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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 17.06.1904
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-06-17
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040617027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904061702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904061702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-06
- Tag1904-06-17
- Monat1904-06
- Jahr1904
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Beilage Freitag, 17. Juni 1904. Amtlicher Teil. Oeffentliche Zustellung. Die Ida Emma verehrt. Jahn geb. Giese in Leipzig und der minderjährige Alfred Willy Giese in Leipzig, vertreten durch seinen gesetzlichen Bormund, Stadtrat I)r. Pallmann in Leipzig, — Prozeß, bevollmächtigter: Ratsaktuar Otto Dolge in Leipzig, Thomas- rtag 7, ll. — klagen gegen deu Markthelser Friedrich Pfahl, unbekannten Aufenthalts, wegen Uuterhaltsansprüchen mit dem An- trage, den Beklagten vorläufig vollstreckbar zu verurteilen, zu den Uuterhaltskosten für den Kläger von dessen am 6. Mai 1894 er folgter Geburt au bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres jährlich 120 in monatlichen Vorauszahlungen von je 10 .6 und zwar die rückständigen Beträge sofort in ungetrennter Summe au die Klägerin, die künftig fällig werdenden an den jeweiligen Vormund des Klägers zuzahlen und laden den Beklagten zur mündlichen Ver handlung des Rechtsstreits vor das Königliche Amtsgericht zu Leipzig, Petersfteinweg 8, I., nach Zimmer 60 auf -en SV. September I8V4, vormittags i» Uhr. Die GertchtSschreiberei des Königlichen Amtsgerichts Leipzig am 11. Juni l9O4. Sonnabend, deu 18. Juni 1804, mittags 12 Uhr sollen in Leipzig-Reudnitz, Gutenbergftr. 7, II.: 3 Schnellpressen, 3 Stetndruckpreffen, 1 Stetnschleif- maschtne, 3 Transmissionen, 5/2 lithogr. Steine, Schreibtisch, Kopierpresse und 2 Regale, und gleichzeitig im BersteigernngSlokal des Kgl. Amtsgerichts: 1 Plüschgarnitur, 1 Sosatisch, 1 Schreibsekretär und 2 Bilder gegen Barzahlung öffentlich versteigert werden. Ter Gerichtsvollzieher -cs Kgl. Amtsgerichts. Uu; Sachten. 2. Dresden, 17. Juni. Da» Befinden de» Romig». Der heutige Hofbericht lautet: Se. Majestät haben eine ruhige Nacht gehabt und das Befinden Allerhöchstderselben ist heute recht befriedigend. Se. Majestät unternahm am gestrigen Nachmittag wiederum eine Wagenpromenade. Professor Or. Cursch- mann wird heute abend wieder in Hosterwitz erwartet. Die Konferenz der Aerzte wird in der Hauptsache die Badereise des Königs nach Ems zum Gegenstände haben. Wie wir erfahren, legt der König selbst großen Wert darauf, die Emser Kur zu gebrauchen, und da sein Be finden anhaltend besser wird, wird der geplanten Reise nach Ems mit Nachkur in Ragaz voraussichtlich nichts im Wege stehen. U Bundestag deutscher Gastwirte. Hu ter von uns bereits mitgeteilten Tagesordnung sind noch folgende Punkte hinzu gekommen: Militärverbol, Spekulation mit alkoholfreiem Ausschank, die Auswüchse der Menagenwirlschaslen und der Konsumvereine, der Flaschenbierhaudel und seine Gefahren, die Bicrlieferungsverträge der Brauereien. * * * * Riesa, 17. Juni. Tie auf dem Truppenübungs plätze Zeithain am 6. Juni eingezogcnen 3300 R e - servemannschaften des 19. Armeekorps haben mit der heute stattfindenden Vorstellung ihre Uebung beendet und werden morgen mittels Sonder zügen nach Leipzig, Chemnitz usw. zurückbefördcrt. Die Mannschaften übten im kriegsstarken Regiments verbände. i-t- Freiberg, 17. Juni. Wegen vorsätzlichen Totschlags, an seinem eigenen 9 Monate alten Kinde verübt, wurde gestern vom Schwur gericht der Spitzmaurer Reiche aus Possendorf zu a ch t Jahren Zuchthaus und 10 Jahren Ehrverlust ver urteilt. I. Ncuftä-tel, 16. Juni. Herr Kreishauptmann Or. Forcker-Schudauer aus Zwickau weilte gestern in hiesiger Stadt, besichtigte zunächst das Rathaus, nahm Einblick in den Gang der städtischen Berwaltungsgeschäste und unter nahm sodann mit Herrn Bügermeister Or. Richter einen Rundgang durch die Stadt. * Aus -cm Bogtlan-e, 16. Juni. Ein Soldat der 1. Kompagnie des Infanterie-Regiments Nr. 131 namens Heymann siel in der Kaserne zu Plauen abends gegen 6 Uhr während des Gewehrreinigens infolge eines plötzlichen Ohn machtsanfalles zu Boden und verstarb wenige Stunden später Feuilleton. Gastspiel von Emanuel Reicher. „Rosmersholm" von Ibsen. Es war ein schwüler Abend: Die drückende Hitze, die kompakte Masse der Zuschauer, die dumpfe Wucht der Rosmersholmschen Tragödie, die verhaltene Empfindsamkeit des Pastors, die atemlose Spannung an den vielen viLQissimo-Stellen des Werkes, die ganze Zaghaftigkeit und scheue Zurückhaltung der Sprache, der Mangel an ehrlichen Accenten und das mystische Weben geheimer Kräfte — all das verdichtete sich am gestrigen Abend zu einem einzigen Eindruck der Lähmung und der Ermattung. Und dieser Eindruck war ganz und gar tünstlerisch. Denn befreiend wirft diese Tragödie von Johannes Rosmer und Rebekka West nimmermehr. Für das aristokratische Freundschaftspaar mag die Verbindung von Ehe und Tod, in der die beiden einig werden, eine Art Erlösung bedeuten. Sic gehen „fröhlich" in den Tod. Tas würden wir Normalen ja nicht tun. Um geistiger Werte willen nicht. Darum sind wir an dieser Lösung innerlich nicht interessiert. Wir fckzauen die Lösung, er leben aber nicht die Erlösung. „Rosmersholm" ist unter allen Stücken Ibsens das schwerste, wichtigste, einseitigste und eigenartigste. Der Kritiker, der den Oberstimmen im Konzert der Welt anschauungen lauscht, und die Fähigkeit besitzt, die so genannte Klassizität mit der Moderne zu einen, steht hier ratlos. Der Tageskritikcr, der sich auf Inhaltsangabe und hohle Phrasen beschränkt, ist schnell fertig mit dem Stück. Als im Mai 1887 „Rosmersholm" in Berlin zum ersten Mal gegeben wurde, höhnte Oskar Blumen thal: „Henrik Ibsen hat in Deutschland eine seltsame Ge folgschaft gefunden. Etliche Kritiker, die zu allem heimischen Schaffen ein esfigsaures Gesicht ziehen, haben den nordischen Dichter in General Entreprise genommen und feiern ibn mit unermüdlicher Emsigkeit. Wen mag's verwundern? Es war von je die Eigentümlichkeit der literarisckwnNullen,daß sie sich gern hinter eine großeEins stellen, in der Hoffnung dadurch ihren eigenen Zahlen wert zu vergrößern. „Rosmersholm" bleibt ein Schan- 'viel von ergrübclten Unwahrheiten, auch wenn es von lichtloscn Köpfen als ein Werk von orphischcm Tiefsinn gefeiert wird." Also sprach der blutige Oskar. Und das „weiße Leipziger Tageblatt and Anzeiger. Nr. 305. Abend-Ausgabe. cm Gehirn-Erschütterung. — Ein Pflegling des Albert- StisteS zu Albertsberg ist an der Trichinose erkrankt. Es scheint sich um eine Uebertraguug durch nicht untersuchtes Fleisch aus Böhmen zu handeln. I. Auerbach, 16. Juni. Außer den am 20. und 21. d. M. in Auerbach und Netzschkau anberaumten Tierschauen des Landwirtschaftlichen Kreisvereinö im Bogtlande, für welche eine sehr gute Beschickung in Aussicht steht, da 250 bez. 140 Stück Groß- und Kleinvieh bereits zur Anmeldung gelangt sind, finden noch Tierschauen in Krebes und B ob en n eu kirch en vom 18. bis 20. Juli statt. * Meerane, 16. Juni. Der Kaufmann Paul Kroitzsch (Mitinhaber der Firma Paul Kroitzsch hier), der sich, wie gemeldet, in einen« auswärtigen Orte in selbstmörderischer Absicht einen Revolverschuß beigebracht hat, ist seiner schweren Verletzung erlegen. t. Crimmitschau, 16. Juni. In der vergangenen Nacht wurde hier in einen Uhrmacherladen ein verwegener Ein bruch verübt, wobei die Diebe Uhren, Ketten, Ringe usw. im Werte von ungefähr 1700 erbeuteten. Die Einbrecher sind jedenfalls dieselben Personen, welche jüngst in Plauen und Halle in derselben Branche tätig waren. Ein fetter Konkurs ist der über das Nachlaßvermögen des Baumeisters Schwalbe, welcher vor 2 Jahren durch Selbst mord endete. In dem Konkurs, in welchem jetzt die Schluß verteilung stattfindet, sind 6516,2 ./z verfügbar. Zu berück sichtigen sind Forderungen im Betrage von 111 605,28 .//, darunter keine bevorrechtigten. * Zwickau, 16. Juni. Heute früb 4 Uhr wurde der ehe malige Direktor der Leipziger Bank, Exner, nach Berbüßuug seiner Strafe aus der hiesigen Landesstrafanstalt entlassen, nachdem ein gegen ihn wegen Ableistung des Offen- barungseides ergangener Haftbefehl wieder aufgehoben worben war. Exner, der sehr wohl aussah und noch seinen langen Bart trug, fuhr von hier mit der Bahn 2. Klasse zu nächst nach Weimar, von wo er die Weiterreise zu seiner Familie nach Schottland fortsetzen wird. Tie Entlassung Exners zu so früher Morgenstunde erfolgte, weil Exner den 4 Uhr 56 Miu. von Zwickau abgehenden Zug benutzen wollte, der ihn über Werdau—Gera—Jena nach Weimar führte. (In Leipzig ist Exner also gestern nicht gewesen. D. Red.) — In Obercrinitz brannte am Montag erst das Stickinaschincn- gebäude von Max Günnel, eine Stunde später das Haus des Webers Karl Moritz Gönbel nieder und bald daraus entstand im benachbarten Leistnerschen Hause Feuer, das jedoch noch rechtzeitig gelöscht werden konnte. Diese Feuersbrünste hatten drei Verhaftungen zur Folge, doch wurden die Verhaf teten alsbald wieder freigelassen. * Rvßwcin, 16. Juni. Für den vom 26.—28. d. M. Hierselbst stattfiiidcnden 19. Verbandstag deutscher Schlosscrinnungen und der damit verbundenen Feier des zehnjährigen Bestehens der hiesigen Deutschen Schlosscrschulc sind folgende Veran staltungen geplant: Sonntag, den 26. Juni: Empfang der Gäste. Nachmittags 3—5 Uhr Konzert in den Hartcnberganlagen. 5 Uhr Beginn der Verhandlungen zur Festsetzung der Tagesordnung im Saale des Schützeuhauses, 7 Uhr offizielle Begrüßung und Familienabend ebendaselbst. M ontag , den 27. Juni: Früh 7—9 Uhr Besichtigung der Ausstellung der Schule durch die Delegierten des Verbandes. ^10 Ubr Beginn der Verhandlungen des Verbandstages im Saale des Schützenhauses. Nachmittags 5 Ubr Festtafel iin Saale des Ratskellers, abends 8 Uhr Festfeier ans Anlaß des zehnjährigen Bestehens der Schlosserschule im Saale des Hotels „Herkules". Dienstag, den 28. Juni: Vor- mittags 8 Uhr Fortsetzung der Verhandlungen des Ver bandstages. — Die Zahl der Anmeldungen von Fach leuten und ehemaligen Schülern aus Deutschland und darüber hinaus ist sehr groß. — Die städtischen Kollegien haben beschlossen, auf den« Grabe der Wilh. verw. Herold hier, die fast ihr gesamtes Vermögen ihrer Vaterstadt vermacht hat, eiuDenkmalzu crrichtcn. ( —* Burgstädt, 16. Juni. Anläßlich des in diesem Jahre hier stattsindcnden H e i m a t s f e st e s kommen auf dem Fcstplatze zur Ausstellung: eine ca. 2000 Per sonen fassende Festhalte, 1 Würstchenpavillon, 1 Podium für turnerische usw. Darbietungen, 1 Weinzclt, 5 Glücks buden, 1 Schcibcnschicßstand, 1 Dertausspavillon für Postwertzeichen und 1 offener Tanzsalon. Die Wettin- Hainhöhe wird bengalisch, der Festplatz elektrisch beleuch- tet. Zum Festzng sind bis jetzt 12 Festwagcn ange meldet. Am Kommcrsabend kommt ein eigens für das Heimatsfest gedichtetes Festspiel „Mein Burgstädt" zur Aufführung. Ferner findet eine Ausstellung von Alter tümern und einheimischen Erzeugnissen statt. ' Pegau, 16. Ium. Aus dem gestern hier ab gehaltenen Remontemarkt waren 6 Pferde zur Verfügung gestellt worden. Angekauft wurden hiervon zwei für je 900 — Am vorigen Sonntag hielt der Pegauer Gustav A d o l f - Z w e i g v er e i n sein Jahresfest in Elstertrebnitz ab. Die Festpredigt hielt Herr Pfarrer Tillner-Pegau. stur Zachreur Umgebung. Ei Halle a 2., 16. Juni. Die Stadt Halle ist vor allen ankeren deutschen Großstädten in dankenswerter Weise in Maßnahmen zur Bekämpfung der Säuglings-Sterb lichkeit vorangcgangen, und zwar durcb die verbilligte Abgabe von sterilisierter Mich an bedürftige Eltern von Kindern im zar testen Lebensalter. Im Jahre 1902 wurde mit der Abgabe ver suchsweise und «nit gutem Erfolge begonnen, 1903 wurde der Versuch wiederholt, und auch Heuer soll wieder sterilisierte Milch in gleich billiger Weise abgegeben werden. Der Magistrat bat an die Stadtverordneten-Bersammlung den Antrag gestellt, zur Fortsetzung des im Sommer 1902 ge machten Versuches mit Abgabe sterilisierter Kindermilch an bedürftige Familien zum Preise von 16 Pfennige pro Liter 2000 ./z aus dem gemeinschaftlichen DiSpositionS-Fonds des laufenden Rechnungsjahres zu bewilligen. * Jena, 17. Mai. <Eig. Meldung.) Herr Prof. I)r. meck. Bernhard Krönig, früher in Leipzrg, seit Ostern vorigen Jahres Direktor der hiesigen Universitäts-Frauenklinik, Hal einen Ruf nach Freiburg i. Br. als Nachfolger des in den Ruhestand tretenden Prof. Hegar erhalten. Die vor einigen Tagen umlaufende Zeitungsnotiz, daß Prof. Pfannenstiel- Gießen den Ruf nach Freiburg angenommen habe, bestätigt sich demnach nicht. Bekanntlich fand am 13. d. Mts. eine feierliche Auffahrt der Chargierten der studentischen Korpo rationen bei Prof. Krönig statt, um ihm für die Ablehnung des im April an ihn ergangenen Rufes nach Erlangen zu danken. Greiz, 17. Juni. Die Färberei und Appreturfirma Georg Schieber hier Kat in letzter Zeit größere Grund stücke im Werte von über 300 000 ,./Z käuflich erworben behufs Anlage einer Wasserleitung nach der Fabrik. — Dem Fabrikbesitzer Koch in Kleinreinsdorf wurden durch ruchlose Hand gegen 20 junge Bäumchen vernichtet; als Täter wurden 2 angesehene Landwirte dort ermittelt. —Der Verbantstag thüringischer Vorschußvereine findet am 3. und 4. Juli in Lauscha statt. Auf der Tages ordnung stebt u. a. ein Vortrag über: „Neue Gefahren für das Sparkassenwesen der Genosienschaften." —8- Bcrnbnrg, 16. Juni. Der 60 jährige Nagelschmied Adolf Schul; von hier unternahm mit Vorliebe andauernde Schwimmübungen in der Saale. Das geschah auch wieder dieser Tage; es mochten ihn dabei die Kräfte verlassen haben, denn plötzlich verschwand er in den Welle» und kam nicht wieder zum Vorschein. Seine Leiche ist noch nicht gefunden worden. * Görlitz, 16. Juni. Dem Vernehmen nach wird hier 1905 eine „Niederschlesische Industrie- und Ge werbe-Ausstellung" stattfinden. Die Anregung da^u geht von der Handwerkskammer in Liegnitz aus. Der Görlitzer Magistrat zeigt sich diesem Unternehmen sehr entgegenkommend und hat der Liegnitzer Handwerkskammer für den Fall, daß sie das Unternehmen zur Ausführung bringt, bereits einen sehr geeigneten Platz unentgeltlich zur Verfügung gestellt. Ueber weitergebende Berpjlichtungen (Zeichnungen zum Garantiefonds usw.) wird demnächst das Stadtverordneten kollegium beschließen. * Pilsen, 16. Juni. In der letzten Nacht ist das Dorf Putzeried durch eine Feuersbrunst vollständig zer stört worden. Ein Kin d kam in den Flammen um. Unter dem Verdacht der Brandstiftung ist der Landwirt Schwaida verhaftet worden. (Vogtl. Anz.) stur aller Mit. — GcpfänSctc Kanone». Tiefe Trauer und Nieder geschlagenheit herrscht in den Fcsträumen der Schützengesell- jchaft in Bieblach bei Gera: Tie Kanonen der Gilde sind fort, aber nicht etwa von einem Dieb in der Nacht gestohlen — das ließe sich noch verschmerzen — nein, bei hellichtem Tage fortgeschleppt und fortgeschleppt noch dazu, vom — Gerichtsvollzieher! Und das inmitten des Fcstjubels corum publieu! Und auch das Trinkhorn der Gilde hat diese unerbittliche Schicksals-Macht, mit der nicht gut Kirschenefsen ist, als gute Beste mitgenommen! Kanonen und Trinkhorn kommen nun unter den Hammer, und von dem Erlös wird der frühere Kanonier (!) der Gilde, ein Milchhändler, befriedigt werden, der bei einer Explosion des schlltzengesellschaftlicken Pulverfeites seinerzeit schwer zu Schaden kam, aber mit seinen Entschädigungsansprüchen bei den Mitgliedern vergeblich antlopste. So ist daS Schützenfest ohne den solennen Donner der Kanonen zu Ende gegangen. In den Annalen der Schützengilde von Bieblach soll ein ähnliches Geschehnis noch nicht verzeichnet stehen. --- Lelbstmor- eines Liebespaares. Ein Liebesdrama, das Aussehen erregt, spielte sich am 13. Juni in Piacenza ab. Ein junger Student der Medizin, Bettino Pabovani, Sohn eines Millionärs aus Modena, lötete seine Geliebte, die Pianistin Virginia Ramazzini, und nahm sicki dann selbst das Leben. Das Liebespaar hatte in einem Hotel Wohnung genommen und war während des ganzen Tages in heiterster Stimmung gewesen. Gegen Abend sielen in dem Zimmer, das die beiden bewohnten, drei Schüsse. Man schlug razck die Tür ein und fand aus dem Bette das junge Mädchen mir einer Schußwunde in der Schläfengegend. Der Tod war bereits cingetreten. Neben dem Bette lag der Student mit dem Revolver in der Hand. Er hatte zwei Wunden am Kopf, lebte aber noch unk wurde sofort ins Hospital gebracht, wo er bald nach seiner Ankunft starb. Die Familie Pado- vani, die in Modena sehr bekannt und geachtet ist, halte gegen die eheliche Verbindung des jungen Studenten mit der Klavierlehrerin Einspruch erhoben — daher der ^Selbstmord. ----- Tas Tampfcrunglück bet Rew York. Man meldet uns aus New Bork: Der Besuch der Morgue bot schreck liche Anblicke. Dort liegen in roh gezimmerten Fichtensärgen Mütter mit ihren Kindern so fest im Arm, daß man sie nur mit großer Gewalt fort reißen könnte. Kleine Mädchen haben ihren für den Ausflug hergerichteten Sonntagsstaat an und halten ihre Puppen fest an die Brust gepreßt. Ich sah den Leichnam eines kleinen Knaben, dessen Hände noch einen Zinnsoldaten hielten. In langen Reihen stehen gramaebeugte Eltern und Gatten vor der Morgue, um an den Leichen vorbeizu passieren. Ein Mann wurde an der Leiche seines Sohnes tobsichtig, ein anderer, der Gattin und drei Kinder verloren, wurde irrsinnig. Eine Witwe hatte ihre vier Kinder verloren. Taucher berichten, daß nur noch wenig Leichen im Schiffe sind. Während Sympathiedepeschen aus allen Ländern, speziell aus England und Frankreich eingelaufen sind, hat man von Deutschland noch^ar nichts gehört, obwohl der Botschafter Speck von Steinburg in der hiesigen Stadt beim Bundesschützenfest eine Rede hielt. In dieser gedachte er der Katastrophe mit keinem Worte, er pries Kaiser Wilhelm als Schirmherrn Deutschlands und überreichte dem Schützenvereine einen Schntzenadler. — Fast 600 Passa giere von dem Dampfer „General Plocum" werden noch vermißt. 530 Leichen wurden bis zum Abend geborgen, von denen 409 identifiziert wurden. O --- -er Nor-lan-fahrt ücS „Meteor". Auf ein von den Teilnehmern an der ersten Nordlandfahrt des neuen VergnügungsdampferS „Meteor" der Hamburg-Amerika-Linie an den Kaiser gesandtes Huldigungstelegramm ging folgende Antwort an den Kousistorialprafidenteu und Reichs- tagsabgeordneten Or. Stockmann ein: Se. Majestät der Kaiser und König haben sich über den Hnldignngsgruß der Teilnehmer an der ersten Nordlaudfahrt deS „Meteor" und über den guten Verlauf der Fahrt sehr gefreut und lasten Ew. Hochwohlgeboren ersuchen, allen Beteiligten allerhöchst- ihren Dank auszusprechen. Auf allerhöchsten Befehl der Ge heime Kabinettsrat von Valentini." — Ci» großer Bergsturz sand bei Bribano statt. Von den unter den Trümmern begrabenen Personen wurden fünf geborgen. Der Schaden an den Kulturen ist außerordent lich groß. --- Blutige Zusammenstöße fanden der „Nova Reform»" zufolge in Marsch au anläßlich eines großen Brandes zwischen Arbeitern, Kosaken und Polizisten statt. Acht Arbeiter wurden getötet, viele schwer verwundet. Von den Polizisten und Kosaken sind gleichfalls acht tot und 30 schwer verwundet. — Tic Ztavt Minsk in Rußland wurde durch ein großes Feuer heimgesucht, das im Zentrum der Stadt an drei Stellen ausbrach und sehr bedeutenden Schaden anrichtete. — Ein Wirbelsturm wütet nach einem Telegramm aus Santiago de Cuba dortselbst. Gegen hundert Menschen werden bisher als getötet angegeben. Großer Schaden wurde ungerichtet. Infolge Zerstörung der Wasser leitung herrscht Wassermangel. Rößl" kann heute niit Stolz auf die weißen Pferde auf Rosmersholm herabblicken. Es hat glänzend gesiegt. Kein Verständiger wird heute mehr daran zweifeln, daß Blumenthal hier, wie so oft, über Dinge abfällig sich äußerte, weil er sie nicht verstand. Die Größe und Reinheit der Weltanschauung derer auf Rosmersholm wird einem Blumenthal ewig verschlossen bleiben. „Rosmersholm" ist und bleibt ein Stück für wenige. Man sollte nicht mehr als zweihundert Zuschauer zu lassen, wenn es gespielt wird. Auch gestern wurde jede feine Wirkung durch die einfache Tatsache gemordet, daß das Haus zu voll war. So erfreulich dieser Zustrom des Publikums für die Direktion des Schauspielhauses und Emanuel Reicher fein mag, sie verträgt sich nicht mit Art und Geist dieser Jbscnschcn Tragödie. Dieses ganze Weck ist ein Genießen iin stillen, ein Schauen von Unsichtbarem, ein Hören von Unhörbarem, ein Fühlen und Ahnen, wie es der Masse nie eigen ist. Jede äußere Entwickelung fehlt, alles Geschehen ist seeli scher Art. Aber weiter: diese Seelen sind den unseren ganz unähnlich. Die Probleme werden hier das bc- herrscljcnde Prinzip. Und das Suchen und Tasten, die innere Läuterung, die Schuldlosigkeit ist Lebenszweck. Alles Aeußerliche scheidet als belanglos aus. Ter Schwärmer Brendel mag in Kot und Fetzen in de»« Salon Rosmcrs treten: er ist ein Kämpfer, ein ehrlicher Philo soph, darum hat er Anspruch auf seine Gastfreundschaft. Der ideallose Mortensgard findet keine Sympathien. Nur die geistigen Werte gelten. Geld, Ansehen, Stand, Ruhm finden kaum Beachtung. Tiefe aristokratischste aller Weltanschauungen ist uns Jndnstriegcbnrten, die wir von Aenßerlichkeiten nie mehr abstrahieren können, ganz unzugänglich. Schon ein Tolstoi wandelt einsam unter uns. Um wie vieles einsamer bleibt ein Rosmer! Darum aber, weil wir diese Anschauungen zu teilen nicht willens oder fähig sind, haben wir nicht das Recht, sie verschroben zu nennen. Wenn wir an die eigene Brust klopfen, so müssen wir uns eingcstehen, daß von uns mit all unfern humanen Bestrebungen, Gründungen, Versorgungen, Unterstützungen nicht halb so viel eckte Menschlichkeit ausgcht als von Rosmers ans Rosmers- Holm. Wir wollen also so sagen: wir teilen diele An- sckzauungen nicht, weil sie unsere eigene Eristenz unter graben würden, wir können sic nicht teilen, weil wir auf anderem Boden groß geworden, aber wir ebren sic bei andern. Und damit ist alles gut. Sobald «vir über Ulrik Brendel und Johannes Rosmer und Rebekka West nickt mehr lächeln, haben wir uns bereits zu dem durch- gerungen, was Ibsen von uns verlangt. * Ter gestrige Abend bereitete uns schmerzliche Won- nen. Emanuel Reichers Spiel war eine Meister leistung, für die es kaum Worte gibt. Jegliches vir- tuosenhaste Element siel da fort. Da stand dieser Ros- mcr, wie aus einem Guß, sicher und untrüglich ver körpert. Ja, so muß eine RoSmersche Natur wohl aus sehen, wie sic Reicher in begnadeter Stimmung erfaßt hat. Das Bewundernswerteste an dieser Leistung war die schier unglaubliche Ruhe der Rollengebung. Nicht eiuen Moment drängte sich dieser Rosmer in den Vorder grund. Er wirkte durch lauter stille, bescheidene Details, durch lauter unsagbar seine und unnachahmliche Einzel züge, die in wenigen Worten zu charakterisieren einfach unmöglich ist. Die Maske: welche heilige Einfalt sprach ans diesen Zügen! Von« ersten Augenblick sah man diesen Mienen die Reinheit des Herzens an. Die Ge- bcrden: wie scheu und doch so frei, sobald ernste Worte gewichtigen Nachdruck verlangen! Wie unglaublich fein war diese Verbindung von pastoraler Würde und frei geistiger Natürlichkeit! Das Organ: welch eine Fülle von Nüancen! Hier fromme Salbung und dort starker Zorn, und beides unvergleichlich sicher! Ein Daneben- greifen ist ausgeschlossen: jeder Ton ist just der Ton, der erklingen muß. „Hier leg' ich meine Hand auf dein Haupt und nehme dich zur Ehe als mein rechtmäßiges Weib." Diese Worte muß man von Reicher hören und von keinem andern. Es schauert einem eisig über den Rücken in der Heiligkeit des Moments. Reicher hat den Johannes Rosmer in Deutschland creiert. Er spielte ihn 1887 bereits. Er ist beute noch inimer, was er da mals gut verbürgter Nachricht zufolge gewesen sein soll: eine Offenbarung. Die unsagbar wohltuende Freude, die uns das Gast spiel dieses eminenten Künstlers bereitet, hat nur eine n schmerzlichen Beigeschmack. Wir fühlen uns nun doppelt hülflos und verwaist. Denn das eine vor allem hat uns gestern abend Reicher zur Evidenz gezeigt: wie man selbst eine so schwierige und ganz aufs Psychologische angelegte Rolle, wie den Pastor Rosmer, realistisch spielen kann. Und davon, fürcbt' ich, werden wir wenig profitieren. Das Ensemble des Schauspielhauses hielt fick gestern auf sehr resepttabler Höhe. Dieser gänzlich realistischen Tarstellungsweise aber zeigte sich keiner mächtig. Der Unterschied zwischen einem Berliner En semble und einem Leipziger war mit Händen zu greifen. Das gilt für unser städtisches Theater ebenfalls. Und schließlich: wer etwas über die Grenzpfähle hinauslngt, dem sage ich ja keine neuen Wahrheiten. Wir entbehren hier in Leipzig eben des Regisseurs, der einmal gründlich und rücksichtslos mit allem aufräumtc, was da alte Schule heißt. Der Mann würde im Anfang gesteinigt werden. Aber es würde gar nicht, lange dauern, und inan würde ihm dankbar die Hände küssen. Ein konse quent realistisches Spiel habe ich nur e i n Mal im ver gangenen Winter gesehen: in „Rose Bernd". Im übrigen lst's immer bei Ansätzen geblieben. Wenn Reichers Hier sein eine Selbstbesinnung in dieser Richtung bewirft hätte, dann wäre sein Gastspiel-i-in der Tat von könig lichem Einfluß gewesen. Rechnen wir aber mit den« Maßstab unserer Verhält- nisse und nicht niit dem unserer Wünsche, so verdient das gestrige Ensemblespiel ebenso wie die Einzellcistungen ein ehrliches Lob. Wenn Herr Wildenhain sich konsequent weiter entwickelt und vor- allein sprachlich noch an sich arbeitet, dann hat er eine Zukunft. Seine gestrige Darstellung des Mortengard war glänzend. Einige wenige Striche, aber unfehlbar sicher und kräftig ohne jeden .Kraftaufwand. Ebenso muß Herrn Born- st e d t s Rektor als eine wirklich schöpferische Leistung be zeichnet werden. Auch hier gar kein Auftvand, allenfalls et was (berechtigtes) Temperament, und gleichwolll, wir- kungssicher von Anfang bis zu Ende. Herr Bornstedt lebte in seiner Rolle. Darum lebte sein Rektor vor uno. Große Geschicklichkeit und feine Beobachtungsgabe verriet Frau Ze hm cs Rebekka West. Besonders im ersten Akt spielte Frau Zehme mit jener unerläßlichen Tistrction, die so schwer zu beobachten und nach außen bin so un dankbar ist. In den Nuhepnnfteu freilich versagte neben Emanuel Reicher die Kraft des Ausdrucks. Dafür ge- wann die äußere Erscheinung des Gastes sebr und in der iftlnst, mit leeren Händen ganze Scencn durckzuspielcn, könnten manche unserer renommiertesten Schausvielerin- nen von Frau Zehme lernen. Diese Künstlerin bat ein instinktives Gefübl für die Stilistik der Gebende und für ornamentale Wirkungen, die am gestrigen Abend keines wegs im Gegensatz zu der erforderlichen Realistik dec- Spiels standen. Der Brendel des Herrn Mchncrt war charakteristisch und stellenweise imponierend. Auf der Seene war eine zarte Stimmung glücklich durchqehalten. Im Publikum nickt. Sckon die äußeren Verhältnisse erlaubten das nicht. Es war unmöglich, in den Pausen sich etwas im Freien zu ergeben. Im Nestau- ratiousgarten setzten ein paar Musikanten mit ihren Gasseubauern just in dem Moment ein wo man der Rübe w nötig bedurft hätte. Die ewige Weisheit des alten Busch erfuhr eine schmerzliche Bestätigung: Musik wird oft nicht schön empfunden, Weil sic stets mit Geräusch verbunden. ^scüxn-tiak.
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