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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 17.06.1904
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-06-17
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040617027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904061702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904061702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-06
- Tag1904-06-17
- Monat1904-06
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Anzeigen-PretS die 6gespaltene Petitzeile 25 Reklamen unter dem RedaktionSstrich (4 gespalten) 75 -H, nach den Familiennach richten (6 gespalten) 50 -H. Tabellarischer und Ziffenisatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Ofsertenannahme 25 Vytra-Betlagen (gefalzt), nur mit der Morgen.Ausgabe, ohne Postbeförderung 60.—, mit Postbeförderung -/t 70.—. Annahmeschlutz für Anzeigen: Abend-Ausgabe: vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: nachmittag» 4 Uhr. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig (Inh. vr. V., R. L W. Kltakhardt). 98. Jahrgang. Freitag den 17. Juni 1904. va» Aicdtigrle vom läge. * Geh. Mcdizinalrat Professor Di-. (5 u r s ch m a n n hat sich heute abermals nach Dresden begeben, um mit den Leibärzten des Königs über eine eventuelle Badereise nachEmszu konferieren. (L. Leipz. Ang.) * Die Klempner Leipzigs haben be schlossen, in den Aus stand zu treten. (S. Vereine u. Versammlungen.) * Der zweite Vizepräsident des Reichs ¬ tages, Abg. vr. Paasche, begeht in den nächsten Tagen, am 22. Juni, das Fest der silbernen Hoch zeit. * Auf der Saalburgstrccke bei Homburg v. d. H. be gann heute das A u t o m o b i l r e n u c n um den Gordon Bennett-Preis. (S. Sport.) vrutrchlana, Spanien «na Sie Marokkottage. Auf Grund von Mitteilungen aus best unterrichteten politischen Kreisen Madrids ist über die diplomatische Entwickelung der Marokkofrage, soweit auch Deutschland daran beteiligt war, folgendes mitzuteilen: Was von einem zeitweiligen Anschlüsse Spaniens an den Dreibund gesagt ist, hat als sachlichen Unter grund die Verhandlungen und die Nachwirkungen der Marokkokonfercnz von 1880. Auf dieser, die in Madrid stattfand, setzte der damalige spanische Minister Moret durch, daß, falls die Zustände in Marokko ein europäisches Einschreiten erforderten, Spanten als Be auftragter Europas dieses Amt zu übernehmen habe. Spanien wurde also auf dieser Konferenz als Vormacht über Marokko und als Hüterin der Ordnung in dem ganzen Sultanat anerkannt. Diesem Ansprüche Spaniens stand damals in erster Linie Frankreich entgegen, in zwei ter Linie auch England, während Fürst Bismarck seinen ganzen Einfluß dafür einsctztc, daß der Antrag Spaniens angenommen wurde. In dem Jahre 1880 wo die Gegnerschaft Frankreichs gegen Deutschland noch so stark lvar, war diese Haltung Deutschlands sehr begreif lich, und seit dieser Zeit bestand in Madrid die Annahme, daß Deutschland der spanischen Marokkopolitik den Rück halt biete. Als dann später Italien dem Dreibund bei getreten war, fanden gewisse Abmachungen zwischen Spanien und Italien betreffend die Aufrechterhaltung des Gleichgewichtes iin Mittelländischen Meere statt. Hier durch entwickelte sich ein Verhältnis, wonach Fürst Bis marck in seiner berühmten Rede vom 6. Februar 1888 auch Spanien zu den sogenannten st i l l c n Teil- Habern des Dreibundes zählen konnte. Dies Verhältnis wurde jedoch durch den großen Umschwung, den die internationale Politik mit dem Auftauchen der ostasiatischcn Frage im Jahre 1894 erfuhr, allmählich gegenstandslos und die völlige Vereinzelung Spaniens im Kriege mit Nordamerika zeigte, daß Spanien den rech ten Augenblick versäumt hatte, sich feste Vertragsverhält nisse zu schaffen. Nach Beendigung des Krieges sah man sich spanischer seits abermals nach auswärtigen Stützpunkten um, und von jener Zeit an nahm Tentfchlaud diejenige Haltung ein, welche Silvela kürzlich dem Berichterstatter des „Figaro" gegenüber gekennzeichnet hat, indem er sagte, Deutschland habe eine Verständigung Spaniens und Frankreichs über die Marokkofrage begünstigt. Tatsächlich hat Deutschland der spanischen Negierung angeraten, den von Frankreich im Jahre 1901 vorgcschlagenen Marokkover trag anzunehmen. Denn England war damals durch den südafrikanischen Krieg gebunden, und auch 1902 wäre es noch Zeit gewesen. Aber Silvela erklärt ja selbst, das Bewußtsein der völligen Schwäche Spaniens habe ihn davor zurückschrecken lassen, bindende Verpflichtungen einzugehen. Und wenn die spanischen Staatsmänner selbst ihrem Lande jede Bündnisfähigkeit ab sprechen, so können sie auch nicht erwarten, bei den jetzigen Verhandlungen über Marokko noch wirklich be rücksichtigt zu werden. ver rusriscd-japanstche Krieg. Die Kämpfe auf -er Halbinsel Liautung. Ueber die Kämpfe, die in den letzten Tagen auf einem ausgedehnten Gelände am Flusse Taschao stattgefunden haben, liegen heute amtliche Meldungen von beiden Seiten, aus Tokio und aus Petersburg vor. Sie stimmen im wesentlichen überein. Die Russen und General Stackel- berg sind nach tagelangen tapferen Kämpfen gegen über legene japanische Truppen nach Wafangau zurückgeworfen worden. Die größeren Verluste an Menschenleben sind wieder aus Seiten der Japaner zu verzeichnen. Auf die Dauer können sie solche Siege nickt aushalten. Die Russen haben wieder Geschütze in den Händen des Feindes lassen müssen Wir lassen nun sowohl den japanischen, wie auch den russischen Bericht folgen, um nicht die Ursprünglichkeit der Meldungen zu verwischen. Der japanische verletzt. * Tokio, 16. Juni. (Amtliche Meldung). Ter kommandierende General derj japanischen Armee auf der Halbinsel LLautung berichtet folgendes: Am 1t. Juni rückte die japanische Hauptmacht in zwei Kolonnen nordwärts vor, an der Eisenbahn entlang nnd vertrieb den Feind aus der Gegend östlich von Wafandian. Um 5 Uhr nachmittags hielt der Feind an der Linie Lungwangmiao- Tasangschen Stand. Beim Einbruch der Nacht nahmen die Japaner nach zweistündiger Kanonade die Linie Panchiaton- Juhotou. Eine zweite Kolonne, die den rechten Flügel des Feindes bedrohen und die Flanke und den Rücken der Japaner decken sollte, marschierte östlich von Futsch ou und rückte auf der Linie von Tengchiakan nach Nachialing vor. Ter Feind in der Nähe von Lungwangmiao erhielt Verstärkungen. Am 15. d. M. besetzten die Russen, die in Stärke von 2'/, Divisionen nahe Telissu standen, eine Stellung zwischen Tasangschan und Chengtsuchan. Die Japaner eröffneten bei Morgendämmerung den Angriff. Ihre Hauptmacht ging längs der Eisenbahn vor, eine weitere Kolonne rückte von Tsuchiatu aus vor. Um 9 Uhr morgens traf die den linken Flügel bildende Kolonne von Tung- lungkau ein und mittags die Kavallerie von Chachiatong. Der Feind war in der Nähe von Telisan eingeschlosscn. Er wurde nach einem heftigen Gefecht nm 3 Uhr nachmittags schließ lich geworfen nnd zog sich nach Norden zurück. Die japa nischen Verluste werden, soweit bekannt, auf weniger als 1000 Mann geschätzt. Die Japaner erbeuteten russische Fahnen und vierzehn Schnellfeuer geschütze nnd nahmen gegen 300 Mann gefangen, darunter den Kommandeur des 4. Scharfschützen regiments. Ueber 500 Tote und Verwundete ließ der Feind aus dem Schlachtfelde zurück. Japanische Patrouillen saben, wie der Feind in diesem Gefecht unter japanischer Flagge marschierte. Die japanische Artillerie wurde dadurch irregeführt nnd stellte zeitweise das Feuer ein. Der russische Bericht. Petersburg, 16. Juni. Ter „Ruff. Telegr.-Agentur" wird aus Liaujang gemeldet: Am Morgen des 12. Juni begannen die Japaner den Vormarsch von Palandian und Wafandian gegen die Kolonne des Generals Stackelberg. Mittags fielen die ersten Schüsse. Um 2 Uhr nachmittags entfaltete sich die Front des Feindes in einer Ausdehnung von 12 Werft an den Höhen südlich von Wandegon bis zum Flusse Taschaho. Die japanischen Streitkräfte bestanden aus 2 Divisionen Infanterie mit Feld- und Gebirgsartillerie nnd 12 Eskadrons Kavallerie. Um 4 Uhr nachmittags wurde der Vormarsch eingestellt. Die Russen zogen sich um 6 Uhr abends in Ruhe zurück, wobei sie das Feuer im Norden fortsetzten. Tie russische Nachhut brachte die Nacht un gestört in Wafandian zu. — Am Morgen des 14. Juni rückten drei japanische Kolonnen von neuem vor. Die erste Kolonne ging längs des Tales Taschaho vor, die Mittelkolonne an der Eisenbahn linie und die den linken Flügel bildende Kolonne im Engpaß von Wafangau. Angesichts der Ueberlegenheit der feindlichen Streit kräfte „verlegte die russische Abteilung ihre Stellung nach rückwärts", 6 Werst südlich von Wafangau. Nachmittags eröffneten die Japaner ein Artilleriefener gegen das Zentrum und den linken Flügel der Russen und richteten hartnäckige Infanterie angriffe gegen die linke Flanke, die sämtlich (nämlich die Russen!) unter großen Verlusten für die Japaner zurückgeworfen wurden. Ter erbitterte Kampf wurde infolge der einbrechenden Dunkelheit abgebrochen. Die Russen verbrachten die Nacht in ihrer Stellung. Sofort am Morgen des 15. Juni ergriffen die Russen die Offensive. Das Gefecht dauerte in großer Erbitterung den ganzen Tag. Die Javaner erhielten über eine Division Verstärkungen, die ihnen die Möglichkeit gaben, den rechten Flügel der Russen zu umgehen. Der Rnck;»g Ser Russe» nach LSafangan »»achte Sc»» Kampfe ein (rnve. * Petersburg, 16. Juni. Wie Generaladjntant Kuropatkin von heute meldet, hat General Baron Stackelberg 1 Uhr 20 Min. nachts heute folgendes Telegramm gesandt: Am 15. Juni beabsichtigte ich, den rechten Flügel des Gegners anzugreiscn. Während die hierzu bestimmten Truppen den rechten feindlichen Flügel erfolgreich zu bedrängen begannen, griffen die Japaner ihrerseits meinen rechten Flügel mit überlegenen Streitkräften an. Ich wurde gezwungen, die ganze Reserve vorzuschieben; sie erwies sich aber als ungenügend. Ich sah mich genötigt, auf drei Wegen in der Richtung nach 'Norden zurückzugehen. Die Verluste sind groß, aber noch nicht genau bekannt. Im Laufe des Kampfes wurden die 3. und 4. Batterie der 1. Artilleriebrigade von den Geschossen der Japaner buchstäblich überschüttet. Von 16 Geschützen wurden 13 völlig unbrauchbar gemacht und aufgegeben. Die Haltung der Truppen war vortrefflich. Viele Truppenteile zogen sich er't auf wiederholten Befehl zurück. Line Abteilung von Knrokis Armee nabm am Sonntag Huaijin und vertrieb und vernichtete eine Abteilung von 300 Russen und 300 berittenen chinesischen Banditen, die sich in der Richtung des Tao ho zurückzogen. Die Russen ließen 3 Tote und 2 Verwundete vom 15. ost sibirischen Regiment zurück. Die anderen Verluste sind unbe kannt. Die Japaner erlitten keine Verluste. Lin schwerer Verlust öer Japaner. * Tokio, 16. Juni. (Reuter.) Nach Aussagen von Ueber- lebenden von den gesunkenen Transportschiffen „Hilachi- Marn" nnd „Sado-Maru" trafen sie am Mittwoch um 10 Uhr in der Nähe der Insel Jki mit drei russischen Kriegsschiffen zusammen. Die Russen zwangen die japanischen Schisse durch Schüsse zum Halten, feuerten dann aber einige Torpedos ab und brachten die Schiffe dadurch zum Sinken. Der Kapitän der „Sado-Maru" und mehrere andere wurden gefangen genommen, 100 entkamen in;, den Booten und landeten bei Kokura. Nach einer hier ein gegangenen Nachricht find von der „Hitachi Maru" verschiedene Ueberlebende nördlich von Shinmonsaki angetrieben und dort gerettet worden. Der Transportdampfer „Jdzumi-Maru" wird noch vermißt. Es beißt, die „Hitachi Maru" und „Sado Maru" hätten 1400 Mann, viele Pferde und eine Menge Vorräte an Bord gehabt; wenn dies wahr wäre, betrüge der Verlust weniger als 1000 Mann. sioMirchr ragerrcba«. * Leipzig, 17. Juni. Ter stolzeste der Wahltage. Ter „Vorwärts" hat es für angezeigt gehalten, am 16. Juni, dem Tage, an dem im vergangenen Jahre die Ncichstagswahlen slattgefunden haben, einen Triumph- gesang anzustimmen. Tief und unauslöschbar deutlich habe sich den, Volke die Erinnerung an den stolze st e n aller Wahltage eingeprägt; lauter als vor einem Jahre habe die völkerbefreiende Sozialdemokratie nie ihre Ideale in die Welt gerufen. Tie Annahme der bürger lichen Parteien, die „unbesiegbare Partei" werde durch inneren Zwist Selbstmord üben, wird von dem sozial demokratischen Zentralorgan als „kindische Hoffnung" be zeichnet. Den Ausgang der seit dem 16. Juni 1903 statt- gefundenen Ersatzwahlen bezeichnet der „Vorwärts" als „Zusallserscheinungen einiger Nachwahlen". Es ist wunderbar, was der „Vorwärts" für ein gutes Gedächt- ins für die Erfolge, für ein schlechtes Gedächtnis aber für die Mißerfolge seiner Partei besitzt. Von Zufalls- erscheinnngen einiger Nachwahlen hätte das Blatt ein gutes Recht zu sprechen, wenn drei oder vier Nach wahlen für die Sozialdemokratie ungünstig, andere aber günstig verlaufen wären. Nun haben aber in dem ab- gelaufenen Jahre 14 Nachwahlen stattgefunden und nur vei einer von ihnen hat sich die Stimmenzifser der Sozialdemokratie vermehrt, bei den anderen 13 aber ist sie zurückgegangen, nnd zwar in sehr erheblicher Weise, nämlich durchschnittlich um ein fünftel der Stimmen ziffer vom 16. Juni 1903. Handelte es sich dabei aus schließlich um Wahlkreise, in denen die Sozialdemokratie auch im vorigen Jahre nur 10 Kandidaten aufgestellt hat, so brauchte die Partei den Stimmenverlust in solchen Kreisen ja nicht gerade tragisch zu nehmen, obwohl aller dings auch hier ein Stimmenverlust für die Sozialdemo kratie viel mebr besagen will, als für andere Parteien; denn keine Partei legt solchen Wert daraus, wie die So zialdemokratie, in jedem Wahlkreise den Heerbann der Ge treuen zu mustern. In diesem Sinne also sind auch die Stimmenverluste, beispielsweise in Straßburg-Land und Lüneburg, für die Sozialdemokratie blamabel. Nun waren aber die Sozialdemokraten in den sechs Wahl kreisen Zschopau, Auerbach, Mittweida, Frankfurt a. O., Altenburg und Efchwege sehr ernsthaft beteiligt; denn fünf von diesen Kreisen haben sie bei den letzten all- Feuilleton. Mein Manne. Eine Novelle von Eduard Engel (Berlin). Nachdruck verboten. Gclbchcn hatte seit einer Weile zu schlagen anfgchört und piepte nur schwächlich. Ich kannte seine Sprache: ihm fehlte Wasser und Futter. Richtig, cs vermißte sein Trinknäpfchen, um sich die kleine Sängcrkchlc anzu- icuchten. Ich ging zum Bauer und versorgte das Tierchen. Aber da klagte mir auch schon von der anderen Fensternische ein wohlbekanntes Stimmchen wimmernd nach, nnd cs strebte mir mit zappelnden Gliedmaßen zu. Ich machte dem Kindchen Zeichen mit Hand und Mund: cs hörte mit Klagen auf und folgte nur noch aufmerksam jeder niemer Bewegungen. Es fühlte sich nicht mehr ein sam und vernachlässigt, so lange seine Augen mit meinen znsammenhingen. An der Korridortüre klingelte es. Lästige Störung! Aber ich mußte öffnen. Der Briefträger mit der zweiten Sonntagspost; der aber machte große Augen, als er aus nicinem Arbeitszimmer das Jammergeschrei des ver lassenen Knaben vernahm. „Meine Schwester ist zum Besuch gekommen", log ich entschuldigend, „und hat ihren Kleinen mitgebracht." Dann kehrte ich mit Sprung schritten zu meinem Eros und dem Tigerfell zurück. So fort ward er wieder der artige Engel von vorhin. Gott, ist das leicht, solch ein Kind zufrieden zu stellen! Und öa haben sich manche Eltern, als mache ihnen ihr eigen Fleisch und Blut das Leben schwer. Mit diesem herzigen Hungen fertig zu werden, war doch ein Kinderspiel. Ich las keinen Brief, durchflog nur einen von meiner j Schwester. Du lieber Himmel, mir war, als hätte ich selbst ein Stückchen Familie im Hause und hätte nähere Pflichten. Wie das einem schnell anwüchst! Mein Vorrat an Spielzeug war erschöpft, nachdem ich es ein Weilchen mit der Musik meines Schlüsselbundes versucht. Auch mein goldenes Pincenez erschöpfte fein Jntcreffc, obgleich er die Feder nur erst verbogen, noch nicht zerbrochen hatte. Ja, was nun? Hätte er meine Wortfprache so gut verstanden, wie meine Herzensfprachc und Augensprache, so hätte ich ihm schon zu erzählen ge wußt. Wer kannte mehr Märchen als ich, von Indien bis nach Island? Aber da siel mir ein, wie ich aus meinen täglichen Wegen durch den Tiergarten zur Universität auf den „Babyweidcn" die Ammen nnd Kindermädchen zu ihren kleinsten Schutzbefohlenen lange Reden halten ge hört hatte, mehr ein Lallen als eine artikulierte Sprache; aber die Kleinen mußten doch das verstehen, sonst täten es die Großen nicht so hartnäckig. Es hatte mir stets albern geklungen, und — auf einmal hörte ich mich selbst das dumme Zeug nachlallen, ich, ein ordentlicher Pro fessor der Philologie! Es ging zuerst schwach genug, und die Ammen im Tiergarten hätten mir ein sehr mittel mäßiges Zeugnis ausgestellt; doch allgemach kam ich hinein nnd merkte, er verstand mich! Und er antwortete mir! Welche Töne! Welche unerhörten Vokale, Um- laute, Tiphtongen! Welche reiche Tonleiter allein vom bis zum L! Davon stand weder bei Sievers noch bei Trautmann, noch bei Viktor, noch bei Hoffory ein Wort. Hier machte Lepsins' Universal Alphabet schimpflich Bankerott. Ja, das wäre eine Aufgabe, Lautlehre und Grammatik dieser Sprache zu schreiben, einer Sprache, die von sicher mehr als hundert Millionen kleiner j Menschen geredet wird. Mit all meiner Profe''orschaft nnd umgeben von aller Herrlichkeit meiner Bibliothek kam ich mir zuin Erbarmen unwissend vor. Das Kerlchen war müde geworden. Ich zog ihm sein Hemdchen wieder an, bettete cs weich und warm und deckte es mit meinen! Reiseplaid zu. Noch einmal sah es mich unter schweren Lidern an, dann war es sanftselig cingeschlummert. Ich mußte mich ganz dicht über sein Gesicht lehnen, um seinen süßen Atem still kommen und gehen zu spüren. Die langen feinen Wimpern schoben sich weit über seine unteren Augenlider. Ein paarmal zuckte es um die Mundwinkel, wie von leichten Traum schwingen berührt. Kleine glänzende Schweißperlen feuchteten die Stirn unter den überhangenden Löckchen; ich wagte nicht, sic ihm zu trocknen, um ihn nicht zu er wecken. Ich schämte mich, wie mich jetzt der Gedanke überfiel: da könntest du ja zur Polizei gehen und ihn wegholen lassen. Hatte ich solche Scheußlichkeit wirklich gedacht? Oh ja, noch vor einer halben Stunde. Wie das hinter mir lag, weit, weit und auch tief unter niir. Mit dem Wegholen war es nichts. Erst mußte ich zum mindesten wissen und ganz genau wissen, wohin er käme? Was aus solchen Polizeikindern würde? Ob ich ihn nicht eigentlich behalten könnte? So gut wie mein Gelbchen? War es denn nicht ein verflattertes Vögelchen, aus seinem Nest gefallen, und gehörte er nicht vor allem mir, der ich ihn gespeist und getränkt und gewärmt? Die Sache hatte ja nicht bloß ihre gefühlvolle Seite; man konnte sie mindestens ebenso gut vom philologischen Standpunkte aus betrachten. War denn der schlafende Knirps nicht ein ausgezeichneter, ein unentbehrlicher Mitarbeiter für meine Preisschrift? Ich brauchte ihn ja nur Tag um Tag zu beobachten, wie ihm das Zünglein allmählich ge löst wurde, wie aus seiner lallenden ä-äh-Sprache eine artikulierte Sprache würde, wie sich die Fäden vom Denken zum Sprechen dichter herüber und hinüber schlängelten, und ich hatte nicht nur für meine Preis schrift, nein, ich hatte auch für das uralte Rätsel vom Ursprung der Sprache Beistand und Lösung, wie durch nichts anderes auf Erden. Er durfte mich gar nicht ver lassen, mein kleiner Mitarbeiter! Wenn ich ehrlich sein wollte, mußte ich eingestchen: ich hatte den Jungen viel nötiger als er mich. Selbst die Frau Konsistorialrätin mit ihrer strengen spitzen Nase schreckte mich nicht mehr. Am Ende war ich weder ihr Mann, noch ihr Schwieger- sohn, und auf ihre Sountagabendtecs konnte ich gramlos verzichten. Mit der Konsistorialrätin war ein Fall wie dieser überhaupt nicht zu verhandeln; dazu bedurfte cs des Nates einer allerchristlichstcn Frau, und mir fiel die Frau meines Freundes und Arztes Professors Heilen berg ein. Ja, die würde gleich wissen, wie ich es anzu stellen hätte, um mir diesen ausgesetzten angehenden Mitphilologen zu sichern. Zu ihr war's nicht weit, nur nach der Lützowstraße; ehe mein Junge erwachte, konnte ich hin und zurück sein. Vielleicht gar, daß die Gute — An der Korridortür ein wildes Klingeln. Da soll denn doch — mir das Kind aufzuweckcn! Ich sprang auf den Fußspitzen ins Vorzimmer und öffnete: Cäcilie Wirz- binska! — „Geben Sie mir mein Kind wieder, mein Kind! Wo haben Sie es?" Und sic wollte nach einem verzweifelten Blick rnnd im Vorzimmer in mein Arbeits zimmer stürzen. „Wollen Sic auf der Stelle Ihr Geschrei lassen, Sie Nichtsnutzige!" „Mein Kind, meinen Männe will ich wicdcrhaben! Ach, Sic haben ihn doch noch, gnädigster Herr Professor?" lind ricktig, da lag sie wieder an der Erde und packte meine Hände mit ihren eiskalten, zitternden Fingern.
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