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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 01.12.1904
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-12-01
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19041201016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904120101
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904120101
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-12
- Tag1904-12-01
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BezugS-PreiS in d« tza-prervedttirm oder der« «llSgab». stellen abgehott: vierteljährliches.—, bet zweimaliger täglicher Zustellung tu« Hau« e 3.7Ü. Durch die Post bezöge» für Deutsch, land o. Oesterreich vierteljährlich e 4.50, für die übrigen Länder laut ZettungSpreiSliste. Diese Nummer kostet auf allen Bahnhöfen und III I bet deu Zeituugs-Berkäuferu * Redaktion und Er-editton: Ib3 Fernsprecher 222 JohanniSgasse 8. Haupt-Filiale Dresden: Marienstraße 34 (Fernsprecher Amt I Nr. 1713). Haupt-Filiale Berlin: CarlDuncker, Herzgl-BayrHosbuchbandlg^, Lützowstraße 10 (Fernsprecher Amt VI Nr. 4M3). Nr. 611. Morgen-Ausgabe. Ap)iger. TllMaü Anzeiger. Ämtsblatt des Königliche« Land- und des Königlichen Amtsgerichtes Leipzig, des Aales und des Nolizeiamtes der Ltadt Leipzig. Donnerstag den 1. Dezember 1904. Anzeigen-Preis die 6gespaltene Petitzeile 25 Rekta m«, »ater dem Redakiwn«ftrich <4 gespalten) 7Ü nach den Fomiltennach- richten lkgrspalteul KO — Tabellarischer und Ziffern!ay werden entsprechend höher *e- rechnet. — Gebühren für Nachweisungen uud Offertenaunahme 2ü Aanahmeschlntz für Anzeigen. Abeud-Aasgabe: vormittags 10 Uhr. Morgeu-Au-gab«: nachmittags 4 Uhr. Anzeigen sind stets au die Expedition zu richten. Extra-Beilagen (nur mit der Morgen- Ausgabe) nach besonderer Bereinbaruug. Die Expedition ist wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis abends 7 Uhr. Druck und Verlag vou E. Polz in Leipzig (Znh. Or. V„ R. L W. «liulhurdt). 98. Jahrgang. Var Aichtigrle vom Lage. * Aus Anlaß Les 50 j ährizen Bestehens das preußischen Herrenhauses hat der Kaiser zahlreiche Auszeichnungen verliehen. (S. Dtsch. Reich.) * Das preußische Abgeordnetenhaus überwies gestern die Hibernia-Vorlage der Budgetkommission. (S. Parlamentsbericht.) * Die Meldung vom Rücktritt des Ober präsidenten Nasse wird dementiert. * Die Kanalkommission trat gestern in die zweite Lesung ein. * Die Alb reise des Grafen Posadowsky von Wien fand auffallenderweise ohne die üb liche Verabschiedung auf dem Bahnhcfe statt. (S. Deutsches Reich.) * Die berühmte Schauspielerin Fanny Ianau - schek ist gestorben. (S. Feuilleton.) * In der römischen Apostelkirche ist gestern der inter- nationale marianischeKongre ß zum 50jährigen Jubiläum -er Lehre von der unbefleckten Em pfängnis eröffnet worden. (S. Ausland.) * Sonntag nacht drang eine 100 Mann starke griechische Bande in das bulgarische Torf Zelnic im Wilajet Monastir ein. 13 Personen wurden g e - tötet. (S. Ausland.) * In der Thronrede des Mikado ist gestern eine Vorlage über die Bestreitung der außerordent lichen Kriegsausgaben angekündigt worden. (S. russ.-jap. Krieg.) Livillirie «na Apanagen. Der Staatshaushalts-Etat der nächsten sächsischen Finanzperioden wird an Gebührnissen der königlichen Familie nur 3 797 000 statt bisher 4 080 000 -F, also einen Minderaufwand von 283 000 aufweisen, vor ausgesetzt, daß die dem außerordentlichen Landtag von der Regierung gemachte Vorlage zu den Kapiteln 22 und 23 des ordentlichen Etats angenommen wird. Und daran ist wohl nicht zu zweifeln. Die Vorlage ist offenbar von dem Gesichtspunkte aus aufgestellt, daß die gegenwärtigen wirtschaftlichen Ver hältnisse des Landes unbedingt zu berücksichtigen sind, und es wird im ganzen Lande einen sehr erfreulichen Eindruck machen, daß dec König gewillt ist, seine Ein nahmen und Ausgaben dadurch in Einklang zu bringen, daß er in allen Zweigen seiner Hofverwaltung eine weise Sparsamkeit durchführen läßt und nicht dadurch, daß er eine Erhöhung der Einnahmen befürwortet. Freilich, ganz leicht wird die beabsichtigte Reduktion der Ein- nähmen nicht sein: denn ein übertriebener Luxus, dessen Einschränkung große Ersparnisse verhieße, ist am säch sischen Hofe seit Menschengedenken nicht zu finden gc- wesen, und andererseits wird der größte Teil der Zivil liste durch die Hoftheater, sowie durch die Besoldungen und Pensionen der Hofbeamten absorbiert. An diesen beiden Stellen dürften sich Abstriche kaum ermöglichen lassen. Das diensttuende und pensionierte Personal des Königshofes ist dadurch unverhältnismäßig groß ge- worden, daß bei den beiden kurz aufeinander folgenden Thronwechseln jedesmal der Hofstaat des Thronfolgers in den königlichen Hofhalt mit übernommen werden mußte. Dem König Friedrich August erwachsen im übrigen auch noch aus der Unterhaltung und Erziehung seiner fünf Kinder besondere Ausgaben. Bei dem letzten im Jahre 1902 eingetretenen Thron wechsel ist die Zivilliste auf Grund des zwischen der Krone und den Ständen getroffenen Ucbereinkommens von 3 052 000 für die Zeit vom 1. Juli 1902 bis zum 31. Dezember 1903 auf 3 500 000 und für die Zeit vom 1. Januar 1904 ab mit Rücksicht darauf, daß den Königlichen Hofbeamten und Dienern von diesem Zeit- punkte ab Wohnungsgeldzuschüsse zugebilligt werden sollten, auf jährlich 3 550 000 festgesetzt worden. Schon damals wurde festgcstcllt, daß die Herstellung des Gleichgewichts zwischen Einnahmen und Ausgaben sich nur bei Durchführung wesentlick-cr Ersparnismaßregeln werde ermöglichen lassen. Die Z i v i l l i st e ist in der Regierungsvorlage un verändert eingestellt, ebenso das 210 000 betragende Wittum der Königin-Witwe Carola. Die Be züge des Prinzen Johann Georg gehören nicht hierher: denn diese, 262 083 fließen ans dem Ver mögen der Sekundogenitur. Eine Veränderung ist nur in Bezug auf die Apanage der Prinzessin Ma- thilde eingetreten. Diese ist auf Grund der Bestim- mungen des HauSgesetzes der Krone mit 12 000 Talern Konventionsgeld gleich 37 000 eingestellt, Außer dem stehen der Prinzessin, als einer nachgelassenen Tochter des Königs, nach dem Hausgesctzc noch 6000 Tckler Konventionsgeld gleich 18 500 zur Einrichtung. des eigenen Haushalts zu. In Wegfall kommt dagegen die bisher von der Prinzessin bezogene Apanage von 20 000 o// und vom 1. Februar 1905 ab die Kron- prinzen-Apanage von 300 000 Tas Land hatte an Gebührnissen der königlichen Fa milie bisher auszubringen 3 550 000 -/k Zivilliste 210 000 „ Wittum der Königin 300 000 „ Apanage des Kronprinzen 20 000 Apanage der Prinzessin Mathilde Sa. 4 080 000 in Zukunft 3 550 000 Zivilliste 210 000 „ Wittum der Königin 37 000 „ Apanage der Prinzessin Mathilde Sa. 3 797 000 Obwohl die Regierungsvorlage sich durchaus in den Grenzen hält, welche durch den »tatu» guo aato und das Hausgesetz gezogen sind, scheinen die Stände sie doch mit aller Gründlichkeit und unter strenger Innehaltung des parlamentarischen Herkommens durchberaten zu wollen. Wenn die Vorlage, wie es scheinen will, erst an die Deputationen verwiesen wird, ist eine längere Aus dehnung der außerordentlichen Session unumgänglich. 2. ver mrrirch-japamrcde Krieg. Englands geschäftlicl?e „Neutralität". Das „Berl. Tagebl." bringt folgende Zusammen stellung: Schon mehrfach lxrbcn wir darauf hingewiesen, wie wenig Veranlassung die Engländer haben, andere Nationen, insbesondere Deutschland, der Verletzung der Neutralität durch Kriegslieferungen an die kriegführenden Mächte zu bezichtigen. Wenn irgend ein Land, so ist es England, das diese Kriegslieferungen im großen Stile betreibt. Wie schon früher, so sind auch in den letzten Tagen wieder an verschiedenen Stellen Nach richten aufgeblitzt, die dartun, daß die Engländer iin KriegsgesMft durchaus nicht so blöde sind, wie sie gern glauben machen möchten, und lustig sowohl Freund wie Feind, Japan wie Rußland, mit Kriegsliefe rung c n — als da sind Schiffe, Kohlen, Munition und Proviant — bedienen. So melden die „Preß Asso ciation" und ausführlicher noch der „Standard" aus Cardiff, daß die japanische Regierung mit drei dor tigen Kohlenfirmcn große Abschlüsse auf Kohlen- lieferung getroffen habe — am Montag verkaufte eine der besten Kohlengruben der Admira lität 10 000 Tonnen Kohlen, wie es heißt, an Japan — und daß die englischen Geschäftsleute nun Schiffe nach Shanghai oder Japan suchen. Aus dem Hafen von London entweicht, wie nicht mehr zu be zweifeln ist, bei Hellem lichten Tage ein auf der Werft der Herren Narrow L Cor. an der Themse gebauter Torpedojägcr namens „Carolina": er sieht aus wie eine harmlose Turbinenvcrgnllgungsjacht. Tie Behörden „glauben", es handele sich um eine Probefahrt. Als man des „Irrtums" inne wird, ist das Schiff bereits in Libau eingetroffen und abgenommen. Ta englische Torpedojäger wie Vergnügungsjachten auszusehen ver mögen, so erklärt es sich, wenn man der Tatsache, daß neuerdings eine französische und zwei englische Jachten den Suez Kanal passierten, „Aufmerksamkeit geschenkt" hat. Nach den letzten Meldungen glaubt nian, daß diese mysteriösen Jachten im Dienste der russischen Admiralität nautische Feststellungen für die nachfolgende baltische Flotte vornehmen sollen. Eine von ihnen, die „Emerald", gehört dem britischen Parlaments- Mitglieds Chri st opher Furneß. Aus S a n Francisco meldet der „Taily Expreß", daß ein nor wegischer und ein englischer Dampfer gechartert werden, um Eisenbahnschienen zur Reparatur der man- tschurischen Bahn nach Japan zu bringen, und daraus, daß der am 16. Oktober mit Lebensmitteln und Schieß vorräten nach Korea abgegangene englische Dampfer „Jnverneß" zur Zeit vermißt wird, schließt man in England, daß er in die Hände der Russen gefallen sei, wie am 23. November der englische Dampfer „Tungchow" in die Hände der Japaner. Die „Tungchow" hatte vor, 30 000 Tosen Büchsenfleisch von Shanghai nach Port Arthur zu bringen. Wenn so viele Nachrichten über englische Geschäfte mit den kriegführen den Mächten in zwei bis drei Tagen laut werden konnten, so läßt das aufs neue vermuten, daß die Verdächtigung der deutschen Neutralität durch die britische Presse ledig- lich bezweckt, die öffentliche Aufmerksamkeit nach Mög- lichkeit von dem geschäftlichen Treiben der englischen Handelswelt abzulenken. Es wäre der britischen Presse dringend zu raten, die alte Mahnung zu beherzigen, daß, wer im Glashause sitzt, nicht mit Steinen werfen soll. Der fchrve-lsche Gesandte «nd die Mystifikation. Die dem „H. C." aus Petersburg gemeldet wird, tritt der dortige Gesandte von Schweden und Norwegen, Graf Gyldenstolpe, dem in der Presse ver breiteten Gerücht entgegen, wonach japanische Minenboote sich in den schwedischen Gewässern befanden und wonach weiterhin iapanische Offiziere an der schwe dischen Küste gelandet seien. Neber die Stürnierabteilungen, die vor Port Arthur unter den japanischen Gene ralen Nakamura und Saito besonders ausgebildet worden sind werden und von unterrichteter Seite folgende inter essante Einzelheiten mitgctcilt: Derartige Abteilungen traten zuletzt in dem großen Satsumaaufstandc im Jahre 1877 auf. Sie waren aus Rittern. Leuten der Krieger kaste, den Samurei, gebildet. Eine nur aus Offizieren zusammengesetzte Sturmkolonne würde bei uns jener Truppe etwa entsprechen. Das von den Vätern ererbte Schwert in der Faust, so gingen sie damals in wütendem Anlauf vor. Heute hat man ihnen zu dem guten alten Schwert noch eine moderne Waffe, die Handgranate bei- gegeben. Geniäß dem höheren Range, in dem jeder ein zelne dieser Truppe früher stand, war der Kommandoton auch ein anderer. Sie wurden als Kavaliere angc- sprockien, indem der General etwa in folgender Welle sich an sie wandte: „Meine Herren, Sie würden dem Kaiser eine große Freude bereiten, wenn Sie die Güte haben würden, diese Befestigung hier zu nehmen!" ..Das letzte Vierteljahrhundert hat in Japan so vieles verändert, daß wahrscheinlich auch die Anrede an die Sturmkolonne vor Port Arthur nicht mehr so gelautet hat. Aber ähnlich dürste sie gewiß geklungen haben, nachdem man seine Zuflucht zu dem alten Nitterstande und seinem erprobten kriegerischen Geiste genommen hat. Ein braver Soldat. Am 30. September erschossen, wie der „Frkf. Ztq." aus Tokio gemeldet wird, die Japaner einen russi - schen Soldaten, der, als Chinese verkleidet, Spionen dien sie verrichtete. Die Unerschrockenheit und der Mut des Russen hat den Japanern so gefallen, daß sie nach der Exekution folgenden Brief an das rus sische Hauptquartier sandten: Wassili Ljabow, 33 Jahre alt, ein Gemeiner im 287. Regiment, wurde als Chinese verkleidet am 28. September durch unsere Armee gefangen genommen. Er gestand die Tatsache ein, daß er sich zum Spionen- Dienste freiwillig gemeldet habe und geschickt worden sei, um unsere Stellungen, Bewegungen und Dispo sitionen zu erforschen. Nach der Verhandlung vor dem Kriegsgerichte wurde der Mann zum Tode verurteilt und am 30. September hingerichtet. Indem wir Ihnen diesen Vorfall mitteilcn, fühlen wir uns gedrungen, den Wunsch auszusprechen, daß Ihre Armee viele solche tüchtige und ehrenbafte Soldaten besitzen möge, wie Ljabow einer lvar. Als man ihn vor der Hinrich tung fragte, ob er noch etwas zu sagen habe, antwortete er, er habe nichts zu sagen, da er sterbe für den Zaren, sein Vaterland und seine Religion. Man sagte ihm darauf, daß seine Eltern und seine Frau Won seiner Vaterlandsliebe und von seinen: heroischen Tode Mit teilung bekommen würden und fragte ihn, ob er irgend etwas an jene auszurichten habe. Er antwortete wie vorher ablehnend und fügte hinzu, daß er nicht fähig sei. die Dankbarkeit, die er gegen uns fühle, auszu drücken. In diesen: Augenblicke konnte er sich nicht enthalten, zu weinen. Nachdem er um Erlaubnis gc- fragt, bekreuzigte er sich, kniete nieder und betete still. Alle Anwesenden waren tief gerührt. Unsere Svm- pathie für diesen idealen Soldaten, der in sich solche Tugenden vereinigt, läßt sich nicht ausdrücken. Das japanische Parlament. Nach einer Meldung aus Tokio ist gestern das Parlament feierlich vom Kaiser mit einer Thronrede er öffnet worden, in der er erklärt, daß die Beziehungen zu allen neutralen Mächten zunehmend freund schaftliche seien. Tie Thronrede kündigt eine Vor lage über dieBestreitung der außerordent lichen Kricgsausgaben an. veutscdes Keich. Leipzig, 30. November. * Tcm Bnlow-Iutcrvirw des Herr« Bashford möchten die berufsmäßigen Schönfärber gern eine gute Presse nach- fagen, versteht sich: eine gute englische Presse, denn auf die Wirkung in England war die Auslassung berechnet. Wir verzeichnen also durch gütige Vermittelung des offiziösen Depeschenbureaus folgendes Londoner Telegramm vom 30. November: Von Londoner Morgenblättern sprechen sich „Daily Graphic" und „Daily Chronicle" zu dem Interview mit dem deutschen Reichskanzler aus. Beide begrüßen die Aeußerungen Les Grasen Bülow mit freudiger Zustimmung Der „Daily Ebro- nicle" ist jedoch zurückhaltender als der „Daily Gravknc". Letzterer sagt, die Entfremdung, die zwischen den beiden Nationen entstanden sei, könne von allen denkenden patriotischen Bürgern der beiden Länder nur bedauert werden. Die englische Politik gehe dahin, mit allen Mächten freundschaftliche Beziehungen zu pflegen und mit Deutschland auf friedlichem Fuße zu leben, sei besonders wünschenswert. Nicht allein Bande des Blutes, der Religion und der Geschichte müßten auf den Frieden zwischen beiden Ländern hinwirken, sondern auch die Tatsache, daß beide Länder eines an dem andern einen reichen Absatzmarkt besäßen. Das Blatt ist erstellt, daß man sich in Zukunft darauf verlassen könne, daß Graf Bülow alle Bemühungen darauf richten werde, die alte Freund schaft zwischen beiden Ländern wieder herzustellen." Dem gegenüber ist es nun doch nötig auch mitzuteilen, was haS immer noch bedeutendste Blatt England«, die „Times", sagt. Die „Time«" beschäftigen sich kurz mit der Unterredung am Schlüsse eines zusammensassenden Leit artikels Uber den Inhalt der neuen HeereSvorlage und be merken: „Der deutsche Reichskanzler scheint die Haltung der eng lischen Meinung und ssich selbst etwa? mißzuverstehen. Er stellt sich und Deutschland als unschuldige Opfer unvernünftiger, bri tischer Feindseligkeit dar und mißbilligt deshalb die schroff« Sprache und di« heftigen, angeblich unverdienten Urteile feiten« eines Teils der britischen Presse. Gegen das deutsche Volk liegt unseres Wissens keine Feindschaft noch böser Wille unter der großen Mehrheit des britischen Volke« vor. Die Abneigung gegen die zuweilen von der deutschen Regierung eingeschlagene» in) auf ihre Anregung von der beeinflußten Presse befür worteten Methoden kann aber billigerweise nicht als unnatür lich bezeichnet werden. Die Freundschaft«- und Bewunderung«. Versicherungen des Grafen Bülow und der Nachdruck und Abscheu, womit er den Gedanken abweist, daß die Pläne für Deutschlands Zukunft auf dem Wasser auch die Absicht einschlössen, England mit Krieg zu überziehen, sind uns willkommen. Wir möchten indessen daran erinnern, daß der Gedanke selbst in den ausdrücklichen Er klärungen von sehr angesehenen Deutschen wurzelt, die keineswegs alle bloße Gelehrte waren, wie Treitschke, den der Kanzler etwas lahm zu entschuldigeu sucht, und daß der allgemeine Lauf der öentschen Politik uns gegenüber nicht derart gewesen ist, um in den Augen Lenkender und mit der preußischen Geschichte vertrauter Männer die Idee zu diskreditieren, daß die deutschen Flottenrüstungen auf einen Krieg mit England ab zielen." Wir brauchen angesichts dieser Wirkung nur zu wieder holen, was wir bei Besprechung der Bülowschen Auslassungen erklärt baden: durch so sanfte Flötentön« sind die Herren Engländer nicht zur Raison zu bringen. Bei der Gelegenheit wollen wir noch die ausfällige Tat sache erwähnen, daß auch die „Franks. Zig.* ebenso wie unser Blatt die ominöse Lesart bringt: „Es wird ost gesagt, daß Bismarck ein Englandhassec gewesen ist; daS ist nicht wahr, was wir auch wüst von seiuer inneren Politik halten mögen." Nun baden wir uns zwar selbst überzeugt, daß dem in Leipzig verbreiteten Text eine verstümmelte Depesche zugrunde lag „wir" statt „Sie"-. Immerhin ist es doch merkwürdig, daß auch nach Frankfurt der falsche, resp. verstümmelte Text gedrahtet ist. Wenn eS ein Zufall sein sollte, wie wir an nehmen, so ist es jedenfalls ein sehr auffälliger Zufall. — Dem in der Presse geäußerten Wunsch, daß in den Verlust- listen auch der Geburtsort usw. der in Südwestafrika Ge fallenen oder Verstorbenen künftig mit ausgenommen werden möchte, wird, wie die „Neue politische Correspondenz" mitteilt, von den zuständigen Behörden gern entsprochen werden. — Wir registrieren diese Meldung mit doppeliem Vergnügen, einmal wegen des damit dokumentierten Entgegenkommens der Behörde und dann als Beweis dasur, daß die Presie doch manchmal zu etwas gut ist. * Berlin, 30. November. * Zur Reform de« Militärftrasprozcsies. Von den frei sinnigen Parteien des Reichstags ist nachfolgende Resolution Müller-Meiningen-Payer zur zweiten Beratung des ReichShauShaltS-ElatS für die Verwaltung des ReichsheereS eingebracht worden: Der Reichs! ag wolle beschließen, den Herrn Reichskanzler zu ersuchen, daiür zu sorgen: 1) daß zugleich mit der beginnenden Reform des Bürgerlichen Strafgesetzbuchs eine durch greifende, den modernen Anschauungen entsprechende, allgemeine Reform des Reichs-Militär-Strafgesetzbuchs angebahnt werde; 2) daß noch vor dieser, vermutlich geraume Zeit in Anspruch nehmenden allgemeinen Reform die grüßten Härten des bestehenden Militärstrafgesetzbuchs durch eine spezielle Gesetzgebung beseitigt werden, welche u. a. in dem Mißverhältnis der Strafbestimmungen über Verfehlungen Untergebener gegen- über Vorgesetzten zu denjenigen über Delikte der Vorgesetzten bestehen; 3) daß dem Reichstage alsbald praktische Normen der Militärstrafgerichtsordnung über den Ausschluß der Oeffent- lichkeit (und mit Angabe des Vcrhandlungsgegenstandes, der Charge des Angeklagten, der Ausschlußgründe usw.) vorgelegt werden; 4) daß nicht durch Maßregeln der Militärverwaltung (Wahl des Verhandlungsraums usw.) die gesetzlichen Bestimmungen über die Ocfsentlichkeit der Verhandlungen vor dem Militärgericht illusorisch gemacht werden. * Tic HandelSvcrtragSverhandlungen in Wien müssen in ziemlich schroffer Form abgebrochen worden sein, das man selbst in dem befreundeten Wien nicht einmal die ein fachsten Regeln der Höflichkeit beobachtet bat, wie aus folgender „L.-A."-Meldung aus Wien ersichtlich ist: Gras Posadowsky reiste heule Vormittag 9 Uhr mit den deutschen Teilnehmern an den Handclsvertragsverhandlungen von Wien ab. Auf dem Nordwcstbahnhofe war nur der deutsche Botschafter Graf Wedel anwesend, der mit dem Staatssekretär ein längeres Gespräch batte. Es mußte auffallen, daß keiner der höheren österreichischen und ungarischen Beamten, die an den Handelsoertragsverhandlungen teilnahmen, und kein Beamter des Auswärtigen Amtes zur Ver- abschiedung erschienen war. Ein österreichischer Staatsmann antwortete auf die Frage, ob die Abreise des Grafen Posadowsky von Wien eventuell politische Nachwirkungen habe: „Fürst Bismarck hat gesagt, daß gute Handelsverträge nicht unbedingt mit guten poli tischen Beziehungen verbunden sein müssen. Gewiß ist jevoch, daß diese Wendung keinen Vorteil für die politischen Be ziehungen bedeutet und sie sicher nicht fördert." * Schöne Aussichten. Den sozialdemokratischen Reichs tagsabgeordneten für Nürnberg, Sübekum, den vielgenann ten Beschützer der Prinzessin Luise von Coburg, lassen die Lorbeeren seines österreichischen Kollegen nicht schlafen. Nach den „B. N. Nachr." erklärte Südekum in einer Volksver sammlung in Nürnberg: es sei hoch an der Zeit, im Reichs tage über gewisse Personen — wie es Pernerstorffer im österreichischen Reichsrate getan — Gericht zu halten. Man kann sich also auf außergewöhnliche sozialdemokratische Tira den im Reichstage gefaßt machen. * Vom «orpSstudcuten zum tüeheimrat. Im „Archiv für Sozialwissenschaft" fällt Professor Max Weber folgen de» scharfe Urteil über die preußische Verwaltung und das KorpSstudentenlum: Eine noch weitere Steigerung der Schwerkraft der privile- gierten Talentlosigkeit in der preußischen Verwaltung kann heute wahrfcheinlich niemand für ein Bedürfnis ansrhen. Und von den alten preußischen „Traditionen" ist heute in Preußen nicht mehr viel übrig — sie leben, wie auch der entschiedenste Feind jede« „Partt- kularismuS" anerkennen muß, in manchem kleineren Staat reiner fort, al» in Preußen und sind etwas ganz andere«, al« wa« heute dort so genannt wird. Vollend« die Produkte de« modernen Parvcnü-FideikommisfrS sind wahrlich nicht ihr« Träger. Sie sind vielmehr — wiederum ohne erfreuliche EmzelauSnahmeu irgendwie zu betreiten — man kann sagen: notorisch iuud an« sehr versthp^.
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