der Kommission an- steht, bleiben viele übrig, die die Regierung zwar be kämpft, die sie aber doch annehmen wird, auch wen«« der Kompromihantrag angenommen werde«« sollte. Wenn Dove offen sein wollte, würde er zugestehcn, daß, wenn das Gesetz an dein aktiven und passiven Wahlrechte der Frauen scheiterte, er sich darüber keine grauen Haare würde wachsen lassen. (Der Abg. Dove zeigt seinen kahlen Schädel. Große Heiterkeit.) Man sagt, wenn die Frauen das aktive Wahlrecht für die Beisitzer nicht hätten, würden die männlickien Beisitzer wahrscheinlich als Konkurrenten häufig zu ihren Ungunsten entscheiden. Wäre das richtig, folgt daraus die Tatsache, daß Laien überhaupt n«cht be- fähigt sind, ein richterliches Amt zu übernehmen. (Leb- hafte Zustimmung.) Ich habe doch zu der Ehrenhaftig keit deutscher Männer ein größeres Zutrauen. Tas Ge setz fällt, wenn das Kompromiß nicht angenommen wird. Wen«« das Gesetz nicht zustande käme, bliebe der alte Zu- stand bestehen, die weiblichen Angestellten hätten nicht ein- mal den Vorzug. Laß sie an der Entscheidung der Streitig, leiten niitlvirken könnten. Ich kann nur dringend raten, den Kompromißantrag anzunehmen; denn ich kann nicht verschweigen: Es wird dieses Gesetz intra «r oxri-a muvos bekämpft. (Zustimmung.) Abg. Lipinski (Soz.): Nach meiner Meinung wäre die gan.ze Sozialgesetzgebung bedeutend weiter, wen«« nicht eine ganze Reihe Partciei« immer auf Kompromisse sänne. Hütte Windthorst dieselbe Taktik befolgt, bestände heute noch die ganze Maigesctzgcbung. Gegen die katholische Kirche führte man seitens der verbündeten Regierungen nicht an, Nias man gegen das Frauenstimmrecht angeführt hat Es ist ii« der Kommission gesagt worden, den Frauen könnten richterliche Funktionen nicht übertragen werden, das richtet lick aber doch nur gegen das passive Wchlr.cht, nicht gcg.-n das akttvt: daneben ist noch erklärt worden, der Zeitpunkt kür die Einführung der Frauenwahlrechte sei noch nicht gekommen. Ii« Sachsen besteht aber das Wahlrecht der Frauen bei Gewerbegerichten bereits; es handelt fick also durchaus nicht um etwas ganz Neues. Tie Verweigerung des Wahlrechts wird die Gegensätzlich keit zwischen den männlichen und dei« weiblichen Ange stellten verstärken. Alle Verbände der Angestellten haben sodann gegen die hohe Altersgrenze der Vorlage Front gemacht. ES ist nackgewicsen, daß bei dreißig Jahren für das passive und 25 für das aktive Wahlrecht 69 Prozent aller Handlungsgehülfcn vom passiven, 51 Prozent von« aktiven Wahlrechte ausgeschlossen werden. Für die Mehr- heit der Handlungsgehülfen würde also dieses Gesetz nur eine problematische Wohltat bedeuten. Trotzdem soll auch hier der Kommissionsbeschluß weichen. Die Kompromiß männer geben ihre bessere Ueberzeugung dem Verlangen der Regierung preis. Abg. Boeckler (Deutsche Ref. P.): Wir sind seit gestern voi« Bedenke«« gegen das Gesetz erfüllt. Wir wurden gestern «nit Anträgen überrascht, die zeigen, daß man nicht zu vertrauensselig sein soll. Rückhaltlos haben die deutschnationalcn Handlungsgehülfen das Entgegen- kommen in der Kommission anerkannt. Nun dieses Zu- rückweichen auf der Regicrungslinie? Sie wollen jetzt noch, in ihrem Vertrauen getäuscht, lieber keine Kauf- mannsgerichte haben, als solche. Wenigstens ist das die Meinung der Berliner Handlungsgehülfen. Dieser Stand bildet eine erfreuliche Ausnahme von der Regel. Die Handlungsgehülfen sind in ihrer Mehrheit deutsch national, gerade deshalb hätte man von der Regierung und den nationalgesinnten Parteien mehr Verständnis er warten sollen. Das Gesetz wird sich als Gesetz zum Vor teil des Großkapitals erweisen. Sollten subjektive Mo- mente bei der Rechtsprechung mitwirken, so ist es doch geraten, die Frauen auszuschließen; denn diese sind be sonders zn subjektive«« Erwägungen geneigt. Die Hand- lungsgchülfen legen auf das 21. und das 25. Lebensjahr für das aktive bezw. passive Wahlrecht das größte Ge wicht. Eine unannehmbare Vorlage der Regierung kann auf die Dauer dahin führen, daß der Reichstag terrorisiert wird. Ter Reichstag sollte doch an gewisse Lieblingsvor lagen der Regierung denken, wenn diese zu Falle kommen, könnte mancher dabei untergeben. Wir werden überlegen, ob wir nicht in der dritten Lesung gegen das ganze Gesetz stimmen. (Zustimmung.) Abg. Tove (freis. Vg.): Ick habe auf dem deutschen Handclstage keine andere Stellung eingenommen, als hier. Ick habe Sympathien für den Handlungsgehülfen- stand. Wenn Abg. Trimborn die Probe aufs Erempel macken wollte, würde er sehen, daß ick mit Vergnügen für das Gesetz stimme, auch ich nehme den Sperling, aber er darf nickt so nackt sein, wie dieser. (Heiterkeit.) Abg. Müller Meiningen (freis. Vp.) erklärt: Trim born hat seine Partei gelobt, das Lob der Handlungs gehülfcn wird sie nicht finden, wir arbeiteten positiv mit und haben eine Reihe von Verbesserungen in das Gesetz gebracht. Wenn darauf hingewiesen wurde, daß Gesetze mit Schmerzen geboren werden, kann man von diesem Ge- setze sagen, daß es eine Zangengeburt ist, mit der man «venig zufrieden sein wird. (Heiterkeit.) Trimborn be- streitet auf Grund der Verhandlungen des Handcistages, daß der Abg. Tove als Freund des vorliegenden Ge- setzes angesehen werden könne, die ganze Gegend dort (nach links deutend) sei in der Beziehung verdächtig. (Große Heiterkeit im Zentrum.) Würde die sozialdemo kratische Partei das ganze Gesetz ablehnen, wem« der Kompromißantrag angenommen werden würde? Auf diese Frage hat sie nicht geantwortet. Abg. Singer (Soz.) erwidert dein Abg. Trimborn, daß derselbe eine Antwort in der dritten Lesung so deut lich erhalten werde, daß selbst er sie verstehen werde. Nach weiteren Bemerkungen der Abgg. Dove und Mommsen schließt die Debatte. In der Abstimmung über 8 9» wird der Antrag Müllcr-Meiningen-Dove, betreffend die Beseitigung des Ausschlusses von Personen weiblichen Geschlechts vom passiven Wahlrecht, gegen die Stimmen der Sozialdemo traten und der Freisinnigen abgelehnt, dagegen der Koni- Missionsbeschluß, welcher statt das dreißigste das fünf- undzwanzigstc Lebensjahr für die Wahlfähigkeit zum Beisitzer festsctzt, entgegen dem Kompromißantrage durch die Mehrheit aufrecht erhalten, welche aus den Sozial- demokraten, den Freisinnigen, den Antisemiten, der wirt- schriftlichen Vereinigung und einer kleinen Minderheit von Zentrumsmitglicdern sich zusammensetzt. Mit der selbe«« Mehrheit wird in 8 12 das aktive Wahlrecht an das Lebensalter von 21 (nach der Vorlage 25) Jahren ge- Kunden. Nach 8 10 in der Fassung der Kommissions- beschlüsse sollen ein Vorsitzender und ein Stellvertreter gewählt werden, welche die Fähigkeit zum Richteramte er- langt haben; auch können Personen gewählt werden, welche die Fähigkeit zum höheren Verwaltungsdienste be- sitzen. Allsnahiuei« kann die höhere Verwaltungsbehörde zulasscn. Letzteren Satz beantragt Abg. Müller-Mei- ningci« zu streichen. Debattelos wird der Antrag ab- gelehnt und der Paragraph unverändert in der Fassung der Kommission angenoinmen. Die Paragraphen 15 und 15a regeln das Verfahren. Danach soll eine Berufung gegen die Urteile der Kaufmannsgerichte nur zulässig sein, wen«« das Objekt den Betrag von 300 übersteigt. Abg. Auer und Genossen wollen statt 300 setzen 500 -/(. Ferner hat die Kommission iin 8 15 die in der Vorlage statuierte Zulassung von Rechtsanwälten als Sachwalter vor den Kaufmannsgerichten beseitigt. Von den Abgg. Müller-Meiningen und Dove ist in diesen« Punkte die Wiederherstellung der Vorlage be- antragt worden. Abg. Jtschert (Zentr.) beantragt die Wiederher- stellung des 8 15 nach der Vorlage und Einschaltung eines neuen Paragraphen 15», wonach Rechtsanwälte und Rechtskonsulenten als Prozeßbevollmächtigtc und Bei stände zugclassen werden sollen, wenn ein Anspruch aus der Konkurrenzklausel den Streitgegenstand bildet usw. Der Antragsteller empfiehlt seinen Antrag als einen gangbare«« Mittelweg. Abg. Lipinski (.Soz.) spricht sich gegen den Antrag Jtschert aus. Die Kommission habe es für unbedingt zweckmäßig erklärt, die Rechtsanwälte von den Kauf- mannsgerichte«« auszuschließen. Sodann empfiehlt Redner den sozialdemokratischen Antrag, die Berufungssummc von 300 auf 500 cX heraufzusetzen. Abg. Müller-Meiningen (freis. Vp.) befürwortet die Wiederherstellung der Regelung des Verfahrens nach der Vorlage, eventuell die Annahme des Antrages Jtschert. Abg. Lattmann (wirtsch. Vg.) stimmt dein Anträge auf Erhöhung der Berufungssumme zu. Die Anträge auf Zulassung der Rechtsanwälte bitte er abzulehncn. Direktor Caspar erklärt: Die Ausschließung der Rechtsanwälte und sonstigen Vertreter ist nicht eine Wohl tat für die Handlungsgehülfen. In erster Reihe sei es zu empfehlen, die Vorlage wieder berzustcllen, eventuell eine Regelung nach dem Anträge Jtschert anzustreben. Abg. Henning (deutschkons.) spricht sich für den Au- trag Jtschert aus. Er wünscht eine angemessene Ver tretung der weiblichen Angestellten wie der Geschäfts- inhaber vor den Kaufmannsgerichten. Abg. Kirsch (Zentr.) tritt dieser Anregung entgegen, hält aber den Antrag Jtschert nach anderen Richtungen für verbesserungsfähig. Abg. Semler (natl.) erklärt: In der Kommission sprach ich mich gegen die Zulassung der Rechtsanwälte aus, die Mehrheit meiner Freunde steht mit mir auf dem gleichen Boden. Ist man gegen die Rechtsanwälte, so muß mau vorsichtig sein gegen die die sonstigen Rechtsgeschäfte be- sorgenden Leute, mar« schafft lediglich eine neue Art Winkcladvokatur. Ich möchte den Abg. Jtschert bitten, seinen Antrag uochmals zu revidieren. Wenn eine Aus- nähme für die Konkurrcnzklausel gestattet sein soll, so sollte sie nur für Rechtsanwälte gelten. Nach weiteren Bemerkungen der Abgg. Lipinski und Jtschert, sowie des Direktors Caspar werden sämtliche Anträge abgelehnt und 8 15 unverändert nach den Kam- missionsvorschlägen angenommen. Nach 8 16 sind die Feuilleton. Musik. - Ein Carl Reinecke-Konzert wurde zur Vorfeier de; 40. Geburtslage-; des greisen Tondichter-; in Zwickau umer Leitung des Herrn Musikdirektor B o l l h a r d r veranstaltet. Tas Programm enthielt nur Komposilioncii^dev Leipziger Alr- meiner?, außer der Mnsit zum Märchen ^Tclmeewillchen" und verschiedenen Cbörcn wurden u. a. auch Solos,ücke für Piano forte von Zrl. Frieda Hell riegel aus Leipzig oorge- «razcn. — Ter zweite „Munkpädagogische Kongreß" findet in der ersten Oktoberwoche d. I. zu Bcrltn statt; der Vorstand des ..Muinpädagognchcn Veibaudcs" ladet alle Musikpädagogen Teursaland- und des Auslandes zn reger Beteiligung ein. Die deren- in den Haupt zügen feggestellte Tagesordnung de-S Kongresses gliedert sich in folgender Weise: Aach einem ein. leitenden Referat über die bisherigen und die zukünftigen Arbeiten des Vnbandcs sind Vorträge mit anschließenden Re feraten über folgende Themen vorgesehen: „Ter Schulgesang und 'eine Re«ormcn', „Ter .Üunstgcsang und die Ausbildung der chesangslcbrträfte", „Allgemeine musikvädagogische Fra gen". An den Kongreß schließt sich die Generalversammlung des Musitvädagogischen Verbandes, zn welcher nnr die Mit- gliede! Zutritt baben. Vorschläge und Anträge zum Kongreß und bi" zum l. Juli den, ersten Vorsitzenden. Professor Taver Scbarwcnta, Berlin XV. (Blumcnthalstraße 17) cin- zureick-en. T Ter Geiger Kubelik, der in Paris eine Reihe von »onzerten mit Orchester geben wollte, ließ fick von einem Agenten das Nonzerlorchencr Le Ren empfehlen und schloß mit Le Re» einen Vertrag/ Nach cinjnmnngem Urteil dec Kritik und des Publikums erwies sich da-; Orchester Le Rehs als durch aus ungenügend. Deshalb nahm Kubcli! für sein letztes Äon- zcrt, daß am 8. Juni skatrfmden sollte, die Dienste des OrcticstcrS Lamoureur-ühcvillard in Anspruch. Dosort klagte Le Ren auf Vertragsbruch und erhob die Forderung, daß Kubelik init keinem anderen Orchester konzertieren dürfe al:- .nit dem seinigcn. Die erste Kammer des Pariser Zivilgerichts entschied jedoch am 7. Ium, am Tage vor dem Konzert, daß die Klage Le Rehs einfach abzutveisen sei, weil kein Unternehmer einem Künstler die Mithülfe eines Orchesters aufnötigen dürfe, das sich offen kundig als ungenügend erwiesen habe. Wilsenschaft. ! Keheimrat Robert Koch ist, der „Nat.-Ztg." zufolge, von seiner fast anderthalbjährigen Forschungsreise nach Südwestafrika in die Heimat zurückgekehrt und befindet sich zu seiner Er holung seit einer Woche in Bad Ems. In der nächsten Woche gedenkt er nach Berlin heimzukedren. Ein eigenes Mißgeschick traf Herrn Geheimrat Äoch dadurch, daß, nachdem er das Schiff in Neapel verlassen hatte, dieses bei seiner Weüersahrl strandete und das Gepäck des hochverdienten Forschers durch das Seewasser ge litten hat. Hoffentlich sind die wertvollen wissenschaftlichen Sammlungen, die Geheimrat Koch als Ausbeute seiner großen Forschungsreise mitgebracht hat, vor dem Verderben gerettet worden. Hochschulnachrtchten. Man schreibt uns aus Freiburg i.B.: Am 1. Oktober d. I. wird der ordentliche Professor der Geburt-- hülfe und Gynäkologie an unserer Hochschule, Geheimrat vr. Alfred tzegar, in den Ruhestand treten. Der Großherzog ernannte ihn in Anerkennung seiner langjährigen, treuen und ausgezeichneten Dienste zum Geheimrat l. Klasse, womit das Prädiknt Excellenz verbunden. — Aus Eisenach wird uns geschrieben: Die dritte Eisenacher Geineinschaftskonserenz, mit welcher eine theologische Konferenz verbunden ist, hatte über 400 Univer sität-Professoren, Theologen, Studenten, Direktoren und Lehrer höherer Lehranstalten, sowie zahlreiche Lairn aus den verschiedensten Berufsständen aus allen, selbst den entserntestcn Teilen Deutschlands in der Wartburgstadt versammelt. Die Borträge der theologischen Konferenz, welche sich auf den Text des alten und neuen Testaments bezogen und von den Prof. v. Klostermano-Siel und v. Blaß- Halle gehalten wurden, trugen «inen rein wiffenschaftlichen Charakter. — Aus Rostock wird ans geschrieben: Der außerordentliche Professor Hermann Block an der Universität Straßburg ist zum Wintericmcsler als Ordinarius für mittlere und neuere Ge- «ckichtc an die Universität Rostock berufen worden und hat diesen Ruf angenommen. — Aus Halle wird uns gemeldet: Der 70. Geburtstag von Geh. Reg.-Ra« Prof. ve. Bolhard, des Direktors des chemischen Laboratoriums unserer Universität, wurde am 4. Juni iestlich begangen. Bon einer Abordnung «einer Schüler und Freunde wurde eine von Professor Seffnrr in Leipzig modellierte Büste des Jubilars nberr-icht, wo bei Professor vr. ! hie le, der Direktor d-s tz,mischen Instituts der Universität Straßburg, in beredten Worten die Ber- dienste Bolhards Hervorbob. — Man schreibt uns aus Jena: Der Pädagoge Prof. vr. W. Rein von der Universität Jena wird einer Einladung zu einer Bortraastour nach den Bereinigten Staaten von Nordamerika Folge leisten. Die Abreise soll im ersten Drittel des August erfolgen. — In der medizinischen Fakultät zu Tübingen hat sich vr. P. Linser mit einer Probe vorlesung über die physiologischen Grundlagen der Lichttherapie als Privatdozent für Haut- und Geschlechtskrankheiten eingeführt. — Der Professor der Psychiatrie Bonhöffer in Heidelberg crhjelt einen Rus nach Breslau als Nachfolger Ge heimrat Wernickes. — Der Privatdozent für Chirurgie Vr. Rudolf Seggel Früher Privatdozent in München) in Marburg a. d. L. ist zum leitenden Oberarzt des neuen städtischen Krankenhauses in Geestemünde ernannt worden. — An der Berliner Universität hat sich Vr. Bickel (früher in Göttingen) für das Fach der inneren Medizin habilitiert. — Die Wiener Akademie der Wissenschaften hat den Lieben-Preis im Betrage von 2000 Kronen für Vie beste Arbeit aus dem Gebiete der Physik den« Direktor der Sternwarte in Kremsmiinster k. Franz Schwab für seine Arbeit über „das photochemische Klima von Kremsmiinster" verliehen. Der Baum- gartnersche Preis (2000 Kronen» für das die Physik am meisten fördernde Werk wurde von der Akademie dem Physiker, außerordent lichen Professor an der Bonner Universität vr. Walter Kauf- mann für feine „Untersuchungen über die Theorie der Elektronen" zuerkannt. Aunftkaleirber für Leipzig. Theater. Leipziger Stadttheater. Neues Theater. Als letzte Opcrcttcnvorstcllung vor den Ferien wird heute Dellmgers „Don Ccsar " gegeben Für morgen, Sonntag, ist Offcn- bachS phantastische Oper „Hoffmanns Erzählungen" angeseht. - - Leipziger Schauspielhaus. Sonnabend geht im Klaffiker- cyklus bei ermäßigten Preisen Schillers „Do» Carlos" in Scene. Besonderes Interesse dürfte die Vorstellung dadurch Hervorrufen, daß die k. k. Hofburgschauspielcrin Irl. Agathe Barscscu die Prinzessin Eboli «piclt. Sonntag abend be schließt Frl Agatc BarseScu ihr Gastspiel als „Odette". Im Klassikercyklus erscheint am Montag „Emilia Galotti " und am Mittwoch Grillparzers „Ahnfrau" sowie am Freitag „Herodes und Mariainnc" auf dem Spielplan. Die Kyl. Hofschauspielerin Clara Salbach spielt wieder, wie früher, die Rolle der Mariamne. Am Diens tag gastiert Emanuel Reicher in „Ackermann" und „Kollegen". Die Titelrolle von „Ackermann" ist be kanntlich eine der Glanzrollen Reichcrs, der Dichter hat das Stück für ihn geschrieben. Am Donnerstag seht Herr Emancul Reicher sein Gastspiel als Rosmer in „Rosmcrsholm" fort; Frau Albertine Zehrne spielt die Rebekka. Am Sonnabend findet zum Belten der Genossenschaft deutscher Bühncnangchöriger eine Festvorstellung statt, und bei dieser Gelegenheit gelangen zur Aufführung „Der drittcKop f", „Das Fest der Handwerker", in welchem die Herren- rollen von den Damen und die Tamenrollcn von den Herren gespielt werden; es folgen dann vLerenissimus-Zwischenspielc und Konzerrcinlagen. Ihre gütige Mitwirkung haben zugcsapst Frau Kammersängerin Emma Baumann, Frau Alber - tinc Z c h >i« c , Anton Franck und Herr L a m b r i n o. Bei gutem Wetter beginnt daS Konzert nachmittags im Gar ten «im 5 Uhr. Biß zum Beginn der Theatervorstellungen finden in verschiedenen Basaren Verkäufe und Verlosungen statt. Sommerthcater Drei Linden. Heute, Sonnabend, gelangt Sudermanns Schauspiel „Die Ehre" mit Herrn Carl Treptow in der Rolle des Grafen Traft zur einmaligen Aufführung. Die Rollen des Robert, Miihlingk, Heinickc, Brandt und Stengel liegen in den Händen der Herren Janson, Meyer, Seidel, Groncrt und Frick, die der Leonore, Alma, Frau Heinickc, Auguste in denen der Damen Burchard, Bartels, Bonns und Römer. Die Reche hat Herr Direktor Treptow selbst übernommen. Im Kriftall-Palaft-Theater haben die 30 Original- Schlierscer allabendlich einen großen Erfolg. Heute. Sonnabend, findet eine Wiederholung des mit Beifall aufgc- nommcnen Volksstückes in fünf Bijdern „Jägcrblut" statt, während morgen, Sonntag. „Das Liscrl vom Schliersee" noch cininal zur Aufführung gelangt Zentraltheawr. Es finden nur noch einige wenige Vor stellungen von „Madame X" statt; morgen ist der letzte Sonntag, an wejchcm dieses Stück aufgcführt wird, und da da* Zentraltheater an Sonn- und Feiertagen gewöhnlich ausver kauft ist, empfiehlt cS sich, die Billett» rechtzeitig im Vorder- kauf zu bestellen.
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